1600041780 a:2:{s:7:"content";s:22592:"

T A O I S M U S

Referat von Markus Bögel für die Studentenabteilung Hessen, 1993

Wenn von Taoismus die Rede ist, so muß man unterscheiden zwischen dem ursprünglichen, philosophischen Taoismus und dem religiösen Taoismus, der sich zwar aus ersterem ent­wickelt hat und sich auf diesen beruft, aber durch andere Einflüsse, vor allem magische Überlieferungen, Volksbräuche und buddhistische Quellen tiefgreifend verändert wurde. Aus diesem Grund soll hier vorrangig vom philosophischen Taoismus die Rede sein.

1) Anfänge des Taoismus

Die "Zeit der kämpfenden Reiche"

Noch im 5. Jahrhundert v.d.Z. zerfiel China in eine Vielzahl von Kleinstaaten, die von Lehnsfürsten regiert wurden. Die folgenden drei Jahrhunderte (vom 5. bis zum 3. Jahrhundert) waren eine Zeit langer kriegerischer Auseinandersetzungen, die von Historikern als "Zeit der kämpfenden Reiche" bezeichnet wird. Sie endete erst 221 v.d.Z. mit der Einigung Chinas unter der Herrschaft des Hauses Chin.

Während dieser Zeit gingen tiefgreifende politische und soziale Veränderungen vor sich. Diese gesellschaftlichen Umwälzungen berührten auch die Wertvorstellungen der Menschen in starkem Maße. Bis dahin stellte man sich die Weltordnung ganz selbstverständlich als Abbild der hierarchisch gegliederten menschlichen Gesellschaft vor und infolgedessen war auch diese Gesellschaftsordnung die einzig denkbare. Jetzt jedoch erfuhr sie erste Erschütterungen und mit ihr auch die Vorstellungen über die kosmische Ordnung.

Diese Situation bildete die Grundlage für die Entfaltung des philosophischen Denkens in China. Niemals sonst wurde das spekulative Denken so gepflegt wie in dieser unruhigen Zeit. Die Philosophie löste sich allmählich von der überkommenen Religion und Moral und es entstand erstmals eine Metaphysik, die später nur noch in geringem Maße unter dem Ein­fluß des Buddhismus verändert werden sollte.

Konfuzius und die "Hundert Schulen"

In die Zeit unmittelbar vor jener der "kämpfenden Reiche" fällt das Leben des Konfuzius. Damals zeigte das Gefüge der Gesellschaft schon erste Zeichen des Verfalls, die alte Ord­nung und die alten Ideale waren bedroht. Konfuzius stellte sich die Aufgabe, diese Ordnung und diese Ideale zu retten. Er begründete zu Beginn des 5. Jhdts. die erste Weisheits­schule, ein Ereignis von großer Tragweite, denn die Einflüsse seiner Lehre bildeten prak­tisch die Grundlage der Ethik und Politik über mehr als zwei Jahrtausende.

In der Folgezeit entwickelten sich viele Splittergruppen, die rasch so zahlreich wurden, daß man sie chinesisch die "Hundert Schulen" nennt. Als typisches Beispiel für die Zeitströmung sei hier die Schule der Legalisten genannt, die eine zeitlang recht einflußreich war. Im Gegensatz zum Konfuzianismus, dessen zentrales Anliegen eine auf den Riten und der Moral begründete Humanität war, sahen die Legalisten die einzige Möglichkeit für Regierung und Ordnung in einer strengen, für alle gleichermaßen gültigen Gesetzgebung, einem System von Lohn und Strafe.

Von all diesen Schulen überlebten jedoch nur zwei die politische Einigung Chinas. Die eine war der Konfuzianismus, der dem öffentlichen Leben und der Moral seinen Stempel auf­drückte und zur offizielen Lehre der Monarchie wurde, nachdem er sich Elemente anderer Strömungen, vor allem des Legalismus, einverleibt hatte. Die andere war der Taoismus, der im geistigen Leben des Individuums eine lebendige, wenn nicht gar vorherrschende Rolle spielte.

Lao-tzu

Man darf sich die alten chinesischen Philosophenschulen weder als geschlossene philoso­phische Systeme noch als einheitlich organisierte Schulen vorstellen. Der Taoismus geht au­ßerdem auch nicht wie der Konfuzianismus auf einen einzelnen Begründer zurück, obwohl als die zentrale Figur und als Urheber des bedeutsamsten Werkes (des Tao-tê-ching) im allgemeinen Lao-tzu angesehen wird.

Über Lao-tzu (oder Lao-tse, wie er auch genannt wird) ist sehr wenig bekannt; die Fachleute sind sich weder über seine Identität einig, noch darüber, wann er gelebt hat und ob er nicht nur eine legendäre Gestalt ist. Im allgemeinen wird aber seine Lebenszeit etwa um das 5. Jahrhundert v.d.Z. angenommen.

Das Dunkel um Lao-tzu wird von einigen alten Historikern damit erklärt, daß es sich um einen "verborgenen Weisen" handelte. Einer faßt seine Lehre folgendermaßen zusammen:\ "Lao-tzu pflegte das Tao und das Te. Nach seiner Lehre muß man danach trachten, namenlos im Verborgenen zu leben."

In der Geschichte des Taoismus haben solche in der Zurückgezogenheit lebenden Weisen eine wichtige Rolle gespielt. Die Mehrzahl der taoistischen Denker des Altertums lebte im Veborgenen und weigerte sich, am öffentlichen Leben Anteil zu nehmen. Das heißt aber nicht, daß alle Einsiedler Taoisten waren, im Gegenteil: die Taoisten übten scharfe Kritik an denjenigen, die sich durch ihren Formalismus und puritanischen Eifer eher als verbissene Konfuzianer denn als Schüler des Lao-tzu zu erkennen gaben. Sie selbst zogen sich nie­mals aus Trotz, sondern aus Prinzip zurück. Außerdem hatten viele eine Gefolgschaft von Schülern, die ihre Lehren weitergaben und teilweise auch aufzeichneten. Auf diese Weise ist, wie man heute annimmt, auch das Tao-tê-ching entstanden.

Lao-tzus Begegnung mit Konfuzius

Um das Verhältnis zwischen Konfuzianismus und Taoismusus zu verdeutlichen, seien hier zwei Erzählungen erwähnt, die von einer Begegnung Lao-tzus mit Konfuzius berichten:

1. Als Konfuzius nach Chou ging, erkundigte er sich bei Lao-tzu nach den Riten. Jener antwortete: "Die Knochen jener, von denen du sprichst, sind längst zu Staub zerfallen; nur ihre Worte sind uns erhalten. Im Übrigen, ist die Zeit dem Edlen günstig, dann begibt er sich im Wagen an den Hof. Ist sie ihm ungünstig, so streift er unscheinbar gekleidet umher. Ich habe gehört, daß ein guter Kaufmann seine Reichtümer verbirgt, als ob er mittellos wäre. Besitzt der Edle innere Tugend in Fülle, so wirkt er äußerlich wie ein Tor. Lege ab deine hochfahrende Miene, deine Begierden, deine Eitelkeit und deinen Eifer, alles Dinge, die dir zu nichts frommen! Das ist alles, was ich dir zu sagen habe."

Konfuzius zog sich zurück und sagte zu seinen Schülern: "Vom Vogel weiß ich, daß er flie­gen kann, vom Fisch, daß er schwimmen kann, von den Vierfüßern, daß sie laufen können. Die Tiere, die laufen, kann man mit dem Netz, die Tiere, die schwimmen, in der Reuse fan­gen; die Tiere, die fliegen, sind mit dem Pfeil zu treffen. Allein der Drache läßt sich mit Gedanken nicht fassen. Er schwingt sich auf dem Wind und dem Wolken gen Himmel. Heute habe ich Lao-tzu gesehen. Er ist wie ein Drache!"

2. Als er (Konfuzius) sich verabschiedete, begleitete Lao-tzu ihn und sagte: "Ich habe gehört, daß der Reiche und Mächtige die Menschen mit reichen Geschenken verabschiedet und daß der Gute die Menschen mit Worten verabschiedet. Ich kann mich nicht des Reich­tums und der Macht rühmen, aber ich schreibe mir für einen Augenblick den Titel eines guten Menschen zu. Also verabschiede ich Euch mit Worten, und zwar: Der Geistreiche und der Gründliche ist dem Tode nahe, denn er kritisiert die Menschen treffend. Der gelehrte Geist, der gründliche Denker setzt sich der Gefahr aus, denn er offenbart die Fehler der Menschen. Wer als Sohn spricht, kann keine Zurückhaltung üben; wer als Untergebener spricht, kann keine Zurückhaltung mehr üben."

Wie der Übersetzter anmerkt, wird in der zweiten Erzählung ein Unterschied zwischen beiden Lehren deutlich: Lao-tzu verurteilt Intelligenz, kindliche Pietät und Loyalität, für die Lehre des Konfuzius unabdingbare Prinzipien.

Das Tao-tê-ching

Das Tao-tê-ching ist das mit Abstand meistübersetzte Werk fernöstlicher Literatur und inner­halb Chinas der wahrscheinlich meistkommentierte Text. In seiner uns bekannten Form ist es eine Zusammenstellung verschiedener Überlieferungen des "Buches Lao-tzu". Deshalb bildet es weder stilistisch noch inhaltlich ein einheitliches Ganzes, sondern erscheint als Sammlung aphoristischer Aussprüche, die zum einen im Volk kursierende Weisheitssprü­che, zum anderen das Gedankengut pro-taoistischer Schulen wiedergeben.

Der Name "Tao-tê-ching" wurde ihm erst im Nachhinein im 2. Jahrhundert gegeben. Er bedeutet etwa "Heiliges Buch vom Tao und vom Te". Das Zeichen "ching", was hier soviel heißt wie "Leitregel", wurde bis dahin nur für die Titel der konfuzianischen Klassiker verwendet (später benutzten es auch Buddhisten zur Wiedergabe des Wortes "Sutra"). Durch diese Bezeichnung erfuhr das Werk also eine Aufwertung.

Chuang Chou

Neben dem Tao-tê-ching ist das Buch Chuang-tzu das zentrale und einzig erhaltene Werk des chinesischen Altertums. Wenn auch nicht so berühmt wie das Tao-tê-ching, so ist es doch umfänglicher und für uns bedeutsamer, weil es uns das Denken und Lebensgefühl der alten Taoisten deutlicher macht. Sei Autor, Chuang Chou, lebte etwa im 4. Jahrhundert v.d.Z.. Über ihn ist wenig bekannt, nur daß er ein hervorragender Gelehrter und Schriftstel­ler war, der die Lehren des Lao-tzu vertrat und mit dem sich niemand in der Debatte messen konnte.

\ 2) Die Lehre

Das Tao und das Tê im allgemeinen Sprachgebrauch

Ähnlich ungeordnet wie das Tao-tê-ching ist auch die Lehre des Taoismus. Die Begriffe Tao und Tê haben sehr unterschiedliche Bedeutungen, so daß in den taoistischen Schriften oft andere, umschreibende Wörter gebraucht werden.

bedeutet zunächst "Tugend"; eine andere mögliche Übersetzung ist "Lebenskraft". Dabei ist der Aspekt der Wirksamkeit wichtig, d.h. Tê wurde jedem Wesen zugeschrieben, das in irgendeiner Weise Macht oder Einfluß besitzt. Obwohl es grundsätzlich weder gut noch schlecht ist, wurde damit hauptsächlich eine positive Eigenschaft benannt.

Tao bedeutet im allgemeinen Sprachgebrauch zunächst "Weg", "führen" oder auch "eine Verbindung herstellen" und "sagen" und schließlich "Lehre". Auf einer anderen Ebene ist es aber ein religiöser und magischer Begriff, der das Ordnungsprinzip der Welt bezeichnet, das sich in den verschiedenen Bereichen der Wirklichkeit offenbart. Man spricht vom Tao des Menschen, vom königlichen Tao; das Tao des Himmels bildet das Gegenstück zum Tao der Erde (so wie Yang das Gegenstück zu Yin ist). Der Mensch hat dabei die Aufgabe, als Vermittler zwischen Himmel und Erde zu fungieren. Unter "Tao des Menschen" versteht man alle Verhaltensgrundsätze, die den Menschen in die Lage versetzen, diese Aufgabe zu erfüllen.

Dieses Tao war aber kein speziell taoistischer Begriff. Konfuzius bezieht sich darauf, wenn er erklärt: "Wer am Morgen vom Tao gehört hat, kann am Abend ruhig sterben" und in einem Anhang des "Buches der Wandlungen" ("I ching" oder "I Ging"), dem die beiden Grundprinzipien Yin und Yang zugrundeliegen, findet sich die älteste gelehrte Definition des Tao: "Ein Aspekt Yin, ein Aspekt Yang, das ist das Tao".

Das unaussprechliche Tao

Für die Taoisten ist das Tao nicht nur ein Ordnungsprinzip, sondern eine Wirklichkeit, aus der das Universum entspringt. Lao-tzu sagt dazu:

"Es gibt ein eigenschaftsloses und vollkommenes Wesen, das vor dem Himmel und der Erde entstanden ist: wir dürfen es als die Mutter der Welt betrachten, doch kenne ich ihren Namen nicht. So nenne ich es Tao. Und wenn ich ihm unbedingt einen Namen geben soll, dann das unendlich Große."

Und weiter:

"1. Ein Tao, über das man sprechen kann, ist nicht das stete Tao.

2. Ein Name, der zur Benamung dienen kann, ist nicht der stete Name.

3. Was ohne Namen ist, ist der Ursprung von Himmel und Erde.

4. Was einen Namen hat, ist die Mutter der Zehntausend Wesen [der Lebewesen].

5. Solchermaßen im steten Zustand der Begierdelosigkeit betrachten wir diese Geheimnisse.

6. Im steten Zustand der Begierden betrachten wir seine Grenzen [oder: seine Oberfläche].

7. Diese beiden Modalitäten beruhen auf dem gleichen Prinzip, aber ihre Namen sind verschieden.

8. Vereint nenne ich sie das Dunkle; das dunkelste in dieser Dunkelheit ist das Tor aller Geheimnisse."

Das Tao wird also als ein Absolutes definiert, das nicht wahrgenommen werden kann. Wahrnehmbar sind nur die Potenzen (Tê), die die Wirkkraft des Tao darstellen.

Festzuhalten ist noch, daß für Lao-tzu das Tao eine weibliche Qualität besitzt, als "die Mutter der Zehntausend Wesen". Die Entstehung der Welt wird im Tao-tê-ching folgendermaßen dargestellt: "Das Tao brachte Eins hervor; Eins brachte Zwei hervor; Zwei brachte Drei hervor; Drei brachte die Zehntausend Wesen hervor".

Die Leerheit (wu)

Die Vorstellung einer Mutter hängt bei Lao-tzu eng zusammen mit der Leerheit, einem der großen Motive des taoistischen Denkens. Sie ist nichts anderes als das Fehlen sinnlich wahrnehmbarer Eigenschaften, das charakteristisch für das Tao ist. In Gegensatz zum sinn­lich wahrnehmbaren wird sie als das eigentlich nützliche und wirksame angesehen, weil sie, "einem Blasebalg vergleichbar, in der Lage ist, beliebige Kraft zu erzeugen" und auch, weil sie "wie ein leeres Gefäß" ist.

Andererseits steht die Leerheit auch für das Wesen des Taoisten, der, von Leidenschaften und Begierden befreit, ganz vom Tao ausgefüllt wird.

Das Gesetz der Wiederkehr

Im Tao-tê-ching heißt es: "Nachdem ich die vollkommene Leerheit erreicht habe und die Stille stetig bewahren kann, vermag ich die Wiederkehr der sich regenden Zehntausend Wesen wahrzunehmen. Von all diesen wimmelnden Wesen kehrt ein jedes zu seiner Wurzel zurück. An seine Wurzel zurückgekehrt, ist es still. Hat es die Stille erreicht, ist es in seinen Urzustand zurückgekehrt. Die Rückkehr zum Urzustand ist das allgemeine Gesetz".

Und an anderer Stelle: "Wiederkehr ist die Bewegung des Tao".

Ohne die Bewegung des Tao gäbe es immer nur die undifferenzierte Einheit, kein Leben und keine Lebewesen. Erst durch die Bewegung vermag diese Einheit zur Vielfalt zu werden. Ein weiterer Aspekt dieser Vorstellung ist die Identität von Leben und Tod.

Ethische Konsequenzen

Für jeden Chinesen ist die Anpassung an den Rhythmus des Universums die Grundlage der Weisheit. Die Ziele des taoistischen Mystikers indes sind noch weiter gesteckt: für ihn kommt es nicht allein darauf an, sich durch Ritual oder Hygiene dem Wechsel der Jahres­zeiten anzupassen. Er möchte sich dem Determinismus von Leben und Tod entziehen, indem er ihn transzendiert. Dies gelingt ihm durch die in sich selbst verwirklichte Leerheit. Wer sie besitzt, hat Teil an der belebenden Wirkkraft des Tao. Ihn nennt Lao-tzu einen "Heiligen":

"Die Kenntnis des allgemeinen Gesetzes ist Verstehen. Verstehen führt zu Unparteilichkeit. Unparteilichkeit ist Vollkommenheit. Der Vollkommene ist dem Himmel vergleichbar mit dem Tao identifiziert, vermag lange zu währen und fürchtet bis an das Ende seiner Tage keine Gefahren."

Dieses Ideal heißt auch "Wu-wei", "Nichttun", womit keine Tatenlosigkeit gemeint ist, sondern eine Haltung, die im Einklang ist mit dem Gesetz der Natur, woraus alle Handlung möglich wird. Mit dieser Haltung sind einige konkrete Konsequenzen verbunden:

3) Taoismus als Religion

Während als Stifter des philosophischen Taoismus in erster Linie Lao-tzu gilt, so ist dies für die taoistische Religion Chang Ling, der etwa vom

  1. bis 3. Jahrhundert n.d.Z. lebte. Er war der erste, der durch Propagandatätigkeit so etwas wie eine Sekte begründete.

Der religiöse Taoismus späterer Zeit war jedoch niemals der Autorität einer zentralen geisti­gen Instanz unterworfen; seine Lehren wurden niemals systematisch geordnet oder als Dogma gefaßt. Das führte dazu, daß sich zahlreiche Sekten bilden konnten, die in ihrer Ausübung recht unterschiedlich waren.

Zentale Bedeutung hatte aber immer das Ideal des Langen Lebens und die damit verbundenen Übungen bis hin zum Ziel der Unsterblichkeit. Auch der philosophische Taoismus hatte schon solche Übungen gekannt, Heiligkeit und Langlebigkeit hingen eng zusammen. Jedoch erst im religiösen Taoismus wurden sie systematisch ausgebaut. Vor dem Hintergrund der Lehre vom ch'i (Lebensenergie) entwickelten sich Medizin, Akupunktur, Tai-chi, Shiatsu und dem Yoga verwandte Atemübungen und Meditationen.

Weil der religiöse Taoismus aber, wie schon erwähnt, kein reiner Taoismus mehr war, sondern eine Mischung verschiedenster Einflüsse, lassen sich seine seitdem entwickelten Inhalte und Techniken nicht direkt auf taoistische Lehren zurückführen.

\ Die Beziehung zwischen Buddhismus und Taoismus

Seit etwa dem 1. Jahrhundert wurde der Taoismus stark vom Buddhismus beeinflußt. Nichiren Daishonin schreibt dazu in "Das Öffnen der Augen":

"Ehe der Buddhismus nach China gebracht wurde, waren Konfuzianismus und Taoismus ziemlich naive und kindische Angelegenheiten. Jedoch im späten Han [206 v.–220 n.d.Z.] wurde der Buddhismus in China eingeführt und forderte die einheimischen Lehren heraus. Als mit der Zeit der Buddhismus populärer wurde, gab es gewisse buddhistische Mönche, die gezwungen waren, ins bürgerliche Leben zurückzukehren, weil sie die Regeln gebro­chen hatten, oder sie beschlossen, sich mit den einheimischen Glaubensbekenntnissen zu verbinden. Durch solche Männer wurden buddhistische Lehren in die konfuzianischen und taoistischen Sekten eingeführt und betrügerischerweise einverleibt.

Im 5. Band der Maka Shikan lesen wir: "Zur Zeit gibt es viele teuflische Mönche, die ihre Gelübde widerrufen und ins Laienleben zurückkehren. In der Angst, daß sie für ihre Hand­lung bestraft werden, laufen sie dann auf die Seite der Taoisten über. In der Hoffnung, Ruhm und Profit zu gewinnen, sprechen sie übertrieben von den Verdiensten von Lao-tse und Chuang Tse, indem sie sich jeweils widerrechtlich buddhistische Konzepte aneignen und sie in die taoistischen Schriften hineininterpretieren. Sie verdrehen was erhaben ist, zwingen es in einen armseligen Zusammenhang hinein, zerstören was edel ist und zerren es herab zwischen Niedriges und bemühen sich, die beiden auf dieselbe Stufe zu stellen."

4) Die historische Bedeutung des Taoismus

Auf politischer Ebene spielte der Taoismus die meiste Zeit über eine dem Konfuzianismus gegenüber untergeordnete Rolle. Lediglich unter der T'ang-Dynastie (618-907) wurden ihm offizielle Ehrungen zuteil, da die Kaiser dieses Hauses den gleichen Familiennamen wie Lao-tzu trugen (Li). So wurde Lao-tzu 667 der Titel eines "Höchsten Himmlischen Urkaisers" verliehen und 737 wurde erstmals ein offizieller Unterricht in taoistischer Philosophie und Prüfungen über die taoistischen Klassiker eingerichtet.

Einen wesentlichen Einfluß übte der Taoismus aber auf das geistige Leben Chinas aus. Das taoistische Ideal des Heiligen ist gewissermaßen der komprimierte Ausdruck des chinesi­schen Weisheitsideals der Anpassung an den Rhythmus des Universums. Und vor allem die chinesische Literatur, Kalligraphie, Malerei und Musik ist in stärkstem Maße von taoistischer Kunst geprägt. Ohne das Gedankengut der taoistischen Philosophen läßt sich die chinesi­sche Dichtkunst nicht verstehen.

Die heutige Situation

Während in der Volksrepublik China der Taoismus vermutlich nicht mehr öffentlich prakti­ziert wird, gibt es an anderen Orten, vor allem in Taiwan, noch taoistische Priester. Die wenigen Laienanhänger, die es noch gibt, üben keinen Kult aus, pflegen aber die tägliche Meditation und die Wohltätigkeit.

Der philosophische Taoismus dagegen genießt so ziemlich auf der ganzen Welt ein starkes Interesse. Bedeutsam ist der geistige und psychologische Gehalt des Taoismus, etwa die Haltung der "Nichteinmischung", vor allem als Antithese unserer aktionsbesessenen Zeit.

Quellen:\ 1) Max Kaltenmark: "Lao-tzu und der Taoismus", edition suhrkamp 1055, 1981

2) "Die Gosho Nichiren Daishonins, Band II", Nichiren Shoshu International Center, 1991

";s:12:"content_meta";N;}