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Gosho-Studium für November 2000

„Beileidsbrief“

1) „Was den Tod des verehrten Herrn Nanjo Shichiro-Goro betrifft – es steht fest, dass die Menschen sterben, so wie sie einmal geboren sind. Da allen Menschen, den klugen und den ungebildeten sowie denjenigen von hohem und von niedrigem Stand in der Gesellschaft, dies gleichermaßen bewusst ist, sollten sie weder darüber klagen noch davon überrascht werden, als ob sie nichts davon gewusst hätten, wenn der Augenblick gekommen ist. Ich bin mir dessen bewusst, und ich habe es auch andere gelehrt. Nichtsdestotrotz, wenn die Stunde gekommen ist, so kann ich immer noch nur schwer unterscheiden, ob dies (der Tod Shichiro-Goros) ein Traum oder eine Illusion ist.

2) Geschweige denn, wie sehr Ihre Mutter um ihn trauert, obschon sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihren Geschwistern zurückgelassen und weiter von ihrem geliebten Ehemann durch seinen Tod geschieden wurde, so wünschte ich, dass sie von ihren vielen Kindern doch getröstet werden möge. Er war ein liebenswürdiges Kind und überdies ein Junge mit einem Aussehen, das das der anderen übertraf. Da er selbst sicher auftrat und Zuverlässigkeit ausstrahlte, empfanden auch andere Menschen ihn in der Umgebung als erfrischend. Mir gedenkt, dass (sein früher Tod) es gegen alle Vernunft ist, so wie die Knospe einer Blume durch den Wind vertrocknet oder der Vollmond ganz plötzlich abgenommen hätte. Da ich immer noch nicht begreifen kann, (dass er gestorben ist,) fühle ich mich nicht geneigt, an dieser Stelle noch weiter zu schreiben. Bald werde ich Ihnen wieder schreiben.“

Mit tiefem Respekt

Nichiren

Der 6. September im Dritten Jahr von Koan (1280)

Nachtrag: Als ich ihn am 15. Juni traf, machte er auf mich den Eindruck eines stattlichen Jungen von geradezu überragendem Mut. Wie traurig ist es, dass ich ihn nicht mehr sehen kann. Trotz alledem, da er tiefgründig an Shakyamuni Buddha und an das Lotos-Sutra glaubte, war sein letzter Augenblick des Lebens vortrefflich. Es lässt sich annehmen, dass sein Herz den Weg zum Reinen Land des Adlergipfels, wo sich sein Vater befindet, nimmt und sich dort mit ihm zusammen über das Wiedersehen freut. Wie wunderbar! Wie wunderbar! (Japanische Gosho, Seite 1567)

Hintergrund und Adressat

  1. Nichiren Daishonin war 58 Jahre alt, als er die vorliegende Gosho aus Minobu an Nanjo Shichiro-Jiro Tokimitsu (1259-1332) schrieb. Der Daishonin trauerte sehr über den Tod Tokimitsus jüngsten Bruders Shichiro-Goro und verfasste deswegen diesen Beileidsbrief. In der Familie Nanjo nahm Tokimitsus Vater, Hyoe-Shichiro, als erster den Glauben an die Lehre des Daishonin an. Es lässt sich vermuten, dass es in den beiden Jahren von 1263 auf 1264 geschah.

  2. Hyoe-Shichiro war einst der Gutsherr von Nanjo in der Provinz Izu, der jetzigen Präfektur Shizuoka, und leistete seinen Dienst als direkter Bediensteter des Schoguns innerhalb der Regierung in Kamakura. In späteren Jahren wurde er als Graf nach Ueno in der Provinz Suruga, ebenfalls in der heutigen Präfektur Shizuoka, versetzt und wohnte seither an diesem Ort. Seine Rufnamen Nanjo sowie Ueno stammen aus den beiden Ortsnamen. Seine Ehefrau, also Tokimitsus Mutter, war die Tochter von Matsuno Rokuro-Zaemon und fing auch unmittelbar an, nach ihrem Ehemann die Lehre des Daishonin auszuüben. Als Hyoe-Shichiro etwa knapp zwei Jahre später (8. März 1265) starb, begab sich Nichiren Daishonin von Kamakura nach Nanjo und besuchte die Familie. HyoeShichiro hinterließ seine Frau und insgesamt neun Kinder (fünf Söhne und vier Töchter). Tokimitsu war zu diesem Zeitpunkt gerade 6 Jahre alt. Frau Ueno war mit ihrem jüngsten Kind (ShichiroGoro) gerade schwanger.

  3. Jedoch wurde die Fackel des reinen Glaubens in der Familie Nanjo weiter getragen. Die ganze Familie wurde vom Daishonin bei jeder sich bietenden Gelegenheit stark ermutigt und vertiefte dadurch ihren Glauben umso mehr. Durch den Tod seines älteren Bruders (Zeitpunkt unbekannt) übernahm Tokimitsu schließlich die Grafschaft. Nachdem Nichiren Daishonin im Mai 1274 in Minobu seine Behausung einrichtete, besuchte ihn Tokimitsu häufig und brachte von tiefem Herzen Spenden. Durch die Ermutigung und Führung von Nikko Shonin verstärkte er seinen Glauben, so dass er die große Aufgabe für die Verbreitung des wahren Buddhismus des Daishonin als Zentralperson in der Region durchführte. Zu Zeiten der Atsuhara-Verfolgung (siehe das Studienmaterial für September) führte er tapfer seinen Kampf gegen die Ungerechtigkeit durch und beschützte mittelbar oder unmittelbar Nichiren Daishonins Schüler, die durch die Obrigkeit gesucht wurden, dadurch dass er sie beizeiten bei sich zuhause verbarg oder ihnen nötigenfalls Flucht verhalf. Am 5. September 1280 verstarb plötzlich das jüngste Kind Shichiro-Goro. Sobald der Daishonin davon hörte, schrieb er diesen Brief.

  4. Anhand der folgenden Vorlesung Präsident Ikedas wollen wir diesmal das tiefe Herz des Daishonin, nämlich das Mitgefühl (Jihi) des Ursprünglichen Buddhas, zusammen studieren. Denn er zeigt in dieser Gosho klar und deutlich, dass der Buddha derjenige ist, der als erster handelt und Leiden anderer teilt.

Vorlesung Präsident Ikedas

1. Ein starker Mensch ist jemand, der sanft ist.

„Vögel weinen, aber vergießen keine Tränen. Ich, Nichiren, weine nicht, aber meine Tränen fließen unaufhörlich.“ (Gosho Band I, Seite 39)

Nichiren Daishonin schrieb diese berühmten Worte während seiner Verbannung auf der Insel Sado. Er war ein Mensch von großer Leidenschaft und überfließendem Mitgefühl. Er war jemand, in dem sich die große Leidenschaft und die tiefe Weisheit vollkommen vereinigten.

Dostojewski, ein russischer Schriftsteller, schreibt: „Große Ideen entspringen nicht so sehr der besonderen Intelligenz als vielmehr dem besonderen Gefühl.“ (aus „Der ewige Gatte“)

Der Buddha ist jemand, der die Leiden anderer teilt.

  1. Der Buddhismus ist eine Religion des Mitgefühls (Jihi) und der Weisheit. Mitgefühl und Weisheit sind untrennbar miteinander verbunden. Ein wahrhaft weiser Mensch ist auch ein Mensch von unübertrefflichem Mitgefühl. Ein Mensch mit tiefem Mitgefühl (Jihi) verkörpert die Weisheit des wahren Buddhismus. Der japanische Ausdruck für Mitgefühl, Jihi, hat die Bedeutung von Stöhnen. Mit anderen gemeinsam leiden oder aus Sympathie mit ihnen zusammen laut und deutlich stöhnen, das ist die Bedeutung von Jihi (Mitgefühl). Der Buddha ist vor allem jemand, der das Leiden anderer teilt.

  2. Zum Beispiel sitzt eine Mutter, die ihr Kind verloren hat, benommen am Straßenrand. Mit tausend Worten wird es keinem Menschen gelingen, das Herz dieser Mutter zu trösten. Es bleibt ihnen schließlich nichts übrig, als schnell an ihr vorüberzugehen. Zufällig mag vielleicht ein Geistlicher vor ihr stehen bleiben und versuchen, für sie mit einem Gesicht vorgegebener Erleuchtung eine Predigt zu halten. Aber niemand vermag wirklich die Trauer der Mutter zu empfinden. Ganz gleich, wie fortgeschritten die Wissenschaft auch sein mag, auch wenn man heute Menschen in den Weltraum fliegen kann, diese Wissenschaft vermag die Trauer der Mutter nicht zu linden. Es mag sein, dass allein die Worte einer Frau, die dasselbe wie sie erlebt hat, zu ihr durchdringen können.

  3. Was würde der Buddha in einer solchen Situation tun? Wahrscheinlich würde er sich an die Seite der Mutter setzen. Ohne ein Wort zu sagen, würde er vielleicht einfach neben ihr sitzen bleiben. Auch ohne dass Worte gewechselt würden, würde die Mutter doch die Wärme, den sorgenden Geist des Buddhas fühlen. Sie würde den Herzschlag des Buddhas spüren. Nach einer Weile würde die Mutter ihr Gesicht erheben, und dort vor ihren Augen wäre das Gesicht des Buddhas, der all ihren Kummer versteht. Der Buddha würde nicken, und die Mutter würde es erwidern. Es gibt keine stärkere Ermutigung als einen solchen Austausch zwischen zwei Herzen, auch ohne ein Wort. Im Gegensatz dazu würde ohne einen solchen Austausch von Herz und Herz doch nichts mitgeteilt werden, selbst wenn Millionen Worte gesprochen würden.

  4. Schließlich würde der Buddha sich erheben, und die Mutter, als wäre sie von ihm aufgefordert, würde sich ebenfalls erheben. Dann, gemeinsam, würden sie einen Schritt vorwärts tun, dann einen weiteren. Ihr Weg würde durch das Mondlicht sanft erhellt, und der Buddha würde sie bis zum Ende fortgesetzt ermutigen, bis zu dem Tag, an dem die Mutter zur Sonne emporschauen kann, bis sie sich dazu entschließen kann, ein wertvolles Leben zu führen – auch anstelle ihres verstorbenen Kindes. Der Buddha ist zum einen sanft und zum anderen streng. Einmal spricht er im Bündel blumiger Worte, und zum anderen indem er gemeinsam handelt. Für die Mutter ist der Buddha, der mit ihr ihre Leiden fühlt, ein wahrer Verbündeter und jemand, bei dem sie sich am sichersten fühlen kann. Gerade aus diesem Grund durchdringen die Worte des Buddhas ihr Leben.

Briefe des „Mitleidens“ an die Mutter, die ihr Kind verlor.

1. Ganz grundlegend betrachtet, ist Mitgefühl (Jihi) das Herz des Mitleidens, zusammen mit denen zu leiden, die leiden, und mit ihnen zusammen zu beten.

Der Daishonin besaß ganz sicher solch einen Geist. Er teilte die Trauer und die Tränen von Frau Ueno, der Mutter von Graf Nanjo Tokimitsu, als ihr jüngster Sohn Shichiro-Goro im Alter von nur 15 Jahren verstarb. Er setzte seine Ermutigung fort, bis im Herzen der Mutter ein Feuer entzündet wurde. Nichiren Daishonin schrieb im ersten Jahr nach Shichiro-Goros Tod etwa zehn Briefe an die Familie Nanjo. Es ist wohl vorstellbar, wie sehr seine barmherzige Besorgnis ihr trauriges Herz erwärmen konnte. Diesmal wollen wir die menschlichen Dramen untersuchen und daraus lernen.

Erläuterung zum Absatz 1)

„Was den Tod des verehrten Herrn Nanjo Shichiro-Goro betrifft – es steht fest, dass die Menschen sterben, so wie sie einmal geboren sind. Da allen Menschen, den klugen und den ungebildeten sowie denjenigen von hohem und von niedrigem Stand in der Gesellschaft, dies gleichermaßen bewusst ist, sollten sie weder darüber klagen noch davon überrascht werden, als ob sie nichts davon gewusst hätten, wenn der Augenblick gekommen ist. Ich bin mir dessen bewusst, und ich habe es auch andere gelehrt. Nichtsdestotrotz, wenn die Stunde gekommen ist, so kann ich immer noch nur schwer unterscheiden, ob dies (der Tod ShichiroGoros) ein Traum oder eine Illusion ist.

  1. Wenn es ein freudiges Drama der „Geburt (des Lebens)“ gibt, gibt es auch ein trauriges Drama des „Todes“.

Im Herbst 1280 spielte sich dies gleich hintereinander in der Familie Nanjo ab. Das freudige Drama war die Geburt des Sohnes Tokimitsus. In einem am 26. August datierten Brief drückte Nichiren Daishonin seine Freude darüber aus, dass Tokimitsu und dessen Frau mit einer Tochter und einem Sohn gesegnet wurden. Der Daishonin selbst gab dem Jungen den Namen „Hiwaka Gozen“. (Japanische Gosho, Seite 1566)

Es muss sehr bewegend für das Ehepaar gewesen sein, dass der Name, den Nichiren Daishonin für ihren Sohn gewählt hatte, das Schriftzeichen für Sonne (Hi = Nichi) enthält, das auch Teil des Namens des Daishonin selbst ist. Dies geschah ein Jahr nach der Atsuhara Verfolgung (September 1279). Es ist wohl anzunehmen, dass all ihre Mühsal während der schwierigen Kämpfe auf ein Mal wie fortgewischt war. Darüber hinaus war Tokimitsus Mutter tief bewegt über die Geburt ihres Enkels, der einmal als Stammhalter der Familie sein würde. Ebenso empfand sie aufrichtige Freude über die Glückwünsche des Daishonin.

  1. Doch knapp zehn Tage später, am 5. September 1280, ereilte die Familie Nanjo plötzlich ein Unglück. Tokimitsus jüngster Bruder, Shichiro-Goro, starb unvermittelt. Er war nur 15 Jahre jung. Obwohl die Todesursache nicht bekannt ist, muss dies jedenfalls sehr überraschend und unerwartet geschehen sein. Die Freude über die Geburt verwandelte sich im Nu in die Trauer des Todes. Der Kummer der Familie war grenzenlos. Auch der Daishonin war völlig überrascht von der Wandlung der Ereignisse. Sofort nachdem ihn ein Bote mit der Nachricht vom Tod Shichiro-Goros erreicht hatte, schrieb er den hier vorliegenden Brief an Tokimitsu, datiert am 6. September.

  2. Die Unbeständigkeit von Leben und Tod ist für alle Menschen eine unausweichliche Tatsache. Dies betrachtet der Buddhismus als grundlegendste Prämisse der Natur allen Seins. Deshalb sollte man sich jetzt nicht davon erschrecken lassen. Vom Standpunkt der Ewigkeit des Lebens aus könnte man sagen, dass sowohl Geburt als auch Tod nur Ereignisse von winziger Bedeutung sind. In der Theorie klingt das gut und schön; doch das Herz der Menschen kann durch solche bloße Theorie kaum befriedigt werden. Der Daishonin blieb durch und durch ein Mensch. Er war menschlicher als alle anderen. Als er die Eilnachricht hörte, konnte er es nicht glauben und fragte sich, ob alles nur ein Traum oder eine Illusion sei. Darüber hinaus schrieb er, dass er so verwirrt sei und deshalb gar nicht in der Lage sei, weiter zu schreiben. Mit diesen Worten muss er womöglich auch die Gefühle der hinterbliebenen Familienangehörigen ausgedrückt haben. In einem anderen Brief, den Nichiren Daishonin etwa eine Woche später an die Familie Nanjo geschickt haben soll, heißt es: „Was den verstorbenen Nanjo Shichiro-Goro angeht, habe ich bis jetzt wiederholt gedacht, dass es sich dabei um einen Traum oder um reine Illusion handelt, oder sicherlich unwahr sein muss, aber es ist in Ihrem Brief doch erwähnt, was mich zum ersten Mal veranlasste, daran zu glauben, dass es der Wahrheit entspricht, und mich vom Irrtum zu befreien.“ (Japanische Gosho, Seite 1566)

Sowohl mit dem Leiden als auch in der Freude – stets Daimoku

  1. Nichiren Daishonin gibt zu verstehen, dass es für ihn selbst schwierig war, den Tod ShichiroGoros zu akzeptieren. Welch tiefes Mitgefühl der Ursprüngliche Buddha dadurch zeigt. Er trauert um seinen jungen Schüler genauso, wie es Eltern empfinden würden. Sein unermessliches Mitgefühl für alle Menschen hat Nichiren Daishonin im Gohonzon manifestiert. Er schreibt: „Sehen Sie ein, dass das Leid zu leiden ist, öffnen Sie sich dafür, dass es eine Freude ist, sich zu freuen. Gleich gesinnt, sowohl mit dem Leiden als auch in der Freude, chanten Sie entschieden Nam-Myoho-Renge-Kyo.“ (Gosho Band I, Seite 23; japanische Gosho, Seite 1143)

Genauso wie er es mit diesen Worten ausdrückt, wird sich alles zum besten entwickeln, solange wir fortfahren, konsequent Daimoku zu chanten. Jemand predigt einseitig aus einer sicheren und bequemen Position heraus eine theoretisch überragende Lehre – das hat mit dem Buddhismus nichts zu tun.

  1. Ein wirklicher Buddha ist jemand, der inmitten der Menschen lebt, trauert und mit ihnen zusammen leidet und mit ihnen ihre Hoffnungen und ihr Lachen teilt. Genau das war das Verhalten des Ursprünglichen Buddhas. Keinesfalls ging der Daishonin leichtfertig mit Theorien über Karma um. Herablassend zu leidenden Menschen zu sagen: „Das ist eben euer Karma“, würde ihr Elend nur noch verstärken. Menschen, die mit ihrem Schicksal kämpfen, fühlen sich, als ob ein Sturm durch ihr Herz rasen und toben würde. Wenn es so ist, wollen wir auch mit ihnen zusammen im Regen stehen und völlig durchnäßt gemeinsam nach dem Weg suchen – was kann ein Mensch womöglich in solch einer Situation tun. Selbst wenn er sein Unterfangen nicht immer erfolgreich durchführen könnte, würde seine Mühe eine Brücke zwischen allen Menschen schlagen. Es geht weder um bloße Sympathie noch um Sentimentalität. Gerade weil in der tiefen Basis das Gebet, die harte Bemühung des Mitleidens, das das Leben eines Menschen mit dem Leben eines anderen verbindet, existiert, wird das Leben eines Menschen das Leben eines anderen tief berühren.

Erläuterung zum Absatz 2)

Geschweige denn, wie sehr Ihre Mutter um ihn trauert, obschon sie sowohl von ihren Eltern als auch von ihren Geschwistern zurückgelassen und weiter von ihrem geliebten Ehemann durch seinen Tod geschieden wurde, so wünschte ich, dass sie von ihren vielen Kindern doch getröstet werden möge. Er war ein liebenswürdiges Kind und überdies ein Junge mit einem Aussehen, das das der anderen übertraf. Da er selbst sicher auftrat und Zuverlässigkeit ausstrahlte, empfanden auch andere Menschen ihn in der Umgebung als erfrischend. Mir gedenkt, dass (sein früher Tod) es gegen alle Vernunft ist, so wie die Knospe einer Blume durch den Wind vertrocknet oder der Vollmond ganz plötzlich abgenommen hätte. Da ich immer noch nicht begreifen kann, (dass er gestorben ist,) fühle ich mich nicht geneigt, an dieser Stelle noch weiter zu schreiben. Bald werde ich Ihnen wieder schreiben.“

Mit tiefem Respekt

Nichiren

Der 6. September im Dritten Jahr von Koan (1280)

Nachtrag: Als ich ihn am 15. Juni traf, machte er auf mich den Eindruck eines stattlichen Jungen von geradezu überragendem Mut. Wie traurig ist es, dass ich ihn nicht mehr sehen kann. Trotz alledem, da er tiefgründig an Shakyamuni Buddha und an das Lotos-Sutra glaubte, war sein letzter Augenblick des Lebens vortrefflich. Es lässt sich annehmen, dass sein Herz den Weg zum Reinen Land des Adlergipfels, wo sich sein Vater befindet, nimmt und sich dort mit ihm zusammen über das Wiedersehen freut. Wie wunderbar! Wie wunderbar!

1. Die Mutter von Tokimitsu war eine Frau, die mannigfaltiges Leiden durchlitt. Sie verlor ihren Ehemann, Nanjo Hyoe Shichiro, im zweiten Jahr von Bun’ei (1265). Er war in der Blüte seines Lebens und sollte eigentlich seine besten Lebensjahre noch vor sich haben. Nach seinem Tod blieben fünf Söhne und vier Töchter zurück. Tokimitsu, sein zweiter Sohn, war gerade sechs Jahre alt. Alle Kinder waren so jung. Als Frau Ueno ihren Mann verlor, war sie mit Shichiro-Goro, der jüngste der fünf Söhne, noch schwanger. In einer anderen Gosho schreibt der Daishonin:

„Weil Ihr Ehemann, der verstorbene Graf Ueno, der in der Blüte seines Lebens war, Ihnen im Tod vorauseilte, und Ihr Kummer tief war, dachten Sie, dass Sie ihm durch Feuer und Wasser gefolgt wären, wenn Sie nicht schwanger gewesen wäre. Als Ihr Sohn schließlich glücklich geboren wurde, überlegten Sie sich, ob Sie seine Erziehung jemand anderem überlassen und sich ertränken könnten. Um dieses Kindes willen trösteten Sie sich selbst, und inzwischen sind 14 oder 15 Jahre vergangen.“ (Japanische Gosho, Seite 1572)

Das Kind, auf das er sich bezieht, ist Shichiro-Goro, der so plötzlich verstorben war.

Das auf dem mystischen Gesetz basierende Leben ist ein Buddha im Leben wie nach dem Tod

  1. Die Mutter freute sich auf das Heranwachsen von Tokimitsu und Shichiro-Goro und hegte auch große Hoffnungen auf sie beide. Shichiro-Goro sah gut aus, war intelligent und wurde von vielen Menschen sehr gelobt. Es ist wohl anzunehmen, dass er seiner Mutter gegenüber alle Pflichten treu erfüllte. Aus diesen Gründen mangelt es dem Daishonin an Worten, die Mutter zu ermutigen. Er teilt seine Gefühle ganz offen und aufrichtig mit. Die Mutter, deren Herz durch ihre Trauer empfindsam wurde, muss die Güte Nichiren Daishonins sehr tief gespürt haben, die jede Zeile seines Briefes durchdrang. Wie sehr muss seine Anteilnahme ihr von Kummer ergriffenes Herz getröstet haben. Jemanden zur Seite zu haben, der alles versteht, kann einem Menschen die Kraft geben, weiter zu leben.

  2. Im Nachtrag seines Briefes wiederholt der Daishonin sein Bedauern über den Tod dieses jungen Menschen, der eine so vielversprechende Zukunft vor sich hatte. Als der Vater Nanjo Hyoe Shichiro gestorben war, schrieb Nichiren Daishonin folgendes: „Er war während seines Lebens ein Buddha und jetzt nach seinem Tod ebenfalls ein Buddha. In den beiden Phasen von Leben und Tod ist er ein Buddha.“ (Gosho Band II, Seite 222; Japanische Gosho, Seite 1504)

Der Daishonin lehrt, dass derjenige, der das Mystische Gesetz durchlebt, auch wenn sein Leben nur kurz gewesen sein mag, ein Buddha sowohl im Leben als auch nach dem Tod ist. In diesem Nachtrag ermutigt der Daishonin Frau Ueno, dass Shichiro-Goro zweifelsohne seinen Vater auf dem Adlergipfel wieder getroffen haben muss.

Für Mütter und Kinder in der Gesellschaft eine „große Strömung der Barmherzigkeit“!

  1. In einem anderen Brief an Frau Ueno schreibt der Daishonin: „Wenn er Ihnen zumindest hinterlassen hätte, wo Sie ihn treffen können, wären Sie sicherlich dazu entschlossen, sich ohne Flügel in den Himmel zu erheben oder ohne Boot nach China zu reisen. Wenn Sie hören würden, dass er in der Tiefe der Erde sei, würden Sie womöglich denken, sich unbedingt durch die Erde zu graben. Es gibt jedoch eine Möglichkeit, ihn ganz unschwer zu treffen. Lassen Sie sich bitte vom Buddha Shakyamuni als Führer ins Reine Land des Adlergipfels begleiten und dort mit ihm treffen.“ (Japanische Gosho, Seite 1576)

Der Daishonin teilt hier Frau Ueno mit, dass sie ihren geliebten Sohn bestimmt auf dem Adlergipfel treffen kann, und gibt ihr bei jeder Gelegenheit wiederholt einfühlsame Ermutigung. Es ist äußerst schwierig, alle erschütternden Auswirkungen, die der Tod eines Kindes auf die Mutter hat, zu begreifen.

  1. Selbst heute noch vergesse ich nicht, wie meine Mutter aussah, als ihr mitgeteilt wurde, dass mein ältester Bruder im Krieg gefallen war. Als sie die offizielle Mitteilung über seinen Tod erhielt, drehte sie sich weg, ihre Schultern erschlafften, und ihr kleiner Rücken zeigte volle Schmerzen. Meine Mutter weinte nicht vor uns, aber ich nahm sehr deutlich wahr, dass sie von diesem Tag an sichtbar alterte. Dies macht die ganze Brutalität und rücksichtlose Grausamkeit des Krieges deutlich. Aus diesem Grund bin ich fest entschlossen, mich mit meinem ganzen Leben dem Krieg zu widersetzen, der Mütter in der ganzen Welt in Sorge und Kummer stürzt.

Alle Mütter und Kinder zum Glück führen!

Eine Gesellschaft aufbauen, in der alle Mütter und Kinder mit ihren lachenden Gesichtern in den blauen Himmel emporschauen können!

Dafür sind wir bemüht, im tiefen Grund der Gesellschaft eine Strömung der Barmherzigkeit zu stärken und zu erweitern – das ist die Bewegung, die wir vorantreiben.

(Studienabteilung der SGID)

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