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Daisaku Ikeda:
Neue Menschliche Revolution, Essay 80
Der 3. Mai 1979
An diesem Tag im Mai war der Himmel wolkenlos und strahlend blau. Blühende
Azaleen bedeckten den Hügel von Musashino, als ob die Blüten den Frühling
des Lebens schmücken wollten. In der Ferne über dem Blühen leuchtete
frisches Grün, schwebte das Schweigen der großen Wahrheit. Meine Frau sagte
mit glänzenden Augen: "So war das Wetter vor 19 Jahren auch."
*
In der Tat war das Wetter an diesem Tag im Jahr 1960 auch sehr schön, mit
einem wolkenlosen Himmel, als ich mein Amt als dritter Präsident der Soka
Gakkai antrat. In der folgenden Nacht betrachteten wir vor unserem
bescheidenen kleinen Haus im Bezirk Ota zusammen den Nachthimmel und sagten
zueinander: "Die Sterne leuchten so, wie Glühwürmchen schimmern." Während
dieser 19 Jahre habe ich einen Kampf auf Leben und Tod geführt, um die
hoffnungslose Dunkelheit zu erhellen und ein großes Reich des grenzenlosen
Friedens aufzubauen.
*
Es war der 3. Mai 1979. Die 40. Generalversammlung in der Turnhalle der Soka
Universität anläßlich der "Vollendung der 7. Glocke von Kosen-rufu" stand
kurz bevor. Ursprünglich sollte ich an diesem Tag mit einer wichtigen
Grußbotschaft den Erfolg der Kosen-rufu-Bewegung der Soka preisen. Der Tag
sollte voller Jubel sein, so daß alle Mitglieder ihn mit Leidenschaft
empfangen, mit dem höchsten Licht im Herzen beibehalten und sich fröhlich
das nächste Ziel setzen könnten. An diesem Tag sollte auch miteinander
gefeiert werden, so daß die aufrichtigen Streiter für Kosen-rufu heiter
miteinander den Freudenbecher leeren könnten. Und die Glocke des großen
Sieges sollte an diesem Tag geschlagen werden. Aber die vor Eifersucht
verrückte Priesterschaft und die bösen Verräter in ihrem dunklen Ärger
machten das geplante Glückwunschtreffen zunichte.
*
Es war kurz vor 14 Uhr bei der Eröffnung der Generalversammlung. Als der Bus
mit den eifersüchtigen und vom Ärger zerfressenen Priestern an der
Universität ankam, stellte ich mich an die Tür des Busses und begrüßte sie
voller Höflichkeit. Aber die Priester gingen ohne ein einziges Wort der
Begrüßung oder eine Verbeugung mit grimmigen, ausdruckslosen Gesichtern
arrogant an mir vorbei.
Die traditionelle Generalversammlung der Soka Gakkai, die sonst immer mit so
viel lebendiger Freude und Schwung ablief, besaß diesmal eine
außergewöhnliche Atmosphäre, da sie unter die Verwaltung und Aufsicht der
Priesterschaft gestellt worden war. Ein Leiter sagte hinterher: "Diese
Versammlung war so, als hätten alle auf ihren Grabsteinen gesessen." Es gab
viele zornige Stimmen.
Der Beifall der Zuhörer für mich war zurückhaltend. Die Leiter, die auf dem
Podium saßen, hatten mich noch wenige Tage zuvor bei einer Versammlung wie
immer mit "Ikeda Sensei" angeredet, aber aus Furcht vor der Priesterschaft
wagten sie das heute nicht. Es ging nicht um meine Person. Es war Verrat im
Herzen an den Mitgliedern, die durch die Drei Existenzen hindurch tief
miteinander verbunden sind. Ein Mitglied der Frauenabteilung schimpfte:
"Warum konnte man nicht sagen, daß die große Entwicklung der
Kosen-rufu-Bewegung bis heute dank Ikeda Sensei möglich war?"
Als ich meinen Platz verließ, erhob sich ratloser, matter Applaus. Später
kam mir zu Ohren, daß der höchste Leiter der Jugendabteilung gesagt hatte:
"Klatscht nicht so viel, es könnte den Priestern unangenehm sein.
Insbesondere klatscht nicht für Sensei."
Sie waren von der furchtbaren Teufelsfunktion der Priesterschaft vergiftet.
Es war, als ob sie aus Angst vor Ashura1 zu Feiglingen geworden wären. Aber
die Augen der Mitglieder, die mich anschauten, waren sehr ernst. Ich fühlte
ganz deutlich, daß sie gerne "Sensei" gerufen hätten, es aber unterdrückten.
Die Erinnerung an das Treffen mit den Mitgliedern der Frauenabteilung, die
kurz nach dem Verlassen der Turnhalle auf dem Flur zu mir kamen, wohnt noch
immer tief in meinem Herzen und wird nie erlöschen.
*
Nach der Versammlung begrüßte ich die höchsten Priester sehr höflich in
einem besonderen Empfangsraum. Aber sie ignorierten mich einfach. Ich bin
überzeugt davon, daß sie für ihre miserable Haltung als Menschen von dem
ihrem eigenen Leben innewohnenden König Emma (dem Totenrichter, Anm. d.
Übers.) ein strenges Urteil zu erwarten haben, weil das "Gesetz von Ursache
und Wirkung" ganz strikt ist.
Es kann sein, daß die bösartigen Schwindler, die sich mit der Priesterschaft
verbündet und die Soka Gakkai zu spalten versucht haben, selbst glaubten,
sie hätten ihre Absicht verwirklicht. Sie rechneten damit: "Schritt für
Schritt geht unser Plan auf. Gut so! Das wird ein vollständiger Sieg für
uns." So rechneten sie und waren auch noch stolz darauf. Ich konnte ihre
Intriganz und Arroganz deutlich sehen. Ich habe ein reales Bild der
raffinierten und maskierten Kerle und kann ihre Haltung durchschauen. Man
darf diesen durchtriebenen und intriganten Schuften auf keinen Fall folgen.
Trotz aller Verfolgungen ist "Geduld das gleiche wie unser Glaube" (nach
einem Goshosatz zitiert, Anm. d. Übers.). Die Soka Gakkai praktiziert so,
wie es unser Begründer Nichiren gelehrt hat. Das ist die Ausübung der
Verbreitung mit todesmutiger Entschlossenheit. Man sollte sich innerlich mit
sanfter Geduld wappnen. Die der Soka Gakkai feindlich gesinnten Menschen
kamen im Gewand des Begründers daher und instrumentalisierten und zerstörten
die Wahren Worte des Buddhas. Es war das wirkliche Bild von wütenden,
schrecklichen Teufeln, so traurig und zum Verzweifeln!
Eigentlich soll die Religion für das Glück der Menschen da sein. Es ist
grundsätzlich falsch, sich zum Sklaven der Priesterschaft und zum Knecht von
Tempeln als Symbol der Autorität zu machen.
*
Ich nahm mit dem Gefühl, daß noch größere Lasten auf mich zukommen würden,
von den anderen Abschied. Ich fuhr nicht nach Hause, sondern zum
Kulturzentrum Kanagawa.
"In der heutigen Zeitung stand Ihr Name." Das teilte mir ein Leiter aus
meiner nächsten Umgebung im Kulturzentrum mit. In der Zeitung Yomiuri vom 3.
Mai war das Resultat einer Umfrage über das unterschiedliche Lebensgefühl
von Japanern und US-Amerikanern veröffentlicht worden. Es wurden zwanzig
Persönlichkeiten aufgeführt, die von Japanern als "verehrte Vorbilder"
genannt worden waren, und mein Name war der sechste von oben. Vor mir waren
Shigeru Yoshida2, Hideyo Noguchi, Sontoku Ninomiya, Yukichi Fukusawa und der
Kaiser Showa. Dann kam ich. Ich empfand die mystische Bedeutung dessen, daß
dieser Artikel so kurz nach meinem Rücktritt vom Präsidentenamt (am 24.
April 1979) erschienen war. Ich spürte auch, daß die Mitglieder mich mit
aller Kraft unterstützten.
Einige Tage später erhielt ich einen Brief von einem Wissenschaftler, daß
ihn diese Umfrage sehr überrascht habe. Am Ende schrieb er: "Sie sind der
einzige Bürger unter all den anderen Persönlichkeiten, und auch die einzige
Person aus japanischen religiösen Kreisen. Sie sind ein echter König der
Religionskreise. Wie würde sich Ihr Mentor Toda freuen!"
*
"Ein großes Ereignis kündigt sich nicht durch kleine Vorzeichen an. Nach dem
Großen Bösen kommt ganz gewiß das Große Gute. Das Land ist bereits von
großen Verleumdungen erfüllt. Das bedeutet, daß die Wahre Lehre unweigerlich
verbreitet wird." (Jap. Gosho, S. 1.300) Das war die absolute Überzeugung
Nichiren Daishonins. Egal, was irgend jemand auch sagen mochte, ich
entschloß mich, mit meiner Überzeugung zu siegen.
Ich habe allein den Kampf begonnen mit der Vision noch vielfältigerer
Dimensionen als zuvor. "Der Löwe sucht sich keine Gefährten." Diese Worte
sagte mein Mentor oft zu mir. Als es einsam um mich her wurde, glaubte ich,
daß die wahren Gefährten mir ohne weiteres bestimmt folgen würden. Beide,
Meister und Schüler, kämpfen unbegrenzt, tanzen, laufen und siegen als
Einheit. Ich habe auf die neuen Gefährten der neuen Zeit gewartet.
Kanagawa ist der Hafen, der eine Verbindung zur ganzen Welt herstellt. Ich
habe mich neu entschlossen, von hier aus das Testament des Daishonin von
"Kosen-rufu für die ganze Welt" umzusetzen. Mit dieser Entschlossenheit
schrieb ich zwei chinesische Silben nieder: "seigi" ("Gerechtigkeit"). Ich
gab dieses Wort einigen Schülern als Auftrag, damit sie dessen tiefe
Bedeutung an die Nachwelt weiter vermitteln. Das war am 5. Mai.
*
Dann kehrte ich nach Tokyo zurück und fuhr zum Kulturzentrum Tachikawa, dem
Hauptgebäude des Zweiten Tokyo***, dem neue Pionierort von Tokyo. Es war
kurz vor Sonnenuntergang. Ich atmete eine kleine Weile tief durch mit dem
Gedanken, daß ich eine ganz andere Welt sähe, und schaute in die gerade
sinkende Sonne. Nachdem ich abends in Tachikawa angekommen war, erschien der
wunderschöne Mondgott am Himmel, den ich gerne gestreichelt hätte. Ich
schrieb ein Gedicht:
Im Westen erscheint der volle Sonnenuntergang
im Osten der leuchtende Vollmond
Der Himmel ist frisch und klar in heller Abenddämmerung
Die Stille in diesem Augenblick
ist wie ein wunderschönes Bild des ursprünglichen Lebens
Mein Lebenszustand ist genauso frei und rein
Dies schrieb ich unter dem 11. Mai in mein Tagebuch. Die Welt der Soka
Gakkai wird mit dem Leben der Sonne ohne Unterlaß vorwärtsgehen, um die
Lehre zu verbreiten, und wird bestimmt siegen.
(Übersetzung aus der Seikyo Shimbun vom 1. Mai 1999 von Kiyoshi Monma)
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