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David Vaisey,
Der 22. Direktor der Bodleian Bibliothek der Universität Oxford
„Aah, wenn ich nicht König geworden wäre!“
Als König James I (1566-1625) die vor etwa 400 Jahren neu erbaute Bibliothek der Universität Oxford besuchte, sagte er:
„Wenn ich nicht König geworden wäre, hätte ich gerne in der Universität gearbeitet. Und falls ich eingekerkert werden sollte, möchte ich gerne in diese Bibliothek eingesperrt werden; mit den Verfassern dieser Bücher möchte ich gerne in Ketten gelegt werden.“
In jener Zeit waren Bücher äußerst wertvoll und man kettete sie zum Schutz vor Diebstahl an. Als ich die Bodleian Bibliothek besichtigte, sah ich, dass die fast ein Meter hohen Bücher mit dicken Ketten an den Lesepulten befestigt waren.
„Ich möchte noch mehr lesen!“
Abgesehen von Königen, gibt es in der Welt noch viele andere Bücherfreunde. Nach einer Klassifikation sollten sie zuerst „Bücherliebhaber“, dann „Bücherwurm“ und schließlich „Büchernarr“ genannt werden.
Es gibt Männer, die trotz dem Gemeckere ihrer Frauen ihr ganzes Taschengeld in Bücher investieren. Das ist immerhin noch besser als das ganze Haus zu verkaufen, um damit Bücher zu erwerben. Ein Franzose tauschte seinen Weinberg, der jedes Jahr hohe Gewinne abwarf, gegen nur ein einziges Buch.
Aber es gab auch einen Gelehrten, der aus Armut nicht in der Lage war, Bücher zu kaufen; er las sie in der Buchhandlung, rannte dann nach Hause, um alles aus seinem Gedächtnis schnell niederzuschreiben. Andere Zeitgenossen wiederum bestimmten in ihrem Testament: „Begrabe mich bitte mit meinen Lieblingsbüchern!“ Wahrscheinlich wollten sie auch nach dem Tod weiter lesen.
Der Dichter Percy Bysshe Shelley (1792-1822), der an der Universität in Oxford studierte, war auch einer jener „Bücherwürmer“, die den Blick nie von ihrer Lektüre abwenden können. Er las, während er aß: wenn er allein war, steckte er seine Nase stets in ein Buch. Kam jemand zu Besuch, so las er ihm vor. Er las Bücher im Bett, solange die Kerze brannte, und sobald es morgens zu dämmern anfing, fing er wieder an zu lesen. Das heißt, er las so lange, wie er seine Augen geöffnet haben konnte. Daher schlief er nie genug. Es gibt über ihn folgende Anekdote: „Ich bemerkte, dass Percy, der direkt vor mir saß, plötzlich verschwunden war. Er war von seinem Stuhl heruntergefallen und schlief einfach auf dem Boden weiter.“
In der Ausstellung „Schätze der Bodleian Bibliothek“, die durch die Unterstützung der Universität Oxford realisiert wurde (Fuji Kunstmuseum in Tokio, Sep. 1990), waren Shelleys „goldene Uhr“ sowie „handgeschriebene Manuskripte“ zu sehen.
Während der Vorbereitungszeit fasste ein Mitarbeiter seitens des japanischen Veranstalters einen festen Entschluss und fragte Dr. Vaisey, den Direktor der Bibliothek:
„Können Sie uns die Magna Charta ausleihen?“
„Wie bitte, die Magna Charta?“
„Ja, genau. Sie wird unsere Ausstellung bestimmt beseelen!“
„Hmmm, sie ist aber noch nicht ein einziges Mal ins Ausland ausgeliehen worden!“
Herr Vaisey, der sonst immer ein Lächeln im Gesicht trug, schaute bei dieser Gelegenheit besonders düster drein.
Die Magna Charta wurde am 15. Juni 1215 unterzeichnet und sollte die Macht des Königs John (1167-1216) beschränken. Sie ist ein historisches Dokument, in dem deklariert wurde, dass selbst der König dem Gesetz unterworfen ist, und zugleich ist sie ein Symbol, der Staatsgewalt zu trotzen. Die Magna Charta, die in der Bodleian Bibliothek aufbewahrt wird, ist das älteste in vollständiger Form erhaltene Exemplar. (Wiederherausgabe 1217)
„ ... ist eine Kopie davon akzeptabel?“
„Zwischen dem Original und seiner Kopie gibt es einen so großen Unterschied wie zwischen Himmel und Erde. Wenn es kein Original ist, werden die Besucher nicht beeindruckt sein. Ich bitte Sie herzlichst!“
Nach diesem Wortwechsel überlegte Dr. Vaisey eine Weile. Einige Zeit später kehrte der freundliche Blick wieder in seine Augen zurück. Somit wurde die Magna Charta in ihrer fast 800-jährigen Geschichte zum ersten Mal außerhalb von England in einer Ausstellung gezeigt. Seine Entscheidung traf er aus der festen Überzeugung, die hinterlassenen Schätze der Menschheit nicht nur beschützen zu wollen, sondern auch das Licht der darin enthaltenen Seele möglichst vielen Menschen zuteil werden zu lassen.
Oxford wird als eine Stadt beschrieben, in der die Zeit stehen geblieben scheint. Gewiss, wenn man zwischen ihren altehrwürdigen steinernen Gebäuden, die über Jahrhunderte hinweg jedem Wetter getrotzt haben, entlang schlendert, könnte man sich gut vorstellen, dass ein betagter Gelehrter aus dem Mittelalter aus irgendeiner Ecke plötzlich erscheint, während er sich seinen weißen langgewachsenen Bart streicht.
In der Tat müssen sich die Studenten bei den Prüfungen heute noch in ihren traditionellen Mantel hüllen. Oxford ist die Stadt, die die Tradition eisern bewahrt. Aber, sobald man die Bodleian Bibliothek betritt, kann man begreifen, dass Oxford in Wirklichkeit ein Ort ist, an dem alle Zeiten fließen.
Jedes Exemplar der sorgfältig bewahrten über sechs Millionen Bücher ist ein Kästchen, in dem die Zeit eingeschlossen zu sein scheint. Öffnet man dieses Kästchen, steigt der Duft eines altrömischen Marktplatzes empor, und aus den auf Pergament geschriebenen Büchern hört man leise die Glocken des Mittelalters ertönen. Jedes Buch ist wie eine Zeit-Kapsel oder Zeit-Maschine.
Die gesamte Strecke aller Bücherregale der Bibliothek beträgt 137 Kilometer. Darin gesammelt sind über eine Million Landkarten und mittelalterliche Rechnungen bis hin zu Reklamezetteln der Händler im 20. Jahrhundert. Es heißt, dass selbst Bücher über die lokale Geschichte Japans fast vollständig vorhanden sind.
Als ich die Bodleian Bibliothek besuchte, zeigte mir Dr. Vaisey viele kostbare Schätze und erklärte sie im einzelnen. Die Erinnerung daran, dass Sir Patrick Neill, der Präsident der Universität Oxford, mich sehr herzlich empfing und mir eine Urkunde „Lebenslanger Ehrenfreund der Bodleian Bibliothek“ verlieh, bleibt mir noch deutlich in Erinnerung. (Mai 1989)
In dieser Bibliothek, die eine der größten Bibliotheken auf der Welt ist, verbrachte Dr. Vaisey seine Zeit, seitdem er ein junger Mann war; zuerst als Student und später als Forscher, der sich mit den alten Handschriften befasste. In einem Jahr war der junge David Vaisey jede Nacht so ins Lesen versunken, dass er vollkommen vergaß, wie die Zeit verstrich. Vor seinen Augen lagen Bündel alter Handschriften gestapelt; es waren die Vermögensverzeichnisse der Bürger, die vor 300 bis 400 Jahren unweit der Universität gewohnt hatten.
Er fing an, aus diesen Verzeichnissen von alltäglichen Gebrauchsgegenständen den Atem der Menschen zu hören. Ihm erschienen die Gesichter der Menschen, die einst lebten, liebten, wünschten und litten, wie in einem Film. Darin konnte er die Geschichten gewöhnlicher Menschen lesen, die in der offiziellen Historie niemals zum Vorschein kommen.
Die Familie des jungen Vaisey gehörte auch zur Arbeiterklasse; er wuchs in einer Bauernfamilie auf, sein Vater war noch als Gärtner tätig. Die Welt, in der er erzogen wurde, war nicht eine von Büchern umgebene Welt. Aber dank eines Stipendiums konnte er im Alter von 10 bis 18 Jahren fortgesetzt lernen.
Der junge David, der von der Welt der alten Handschriften verzaubert wurde, hörte nun auf, seinen Lieblingssport Hockey zu spielen. Er besuchte in verschiedensten Ortschaften Familien, um deren Familienverzeichnisse zu studieren. Das machte ihm große Freude.
Alles in allem, welchen Zauber die Schriften verbreiten!
Die weitentfernte Vergangenheit kann wieder aufleben; die vergessenen Tatsachen kommen wieder zum Vorschein, auch weitentfernte Orte kann man sich direkt vorstellen. Denn die Erfindung der Schrift machte Zeit, Vergessenheit und Entfernung zunichte.
Es wird gesagt: Ein Haus ohne Bücher ist wie ein fensterloses Haus. Bücher dienen als Fenster sowie Pforte, die uns in eine fremde Welt und in ein anderes Zeitalter führen. Jemand sagte: „Ich reiste schon mehrmals rund um die Welt und begegnete zahlreichen Prominenten. Ich traf sowohl Heilige als auch Verbrecher, außerdem Dichter und Künstler, viele Könige und Königinnen, und von vielen Schriftstellern sowie Köchen erfuhr ich Geheimnisse. Das alles konnte ich nur durch eine Eintrittskarte in eine Bibliothek verwirklichen!“
Dr. David G. Vaisey veröffentlichte später ein bekanntes Buch „Tagebuch von Thomas Turner 1754-1765“. Es ging um das Tagebuch eines Händlers, der in einem Dorf in Sussex im 18. Jahrhundert lebte. In diesem Tagebuch ist die Lebensweise der Bauern vor der industriellen Revolution ausführlich beschrieben, zum Beispiel: Ehestreit, Familiensorgen, Geburten, Hochzeiten und Todesfälle der Dorfbewohner und ferner Dorffeste, Pferderennen, Ernten, Tumulte usw.
Thomas Turner war Besitzer eines Kleinladens und bekleidete das Lehramt in einer Schule mit einem wöchentlichen Verdienst in Höhe von drei pence. Außerdem war er tätig als Steuereintreiber, Bezirksmitglied der Kirche, Mitglied des Sozialausschusses; er machte Geschäfte mit Kleiderstoffen, betrieb ein Bestattungsinstitut und vieles mehr. Er bezog die Zeitung „Spectator“, las die Bücher von Homer (8. v. Chr.) und John Milton (1608-1674), und er zeigte großes Interesse an modernster Technologie. Er versuchte, allen Menschen gegenüber freundlich zu sein. Und selbst gegenüber den Hausierern, die ihn um seinen Gewinn brachten, zeigte er sich nicht nachtragend. Er schrieb einen Schwur, keinen Alkohol mehr zu trinken, in sein Tagebuch ein, und musste sich aber selbst verabscheuen, weil er gleich danach seinen Eid brach.
Diese „gewöhnlichen Menschen“ liebte Dr. Vaisey sehr, als wolle er sie fest umarmt haben. Durch seine Liebe fingen die nach Moder riechenden alten Handschriften an, von sich zu erzählen und zu erstrahlen.
Die Liebe zu den Menschen und der innige Wunsch, Aufzeichnungen der menschlichen Ereignisse ewig überliefern zu wollen, denke ich, sind Triebkraft geworden, um alte Handschriften und alte Bücher Jahrhunderte lang zu beschützen. Bücher blieben nichts weiter als Bündel von Papieren, gäbe es nicht Menschen, die sie lieben und bewundern. Ein typisches Beispiel dafür ist die Zerstörung durch den Krieg.
Richard of Bury, Bischof im vierzehnten Jahrhundert (1333-1345), stiftete seine Bücher der Bibliothek von Oxford. In seinem Buch „Liebe zu Büchern“, das zur Zeit der Erfindung der Drucktechnik nach der Bibel am zweithäufigsten verkauft wurde, schrieb er, dass es der Krieg ist, der den Büchern den größten Schaden zufügt:
„Der durch die Vernunft nicht zu kontrollierende Krieg greift alles brutal an, was ihm im Wege steht und zerstört unüberlegt Gefäße der Vernunft, weil es ihm an der Beherrschung durch die Vernunft mangelte.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Die Bibliothek von Alexandria, die größte Bibliothek der Welt in der alten Zeit, wurde durch den Krieg zerstört, und dabei wurden durchs Kriegsfeuer 700.000 Bücher zu Asche verbrannt. Es ist unvorstellbar, wie viele „Gefäße der Vernunft“ Kriegen und von Machthabern angeordneten Bücherverbrennungen zum Opfer fielen.
Heinrich Heine (1797-1856), der jüdische Schriftsteller, sagte einmal: „Wer Bücher verbrennt, wird Menschen verbrennen.“ (sinngemäße Rückübersetzung) Seine Worte prophezeiten die von den Nazis veranlassten Bücherverbrennungen und die Konzentrationslager.
Bücher sind Waffen, die die Menschen erwecken. Die Religionsreformation wäre ohne die Erfindung der Drucktechnik undenkbar gewesen. Schriften waren „Soldaten aus Blei“, und Bücher „Armeen aus Blei“. Bücher veränderten die Welt. Aus diesem Grund wurden Bücher als Gefahr betrachtet.
Im Zeitalter, in dem die Bodleian Bibliothek errichtet wurde, war es in London auch nicht anders. Die Buchhandlungen wurden stets von der Regierung ins Visier genommen. Die Anzahl der Genehmigungen für die Eröffnung von Geschäften war beschränkt, und die Orte, an denen die Buchläden eingerichtet werden konnten, waren vorab bestimmt.
Die Buchhandlungen in jener Zeit funktionierten sowohl als Verleger wie auch als Druckerei. Ihre Beschäftigten waren verpflichtet, nicht im Hinterhof, sondern unter der öffentlichen Beobachtung zu arbeiten. Es gab nicht angekündigte Hausdurchsuchungen durch die Behörde. Wenn irgendetwas kritisches gefunden wurde, verhaftete man die Geschäftführer sofort und warf sie ins Gefängnis. Selbst nachdem sie entlassen worden waren, wurde es ihnen verboten, die Geschäfte wieder aufzunehmen. Man erreichte dies ganz einfach durch Enteignung oder Verbannung. Es gab Menschen, denen wegen eines Flugblatts die rechte Hand abgehackt wurde. Wenn sie am Pranger festgebunden zur Schau gestellt waren, kamen aus der Menge Beschimpfungen, Dreck und Steine auf sie geflogen. Viele Menschen wurden durch Steinwürfe getötet. (aus „Die Komödie der Bücher“ von Istvan, sinngemäße Rückübersetzung)
Selbst inmitten solcher Verfolgungen gab es dennoch Verleger, die ihr Leben dafür einsetzten, Bücher herauszugeben, die nach ihrer Überzeugung korrekte Inhalte transportierten.
Dr. Vaisey erzählte mir:
„Auch unsere Bibliothek musste sich dem Druck beugen, wenn der Zeitgeist der Gesellschaft engstirnig war. Im Gegensatz dazu konnte sie sich entwickeln, wenn die Zeit kam, in der unter den Menschen der Geist der Toleranz verbreitet wurde. In diesem Sinne, denke ich, kann eine Bibliothek als Denkmal der Toleranz der Menschen bezeichnet werden.“
Selbst in Japans Bibliotheken wurden während der Kriegszeit viele Bücher beschlagnahmt oder es wurde ein Leseverbot verhängt. Ungeachtet dieser ernsten Lage beschützten aber auch Bibliothekare wertvolle Bücher und Dokumente konsequent oder organisierten die Evakuierung von mehreren hunderttausend Büchern, Dokumenten und Archiven, während möglicherweise ihre eigenen Häuser im Bombenhagel abbrannten.
Die Bibliothek ist ein „intellektuelles Waffenlager“, das den Kampf gegen Dogma und Unwissen führt. Auch heute widmen sich die Menschen in den Bibliotheken diesem Kampf.
Ich will den Rest meines Lebens „für die Ewigkeit“ einsetzen!
Eigentlich rankt sich um die Geburt der Bodleian Bibliothek selbst ein Drama eines Menschen, der die Bücher liebte. Er hieß Sir Thomas Bodley (1545-1613), dessen Name die Bibliothek bis heute trägt. Er war ein Diplomat der Königin Elisabeth I (1533-1603), und nachdem er des von Intrigen erfüllten Palastlebens überdrüssig war, fasste er mit Anfang 50 einen Entschluss: Verleumdung, Heuchelei, Eifersucht, Intrigen – ich habe die Streiterei um die Macht vollkommen satt. Ich höre auf, mein Leben dafür zu vergeuden. Ich will den Rest meines Lebens „für die Ewigkeit“ einsetzen!
Vor seinen Augen befand sich die verwüstete Bibliothek seiner Alma mater Oxford. Diese war etwa ein Jahrhundert zuvor durch die Stiftung der Bücher von Humphrey Duke of Cloucester (1391-1447) errichtet worden. Aber inmitten der stürmischen Zeiten der Reformation waren die Bibliotheksbestände entfernt oder vernichtet worden, weil viele der Bücher als ketzerisch galten.
Die Situation war also die, dass es an seiner Universität quasi ein halbes Jahrhundert lang keine ordentliche Bibliothek gab. Nichtsdestotrotz schritt die Zeit mit rasendem Tempo voran. Die Zahl der gedruckten Bücher nahm rasch zu. Demzufolge wurde die Verbreitung des Wissens in erhöhtem Maße beschleunigt. Er dachte: „Wenn die Bibliothek in diesem Zustand verharrt, bleibt meine Alma mater völlig hinter der Zeit zurück!
„Ich habe mich entschieden, ich habe mich fest entschlossen. Ich werde den Rest meines Lebens für den Wiederaufbau der Bibliothek – für den Gemeinnutz und für die Förderung des Studiums einsetzen. Denn nichts ist wertvoller als dieses Ziel.“
Sir Bodley stiftete sein Landgut und die große Sammlung seiner Bücher und stellte das Grundkapital zur Verfügung. Indem er seinen persönlichen Kontakt zu vielen einflussreichen Menschen ausschöpfte, sammelte er Bücher und Spenden, setzte die Richtlinien der Bibliothek fest und legte somit das Fundament. Obwohl er sich eigentlich mit dem Wiederaufbau der Bibliothek befasste, könnte man ihn als deren tatsächlichen Gründer bezeichnen.
Im Jahr 1602 wurde die Bibliothek neu eröffnet. Francis Bacon (1561-1626), der Freund von Sir Bodley, pries dessen Leistung, indem er sagte: „Sie (die Bibliothek) ist der Arche Noah gleich, die die Wissenschaft vor der zerstörerischen Sintflut rettet.“
Dichter Henry Vaughan (1622-1695) belobigte Sir Bodley, indem er ihm ein Gedicht widmete: „Sie werden niemals sterben, (selbst wenn die Machthaber zugrunde gehen). Hier ruhen Sie in Ewigkeit, an diesem Ort, an dem alle Bücher für Sie Grabinschriften darstellen.“
Dr. Vaisey führte sein Amt als Direktor der Bibliothek von 1986 bis
Habt Voraussicht und
führt die Reform entschieden durch!
Setzt fort, Euch zu ändern!
Das war der „Geist des Gründers“.
Früher mussten sowohl die Herausgeber der Bücher als auch deren Leser darauf gefasst sein, ihr Leben eventuell zu opfern. Aber heute wird gesagt, dass man durch die Flut von Informationen fast ertrinken werde. Ein Plan, alle Bibliotheken der Welt durch Computer zu vernetzen, ist schon im Gange. Die Zeit, in der man auf seinem Computerbildschirm alle Bücher vom Westen wie Osten und von alten, wie neuen Zeiten abrufen und lesen kann, nähert sich. Möglicherweise könnten bald überall Bibliotheken errichtet werden, in denen kein einziges Buch zu sehen ist, sondern nur Computer zur Verfügung stehen.
Unabhängig davon, ob dieses Zukunftsbild Zustimmung oder Ablehnung findet,
was wollen wir mit den angesammelten Informationen anfangen?
Sind die Menschen mit reicherem Wissen überhaupt „weiser“ und „glücklicher“ geworden?
Nähern wir uns vielmehr nicht den mit Wissen ausgerüsteten Barbaren?
Als Ralph Waldo Emerson (1803-1882), der amerikanische Philosoph, die Bodleian Bibliothek besuchte und sich die älteste Abschrift (aus dem neunten Jahrhundert) der Schriftstücke Platons (427-347 v. Chr.) ansehen durfte, schrieb er seine Begeisterung nieder.
Platon sagte: „Die Schriften allein sind gefährlich.“ Denn man überlässt sich den Büchern und prägt sich das Wissen im Laufe der Zeit nicht mehr ins Herz ein. Er fuhr weiter fort: „Weil man Wissen über vieles ansammeln kann, auch wenn man von niemandem Unterricht erhält. Und obwohl man in den meisten Fällen nichts weiß, kann man nur den Anschein bewahren, als ob man jemand wäre, der über umfassende Kenntnisse verfügt. Was noch dazu kommt, ist die Entwicklung der Eitelkeit, dass man der Weise sei, anstatt dass man sich zum Weisen entwickelt.“ (aus „Phaidros“, sinngemäße Rückübersetzung)
Er vertrat die Ansicht, dass die wahre Weisheit von einem Menschen zum anderen und von einer Seele zur anderen übertragen wird, so wie wenn Funken sprühen sich das Feuer ausbreitet.
An der Universität Oxford werden die Studenten dazu aufgefordert, die Bücher immer und immer wieder zu lesen. Darüber hinaus müssen sie zu einem College gehören und mit anderen Studenten zusammen leben. Der Unterricht findet in kleinen Gruppen statt. Die Begegnung mit dem Professor im jeweiligen Fachbereich und der Austausch von Studenten und Lehrern stehen im Mittelpunkt ihres Studiums. Diese Tradition lässt sich damit erklären, dass ohne die menschliche Beziehung die auf Humanität gegründete Wissenschaft, nämlich die Bildung, nicht genährt werden kann.
Dr. Vaisey ist gegenwärtig der Ehrendirektor der Bibliothek. Man nennt ihn einen Experten des Lesens, einen Meister des Dialogs und des herzlichen Kommunizierens.
Im „Zentrum des Wissens“ aufgrund der sechs Millionen Bücher strahlt die Sonne des humanistischen Lobgesangs: „Es möge alles für ein hervorragenderes Leben sein.“
(aus „Seikyo Shimbun“ vom 21. Juli 2002)
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