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SGI-DEPESCHE Nr. 8

Auf der Suche nach Hoffnung

Ein Essay von SGI Präsident Ikeda, der die zentralen Themen des Friedensvorschlags vom 26. Januar 2003 ("Eine globale Ethik der Koexistenz: Hin zu einem Paradigma für unser Zeitalter, das eine "normale Lebensgröße" besitzt") zusammenfasst

Heute verlangen die Bürger überall auf der Welt von ihren politischen Führern Entscheidungen, die die Sache des Friedens voranbringen. Nach dem Ende des Kalten Krieges sind sie nun tief besorgt darüber, dass sich unsere Welt blindlings auf einen neuen und noch verhängnisvolleren Abgrund des Konflikts zu bewegt – einem Zusammenstoß, der von kulturellen und religiösen Unterschieden herrührt.

Sie sind irritiert über das groteske Ungleichgewicht zwischen unserer Zerstörungsmacht und unserem ethischen Unvermögen zu Mitgefühl und Selbstbeherrschung. Ihnen schaudert beim Anblick von millionen-Dollar-schweren Missiles, die über die Köpfe von Menschen fliegen, die mit einem oder zwei Dollar pro Tag auskommen müssen. Sie spüren, dass so eine Welt gefährlich in der Schieflage ist.

Ich glaube jedoch fest daran, dass ein solcher Zusammenstoß der Kulturen nicht unvermeidlich ist. Ich glaube, dass die Menschen ungeheure und noch unangezapfte Ressourcen besitzen – dazu gehört die Fähigkeit, eine kreative und dynamische Harmonie aus der oft verwirrenden Vielfalt unserer Welt herzustellen.

Der Schlüssel dafür ist eine neue Ethik der Koexistenz, die eine Wertschätzung unserer tiefen Verbundenheit miteinander fördert, eine Sensibilität gegenüber der Tatsache, dass alles, was einem einzigen Mitglied der Menschenfamilie zustößt auch Auswirkungen auf uns alle hat. Dies wiederum verlangt von uns allen, dass wir uns wieder auf einzelne Menschen konzentrieren – dass wir ein Paradigma oder Leitlinien festlegen, die eine „normale Lebensgröße“ haben.

Wenn Menschen die Realitäten von anderen Menschen nahe gebracht werden, dann entstehen auf natürliche Weise Gefühle der Verbundenheit und Empathie. Genau deshalb beginnen Kriege und andere Gewaltakte immer mit dem Vorgehen, den „Feind“ zu entmenschlichen. Deshalb werden die Medien in jedem Land „unser“ Leid in allen Details schildern, während das anderen zugefügte Elend klein gehalten oder ignoriert wird – denn sie sind ja eine anonyme Masse, sie sind „die anderen“.

Wenn wir in unserer Fantasie durch die Feindesländer reisen und im Geiste dem Leben derjenigen auf der anderen Seite des Bildschirms nachspüren, dann finden wir Menschen, die sich von uns nicht unterscheiden. Genau wie wir suchen sie die normalen Freuden der Gefährtenschaft und Liebe, feiern das strahlende Wachstum ihrer Kinder, beten dafür, dass ihre Eltern Sicherheit und Gesundheit erfahren können.

Das ist die Wirklichkeit, das Gewebe des ganz normalen Lebens. Und dieses Gewebe wird durch Krieg, Terrorismus und jede andere Form der Gewalt zerstört – und am Ende bleibt nur graues

Elend davon übrig. Denn letztendlich reden wir hier über die gewaltsamen Tode von geliebten Menschen. Hinter den computerspielgleichen Darstellungen befinden sich echte Menschen – irgendjemandes Sohn oder Tochter, irgendjemandes bester Freund oder Geliebter. Die Gebäude können vielleicht wieder aufgebaut werden, doch die Wunden und Narben der Gewalt heilen niemals wirklich.

Echte Führungsqualität im 21. Jahrhundert muss sich auf das feste Versprechen gründen, alles dafür einzusetzen, um dieses wertvolle Gewebe des alltäglichen Lebens zu beschützen. Die einfachen Bürger überall auf der Welt erheben ihre Stimme und bestehen darauf, dass alle Entscheidungen – einschließlich der politischen, militärischen und wirtschaftlichen – aufgrund dieser menschlichen Realitäten getroffen werden, die niemals aus den Augen verloren werden dürfen. Das gemeinsame Anliegen des menschlichen Glücks ist die stärkste Grundlage für menschliche Solidarität. In einer Welt, wo die gegenseitigen Verknüpfungen so intim geworden sind, kann sich Solidarität nicht einfach auf eine Gruppe oder Nation beschränken. Sie muss alle Menschen überall mit einschließen.

Das ist kein leerer Idealismus – davon bin ich fest überzeugt. Ich glaube nicht daran, dass die sehr realen Unterschiede in Bezug auf Kultur und Weltsicht uns auf unüberwindbare Weise trennen müssen.

So ein Paradigma in „normaler Lebensgröße“ ist gleichzeitig in seiner Anlage ein kosmisches. Wenn wir uns wirklich auf einzelne Menschen konzentrieren, dann können wir in jeder Person sehen, wie sie einzigartige Aspekte eines ganzen Universums von menschlicher Möglichkeit manifestiert – und sie tut es auf eine unschätzbare und unersetzbare Weise. Dasselbe kann von jeder Kultur und Tradition gesagt werden. Jede von ihnen ist eine wunderschöne „Welle“, die auf den ozeanischen Tiefen unserer gemeinsamen Menschlichkeit tanzt.

Frieden entsteht nicht durch passives Abwarten. Man muss mit Energie und Konzentration dafür arbeiten. Die größte „Waffe“ derjenigen, die gerne Frieden schaffen wollen, ist der Dialog – also die Weigerung, die Kraft der Sprache einfach wegzuschmeißen, wo doch gerade sie uns zu Menschen macht. Dialog und Kommunikation ist – unhabhängig vom kurzfristigen Ergebnis – bereits ein Akt des Glaubens an unsere Menschlichkeit. Es ist genau dieser Glaube, den wir unermüdlich stärken und festigen müssen. Der Kampf zu verstehen und verstanden zu werden verlangt von jedem von uns, an die tiefsten Quellen unserer Menschlichkeit zurückzukehren – jenseits der Unterschiede in Geschichte, Kultur und Konfession.

Dort – und in den stillen Sehnsüchten des alltäglichen Lebens – liegen die Antworten auf die immensen Herausforderungen, denen wir nun gegenüberstehen.

Daisaku Ikeda

Übersetzung: Armin Jäger

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