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{width="7.480277777777777in"
height="1.1544444444444444in"}Aus der Essay-Reihe Präsident Ikedas
Das Leben ist wundervoll
Ich traf Nelson Mandela, den früheren Präsidenten der Republik Südafrika bei zwei Gelegenheiten. Man sagt, dass eine Nation sich glücklich schätzen könne, deren Anführer ein so strahlendes Lächeln besitzt. Ich konnte mich von der Wahrheit dieser Aussage selbst überzeugen. Präsident Mandela hat eine so große persönliche Wärme, dass die Menschen versucht sind, sich an ihn wie an einen alten Freund zu wenden – obwohl er einer der bedeutenden Männer dieser Welt ist. Sein Lächeln war rein und echt wie das wertvollste Gold. Er besaß die Ausstrahlung eines Menschen, der im Schmelztiegel härtesten Leidens strengsten Prüfungen unterzogen worden war. Alle Unreinheiten waren dadurch weggeschmolzen.
Unser erstes Treffen war 1990. In diesem Jahr war er aus dem Gefängnis entlassen worden. Das zweite Treffen fand 1995 statt, ein Jahr nachdem er zum Präsidenten der Republik Südafrika gewählt worden war. Der „große Verbrecher“, der für länger als 27 Jahre wegen Hochverrats im Gefängnis gesessen hatte, wurde der Präsident seines Volkes. Ein Symbol dafür, dass die Gerechtigkeit selbst, die mit ihm eingekerkert worden war, nun wieder in seinem Heimatland zu regieren begann.
Ich begrüßte Präsident Mandela im Oktober 1990 unter strahlend blauem Himmel zusammen mit 500 Mitgliedern der Jugendabteilung im vorderen Hof des Seikyo Shimbun Gebäudes. Es war meine Absicht, diese jungen Leute dazu anzuregen, von Präsident Mandela und dem afrikanischen Volk zu lernen. In meinem Herzen sagte ich: „Seht Euch diesen Mann an! Seht diesen unbesiegbaren Menschen an, der jegliche Ruhe und Bequemlichkeit aufgegeben hat und schließlich seinen 10.000 Tage währenden Kampf im Gefängnis gewonnen hat.“ Ich hoffte, dass sie gleichermaßen als Verbündete der am härtesten Unterdrückten leben, sich auf die Seite der am meisten Benachteiligten stellen und sich mit denen zusammenschließen würden, die am meisten leiden – denn ist nicht genau dies der Geist von Nichiren Daishonin, der sich selbst „nur den Sohn eines gewöhnlichen Menschen“ (WND, 1006) und „Sohn einer Chandala Familie“ (WND, 202) nannte?
Ich wollte ihnen ans Herz legen, nicht zu Menschen zu werden, die ihrer Schwäche unterliegen und ihre Überzeugungen beim geringsten Widerstand aufgeben. ,Selbst wenn Ihr gezwungen sein solltet, Euer gesamtes Leben im Gefängnis zu verbringen‘, dachte ich, ,lebt als unbesiegbare Verfechter der Freiheit, die stolz erklären, dass sie nichts bereuen!‘ Zusätzlich zu dieser Botschaft an die jungen Leute, wollte ich meine zutiefst empfundene Dankbarkeit gegenüber Präsident Mandela zum Ausdruck bringen. Sein Kampf, die Totenglocke der Apartheid, der nationalen Politik der Rassendiskriminierung in Südafrika, zu läuten, sein Kampf vollständige Menschenrechte für alle zu erreichen, ist eigentlich der Kampf der gesamten Menschheit. Es ist ein Kampf für die Würde der menschlichen Existenz selbst.
Damit ist es der Kampf eines jeden einzelnen von uns, unabhängig von unserer Nationalität, einfach bedingt durch die Tatsache, dass wir Menschen sind. Es ist, als ob Präsident Mandela und seine Mitstreiter für Freiheit in Südafrika diesen Kampf als Repräsentanten der gesamten Menschheit aufnahmen.
Die Größe von Präsident Mandelas Zelle betrug knapp drei Schrittlängen von Wand zu Wand. Da er ein hochgewachsener Mann war, musste er zum Schlafen seine Beine anwinkeln. Er lebte 18 Jahre in dieser Zelle. „Eine Stunde war wie ein Jahr“, erinnert er sich^1^. Er war im Gefängnis, als er vom Tod seiner Mutter erfuhr. Er war im Gefängnis, als er von dem höchst zweifelhaften „unfallbedingten“ Tod seines Sohnes erfuhr. In der Zelle hörte er von den Verfolgungen, denen seine Frau ausgesetzt war. Ebenso musste er hinter Gittern erfahren, dass sein Haus niedergebrannt worden war und seine Kameraden aus der schwarzen Bürgerrechtsbewegung einer nach dem anderen getötet wurden. Er konnte nichts anderes tun als dies alles zu ertragen.
Erbarmungslos begann die Regierung sogar Kinder festzunehmen und zu erschießen. Diejenigen, die es wagten Widerstand zu leisten oder sich zu verteidigen versuchten, wurden als Terroristen betrachtet und ebenso hart behandelt.
Dennoch war Präsident Mandela ein Mann, der nicht aufgab, denn er war von seinem Glauben absolut überzeugt. Er wusste, dass keine Kraft, die sich dem Gang der Geschichte und dem Geist der Menschlichkeit entgegenstellt, am Ende siegreich sein würde. Auch wenn die Regierung ihn und seine Anhänger von dem Rest der Welt zu isolieren versuchte, wusste er, dass sich die Welt schließlich melden würde. Weil er diese hohen Ideale besaß, konnte er die Hoffnung aufrechterhalten. Wenn Anführer ihre Ideale verlieren, können sie nur noch passiv auf den Fluss der Ereignisse reagieren. Als Folge davon haben die Menschen wenig Hoffnung auf soziale Veränderungen.
Im Jahre 1978, 16 Jahre nach seiner Inhaftierung, wurde Präsident Mandela schließlich ein direktes Treffen mit seiner Tochter Zeni bewilligt. Sie hatte einen Prinzen aus Swaziland geheiratet. Dies verschaffte ihr das diplomatische Privileg eines Treffens von Angesicht-zu-Angesicht ohne dicke Wände und massive Verglasungen zwischen Vater und Tochter. Zeni brachte ihre neugeborene Tochter mit. Nachdem sie ihr Kind ihrem Mann übergeben hatte, eilte sie zu Präsident Mandela, der von Gefühlen überwältigt war, als er seine Tochter umarmte. Als er sie das letzte Mal in den Arm genommen hatte, war sie so klein gewesen wie ihre eigene Tochter an diesem Tag.
Während des ganzen Besuchs hielt Präsident Mandela seine Enkelin in seinen Armen. Er schrieb:„Ein neugeborenes Baby, dass so weich und verwundbar ist, in meinen rauen Händen zu halten, die so lange nur Hacken und Schaufeln gehalten hatten, war eine tiefe Freude. Ich glaube dass kein Mann jemals glücklicher war ein Baby zu halten, als ich an diesem Tag.“^2^
Zeni bat ihren Vater um einen Namen für das Kind. Er taufte sie Zaziwe, „Hoffnung“. Hoffnung – seine ständige Begleitung über die langen Jahre.
Hoffnung – die in seiner Gefängniszelle treu an seiner Seite blieb. Der Anblick seiner Enkelin, schrieb er später, ließ ihn an die Zukunft denken und daran, wie die Apartheid eine entfernte Erinnerung sein würde, wenn sie herangewachsen wäre. Er dachte an das Herannahen eines neuen Zeitalters, an seine Enkelin und ihre Generation – dass sie die Sonne der Freiheit genießen und stolz und furchtlos die Straßen entlang gehen würden. Er dachte an eine Zeit, in der das Land nicht von Weißen oder Schwarzen regiert würde, sondern alle Menschen gleich wären und harmonisch zusammenlebten. Mit all diesen Gedanken wählte er den Namen „Hoffnung“ für seine Enkelin^3^.
Mein zweites Treffen mit Präsident Mandela fand im Staatsgästehaus (im Juli 1995) in Tokyo statt. Präsident Mandela sagte mit einem Lächeln: „Ich erinnere mich genau an unser Treffen vor fünf Jahren.“ Er erwähnte den blauen Herbsthimmel, den warmen Empfang und die vielen jungen Leute dort. Er sagte, dass er Energie daraus gewonnen habe und niemals die Studenten der Soka Universität vergessen werde, die für ihn sangen.
Mitglieder des Pan-Afrikanischen Freundeskreises der Soka Universität hatten Präsident Mandela an diesem Tag mit dem beliebten südafrikanischen Lied „Rolihlahla Mandela“ begrüßt:
Rolihlahla Mandela Freiheit ist in Deinen Händen zeig uns den Weg zur Freiheit in diesem Lande Afrikas
Oh, Mandela, Mandela, Mandela Mandela sagt „Freiheit jetzt!“ zeig uns den Weg zur Freiheit in diesem Lande Afrikas.
Präsident Mandela war von diesem Empfang hocherfreut. Was dachte er, als er in die funkelnden Augen der Studenten blickte? Vielleicht an die jungen Menschen aus seinem Homeland, denen die Möglichkeit für höhere Bildung entzogen worden war? Für die Jugendlichen seines Landes hatte dieser Held Unerträgliches ertragen.
„Die Universität des Nordens“, sagte mein ältester Sohn Hiromasa als er aus Südafrika zurückkehrte, „ist wirklich ziemlich abgelegen. Südafrika schien von Japan nicht besonders weit entfernt zu sein. Als wir jedoch in Südafrika landeten, lag noch eine ziemlich weite Reise bis zur Universität vor uns.
Ich hatte den Eindruck noch einen Anflug der Realität der Apartheid zu erleben.“
Mir wurde von der Universität des Nordens der Ehrendoktor für Erziehung verliehen. Ich schickte meinen Sohn, der an meiner Stelle an der Verleihungszeremonie teilnahm. Präsident Mandela war von 1992 bis 1997 Kanzler dieser Universität. Die Zeremonie fand im September 1995 statt, zwei Monate nach meinem Treffen mit Präsident Mandela in Tokyo.
Wie der Name vermuten lässt, liegt die Universität im Norden des Landes – ungefähr 345 Kilometer von Johannesburg entfernt. Hiromasa erzählte, dass er mit einem Propellerflugzeug hinflog und mit einem Auto zurückkehrte. Er berichtete mir: „Die rote afrikanische Erde scheint sich ewig weit zu erstrecken. Die Universität selbst befindet sich mitten im Nichts. Man sagte mir, dass es für einen Japaner eine Seltenheit ist, überhaupt dorthin
zu kommen.“
Die Universität des Nordens liegt in Turfloop, am Stadtrand von Pietersburg.
Sie wurde als eine der fünf speziellen „nicht weißen“ Universitäten Südafrikas gegründet und war ausschließlich für schwarze Afrikaner vorgesehen. Sie war eines der Ergebnisse der rassendiskriminierenden Erziehungspolitik der Regierung – auch unter dem Namen „Bantu Erziehung“ bekannt. Präsident Mandela schrieb, dass das Ziel dieses Gesetzes war, Kindern beizubringen, dass Afrikaner von Natur aus weniger Wert seien als Europäer. Die Politik der südafrikanischen Regierung vertrat die Meinung, dass einige Rassen von Natur aus mehr Wert, während andere Rassen gleichermaßen naturgegeben minderwertiger seien. Dieser Anspruch wurde auch von den Nazis vertreten und von den Japanern gegenüber ihren Kolonien vor der Niederlage im zweiten Weltkrieg verfochten. All diese Ideologien haben eines gemeinsam: sie versuchen, Menschen in ihrem tiefsten Sein zu versklaven. Die Verbreitung der „Bantu Erziehung“ der südafrikanischen Regierung wurde als eine „erschütternde Deklaration“ beschrieben, als „ein Angriff auf das Mark des afrikanischen Ethos“^4^. Die Verfasserin von Nelsons Biographie schreibt zu diesem Thema: „Nelson fragte sich, was verderblicher sei – die Häuser der Menschen niederzuwalzen, oder das Gleiche auf geistiger Ebene durch finstere Erziehungsprogramme zu bewerkstelligen.“^5^
Die Studenten schlugen zurück. Auch wenn sie selbst in Ghettos leben mussten, die Wahrheit ließ sich nicht einsperren. Mit den Jahren entwickelte sich die Universität des Nordens zu einem Zentrum der Anti-Apartheidsbewegung. Die Studenten boykottierten Vorlesungen, hielten Demonstrationen ab, leisteten den Sicherheitskräften Widerstand und erlebten zahllose Schließungen der Universität. Wenn sich ihre Demonstrationen für Demokratie auch nur eine Fußbreite außerhalb des Campus abspielten, wurden die Studenten angegriffen und inhaftiert.
Es bewegte mich sehr, dass der Ehrendoktortitel an mich der erste überhaupt war, den die Universität des Nordens seit Geburt der neuen Republik Südafrika (1994) verliehen hatte. Die Universität ist nun von einer abgelegenen Insel des Lernens in der Mitte des Nichts zum Mittelpunkt der Entwicklung in ihrer Region geworden. Die Zeremonie im Auditorium der Universität war Bestandteil einer Graduierungszeremonie. Der Kanzler Mandela sandte mir freundlicherweise eine Gratulationsbotschaft, die bei dieser Gelegenheit verlesen wurde. Eine frühere Abschlusszeremonie der Universität des Nordens war zu einem geschichtlichen Ereignis geworden. Bei der Veranstaltung am 29. April 1972 schockierte einer der Studenten in seiner Rede die Zuhörerschaft durch offen ausgesprochene Kritik an der diskriminierenden Erziehungspolitik der Regierung sowie an den Autoritätspersonen der Universität, die sie umsetzten. „Jenen, die die Politik der Apartheid von ganzem Herzen unterstützen sage ich: Denkt Ihr, dass die weiße Minderheit bereitwillig politischen Selbstmord begehen kann, indem sie zahllose Staaten hervorbringt, die sich in der Zukunft als feindlich erweisen dürften?“^6^ Der Student Onkgopotse Ramothibi Tiro, der diese Bemerkungen machte, war – wie die meisten seiner Studienkollegen – ein armer Jugendlicher. Er finanzierte sein Studium, indem er in Manganminen arbeitete, Geschirr wusch und Gelegenheitsarbeiten verrichtete. Aber die Erziehung, für die er so hart arbeitete, lehrte ihn nur, ein weiteres Rädchen im dem Getriebe zu werden, das das nationale System der Rassendiskriminierung unterstützte. Er erklärte:
Wir schwarzen Universitätsabsolventen sind aufgrund unseres Alters und unseres akademischen Status dazu aufgerufen, eine größere Verantwortung für die Befreiung unseres Volkes zu tragen. Unsere so genannten Anführer sind Zahnräder derselben Maschine geworden, die uns als Nation zerstört. Wir müssen zu ihnen zurückgehen und sie erziehen. Die Zeiten ändern sich und wir sollten uns mit ihnen ändern ... Wozu ist Eure Ausbildung gut, wenn Ihr Eurem Land in der Stunde der Not nicht helfen könnt? Wenn Eure Ausbildung nicht mit dem gesamten afrikanischen Kontinent verbunden ist, ist sie bedeutungslos ... Der Tag wird kommen, an dem alle die Luft der Freiheit atmen können, die ihnen zusteht. Wenn dieser Tag gekommen ist, wird niemand, ganz gleich wie viele Panzer er besitzt, den Gang der Ereignisse umdrehen können.^7^
Für diese Worte wurde Hr. Tiro von der Universität verwiesen, aber er blieb als Anführer der Südafrikanischen Studentenbewegung (SASM) weiter aktiv. Am 4. Februar 1974, als er im benachbarten Botswana im Exil lebte, öffnete er ein Paket, das ihm per Post zugeschickt wurde. Es explodierte und tötete ihn. Er war 28 Jahre alt.
Während seines kurzen Lebens war er immer damit befasst, sich für die Armen und Unterprivilegierten zu engagieren. Sein Motto lautete: „Es ist besser für eine Idee zu sterben, die leben wird, als für eine Idee zu leben, die sterben wird.“
Der Wert einer Universität wird nicht an ihren Einrichtungen und Gebäuden gemessen. Berühmte Akademiker an der Fakultät zu haben, macht sie auch nicht erstklassig. Es gab in der Tat Professoren auf der Welt, die der Apartheid nur allzu bereitwillig „wissenschaftliche“ Rückendeckung gaben. Der Wert einer Universität lässt sich daran messen, wie die höhere Bildung, die sie vermittelt, in die Praxis umgesetzt wird.
In der Rede, die Mandela 1992 bei seiner Amtseinführung als Kanzler der Universität des Nordens hielt, lobte er jene mutigen Studenten, die ins Gefängnis geworfen wurden, oder die den Mut besaßen, gegen die Apartheid zu kämpfen, selbst wenn sie deswegen ins Exil gehen mussten. Oben auf der Liste dieser jungen Helden nannte er Herrn Tiro. Präsident Mandela weigerte sich, diejenigen zu vergessen, die ihr Leben in der Dunkelheit gelassen hatten, bevor sie auch nur einen Schimmer der aufgehenden Morgenröte der Freiheit erleben konnten.
Die ersten freien Wahlen in Südafrika fanden im April 1994 statt. Das war die Geburt eines neuen Zeitalters für die Nation. Es war ein langer, langer Weg gewesen, die grundlegenden Menschenrechte für alle Menschen zu erringen, sodass sie – unabhängig von Rasse oder ethnischem Hintergrund – ihre Stimme abgeben konnten. Als Präsident Mandela zur Wahlkabine schritt, sah er im Geiste die Gesichter aller Freunde, eines nach dem anderen, die auf dem Weg gestorben waren. ,All diese Männer, Frauen und Kinder‘, dachte er ,haben ihr Leben dafür gegeben, dass ich und meine Kameraden hier in Südafrika heute soweit gekommen sind.‘ Er konnte sie nicht vergessen. Er würde sie niemals vergessen können. Sie waren alle in seinem Herzen lebendig, unterstützten und ermunterten ihn weiterzukämpfen, weiterzugehen für den Sieg von Wahrheit und Gerechtigkeit: „Ich ging nicht alleine zur Wahl an diesem 27. April. Ich gab meine Stimme mit allen zusammen ab“, schrieb Präsident Mandela^8^. Wenn alle Anführer diesen Geist teilten, gäbe es keine Korruption.
Die tiefgründigste Philosophie wird von denen geboren, die am schwersten unterdrückt werden. Präsident Mandela war inhaftiert. Gleichzeitig war ihm bewusst, dass alle Südafrikaner im riesigen Gefängnis der Apartheid lebten.
Aus diesem Grund schlug er alle Angebote seiner Schergen aus, ihn freizulassen, falls er sich kompromissbereit zeige und seine Überzeugungen widerrufe. Natürlich wünschte er sich Freiheit. Doch wenn dies bedeutete, dass seine afrikanischen Mitmenschen nicht ebenfalls befreit würden, konnte er auch nicht frei sein. „Freiheit ist unteilbar. Die Ketten jedes einzelnen meiner Leute sind die Ketten aller, und die Ketten aller waren meine Ketten“, schrieb er später^9^.
Je großartiger ein Mensch ist, desto mehr Liebe hat er in seinem Herzen.
Präsident Mandelas Liebe galt auch nicht nur seinen schwarzen afrikanischen Mitmenschen. Er erinnerte sich:
Während dieser langen und einsamen Jahre wurde aus meinem Hunger für die Freiheit meines eigenen Volkes ein Hunger nach Freiheit für alle Menschen, weiß und schwarz. Es war mir völlig klar, dass der Unterdrücker ebenso wie der Unterdrückte befreit werden muss. Ein Mensch, der einem anderen die Freiheit nimmt, ist ein Gefangener seines Hasses. Er sitzt hinter den Gittern des Vorurteils und der Engstirnigkeit ... Die Unterdrückten und die Unterdrücker sind gleichermaßen ihrer Menschlichkeit beraubt^10^.
Ein Mann, der die Hälfte seines Erwachsenenlebens seiner Freiheit beraubt war, lehrt uns die tiefe Bedeutung der Freiheit. Die heilige Essenz der Freiheit liegt in unerschütterlicher Überzeugung. Nur diejenigen, die ihren Überzeugungen gemäß leben, ohne sich von ihrer Umgebung versklaven zu lassen, sind wirklich frei. Wie Präsident Mandela sagte: „Frei zu sein bedeutet nicht einfach seine Ketten abzuwerfen, sondern auf eine Art und Weise zu leben, die die Freiheit anderer achtet und fördert.“^11^
Wir diskutierten bei beiden unserer Treffen die Wichtigkeit der Erziehung, um diese Lebenseinstellung zu fördern. „Auf lange Sicht gesehen ist Erziehung die grundlegende Ursache für das Wachstum einer Nation. Dies ist meine unveränderliche Überzeugung“, sagte ich. „Junge Menschen haben eine Schlüsselfunktion“, betonte ich. „Alles hängt davon ab, ob wir junge Menschen mit starker Überzeugung und echter Weisheit hervorbringen können.“ Präsident Mandela lächelte zustimmend und sagte: „Orden können eines Tages zerstört werden. Auszeichnungen können verbrennen, verloren gehen oder gestohlen werden. Worte von Weisheit jedoch sind unvergänglich. Sie
sind der größte Schatz.“
Aus diesem Grund sage ich immer wieder zu unseren Jugendlichen: Seht Euch diesen Mann an! Folgt dem siegreichen Beispiel dieses heldenhaften Menschen. Er hat mit seinem eigenen Leben die unsterbliche Philosophie der Liebe zur ganzen Menschheit bewiesen!
Nelson Mandela, der ehemalige Präsident Südafrikas, wurde im Juli 1918 geboren. Er ist 84 Jahre alt. Er war von 1962 bis 1990 als Anführer der Widerstandsbewegung gegen die Apartheid im Gefängnis. 1992 wurde er zum Kanzler der Universität des Nordens ernannt. Zwei Jahre später (1994) wurde er zum Präsidenten von Südafrika gewählt. Er blieb auch nach seinem Amtsrückzug im Jahre 1999 sehr beliebt und genießt weiterhin internationales Interesse. Er engagiert sich bei der Schlichtung internationaler Konflikte, für das Wohlergehen der Kinder, im Kampf gegen AIDS und unterstützt den weltweiten Kampf für Menschenrechte.
Ursprüngliche Übersetzung aus der Ausgabe vom 18. Mai 2003 des Seikyo Shimbun,Tageszeitung der Soka Gakkai
Übersetzt aus dem Englischen aus: Fatima Meer, Higher Than Hope(New York: Harper & Row, Publishers, 1988), S. 215
Brown and Company, 1994), S. 431 3 ebd. 4 Meer, S. 67 5 ebd.
6 Die Rede von Onkgopotse Ramothibi Tiro an der Universität des
Nordens am 29. April 1972 7 ebd.
Mandela, S. 538
11 ebd.
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