1600041779 a:2:{s:7:"content";s:21849:"

Essay Nr. 11

„Das Leben ist wunderschön“ von SGI-Präsident Ikeda

Louis Derbré,

Der französische Bildhauer

Jugend! Bewege dich und arbeite zehnfach mehr als jetzt!

„Der entscheidende Punkt ist, zu bewundern, zu lieben, zu wünschen, zu beben und zu leben; entscheidend ist, Mensch zu sein, bevor man ein Künstler ist!“ (François Auguste Rene Rodin, 1840-1917, sinngemäße Rückübersetzung)

In dem Moment, als ich Herrn Derbrés (geb. 1925) Hände schüttelte, begriff ich:

„Das ist die Hand eines Arbeiters; es ist die Hand eines Menschen, der schwer mit der Erde gerungen hat.“

Finger so dick wie Jamswurzeln und robuste Handflächen:

Man sagt: „Bildhauer denken mit den Fingern.“ Ich verspürte die zwingende Macht solcher Menschen, die voller Widmung nach der Quintessenz der Kunst gestrebt hatten. Es kam mir vor, dass sein einhundertsechzig Zentimeter großer Körper erfüllt sei von vielen hervorquellenden Gefühlen.

Manche kommentierten: „Seine Werke sind Ausdruck der Kraft der Natur.“ „Er skulptiert, als ob man Äpfel vom Baum pflücken würde.“

Sein Aussehen ist zwar naiv, aber es ist keine einfache Naivität. Die Naivität, die er verkörpert, wurde inmitten erbitterter Kämpfe raffiniert, wie das Eisen beim Schmieden mit Schweiß abgehärtet wird, und es ergab sich daraus, dass alles Unnötige abgeworfen wurde. Ohne dieses Verfahren kann nichts Vortreffliches angefertigt werden.

Schlicht zu werden und nicht affektiert zu sein: Wichtig ist, dass man nicht mit etwas, das man von anderen ausleiht, sondern nur mit dem, was im Inneren des Selbst heranwächst, um Sieg oder Niederlage kämpft; weder sich zu schmücken noch affektiert zu sein – ein Mensch zu werden, so wie er eigentlich sein sollte!

Ich fand mich in meinem Gefühl bestätigt, dass ich ihn darum bat, die wichtigen Statuen des „Denkmals des Gebets für den Weltfrieden“ zu skulptieren. Herr Derbré sagte auch: „Ich denke, die 50 Jahre meines Lebens als Bildhauer sind ausschließlich für das Schaffen dieser Werke gewesen.“ Um an der Zeremonie zur Einweihung der Skulpturen teilzunehmen, kam er nach Japan. (Juni 1997)

Die Strahlengeschädigten auf der Welt

Das „Denkmal des Gebets für den Weltfrieden“ befindet sich in der „Parkanlage des Friedhofs zum Gedenken des Friedens von Chugoku“ in der Stadt Oasa in der Präfektur Hiroshima; es liegt auf 132 Grad 27 Minuten östlicher Länge. Es liegt genau in nördlicher Richtung vom Ort der Explosion in der Stadt Hiroshima.

Damit setzte sich Herr Derbré mit Leib und Seele auseinander, indem er sagte: „Ich habe schon lange auf eine solche Arbeit gewartet.“ Er fuhr fort: „Was mich bis zum letzten Ende quälte, war der Gedanke, wie man gegen die arrogante Staatsmacht kämpfen sollte, die den elenden Nuklearschaden verursachte und den Menschen Leiden zufügt, und wie man den Geist für den Kampf dagegen und den Ruf dieses Geistes in diese Skulpturen hineinlegen kann.“

Das Monument ist dafür errichtet, dass man für alle Strahlengeschädigten in der gesamten Welt betet und den Eid zum Frieden schwört.

An jenen Tagen (am 6. und 9. August) vor 57 Jahren wurden in Hiroshima und Nagasaki auch koreanische und taiwanesische Staatsbürger strahlengeschädigt. Sie wurden damals gezwungen, japanische Staatsbürger zu werden. Aber nach Beendigung des Krieges wurden sie mit der Begründung, sie seien keine Japaner mehr, von allen Rettungsmaßnahmen der japanischen Regierung ausgeschlossen. Das „Gesetz für die Unterstützung der Strahlengeschädigten“ wird für die „ausländischen Strahlengeschädigten“, die sowohl innerhalb als auch außerhalb von Japan leben, heute noch nicht angewendet.

Die Chinesen, die zwangsweise nach Japan verschleppt worden waren, wurden ebenso strahlengeschädigt. Und die Soldaten der Alliierten, die sich in den Gefangenenlagern von Nagasaki befanden, wurden auch durch die Atombombe getötet.

Es geht nicht nur um Hiroshima und Nagasaki, sondern es gibt auf der ganzen Welt viele Menschen, die durch Störfalle in Atomkraftwerken und Nuklearwaffentests oder durch Uranabbau strahlengeschädigt worden sind. Die uranhaltigen Geschosse, die während des Golfkriegs verwendet wurden, hinterließen Strahlenschäden sowohl bei den Menschen im Irak als auch bei den Soldaten, die diese Waffen selbst einsetzten. In der gesamten Welt gibt es immer mehr „Strahlengeschädigte“.

Darüber hinaus ist es Realität, dass von der „Präventivnutzung der Nuklearwaffen“ die Rede ist, während die erschreckende Wirklichkeit der Nuklearwaffen absichtlich verborgen gehalten wird. Nichtsdestotrotz zeigen viele junge Menschen kein Interesse. Die wahre Tragödie liegt darin, dass man es nicht tragisch finden kann, obwohl man direkt vor der Tragödie steht. Welch geistiger Verfall!

Wie können in solchen gegenwärtigen Zuständen mehrere hundert Strahlengeschädigte „in Ruhe“ schlafen?

Der Kampf, nichts davon in Vergessenheit geraten zu lassen

„Als ich vom Auftrag hörte, entschied ich sofort, das Monument mit einer Gruppe von Skulpturen darzustellen. Denn eine große Schar Menschen muss aufstehen, um den Frieden zu verwirklichen. Es sollte ein Bild zum Ausdruck gebracht werden, dass jeder einzelne seine eigene Aufgabe erfüllt“, erklärte Herr Derbré.

Die Gruppe besteht aus sechs bronzenen Statuen [sie manifestieren Mut, Hoffnung, Nachfolge, Toleranz, Freude und Aufbau]. Eine davon stellt eine Mutter mit Kind dar; die sitzende Mutter richtet ihr Haupt empor, streckt ihre Arme hoch und hebt ihr Kind hinauf, und das Kind streckt wiederum seine beiden Arme gen Himmel aus. Diese wird die „Statue der Nachfolge“ genannt.

Herr Derbré fuhr fort: „Die Statue der Nachfolge wird durch eine Mutter als ursprüngliches Dasein, die das Leben gebärt, und durch ein Kind, die Gestalt eines Menschen ausgedrückt, der sich mit großer Hoffnung entwickelt, um die Zukunft zu tragen. Der Grund, warum die Mutter das Kind hochhebt, liegt darin, dass sie das Kind nicht als ihr Eigentum betrachtet, sondern dazu entschlossen ist, ihr Kind für den zukünftigen Frieden in die Welt zu schicken. Das Kleinkind selbst hat als eigenständiger Mensch ein klares Antlitz, denn es ist sich seiner schwierigen Aufgabe als Nachfolger bewusst und fest dazu entschlossen, sie bis zum Ende durchzuführen. Aus diesem Grund streckt es seine Arme aus.“

Von Mutter zu Kind sowie von Vater zu Kind, lasst den Stab des Friedens nie fallen!

Jetzt sind die Strahlengeschädigten alt geworden. Viele von ihnen hegen das Gefühl der Unrast: Wer ist überhaupt bereit, uns mit diesem Gefühl gegen den Krieg und gegen die Nuklearwaffen nachzufolgen. Ist es womöglich denkbar, dass, wenn wir gestorben sind, sich die Menschen von Politikern, die das Elend des Kriegs nicht kennen, wieder täuschen lassen und sie in den Krieg hineingezogen werden?

Es wird gesagt, dass das Erlebnis, strahlengeschädigt worden zu sein, in keiner Weise mit Worten auszudrücken ist. Wer es selbst nicht erfahren hat, kann es gar nicht verstehen. Das müsste wohl stimmen. Aber gerade deshalb müssen wir uns bemühen, selbst ein zehn Millionstel davon zu verstehen. Insbesondere die Jugend!

Wir dürfen die „verrückte Mutter“ nicht vergessen, die überall herumrannte und nach ihrem Baby suchte, das durch die bei der Explosion entstandene Druckwelle aus ihren Armen weggerissen wurde.

Wir dürfen solch eine Mutter auch nicht vergessen, die ihr verbranntes Kind im Arm tragend regungslos dastand und sagte: „In diesem Zustand will ich auch versteinern.“

Wir dürfen das unsagbare Bedauern eines jungen Mannes nicht vergessen, der die krankheitsbedingten Leiden und Diskriminierung ertrug. Er quälte sich selbst, weil er wegen seiner Strahlenkrankheit arbeitsunfähig war und zusehen musste, wie hart seine alte Mutter arbeitete.

Wir dürfen ein Mädchen nicht vergessen, das ihre entstellte Haut unter der Kleidung verbarg und in der Blüte der Mädchenzeit nur an das Sterben dachte. Sie musste selbst den Glanz des Wortes „Jugend“ hassend leben.

Wir dürfen nichts davon in Vergessenheit geraten lassen!

Diese Menschen sind das Fundament des Friedens. Und erst wenn wir sie stolz sagen hören: „Es ist doch schön, dass wir weiter gelebt haben“, dann ist Japan ein friedlicher Staat. Was meinen Sie, ist mein Gedanke falsch?

Jedoch sieht die Realität noch so aus, dass von den etwa 290,000 Menschen, die einen Ausweis für Strahlengeschädigte besitzen, bei weit weniger als einem Prozent (0,75 %) der Menschen die Krankheit anerkannt wurde und ihre Behandlungskosten übernommen werden.

Die Strahlengeschädigten sind die größten Opfer des Krieges. Die Art und Weise, wie der Staat sie bislang behandelt hat, stellt seine Grundhaltung zum Frieden klar heraus. Die Herzlosigkeit des Staates gegenüber den Strahlengeschädigten stimmt mit seiner Kälte gegenüber den Opfern der japanischen Eroberungszüge in Asien überein.

Außerdem besteht gegenüber dem japanischen Staat, der kein aufrichtiges Bedauern zum Ausdruck bringt, ein tiefes Misstrauensgefühl. Dadurch, dass dies wie eine „Mauer“ wirkt, können sich die Rufe von Hiroshima und Nagasaki in der Welt nur schwer Gehör verschaffen. Dieser Aspekt ist nicht zu übersehen. Sie meinen wohl: „Die ‚Rufe zum Frieden’ Japans, das seine Greueltaten nicht reflektiert, müssten wohl aus seinem eigennützigen Opfergefühl kommen!“ Und als Folge davon, dass die Stimme von Hiroshima und Nagasaki nicht in die ganze Welt verbreitet wurde, hat man die Chancen, die Nuklearwaffen abzuschaffen, verpasst.

Daher wird es, wenn Japan seine Verantwortung für die Eroberungszüge in Asien nicht eingesteht, nicht nur sein Vertrauen weiter verlieren, sondern es vereitelt sogar auch die Bewegungen zum Schutz der Menschheit vor nuklearer Bedrohung. Die Schuld Japans ist ungemein schwer.

„Weder reflektieren sie gründlich über den vergangenen Krieg noch sind sie ernsthaft entschlossen, ihrer Bevölkerung durch die Erziehung klar zu machen, dass der Krieg an sich das Böse ist. Solche Länder wie Japan werden die Bevölkerung möglicherweise wieder in den Krieg hineinziehen. Denn die Machthaber erlauben sich, alles zu tun, was ihnen selbst zum Nutzen gereicht.“ Solche bedenklichen Stimmen sind sehr groß.

Du! Bitte ändere die Welt!!

Herr Derbré sagt: „Für den Frieden muss man zur Tat schreiten und sich bewegen, es gibt nichts anderes als Handlung. Die Jugend soll einsehen, dass sie die Kraft, die Welt zu ändern, in sich trägt. Sie muss zehn Fach mehr lernen und arbeiten als jetzt; sie muss sich noch mehr bewegen, noch mehr studieren, sich hart trainieren und den anderen zuhören. Sie muss mit ihrem ganzen Sein lernen und sich gegen das Unmögliche herausfordern.“ Er ist wohl berechtigt, das zu sagen.

Er hat nie eine Kunstschule besucht.

Er erzählt von sich: „Nach der Grundschule war ich bis zum Alter von 19 Jahren Bauer auf dem Land. Ich hatte viele Geschwister. Meine Familie war arm und besaß nur eine Kuh. Während des letzten Weltkriegs kam Antoinette, meine spätere Frau, wegen einer Kur nach Mayenne in meine Heimat. Es ergab sich, dass ich sie pflegte. Ein halbes Jahr nach unserer ersten Begegnung heirateten wir. Obwohl meine Eltern mich so sehr liebten, sagten sie mir, dass meine Frau, die in der Stadt aufgewachsen war, nicht in der Lage sei, auf dem Feld zu arbeiten. Wir fuhren mit dem Fahrrad nach Paris, wir hatten kein Geld. Zu Beginn fanden wir im Hause der Familie meiner Frau Unterkunft. Es war noch immer Krieg.“

Der junge Derbré arbeitete zuerst als Telephonkabelverleger und dann als Schweißer. Nach einer Weile kam er gelegentlich im Kunstverlag vorbei, in dem seine Schwiegermutter tätig war. Dort reinigte er die Toiletten und packte Skulpturen ein und aus. Er lernte Auto zu fahren und half bei Lieferungen.

In dieser Firma arbeiteten auch viele Studenten der Kunstschulen. Sie sprachen immer über Statuen und Gemälde. Für ihn waren diese Gespräche böhmische Dörfer. Aber dadurch musste irgendetwas im Inneren des jungen Derbré erschüttert worden sein. Er begann, jeden Abend nach seiner täglichen Arbeit Holz zu schnitzen, wie er es bei den Kunststudenten beiläufig beobachtete. Er versuchte, sich an einen Hund zu erinnern, den er in seiner Heimat lieb hatte, und schnitzte dessen Gestalt.

Jahre vergingen. 1951 nahm er auf Empfehlung seines Schwiegervaters an einem Wettbewerb ohne Teilnahmekosten mit zwei Porträts aus Stein teil. Als er seine Werke übergab, fragte man ihn: „Kennen Sie jemanden von der Jury?“

„Non, ich kenne niemanden“, antwortete er.

„Sind Sie dann von einer Kunstschule?“

„Non, ich habe keine besucht“, erwiderte er.

„Oh ja, so ist es. Es ist aber von Vorteil, wenn man jemanden von der Jury kennt und eine Kunstschule besucht hat.“

Nichtsdestotrotz wurde er schließlich zur Überraschung aller mit dem ersten Preis im Bereich Skulpturen ausgezeichnet! Ihm wurde der mit einer hohen Summe dotierte Fénéon Preis verliehen. Der Dichter Louis Aragon (1861-1944), den er verehrte, überreichte ihm einen Scheck. Das beeindruckte ihn zutiefst und gab ihm einen kräftigen Ansporn: „Nun gut, ich schaffe es!“

Seit dieser Zeit bahnt er sich seinen neuen Weg und öffnet seine eigene Welt. Jetzt wird er auf dem Königsweg im Bereich Skulpturen als rechtmäßiger Nachfolger von Rodin und Aristide Maillol (1861-1944) geschätzt. Er begann von Null an und erklomm den höchsten Gipfel des Gebirges.

Der Krieg verwandelt die Menschen in Teufel!

Der aus der Erde geborene Derbré sagt, dass die Menschen in der modernen Zeit keine Wurzeln geschlagen haben, und begründet seine Beobachtungen wie folgt:

„Die Politiker sind nunmehr zu Marionetten der Massenmedien geworden. Das gilt ebenso für die Kunstwelt. Leichtangefertigte Objekte sowie Kunstobjekte ohne eine feste Struktur sind im Umlauf. Fast alle Bildhauer, die ich vor 50 Jahren kennen lernte, sind mittlerweile von der Bildfläche verschwunden. Diese Tatsache bezeugt, worauf man sich konzentrieren soll: man sollte nicht irgendjemanden nachahmen, sondern sich selbst zum Ausdruck bringen, man muss sich seiner eigenen Leidenschaft, die keinem anderen gehört, widmen. Man muss das seinem Selbst inhärente Magma zur Explosion bringen. Dadurch wird alles, sei es Skulptur, sei es Gemälde, sei es Literatur, unsterblich. Wie für den Bau der Pyramiden ein festes Fundament benötigt wurde, wird eine Basis, die Wurzel, erforderlich, die zehnfach tiefer und fester sein sollte, als die Größe der Bauwerke selbst.“

Das stimmt vollkommen. Die Jugend sollte aus ihren Keimen keinesfalls hastig aufsprießen. Vorerst muss sie ihre eigenen Wurzeln unter der bisher keinem Menschen bekannten finsteren Erde tief und immer tiefer schlagen, bis sie sich mit der Erde vereinen. „Wurzellose“ Erfolge, „wurzellose“ Politik und „wurzellose Reden“ werden, sobald es stürmt, völlig herausgerissen und weggetrieben.

Es gibt auch „wurzellose“ Pazifisten, die in der Friedenszeit nach dem Frieden rufen und anfangen, zu kommentieren, dass der Krieg je nach Situationen unvermeidbar sei, wenn die Strömung der Zeit zum Krieg neigt. Sie verhalten sich immer nach der Windrichtung.

Als er dem ersten Atombombentest der Menschheitsgeschichte beiwohnte, fiel dem Herzen Oppenheimers, des Entwicklers der Atombombe, ein Vers aus der altindischen Geetha (Sammlung der hinduistischen Lehrsätze) ein: „Ich bin der Tod, der Zerstörer der Welt.“ (sinngemäße Rückübersetzung)

Wie fürchterlich es ist! Herr Derbré wünschte sich zutiefst, ein kraftvolles Kunstwerk zu schöpfen, das den Tod besiegt, und prägte dem Monument seine Seele ein. Er nahm sich vor, den Skulpturen die „Kraft der Seele“ einzuprägen, wie Mohandas Karamchand (Mahatma) Gandhi (1869-1948) einst sagte: „Die Kraft der Seele ist stärker als Atombomben.“ (sinngemäße Rückübersetzung)

Er erklärt: „Nur für sich allein zu leben, das bedeutet den Tod des menschlichen Lebens. Das Leben zu leben bedeutet, die Kraft der Seele herauszuschöpfen und sie anderen immer weiter bis zum Ende zu geben. Das ist die Kraft des Lebens.“

Alle Gewänder der Skulpturengruppe schlagen Falten. Das kommt daher, dass Herr Derbré, der durch die Berührung mit den großen zackigen Baumstämmen ergriffen wurde, sie nach seiner Vorstellung über den Baum skulptierte, der aus der Erde hervortritt, dessen Stamm und Zweige mächtig ausschlagen und unzählige Blätter des Lebens tragen.

Sie symbolisieren quasi das „Hervorquellen aus der Erde (Jiyu)“. Es wurde gesagt, dass in Hiroshima nach dem Atombombenabwurf 75 Jahre lang gar keine Pflanzen wachsen können. Jedoch war die gute Erde so stark und zäh.

Aus der abgebrannten, verödeten Erde zeigten im Sommer des darauffolgenden Jahres die Oleander ihre Blüten; sie blühten wacker in weiß und rot, als ob sie sagen wollten: „Ich bin hier, ich bin am Leben!“ Die Blumen verliehen den Menschen von Hiroshima den Mut, weiter zu leben. Auch strahlenbeschädigte Bäume, die den Flammen zum Trotz überlebten, wurden überall gefunden.

Die Kraft der Pflanzen, die harte Erde zu durchbrechen und aufzusprießen, obwohl sie immer wieder zertrampelt und zertreten werden, und die Kraft zum Wachsen sowie die Kraft ihres Lebens, immer weiter gen Sonne zu wachsen:

Aufgrund ihrer noch größeren Kraft haben die Menschen von Hiroshima und Nagasaki ihre äußerste Lebensexistenz verlängert. Sie haben den steinernen Bergen der Verzweiflung ein Gestein der Hoffnung abgewonnen und daraus eine Statue ihres Lebens gemeißelt. Sie haben uns ihre maximale Kraft, die ein bloßer Mensch tief innehat, gezeigt.

Und weil ich ihren Mut, ihren Sieg und den voller Freude erfüllten Friedenstanz derer, die ihnen folgen, unbedingt den „Gestalten in aller Ewigkeit“ einprägen wollte, habe ich Herrn Derbré beauftragt, dieses Monument zu errichten. Er hat meiner Erwartung entsprochen.

Ich habe ihn gelobt und gepriesen: „Das ist sowohl ein Monument der großartigen Wiederbelebung der Menschen, die nach dem elenden Krieg auferstanden sind, als auch ein Monument der ewig andauernden Wiedergeburt und ein Monument für die zukunftsorientierte Wiedererlangung der Menschenrechte!“

Die „Kettenreaktion der Vergeltung“ abschaffen!

Die Bürger von Hiroshima wählten trotz des derart katastrophalen Desasters nicht den „Weg der Vergeltung“ aus; sie suchten sich nicht den Weg aus, unmenschliche Taten mit unmenschlichen Taten zu vergelten. Weil sie voraussahen, dass es dann kein Ende geben wird, und weil sie ahnten, dass sie der Logik derer, die die Atombomben zu rechtfertigen versuchen, gleich kommen werden.

Ist erst einmal ein Krieg ausgebrochen, dann gibt es weder Recht noch Unrecht. Ungeachtet aller beschönigten Worte ist der Krieg nichts anderes als eine Maschinerie, Menschen zu töten. Demzufolge gibt man sich dahingehend immer mehr Mühe, die Menschen „effektiver zu töten“. Der Krieg verwandelt Menschen in Teufel. Die Menschen, die andere umbringen mussten, leiden an ihrer eigenen Menschlichkeit.

Die Menschen von Hiroshima und Nagasaki schworen, den Krieg selbst zu hassen und den Krieg an sich zu vernichten. Das war sozusagen der Weg, auf die Kriegsführung zu verzichten, wie es im Artikel 9 der japanischen Verfassung steht.

Im Jahr 1999 fand in Holland die „Haager Friedenskonferenz der Weltbürger“ statt, an der aus etwa 100 Ländern 10.000 Menschen teilnahmen. Der erste Artikel der Deklaration „Themen für den Frieden und die Gerechtigkeit im 21. Jahrhundert“, die am letzten Tag der Konferenz entschieden und bekannt gemacht wurde, lautet wie folgt: „Jedes Landesparlament soll wie der Artikel 9 der japanischen Verfassung den Verzicht auf Kriegsführung verabschieden.“ (sinngemäße Rückübersetzung)

Das ist der Weg, den die Welt begann, zu loben und zu preisen, dass es im 21. Jahrhundert ausschließlich diesen einen Weg gibt. Gerade dieser Artikel 9 garantiert die höchste Sicherheit für Japan. Weil es diesen Artikel gibt, können die anderen Länder zumindest etwas beruhigt sein, obwohl sie Japan beiläufig skeptisch betrachten. Wenn Japan diesen Artikel entkräften oder aufgeben würde, wäre es selbstverständlich, dass die Welt Japan einer bestimmten Absicht verdächtigt und es als Bedrohung ansieht.

Die sechs bronzenen Skulpturen stehen nebeneinander Rücken an Rücken und schauen vom Zentrum aus nach außen. Das bedeutet, dass sie von diesem Ort in die Welt und in die Zukunft das „Licht“ entsenden wollen.

Die Skulpturengruppe und die Geschichte von Hiroshima und Nagasaki stellen uns Fragen:

Ob wir mit dem Strom der Zeit, uns auf die Gewalt und das Waffenpotential zu verlassen, schwimmen?

Oder ob wir auf dem Weg, das Schicksal der Welt zu ändern, voranschreiten?

Ob wir den Weg des Todes, des Egoismus, einschlagen?

Oder ob wir den Weg des Lebens mit Dialogen und Widmungen für andere erweitern?

Wir meinen, dass wir diese Statuen anschauen, jedoch schauen uns die Skulpturen genau an, in welcher Art und Weise wir unser Leben führen.

(aus „Seikyo Shimbun“ vom 3. August 2002)

";s:12:"content_meta";N;}