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SGI-DEPESCHE Nr. 2
Donnerstag, 9. Januar 2003 (Newsletter Nr. 5407)
Essay Serie von SGI-Präsident Daisaku Ikeda
Dr. Jan Öberg, Direktor der „Transnational Foundation for Peace and Future Research“ (TFF)
„Wir leben in verrückten Zeiten, wir sind verrückt“, sagte eine junge moslemische Mutter in Sarajevo. (1) Zehn Millionen Landminen wurden im früheren Jugoslawien gelegt. Einige von ihnen waren so gestaltet, dass sie wie Schokoladeneier oder Eiscreme aussehen. Weshalb? Um Kinder dazu zu verleiten, sie aufzuheben. Ein kleines Mädchen wurde sofort von einer Mine getötet, die in einem Teddybär versteckt war.
Wer hat diese Waffen eingesetzt? Wer hat sie gebaut? Wer profitiert von ihrem Verkauf? Weshalb können wir sie nicht stoppen? Was können wir tun?
Der skandinavische Friedensforscher Dr. Jan Öberg ist Mitbegründer und Direktor der
„Transnational Foundation for Peace and Future Research (TFF)“. Für ihn ist es wichtig, ein Krisengebiet nicht zu verlassen, sondern vor Ort zu bleiben, um den Stimmen der Bürger zuzuhören und ihnen dann weltweit Gehör zu verschaffen. Er ist davon überzeugt, dass nur auf diese Weise Frieden verwirklicht werden kann.
Dr. Öberg und seine Kollegen führten umfangreiche Untersuchungen im gesamten, vom
Krieg erschütterten früheren Jugoslawien durch.1991 brach dort zum ersten Mal Gewalt aus.
Als ich ihn im Dezember 1995 traf, war er mehr als 20 Mal dort gewesen und hatte etwa 1200
Menschen interviewt. Ein Friedensforscher, der sich nicht vor Ort für die Lösung eines Konfliktes engagiert, ist wie ein Arzt, der seine Patienten behandelt, ohne sie zu untersuchen, sagte er.
Dies gilt nicht nur für Friedensforscher, sondern auch für Entscheidungsträger. Dr. Öberg hebt hervor, dass diejenigen, die keine harte medizinische Ausbildung erhalten haben, nicht operieren dürfen. Ohne jegliches Training jedoch „operieren“ Politiker, Präsidenten und Diplomaten in Krisengebieten auf der ganzen Welt. Kein Wunder, dass der „Patient“
Jugoslawien gestorben ist. Die internationale Gemeinschaft, so Dr. Öberg, tat vieles als Reaktion auf die Krise im früheren Jugoslawien. Aber diese Aktionen erinnerten Dr. Öberg an einen Arzt, der fälschlicherweise ein völlig gesundes Bein amputiert, ohne die Ursache für die Krankheit des Patienten zu untersuchen.
Nichiren Daishonin verglich die Methoden, Frieden zu erreichen, mit der Kunst der Medizin. Er warnte die Machthaber eindringlich, dass eine falsche Behandlung niemals zu Frieden führen würde. „Wenn Sie versuchen, jemandes Krankheit zu heilen, ohne die Ursache der Krankheit zu kennen“, erklärte er, „machen sie ihn nur noch kränker.“ (Dt. Gosho, Bd. 1, S.
201) Vergleichbar damit ist auch Dr. Öberg ein Verfechter von “Konfliktmedizin“ und
„Konfliktärzten“, um den Konflikt wie eine Krankheit zu heilen. „Wissenschaftler“ und „Facharbeiter“ sollten für die „Gesundheit“ der Menschheit arbeiten - für Frieden und Aussöhnung.
Der erste Schritt ist die richtige Diagnose. Dr. Öberg und sein Team sprachen mit vielen verschiedenen Menschen, von Staatsführern bis hin zu Flüchtlingen. Sie sprachen mit Müttern, die ihre Söhne im Krieg verloren hatten, genauso wie mit Soldaten, Journalisten, Bauern, Geistlichen, Lehrern, Beamten und Ladenbesitzern. Je mehr sie den Menschen zuhörten, desto klarer wurde, dass die weltweite Berichterstattung völlig verzerrt war. Ein Beispiel hierfür war die Lüge, dass der Konflikt im früheren Jugoslawien ein Ergebnis langanhaltenden Hasses unter den verschiedenen ethnischen Gruppen der Region war. Eine junge Frau, mit der sie in Zagreb sprachen, sagte:
„Bis vor ein paar Monaten wusste ich kaum, wer von meinen Freunden Serben und wer Kroaten waren. Das hat sich geändert. Jetzt gibt es Unternehmen, die ihre Angestellten auffordern, ihre Namen in Listen einzutragen, in denen sie ihre „Nationalität“ kennzeichnen müssen. Bei der letzten Volkszählung wurden die kroatischen Bürger aufgefordert, zu sagen, ob sie Kroaten waren, oder ob sie zu den Serben oder einer anderen Minderheit gehörten. Situationen wie diese erinnern mich daran, was ich über die Behandlung der Juden im Dritten
Reich gehört habe.“ (2)
Vor dem Ausbruch der Gewalt lebten und arbeiteten die Mitglieder der verschiedenen ethnischen Gruppen friedlich zusammen und heirateten sogar untereinander. Dann aber traten
Politiker auf den Plan, die nationalistische Gefühle schürten, absichtlich ein ethnisches Bewußtsein betonten und damit die Bevölkerung nach ethnischen Gesichtspunkten von einander abgrenzten.
Ein 11jähriges Mädchen in Sarajevo durchschaute dieses Spiel: „Unter meinen Freundinnen, unter unseren Freunden und in meiner Familie gibt es Serben, Kroaten und Moslems. Es ist eine gemischte Gruppe, und ich wußte nie, wer Serbe, Kroate oder Moslem war. Die Politik hat sich jetzt hier eingemischt. Sie hat den Serben ein ‚S‘, den Moslems ein ‚M‘ und den Kroaten ein ‚K‘ angeheftet, um sie zu trennen. ... Warum macht uns die Politik unglücklich, trennt uns, wenn wir doch selbst wissen, wer gut ist und wer nicht? Wir mischen uns doch mit den Guten, nicht mit den Bösen. Unter den Guten gibt es Serben, Kroaten und Moslems, genauso wie unter den Bösen. Ich verstehe es einfach nicht. Natürlich bin ich ‚jung‘, und Politik wird von den ‚Großen‘ gemacht. Aber ich meine, wir ‚jungen‘ würden es besser machen. Wir hätten uns bestimmt niemals für einen Krieg entschieden.“ (3)
Aber die Erwachsenen haben sich für einen Krieg entschieden. Alik, ein 13jähriger Flüchtlingsjunge, erzählt: „Die Soldaten befahlen uns, unser Haus zu verlassen und brannten es dann nieder. Anschließend brachten sie uns zum Zug, wo sich alle Männer auf den Boden legen mussten. Aus dieser Gruppe wählten sie diejenigen aus, die sie töten würden. Sie suchten meinen Onkel und einen Nachbarn aus! Dann wurden sie mit Maschinengewehren erschossen.“ (4)
Wenn es heißt, dass jemand von einem Serben getötet wurde, werden alle Serben verurteilt.
Auf diese Weise wird ethnischer Hass geschürt. Ein Journalist kommentierte: „Ethnische Spannungen und Konflikte entstehen nicht spontan; sie werden angezettelt, verschlimmert und solange organisiert, bis sie die Form eines Konflikts annehmen.“ (5)
Während die zentralen Vertreter der verschiedenen ethnischen Gruppen eines Konflikts zu Friedensverhandlungen eingeladen werden, ist dies nicht der Fall für die große Mehrheit der
Bürger, die harmonisch miteinander leben möchten, egal welcher Volksgruppe sie angehören. Wie können wir fruchtbare Verhandlungen erwarten, wenn die einzigen Vertreter Politiker sind, die ethnischen Nationalismus verfechten?
Dr. Öberg sagte, dass es praktisch sinnlos ist, in einem Konfliktgebiet die Situation verstehen zu wollen, wenn man entweder einen Konflikt als ethnisch einstuft oder dessen Ursachen aus ethnischer Sicht erklärt. Obwohl er in einem sanften Ton sprach, waren seine Worte scharf und erfüllt von stillem Zorn. Seiner Analyse nach war der Konflikt im früheren Jugoslawien weder einfach nur ein ethnischer oder religiöser Konflikt, noch ein unausweichliches Ergebnis des Zusammenbruchs des Kommunismus in diesem Land. Dr. Öberg erklärte, dass die jugoslawische sozialistische Republik inmitten sich verschlechternder wirtschaftlicher Bedingungen auseinanderbrach. Diese Krise wurde von den mächtigsten Ländern der Welt ausgenutzt. Sie wollten sicherstellen, dass die Weltordnung nach dem Kalten Krieg im Sinne ihrer eigenen Interessen umstrukturiert würde. Das vergrößerte das Ausmaß der Tragödie noch mehr. Hinzu kam nach Öberg, dass lokale Politiker den Nationalismus für ihre eigenen Zwecke missbrauchten, nationale Gefühle schürten und ethnische Zusammenstöße auslösten.
Das frühere Jugoslawien wurde als eine Nation mit sieben Grenzen, sechs Republiken, fünf ethnischen Gruppen, vier Sprachen, drei Religionen, zwei Alphabeten und einem Namen beschrieben. Dr. Öberg erklärt, dass es sich bei dem sogenannte „Konflikt im früheren Jugoslawien“ inWirklichkeit um mindestens 30 verschiedene Konflikte handelt. Die Ursachen und die Geschichte dieser Auseinandersetzungen sind sehr komplex und kompliziert miteinander verwoben. Trotzdem tendierten die Medien und Entscheidungsträger dazu, die Situation zu sehr zu vereinfachen. Ihre gefährlichste Vereinfachung war es, den Konflikt rein schwarzweiß, im Sinne des Manichäismus zu betrachten [A.d.Ü.: Manichäismus ist eine antike Religion, benannt nach ihrem Stifter, dem persischen Weisen Mani. Wichtigster Aspekt der Lehre ist die dualistische Teilung des Universums in die Reiche des Guten und des
Bösen.]. Folglich hat die internationale Gemeinschaft, die als fairer und unparteiischer Vermittler hätte fungieren sollen, den Bürgerkrieg im früheren Jugoslawien auf einen Kampf zwischen Gut und Böse reduziert.
Die Serben wurden fast ausnahmslos als die „Bösen“ dargestellt, während die anderen Gruppen als Opfer beschrieben wurden. Diese Geschichte und dieses Bild wurde weltweit gesendet. Sobald dieses Bild feststand, wurden alle Fakten, die nicht hinein passten, ignoriert.
Passende Fakten dagegen wurden aufgebauscht und überall verbreitet. Obwohl es auf allen Seiten brutale Massaker gab, wurde nur über die von den Serben verübten ausführlich berichtet. Ein Forscher bemerkte: „Die Massenmedien sind nicht wirklich an der Wahrheit interessiert. Sie möchten nur ihre vorgefasste Meinung bestätigen. Folglich schauen sie sich die Realitäten nicht an, die nicht in ihre Vorstellung passen. Das ist beängstigend.“ (6) Das war kein Zufall. Tatsächlich hat eine PR-Agentur eine aktive Rolle darin gespielt, diese einseitige Tendenz zu entwickeln. Diese Agentur wurde von einer der Gruppen beauftragt, die gegen die Serben kämpfte. (7) Serbien, das von der internationalen Gemeinschaft als Ausgestoßener behandelt wurde, sah die ganze Welt gegen sich gerichtet. Folglich waren objektive und fruchtbare Friedensverhandlungen unmöglich, und der Konflikt zog sich in die Länge.
Dr. Öberg betont, dass man nicht unparteiisch vermitteln kann, wenn man eine Seite stark kritisiert. Es kann keinen Frieden geben, wenn die eine Seite mit Füßen getreten wird. Vereinfacht man einen Konflikt, indem man eine Seite herabwürdigt, öffnet dies ganz schnell den Weg für eine militärische Intervention, um das Böse zu „bestrafen“. Kurz gesagt wird eine Seite dämonisiert, gerade um den Einsatz militärischer Gewalt zu rechtfertigen. Vor mehr als 70 Jahren schrieb der britische Diplomat Lord Arthur Ponsonby (1871-1946) in seinem Buch „Absichtliche Lügen in Kriegszeiten“ [Falsehood in Wartime] über die unerschütterliche Propaganda seitens der Kriegsführer. Die belgische Historikerin Anne Morelli hat vor kurzem erneut Ponsonbys Analyse beleuchtet und aus seinen Erkenntnissen zehn Kernaussagen der Kriegspropaganda herausgefiltert:
Wir wollen keinen Krieg
Die andere Seite ist allein für den Krieg verantwortlich
Der Feind hat das Gesicht des Teufels
Wir treten für eine edle Sache ein und nicht für die Interessen Einzelner
Der Feind begeht bewußt Greueltaten; falls wir unglückliche Fehler begehen sollten, ist das unbeabsichtigt
Der Feind benutzt illegale Waffen
Wir erleiden wenige Verluste, während die Verluste des Feindes enorm sind
Künstler und Intellektuelle unterstützen unser Vorgehen
Unser Vorgehen ist eine heilige Sache
Lügen und Vorurteile schüren Krieg, und Krieg wiederum schürt Lügen und Vorurteile.
Dr. Öberg warnt, dass die Medien in vielen Ländern eher ein Regierungsorgan als ein
Nichtregierungsorgan sind. Die politischen Entscheidungen und Handlungen, die im früheren Jugoslawien getroffen wurden, basierten nicht auf der Realität, sondern auf einer Realität, die von den Medien geschaffen wurde. Was ist der Wert einer „realistischen“ Strategie zur Erreichung von Frieden, wenn sie auf der verzerrten Wahrnehmung der Realität beruht?
Sandra, ein 10jähriges Mädchen aus Vukovar, erinnert sich: „Es gibt so viele Menschen, die diesen Krieg nicht wollten und auch nicht die schwarze Erde, die sie jetzt bedeckt. Unter ihnen sind auch meine Freunde.“ (9)
Obwohl wir lernen können, Krankheiten zu behandeln, können wir die Krankheiten selbst nicht ausrotten. Auch Konflikte werden niemals vollkommen aus der Gesellschaft verschwinden. Wir haben die Wahl, entweder wirksam oder unwirksam auf auftretende Probleme zu reagieren. Reagieren wir wirksam, können Probleme (die Krankheit) ein Sprungbrett für Fortschritt und Kreativität werden. Das wird uns stärker und gesünder machen. Auch der Buddhismus lehrt die Einheit von Gesundheit und Krankheit. Wenn wir es andererseits nicht schaffen, das Problem richtig zu diagnostizieren und zu behandeln, so Dr. Öberg, wird ein Konflikt in Gewalt und Krieg eskalieren. Als Friedensforscher hat er folgendes beobachtet:
Krieg ist ein Zeichen von Versagen. Er zeigt uns, dass wir unfähig waren, mit dem Konflikt richtig umzugehen, der zum Krieg geführt hat.
Gewalt wird aus der Frustration geboren, den Konflikt nicht wirksam lösen zu können.
Die Feigen und Intoleranten folgern, dass bewaffnete Truppen die einzige Möglichkeit sind. Gewaltlosigkeit ist im Gegensatz hierzu ein konstruktiver Glaube daran, dass auch andere Möglichkeiten existieren.
Sie können Kranke nicht heilen, indem Sie sie angreifen und bestrafen. Genauso können Konflikte nicht mit Gewalt gelöst werden. Das würde nur das Problem vergrößern und eine machbare langfristige Lösung erschweren.
Die Bombardierung des Kosovo im früheren Jugoslawien tötete viele Menschen und machte hunderttausende unschuldige Menschen zu Flüchtlingen. Einige verteidigen sich mit den Argumenten, dass die Welt nicht untätig zusehen und einen Konflikt wüten lassen kann. Doch Prof. Noam Chomsky weist dieses Argument zurück: „Angenommen Sie sehen auf der Straße ein Verbrechen und wollen nicht einfach nur still danebenstehen. Sie nehmen sich also ein Sturmgewehr und töten jeden, der beteiligt ist: Verbrecher, Opfer und Zuschauer. Soll das etwa eine rationale und moralische Antwort sein?“ (10)
Wir sollten auch nicht vergessen, dass Waffenhändler und andere vom Krieg profitieren.
Krieg und Frieden sind nicht weit entfernt - sie sind hier und jetzt bei uns. Eine Mentalität und eine Kultur des Krieges sind offensichtlich, wenn Konflikte auf der ganzen Welt mit militärischer Gewalt „gelöst“ werden, um die „Bösen“ zu bestrafen und das Problem zu beseitigen. Dabei wird kein ernstzunehmender Versuch unternommen, beiden Seiten zuzuhören und den Ursachen für deren Klagen nachzugehen. Dieses Denken ist nicht nur in der weltweiten Politik verwurzelt, sondern auch bei uns zu Hause. Die Grundlage für die Schaffung von Frieden ist daher grundsätzlich ein breites Engagement für Konfliktlösungen mit friedlichen Mitteln in der ganzen Gesellschaft. Dies gilt auch für Erziehung, die von Kindheit an Friedenskultur vermitteln kann. Eine Gruppe von Pädagogen in den USA bemüht sich, Kindern von der Vorschule an Gewaltlosigkeit beizubringen. Ein immer wiederkehrender Konflikt in einem Kinderhort ist z.B. das Aufräumen. Um die Kinder zum Nachdenken darüber anzuregen, führten die Erzieher ein Puppenspiel auf.
Die Szene beginnt damit, dass drei Puppen - die Kinder - mit Spielzeug spielen. Eine erwachsene Puppe erscheint und sagt, dass sie nach fünf Minuten aufräumen müssen. Die drei Puppenkinder beschweren sich und erfinden alle möglichen Ausreden: „Ich bin zu müde“, „Mir geht’s nicht gut“, „Meine Beine tun mir weh“, „Ich habe nicht mit diesem Spielzeug gespielt“ oder „Ich muss mal ganz dringend auf die Toilette“.
Die Kinder lachten lauthals, als sie das Puppentheater sahen, weil sie ihr eigenes tägliches Verhalten in den Puppen wiedererkannten.
Dann unterbrachen die Erzieher die Aufführung und fragten die Kinder, wie wohl die Puppen das Problem lösen würden. Nachdem die Kinder hörten, dass die Erzieher zum Weiterspielen ein paar Ideen brauchten, machten sie Lösungsvorschläge.
Die Pädagogen berichteten von folgenden Vorschlägen:
„Die Erzieher sollten die Kinder dafür hauen, dass sie nicht aufräumen wollen.“ (Gewalt als Lösung.) Wir sprachen über diese Idee und beschlossen, dass niemand gerne gehauen wird.
„Die Erzieher sollten die Kinder anschreien.“ (Bestrafung und Sanktionen.) Sie kamen zu dem Schluss, dass niemand gerne angeschrien wird.
„Niemand sollte aufräumen. Lasst doch einfach alles rumliegen.“ (Ignorieren und Problemvermeidung.) Wir sprachen darüber und befanden, dass das manchmal funktioniert, aber dass dann die Dinge im Weg liegen und verloren- oder kaputtgehen.
(11)
Nach der Diskussion führten die Pädagogen die zweite Hälfte des Stücks auf der Grundlage der Lösung der Kinder auf. Dann durften die Kinder selbst mit den Puppen spielen und ihre eigenen Stücke aufführen. Seitdem halbierten sich die Probleme mit dem Aufräumen, erzählten die Erzieher.
Ich glaube ich bin nicht der Einzige, der meint, dass Staats- und Regierungschefs von dieser Episode etwas lernen können.
Dr. Öberg sagt, dass der am meisten übersehene Aspekt bei Diskussionen über den Frieden die menschliche Komponente ist: „Wie kommt es, dass wir so oft über die Wiederherstellung von Frieden nach Verletzungen und Schäden durch Kriege sprechen, ohne dabei die menschlichen Aspekte von Konflikten im allgemeinen und Vergebung und Versöhnung im besonderen beachten? Schauen Sie sich doch Bosnien und Kroatien seit 1995 an, schauen Sie sich das heutige Kosovo an, oder Somalia, oder ... Haben die Menschen etwa ihre Arme ausgestreckt und gesagt ’Ich vergebe Dir’? Sind sie vertrauensvoll zusammengekommen? Haben sie gelernt, mit der Vergangenheit umzugehen? Nicht, um zu vergessen oder sich gegenseitig zu beschuldigen, sondern um sich einzugestehen, was geschehen ist und Wege zu finden, damit so etwas nie wieder geschieht? Kann man das wenigstens über Südafrika sagen?“ (12)
Und wie steht es mit Japan? Haben wir die Fehler der Vergangenheit wiedergutgemacht?
Dr. Öberg bemerkt hierzu: „Es ist leicht, Häuser zu reparieren und die Infrastruktur wiederaufzubauen. Es ist leicht, mit Geld um sich zu werfen und über Menschenrechte zu sprechen. Aber was ist, wenn sich Menschen in ihrem tiefsten Inneren gegenseitig hassen? Werden sie jemals glücklich und im Frieden mit sich selbst sein? Werden ihre Kinder es sein? Was für eine Gesellschaft wird das werden, wenn wir nicht auch ‚Seelen’ reparieren können und dazu verhelfen, Toleranz, Koexistenz, sogar Kooperation und Liebe zu erschaffen? Wir müssen Vergebung und Versöhnung zu einem zentralen Ziel machen.“ (13)
Man kann aus Wasser kein Feuer machen. Frieden kann nur mit friedlichen Mitteln erreicht werden.
Dr. Öberg hat zusammen mit seiner Frau Dr. Chistina Spännar und anderen Friedensforschern im früheren Jugoslawien Konfliktseminare abgehalten, deren Teilnehmer den Horror des Krieges erlebt hatten. Wenn diese Menschen zu den Seminaren kamen, fanden sie sich Auge in Auge mit Teilnehmern der „feindlichen“ ethnischen Gruppe. „Diese Leute haben meinen Mann getötet, sie haben mir mein Kind gestohlen!“ Dr. Öbergs Ziel für die Teilnehmer war es jedoch, dass sie nicht als Vertreter der einen oder anderen Volksgruppe miteinander redeten, sondern als individuelle Menschen.
Bei einem dieser Seminare nahmen serbische und kroatische Kinder teil – Mitglieder verschiedener Volksgruppen, die „Todfeinde“ geworden waren. Ihre Eltern nahmen auch teil. Die Atmosphäre war eisig. Dr. Öberg bat jeden Teilnehmer, die eigene Geschichte zu erzählen und was ihnen tatsächlich widerfahren war. Bedingung war, dass sie sich an die Fakten ihrer eigenen persönlichen Geschichte hielten und Anschuldigungen vermieden. Es war ihre erste Gelegenheit, von Angesicht zu Angesicht mit „dem Feind“ zu sprechen. Was schließlich stockend herauskam, war ihr enormer Schmerz. Sie weinten während sie sich zuhörten und erzählten. Dann realisierten sie, dass sie alle gleich litten, dass sie alle Opfer derselben tragischen Irrtümer waren. Schließlich weinten sie nicht mehr, sondern lachten zusammen. Manche wurden sogar Freunde und andere begannen, in verschiedenen Projekten zusammen zu arbeiten.
Dr. Öberg nannte dies „eine der bewegendsten Erfahrungen in meinem Leben“.
„Weshalb kann es nicht Wahrheits- und Versöhnungskommissionen geben, die vor einem Krieg aktiv werden?“, fragt er. (14) „Wir könnten lernen, Krieg und Gewalt an sich zu bekämpfen, und nicht uns gegenseitig.“ (15) Wir unterstützen Dr. Öbergs leidenschaftlichen Aufruf. Wir unterstützen ihn mit unserem ganzen Leben. Das ist wahre Gerechtigkeit!
Dr. Jan Öberg wurde 1951 in Dänemark geboren. Der Friedens- und Zukunftsforscher ist Doktor der Soziologie. Er war Direktor des Friedensforschungsinstituts der Lund Universität sowie Generalsekretär der „Danish Peace Foundation“. 1986 gründeten er und seine Frau Dr.
Christina Spännar die „Transnational Foundation for Peace and Future Research (TFF)“. Zusätzlich zu seiner Aufgabe als Direktor der TFF ist Dr. Öberg auch Beiratsvorsitzender der TFF-Stiftung. Die offizielle Homepage der Stiftung ist zu finden unter:
www.transnational.org
(SGI-Newsletter übersetzt aus der Ausgabe der Seikyo Shimbun vom 10. November 2002, der täglich erscheinenden Zeitung der Soka Gakkai)
Yugoslavia: A Course Report (Lund, Sweden: Transnational Foundation for
Peace and Future Research, 1998), S. 46
Öberg, After Yugoslavia, What?-Report by a Conflict-Mitigation Mission to
Croatia, Slovenia, and Serbia, September 1991 (Lund, Sweden: Transnational
Foundation for Peace and Future Research, 1991), S. 23
Christina Pribichevich-Zoric (New York: Viking, 1994), S. 102-103
UNICEF, I Dream of Peace (New York: HarperCollins, 1994) S. 59
Aus dem Japanischen übersetzt. Zen Chida, Naze Senso wa Owaranai ka (Why Is There No End to War?) (Tokyo: Misuzu Shobo, 2002)
Ochanomizu Shobo, 1999), S. 154
(Document: The War Advertising Agency-Information Manipulation in the
Bosnian Conflict) (Tokyo: Kodansha, 2002)
de guerre (Elementary Principles of War Propaganda) (Brussels: Éditions Labor, 2001).
I Dream of Peace, S. 56
Noam Chomsky, The New Military Humanism: Lessons from Kosovo (Monroe, Maine: Common Courage Press, 1999), S. 156
Judson (Philadelphia: New Society Publishers, 1984), S. 43
Former Yugoslavia Since 1991 (Lund, Sweden: Transnational Foundation for Peace and Future Research, 1999), S. 54 13 ebd.
14 Jan Öberg, The World Needs Reconciliation and Forgiveness Centres (Lund, Sweden: Transnational Foundation for Peace and Future Research, 1999), S.
2115 ebd., S. 11
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