1600041779 a:2:{s:7:"content";s:22004:"
Hilario G. Davide Jr.,
Präsident des Obersten Gerichtshofs der Philippinen
Behalte deine zuerst gefasste Absicht bei!
Wer sie unbeirrt durchsetzt, ist ein Held!
Nach der griechischen Mythologie soll es einst in dieser Welt eine „goldene Zeit“ gegeben haben:
In jenen Tagen herrschte ewiger Frühling, die Erde war von Segnungen erfüllt, so dass Obstbäume wuchsen und Früchte trugen, selbst wenn sie nicht besonders gepflegt wurden. Die Bäume der Wälder wurden nicht abgeholzt, und es gab weder Schwerter noch Lanzen und Helme. Alle Menschen würdigten sowohl Wahrheit als auch Gerechtigkeit, aber nicht deshalb, weil sie sich durch das Gesetz dazu gezwungen fühlten, so zu handeln, noch aus dem Grund, weil sie von ihren Machthabern erpresst wurden.
Bald danach kam eine „silberne Zeit“, in der die vier Jahreszeiten entstanden und man begann, unter Hitze und Kälte zu leiden. Demzufolge mussten die Menschen hart arbeiten, um sich zu ernähern.
Jedoch war sie immer noch besser als die darauffolgende „bronzene Zeit“. In dieser Zeit nahmen Menschen bei jeder Gelegenheit Waffen zur Hand und stritten miteinander. So kam schließlich die „eiserne Zeit“.
Laster überflutete das ganze Land; Bescheidenheit, Aufrichtigkeit und Edelmut wurden hinweggespült. Überall bis ans Ende der Welt breiteten sich Lügen und Täuschungen sowie Habgier, Gewalt und Misstrauen aus. Die Natur wurde zerstört. Der Bauch der Erde wurde tief durchbohrt, und aus dem ausgegrabenen Eisen wurden Waffen geschmiedet, während das Gold als Mittel zur Bestechung verwendet wurde, so dass die Parteien Kriege führten. Die gute Erde wurde wegen des Gemetzels vom Blut rot gefärbt.
Von der Menschheit tief enttäuscht, verließen alle Götter nacheinander die Erde. Die einzige verbliebene Gottheit war Justitia, die Göttin der Gerechtigkeit. Obwohl alle anderen Götter die Menschheit preisgaben, versuchte sie jedoch, an die Menschen zu glauben, indem sie ihnen sagte: „Macht ist nicht gleich Gerechtigkeit. Nehmt bitte nicht an, dass Gerechtigkeit starke Macht bedeutet. Menschen haben einen Lebensweg, den sie bewahren müssen. Und ihn zu beschützen, heißt Gerechtigkeit. Daraus entsteht der Friede.“
Nichtsdestotrotz war niemand bereit, ihr Gehör zu schenken, und schließlich kehrte sie doch in den Himmel zurück.
Der große Zeus, der das alles beobachtete, ärgerte sich über die Menschheit, die dermaßen verdorben war, und vernichtete sie durch eine große Flut, die er verursachte. Die Menschheit, die heute noch existiert, besteht aus den Nachfahren derer, die sie überlebten – so lautet eine Erzählung.
Der Frieden, der durch die Errichtung der Gerechtigkeit realisiert werden kann und der als Frucht der Gerechtigkeit erscheint – diese Idee führt zur buddhistischen Philosophie der „Befriedung des Landes durch die Errichtung des wahren Gesetzes (Rissho-Ankoku)“.
Als ich den Präsidenten des Obersten Gerichtshofes der Philippinen, Hilario G. Davide Jr., im März letzten Jahres traf, hatte ich ein Erlebnis, das mich tief beeindruckte. Zu Beginn jeder Gerichtsverhandlung, sagte er, sprechen die Richter in den Philippinen ein Gebet:
„Dieses Gebet hat seine Gültigkeit über alle Konfessionen hinweg, wie zum Beispiel Katholizismus, Protestantismus und Islam. Wir beten dafür, dass ein jeder beginnender Prozess aufgrund der ‚allgemeinen Weisheit’ durchgeführt werden möge, und es wird gebetet, dass ein Urteil um der Wahrheit, der Gerechtigkeit und des Friedens willen gefällt werden möge. Ich bin der Ansicht, dass Richter ‚peace-maker (Friedensschöpfer)’ sein sollten. In Konflikten eine Versöhnung herbeizuführen und den Frieden zu fördern, gerade hierin liegt die Aufgabe der Richter.“
Bereits in der Art und Weise, wie Herr Davide sprach, herrschte Friede. Seine Erscheinung wirkte ordentlich und strahlte dennoch Saftmut und Wärme aus.
Was das „Gebet“ angeht, mögen manche wohl meinen, dass es von der Welt des Gesetzes aus gesehen sprunghaft weit hergeholt sei. Aber, ob Gesetze zum positiven oder negativen angewendet werden, liegt doch in der Hand der Menschen selbst, die davon Gebrauch machen. Sollten Richter ihre Emotion mit einbringen, können sie kein gerechtes Urteil fällen.
Am Anfang der Edo-Ära in Japan findet sich eine ähnliche Geschichte, nämlich dass Shigemune Itakura (1586-1656) vor jedem Prozess, den er leitete, ein Gebet sprach. Es lautete: „Nimm sogleich mein Leben, sollte meine Prozessführung selbst im geringsten von meiner Emotion beeinflusst sein!“ Er meint hierbei, dass, obwohl er sich bis zum äußersten anstrengte, es trotzdem unvermeidbar wäre, dass sich ein persönliches Gefühl unbewusst einschleicht. Aus Furcht vor der geringst möglichen Eventualität entstand sein tiefes Gebet. Er war sich dessen bewusst, dass das Gericht einen Raum darstellt, in dem die Richter selbst geprüft und gerichtet werden.
Präsident Davide steht alltäglich um 3:30 Uhr auf, liest als frommer Katholik nach dem Gebet jeden Tag in der Bibel. Von 6:30 Uhr an, der Zeit, in der er im Gericht eintrifft, bis spät in die Nacht arbeitet er präzise geplant. Er nimmt weder Alkohol noch Zigaretten zu sich. Indem er seine gesellschaftlichen Obligationen minimiert, setzt er sich für seine Arbeit voller Widmung ein.
Er ist als jemand, der „Menschen aufgrund seines vorbildhaften Verhaltens führt“, wohl bekannt. Es geht aus seiner Überzeugung hervor, dass niemand an das Gesetz glauben würde, wenn selbst Juristen die Gerechtigkeit nicht verkörpern.
Ich stellte ihm eine Frage:
„Warum wollten Sie Jurist werden?“
„Ich stamme aus einer Provinz und war sehr arm, deshalb wurde ich von den Mitmenschen in meiner Umgebung diskriminiert und erniedrigt. Von klein auf bedachte man mich öfters mit herzlosen Sprüchen. Folglich war mein Herz lange Zeit unterdrückt. Ich dachte, eine solche Gesellschaft, in der arme Menschen misshandelt und zum Narren gemacht werden, verhält sich falsch! Ich habe mir gelobt, Jurist zu werden, um diese Verkehrtheit zu korrigieren“, so Herr Davide.
Von diesem anfänglichen Entschluss durchdrungen, nahm er, als er noch Rechtanwalt war, von armen Mandanten kein Geld an; 60 % der Verteidigungen übernahm er „kostenlos“. Sein eigener Haushalt, zu dem fünf Kinder zählten, musste äußerst sparsam geführt werden.
Er fuhr fort: „Es wäre für meine Familie finanziell sicher viel leichter geworden, wenn ich meine Arbeit profitorientiert ausgerichtet hätte. Aber, was soll ein solches Leben für mich bedeuten? Wozu ist es gut, dass es mir allein prächtig geht, während alle anderen sich quälen? In solch einem Leben kann ich eigentlich weder Freiheit noch Glück ersehen.“
Herr Davide wurde im Dezember 1935 auf der Insel Cebu geboren. Sie liegt südlich der Insel Luzon, auf der sich die Hauptstadt Manila befindet. Früher, noch während der Besatzungszeit durch die japanische Reichsarmee im Zweiten Weltkrieg, fand sich dort eine Luftbasis für eine Sondergeschwadereinheit.
Das war ein Krieg, den Japan unter dem Vorwand der „Befreiung Asiens“ führte. Unmittelbar nach dem Kriegsausbruch wurde der junge Hilario sechs Jahre alt. Seine Familie lebte inmitten der Berge. Es gab weder Wasserkanäle noch Elektrizität. Er war das zweitjüngste von sieben Kindern. Seine Eltern waren Erzieher. Da seine Mutter ihre Lehrtätigkeit aufgab, um sich ausschließlich der Kindererziehung zu widmen, arbeitete sein Vater allein weiter. Parallel zu seinen Tätigkeiten als Lehrer und später als Vorsitzender einer pädagogischen Kommission der Ortsgemeinschaft betrieb er Landwirtschaft. Auch die Kinder halfen ihm eifrig.
Er erzählte: „Ich bin während der Schulzeit von der ersten bis zur fünften Klasse jeden Tag vier Kilometer weit zur Schule gelaufen. Ab der sechsten Klasse – ich war in eine andere Grundschule übergewechselt, die sich in der nächstliegenden Stadt Argao befand – marschierte ich jeden Sonntag 18 Kilometer zu Fuß. Unter der Woche übernachtete ich in dieser Stadt und kehrte dann freitags nach der Schule wieder zu Fuß heim. Das waren Monate und Jahre, in denen sich fortwährend das gleiche wiederholte. Auch in der darauffolgenden Zeit, in der ich die zweite Klasse der Oberschule besuchte, marschierte ich noch weiter zu Fuß, bis meine Familie endlich in die Stadt Cebu umzog.“
Überdies war der junge Hilario immer „barfüssig“!
Denn er konnte sich nicht erlauben, Schuhe zu kaufen. Außerdem gab es damals keine Straßen, die geebnet waren. Falls er Glück hatte, konnte er auf dem Rücken eines Büffels reiten. Von der Zeit an, als er Schüler der Grundschule war, fing er an, Zeitungen zu verkaufen und Schuhe zu putzen. An Straßenkreuzungen zwischen dicht gedrängt fahrenden Autos versuchte er, Fahrern von Jeepneys (Gemeinschaftstaxi) Zigaretten zu verkaufen.
Nach Abschluss der Höheren Schule erhielt er ein Stipendium, um an der renommierten Universität Philippinen zu studieren. Nichtsdestotrotz verfügte er über keinerlei Mittel, mit einem Bus zur Universität zu fahren. Ebenso, als er zu einem späteren Zeitpunkt eine Möglichkeit erhielt, sein Studium an einer Universität in den USA fortzusetzen, musste er zu seinem großen Bedauern darauf verzichten, weil er trotz aller Anstrengungen kein Geld für einen Flugschein aufbringen konnte.
„Warum“, fragte er sich, „ist das Leben derart ungerecht? Warum gibt es Menschen, die in reichen Familien geboren werden und genauso umgekehrt in armen Familien? Es gibt so viele Menschen, die alles, was sie sich wünschen, leicht gewinnen können, aber warum muss ich mich derart anstrengen, um das geringste zu schaffen? Warum ist mein Leben solchen Hindernissen ausgesetzt? Warum sind wir allein so schwer betroffen?“
Jedoch wurde ihm allmählich klar, dass selbst die Menschen, die wohl glücklich aussehen, in ihrem Inneren mit von außen unerkennbaren Leiden zu kämpfen haben. Er begriff: „Es gibt weder reiche Menschen, die alles, was sie sich wünschen, gewinnen können, noch arme Menschen, die nichts mehr besitzen, was sie anderen geben können.“
Während seiner Studentenzeit arbeitete er in Studentenwohnheimen. Weil er kein Geld für Bücher hatte, lernte er in der Bibliothek von sieben Uhr morgens bis elf Uhr nachts. Er verdiente seinen Lebensunterhalt, während seine Kommilitonen schliefen.
„Ohne harten Kampf gibt es keine Ernte. Das ist das Leben. Ohne zu lernen, kann man kein Studium abschließen. Ohne Arbeit gibt es kein Lohn. Ohne Elend erfahren zu haben, kann man keine Freude erleben.“
Als ich ihn fragte, „Was ist für eine führende Persönlichkeit die grundlegendste Voraussetzung?“ kam von ihm die klar ertönende Antwort, als ob sie aus einem tiefen Brunnen hervorgequollen wäre: „Das ist die ‚Liebe’, so denke ich.“
Hier ist seine tiefbewegende Rede. Bei einer Abschlussfeier der Universität Philippinen, seiner Almar mater, sprach Präsident Davide zu den anwesenden Studenten:
„Für wen wollen Sie Ihre Fähigkeit und Energie in der Zukunft einsetzen? Vergessen Sie bitte nicht, dass Ihr Studium durch den Schweiß vieler Bauern gestützt wurde; es war der Schweiß von Arbeitern und Fischern. Sie haben es denjenigen Menschen zu verdanken, die kein bisschen davon, was Sie erlebt haben, erfahren konnten, nein, die sich sogar nicht einmal erlauben können, sich dies auch nur im entferntesten zu wünschen. Dank der Arbeit solcher Menschen wurde Ihr Studium ermöglicht, und dadurch können Sie jetzt existieren. Das gilt ebenso für diejenigen, die aus einer elitären Familie stammen. Auch in einem winzig kleinen „Ding“, dem Sie normalerweise keine Beachtung schenken, ist das Leben vieler Menschen eingeprägt.
Es sind diejenigen, die jeden Tag hart arbeiten und kämpfen, um zu überleben; es sind die Menschen, die viel zu lange an miserable Zustände gekettet sind. Sie sind auch diejenigen, denen die Möglichkeit genommen ist, sich ihrer Rechte und ihrer wahren Kapazität bewusst zu werden. Sie alle sind durch diese Menschen gestützt. Sie haben ihnen Ihre Dankesschuld zurückzuzahlen und ihnen Ihre Dankbarkeit zu erweisen. Aus diesem Grund ist der Held, auf den unser Land wartet, derjenige, der fest dazu entschlossen ist, einfachen Menschen zu dienen, selbst wenn diese Anforderung die Grenze Ihrer eigenen Fähigkeit und Machbarkeit übersteigen sollte!“
Das ist es! Wenn wir nichts davon vergessen, wird sich unsere Welt sofort in eine „goldene Zeit“ zurück verwandeln. Ich habe auch bislang lautstark darauf bestanden: „Universität ist eigentlich dafür da, den Menschen zu dienen, die selbst nicht in der Lage waren, sie zu besuchen, obwohl sie es sich so sehr wünschten.“
Geschweige denn sind Staatsdiener eigentlich dafür da, den Menschen zu dienen. Präsident Davide sagt: „Das sollte für sie eine bedingungslose Widmung sowie Selbstopferung sein. Sie müssen ihr Höchstes den einfachen Menschen widmen.“
Bei seinen Gerichtsverhandlungen verkündete er Urteile, um Arbeiter zu beschützen. Bei einer Urteilsverkündung sagte er einer Partei, die den Arbeitgeber vertrat: „Sie sollten sich auch über die Familie Ihres Arbeitnehmers Gedanken machen, und zwar wie viel Leiden sowie Schmerzen seine Arbeitslosigkeit für seine Familie mit sich bringen könnte.“
Eine solche Aussage kann meines Erachtens wohl aus seiner Überzeugung hervorgegangen sein, dass die menschliche Beziehung in der Gesellschaft erst dann gerecht genannt werden kann, wenn Arbeitnehmer, die sich in der schwächeren Position befinden, beschützt werden können.
„Menschen können Armut ertragen, aber keine Ungerechtigkeit“, sagte Herr Davide im gleichen Zuge.
Nachdem er Präsident des Obersten Gerichtshofes der Philippinen geworden war, setzte er sich voll und ganz für eine Reform der Justiz ein. Um die juristische Selbstständigkeit und Transparenz zu erhöhen, gründete er eine Akademie, die um der qualitativen Verbesserung willen einen internationalen Austausch fördert, und in der Richter weiter ausgebildet werden können. Darüber hinaus eine schnellere Prozessführung, die aus seiner Idee hervorging: „Verspätung der Gerechtigkeit bedeutet eine Verneinung der Gerechtigkeit.“
Er verkündete auch juristische Urteile, die dazu dienen sollten, „Gewalt gegen die Umwelt“ zu verhindern, wenn er meint:
„Wir müssen unsere Gesellschaft von dem Zustand, der nach dem Gesetz des Dschungels geregelt wird, nämlich dass der Schwache dem Starken zum Opfer fällt, zu einem humanen Zustand verändern, in dem alle dahingehend bestrebt sind, die schwächsten Menschen zu beschützen. Das ist der eine Punkt, den ich sowohl während der Zeit, in der ich als Rechtsanwalt tätig war, als auch seit der Zeit, in der ich Staatsdiener geworden bin, konzentriert und konsistent angestrebt habe. Anderen zu verhelfen, menschlich leben zu können – ohne diesen Kampf können wir uns selbst nicht ‚Menschen’ nennen.“
In den Philippinen entstand eine Krise, die aufs äußerste angespannt war. Der Staatspräsident Joseph Estrada wurde wegen Verdachts, Schmiergeld angenommen zu haben, angeklagt. Das geschah Ende 2000.
Gerade, weil ich ihn im Jahr 1999 in Japan traf und ihm dabei meine Erwartung mitteilte, er möge eine Politik für die einfachen Bürger machen, fand ich diesen Vorgang umso bedauerlicher. Im Senat begann das „Anklagegericht (Impeachment)“ gegen den Staatspräsidenten, bei dem Herr Davide den Vorsitz des Amtsenthebungsverfahrens übernahm. Das versetzte ihn unweigerlich in eine sehr gefährliche Situation, denn manche, denen er missfiel, versuchten, ihn aus dem Weg zu schaffen. In der Tat erreichten ihn Morddrohungen. Dennoch war er nicht jemand, der sich dadurch einschüchtern ließ. Seine „Demokratie“ basiert auf unerschütterlicher Überzeugung.
In den 70iger Jahren kämpfte er gegen den Belagerungszustand, der unter dem Regime des Diktators Ferdinand E. Marcos (1917-1989) verhängt wurde. 1978 wurde er auf der Insel Cebu zum Abgeordneten gewählt. Um das Banner der Freiheit beharrlich zu beschützen, konzentrierte er sich darauf, wegen Korruptionen die Regierung zur Rechenschaft zu ziehen, und forderte sie unablässig dazu auf, mit der Unterdrückung der Bürgerbewegung sowie der Menschenrechtsverletzung aufzuhören. Dann ereignete sich jene unblutige Revolution, die aufgrund der „people power“ das Regime des Diktators 1986 endlich zu Fall brachte.
Es vergingen 14 Jahre. Das Anklagegericht im Senat begann unter Beobachtung der Bevölkerung, die das ganze Verfahren durch eine landesweite TV-Berichterstattung verfolgte. Alle bewunderten die korrekte und geschickte Prozessführung durch den Vorsitzenden Hilario G. Davide Jr..
Dennoch weigerte sich der Senat, die Dokumente offen zu legen, die als „Beweise für das Unrecht“ dienen sollten. „Er versucht, Unrecht zu verbergen!“ Die Flamme des Zorns entfachte sich unter der Bevölkerung. Die Menschen drängten auf die Straßen und verlangten: „Lasst uns die Gerechtigkeit wieder zurückgewinnen!“
Es war im Januar 2001. Protestbewegungen weiteten sich immer mehr aus. Angefangen am 16. Januar, und weiter am 17., am 18. und dann am 19. Januar: vier Tage und vier Nächte waren die Straßen und Gassen von Protestgesängen und Tanzen erfüllt. Das heißt, das 21. Jahrhundert der Philippinen brach mit der „people power 2“ an.
Bald danach wurde ein Gerücht verbreitet, dass die Armee sich einmischen würde, falls eine Million Menschen an der Demonstration teilnehmen würden. Die chaotische Situation dauerte an. Von Wellen der Proteste gedrängt, verließ der Staatspräsident schließlich den Präsidentenpalast „Malacanang“, ohne seinen Rücktritt zu erklären. Jedoch war er nicht in der Lage, Amtsgeschäfte auszuüben. Das bedeutete, dass das Land führungslos blieb.
Die Möglichkeit, dass ein Machtvakuum in einen anarchischen Zustand übergeht und sich eine blutige Katastrophe je nach der Entscheidung des Militärs und der Polizei ereignen könnte, eröffnete sich rasant.
Aber gerade zu diesem Zeitpunkt traf Davide, der Präsident des Obersten Gerichtshofes, unverzüglich eine Entscheidung, aus seiner Maxime hervorgehend: „Salus populi est suprema lex (Wohlergehen des Volkes ist das höchste Gesetz).“
Auf dieser seit alters her bestehenden Regel basierend, veranlasste er Gloria Macapagal-Arroyo, die Vizestaatspräsidentin, zu erklären, das Amt des Staatspräsidenten anzutreten. Der Übergang der Macht konnte somit friedlich vollzogen werden.
Diese Entscheidung wurde von allen Richtern des Obersten Gerichtshofes befürwortet, denn sie alle wussten, dass ihr Vorgesetzter nicht vorhatte, daraus einen persönlichen Nutzen zu ziehen. Er war als jemand, der „die Würde und die Gerechtigkeit der Verfassung in sich verkörpert“, wohl angesehen. Das war eine Krise, die gerade deshalb überwunden werden konnte, weil er das tiefe Vertrauen der Menschen genoss.
Er wies die „Herrschaft der Macht“ zurück und ließ die „Herrschaft des Gesetzes“ über das ganze Land weithin strahlen. Zu diesem Zeitpunkt lächelte „die Göttin der Gerechtigkeit“ den Menschen in den Philippinen zu, ohne sie im Stich zu lassen.
„Es gibt zwar Menschen, die mich belobigen, jedoch habe ich nichts anderes als mein Bestes getan“, so blieb der Präsident konsequent bescheiden. Die Menschen, die ihn gut kennen, bestätigen: „Nicht nur den Angeklagten, sondern auch den Anklägern gegenüber und ferner seinen Berufskollegen gegenüber verhält er sich stets höflich und bescheiden.“
Der Präsident sagt in aller Stille: „Ich versuche nur, meinen Ausgangspunkt nicht zu vergessen ...“ – ich war ein „barfüssiger Junge“; ein „armes Ich“. Unabhängig davon, welch großes Ansehen ich in der Gesellschaft gewonnen habe, liegt mein Ausgangspunkt in jenem Weg, den ich immer und immer weiter lief, der lange Weg, auf dem ich mir innig wünschte, den armen Freunden zu dienen, und unermüdlich marschierte. Jenen Weg der Heimat werde ich niemals vergessen.
Ein großes Unterfangen gelingt nur dadurch, dass man seine anfangs gefasste Absicht durchsetzt.
Japan, denke ich, soll seine „erste Entschlossenheit zum Frieden“, die unmittelbar nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs gefasst wurde, auch nicht vergessen, und ebenso jenen blauen Himmel, unter dem die Japaner sich inmitten der Ruinen nach dem Krieg gelobten, nicht durch die militärische Macht, sondern aufgrund der Kraft der Kultur das Land wieder aufzubauen und zu beschützen.
Die Worte des Präsidenten möchten wir gemeinsam tief beherzigen: „Ohne Gerechtigkeit kein Frieden, und ohne Liebe keine Gerechtigkeit. Der einzige Weg, der zum Frieden führt, liegt nur darin, eine Lebensweise, anderen zu dienen, zu verbreiten! Ich bin der festen Überzeugung, dass das Ziel der Soka Gakkai gleichwohl dahin gerichtet ist.“
(aus „Seikyo Shimbun“ vom 19. April 2003)
";s:12:"content_meta";N;}