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Über den Bodhisattwa-Weg
Vortrag von Dr. Yoichi Kawada
gehalten im Kaikan Walldorf-Mörfelden, am 13.10.2002
Ich bin seit einigen Tagen wegen der Frankfurter Buchmesse in Deutschland und habe dort gestern an einer Podiumsdiskussion teilgenommen. Für diese Podiumsdiskussion zum Thema „Globale Herausforderungen kultureller Identitäten“ hat Präsident Ikeda eine Grußbotschaft geschickt, an deren Inhalt ich meinen Diskussionsbeitrag ausgerichtet habe. Die zentrale Aussage von Ikeda war, dass jeder Mensch von Natur aus das Gute in sich hat. Dennoch, so sagte er, ist heutzutage in der Gesellschaft die Negativität sehr viel stärker ausgeprägt, wie es sich in vielen Gewalthandlungen und zunehmendem zwischenmenschlichem Misstrauen zeigt. Unsere heutige Welt zeigt geradezu Kettenreaktionen von Hass und Gewalt und eine immer stärker werdende Destruktivität. Die buddhistische Lehre betont aber, dass in jedem von uns nicht nur die negativen Kräfte des Lebens vorhanden sind, sondern ebenso die positiven und dass der Bereitschaft zu Gewalt die Gewaltlosigkeit, dem Hass das Mitgefühl und die Mitleidensfähigkeit als menschliche Eigenschaften gegenüberstehen.
Negativität, Hass und Gewalt haben die Funktion, alles voneinander zu trennen: Mensch und Natur, die Menschen untereinander und auch das, was in unserem Inneren zusammengehört. Dieses Phänomen der Trennung kann man auch auf der wirtschaftlichen, politischen, kulturellen und internationalen Ebene beobachten. Die Gegenkraft dazu ist das Gute in uns, das vereint, zusammenführt und versöhnt; diese positive Kraft ist es, die wir alle wieder in uns entwickeln wollen.
Die Symposien der Frankfurter Buchmesse standen unter dem Titel „Bridges for a World Divided“ - also unter der Fragestellung, wie man in einer Gesellschaft, die von Getrenntheit gekennzeichnet ist, Brücken bauen kann. Aber Brücken bauen wofür? Ich denke, Religion hat ihre wichtigste Aufgabe darin, die tiefgreifende Trennung auf wirtschaftlicher, politischer, zwischenmenschlicher und mentaler Ebene zu überwinden. Die verbindende Kraft der Religion schafft Brücken zwischen Körper und Geist, Natur und Mensch, zwischen Menschen untereinander und zwischen Universum und Mensch. Dieser Punkt wird von Präsident Ikeda ständig hervorgehoben. Deshalb habe ich gestern bei der Podiumsdiskussion davon gesprochen, dass es die wahre Aufgabe von Religion ist, das Gute in den Menschen zu entwickeln. Dazu gab es eine Frage aus dem Auditorium, die lautete: „Wie schafft man es aber, das Gute in sich zu entwickeln?“ Die Antwort ist, man schafft es, indem man den Bodhisattwa-Weg einschlägt.
Obwohl eine so wunderbare Frage gestellt wurde, gab es von Seiten eines Podiumsdiskussionsteilnehmers zweimal mit Nachdruck die Aussage, er glaube nicht an das Gute im Menschen. Es ist eben die besondere Fähigkeit der Religion, trotz aller negativen Bedingungen an das Gute in den Menschen zu glauben. Aus buddhistischer Sicht ist das Gute in wirklich allen Menschen vorhanden, auch in denen, die nicht daran glauben können. Das wird immer wieder betont und hervorgehoben.
In der Geschichte der Sutras ist Bodhisattwa Fukyo die Person, die an das Gute in allen Menschen geglaubt und sie deshalb verehrt hat, selbst wenn sie ihm gegenüber bösartig waren. Es ist interessant, zu fragen, weshalb Fukyo ausgerechnet mit seiner Tat, alle Menschen zu loben und zu verehren, Verfolgungen erleiden musste. Der Grund war damals der gleiche wie heute: Die Aussage, dass alle Menschen das Gute in sich haben, auch die, die sich völlig gegensätzlich verhalten, wurde und wird abgelehnt und gerade die „bösen“ Menschen, bzw. diejenigen, die nicht an das Gute glauben können und wollen, setzen ihren Ehrgeiz hinein, das Gegenteil zu beweisen.
Wie können wir aber diesen Menschen die Überzeugung vermitteln, dass sie doch das Gute in sich haben? Bodhisattwa Fukyo hat mit seinem persönlichen Weg klargemacht, wie man das erreichen kann. Durch seine hartnäckigen Bemühungen konnte er noch so bösartige Menschen zu dieser Einsicht führen. Durch sein Verhalten als Mensch und seine Geisteshaltung, die bis zu seiner letzten Lebensstunde anhielt, konnte er alle Menschen von dem letztendlich Guten in sich überzeugen. Im Sutra steht, Fukyo habe in der letzten Stunde seines Lebens in seinem Herzen das Lotos Sutra gehört. Diese Aussage macht deutlich, dass das Lotos Sutra die Stütze seines gesamten Lebens gewesen ist, die Lehre, auf die er sich immer bezogen und mit deren Hilfe er die Ewigkeit des Lebens und des Guten gezeigt hat. Bodhisattwa Fukyos Wirken weist auf die Erfahrungen hin, die wir selbst alle und mit anderen Menschen zusammen, auf der Grundlage der Überzeugung in das Lotos Sutra, machen können. Fukyo zeigt uns den Bodhisattwa-Weg.
Was sind aber die Voraussetzungen für den Bodhisattwa-Weg? Ein Zeitungsartikel der Seikyo Shimbun aus dem Jahre 1997 zeigt ein Foto von Präsident Ikeda und Prof. Seligman anlässlich eines Gespräches, das die beiden damals geführt haben. Prof. Seligman ist ein bekannter Psychologe aus den USA und die Grundlage seiner Psychologie ist die Kraft des Optimismus. Ich selbst war damals bei diesem Gespräch anwesend. Ikeda stellte Seligman viele Fragen und dieser zog als Fazit seiner psychologischen Forschungen, dass es die Aufgabe der Psychologie sei, kranke Menschen wieder auf einen normalen Weg zu führen. So wie er es schilderte, entsprach der traditionelle psychologische Behandlungsweg vom Kranksein zur Normalität der buddhistischen Sichtweise der niederen sechs Welten, also die Menschen aus den unteren Lebenszuständen Hölle, Animalität und Ärger zu den Zuständen von Ruhe, Menschlichkeit und Entzücken zu führen. Seligman erwartete von einer modernen Psychologie jedoch, die Menschen im Rahmen der Behandlung nicht in den sechs niederen Lebenszuständen zu belassen, sondern sein Wunsch war es, ihnen die höheren Lebenszustände zu erschließen, die im Buddhismus als Lernen, Teilerleuchtung und Bodhisattwa bezeichnet werden. Daher vertrat er mit seinem psychologischen Konzept die „Psychologie des Optimismus“. Er versuchte also, sein Psychologie-Modell auf der Grundlage des Optimismus zu erläutern.
Was ist Optimismus? Optimistisch zu sein heißt nicht, stets zu lächeln, freundlich zu sein und keinerlei Angst zu haben. Menschen, die fröhlich sind, sind es oft nur vorübergehend, oder aber sie sind nicht dazu in der Lage, Schmerzen und Leiden zu empfinden. Ikeda machte in dem Gespräch klar, dass wahrer Optimismus nichts anderes ist, als die Lebensführung des Bodhisattwas. Auch für Seligman bedeutete Optimismus keinen Zustand ohne Leiden, sondern die Fähigkeit, Hoffnung zu haben, wie schwierig die aktuelle Situation auch sein mag.
Freude, Tiefe, Zuversicht und Hoffnung, ungeachtet aller Schwierigkeiten, darum geht es. <Ich ändere meine Situation, ich übernehme die Verantwortung dafür, dass es nicht so bleibt, wie es jetzt ist>, das ist die entscheidende innere optimistische Haltung, auch wenn man sie äußerlich vielleicht nicht immer erkennen kann. Seligman erzählte in diesem Zusammenhang eine persönliche Erfahrung: Als er 13 Jahre alt war, erlitt sein Vater, ein Jurist, einen Schlaganfall. Obwohl er ihn überlebte und überwand, veränderte er sich danach vollkommen, wurde apathisch und verlor jedes Interesse am Leben. Dieses Erlebnis war der Grund, weshalb Seligman sich später überhaupt für das Studienfach Psychologie entschied. Seit dieser Zeit wollte er unbedingt wissen, was einen Menschen so vollkommen apathisch und depressiv machen konnte. Diese Frage war die eigentliche Motivation für sein Studium.
In der Psychologie gibt es traditionell zwei Richtungen: Die analytische und die experimentelle Psychologie. Seligman schlug die zweite Richtung ein. Damals führte man die experimentellen Forschungen an Mäusen durch, heute arbeitet man mit Schimpansen. Er stellte bei den Mäusen, mit denen er forschte, verschiedene Charaktere fest, es gab „optimistische“ und „pessimistische“ Mäuse! Die Mäuse wurden in einen Käfig gesteckt und darauf konditioniert, immer dann ihr Futter zu bekommen, wenn sie fünfmal nacheinander auf einen bestimmten Schalter gedrückt hatten. Als dies gelungen war, gab es weitere Untersuchungen, bei denen die konditionierten Mäuse nicht nach fünfmaligem, sondern erst nach zehnmaligem Betätigen des Schalters Futter erhielten. Die Mäuse wurden also ganz unerwartet mit einer neuen Situation konfrontiert. Da zeigten sich nun deutliche Unterschiede im Verhalten: Die einen gaben resigniert auf, als nach fünfmaligem Drücken kein Futter kam, oder sie drückten noch ein- oder zweimal weiter und gaben dann auf. Manche aber drückten so lange weiter, bis sie schließlich doch Futter erhielten. (Das ist ganz ähnlich wie bei den Menschen - Frauen versuchen es 10mal, Männer geben schnell auf! Bei vergleichbaren Krankheiten sind es auch meist die Frauen, die durch hartnäckige Bemühungen eher wieder gesund werden, als Männer, die schneller resignieren. In dieser Hinsicht gibt es also kaum einen Unterschied zwischen Menschen und Mäusen!).
Nach dieser Feststellung, dass es „optimistische“ und „pessimistische“ Mäuse gab, wollte Seligman eine vergleichbare Untersuchung mit Menschen machen. Dafür hat er ehemalige Harvard-Absolventen mehr als 10 Jahre nach ihrem Universitätsabschluss untersucht, hinsichtlich der Wege, die sie genommen hatten. Seine wissenschaftliche Fragestellung bezog sich auf den Zusammenhang zwischen beruflichem Erfolg und individuell erlebtem Glück. Im Rahmen dieses Forschungprojektes stellte er fest, dass Erfolg bzw. Glück im Leben sehr wenig mit gesellschaftlicher Anerkennung zu tun hat; viel entscheidender dagegen ist der Menschentyp, zu dem man gehört. Beim Abgang von der Universität waren seine Probanden etwa Ende zwanzig gewesen und bis zu ihrem 40. Lebensjahr konnte er kaum Unterschiede zwischen ihnen feststellen. Ab dem 45. Lebensjahr änderte sich dies aber deutlich: Die pessimistischeren unter ihnen hatten häufig Krankheiten, wie Herzprobleme und auch Krebs und fühlten sich trotz beruflicher Erfolge oft unglücklich. Bei den optimistischen Typen waren zwar auch Krankheiten festzustellen, aber sie konnten diese besser überwinden und ihr Leben insgesamt in eine positivere Richtung steuern.
Seligman stellte aufgrund seiner Forschungsergebnisse Kriterien dafür auf, unter welchen Voraussetzungen man glücklich oder unglücklich wird. Menschen von heute, besonders in den USA, haben häufige und lang anhaltende depressive Zustände. Optimistische Menschen sind aber trotz kurzfristiger Depressionen dazu in der Lage, rasch wieder in den normalen seelischen Zustand zurückzukehren. Durch ihre besondere psychosomatische Ausstattung haben sie eine viel stärkere Widerstandsfähigkeit gegen ihre Krankheit. Wie ich es bereits am Anfang meines Vortrages erwähnt habe: Wenn sich das Gute in den Menschen entwickelt, wird auch ihre Widerstandskraft gegen Krankheiten und andere Widrigkeiten des Lebens größer; natürlich gilt auch das Umgekehrte. Wenn sich das Gute in jedem Menschen immer dauerhafter entwickelt, kann er/sie seine Fähigkeiten voll entfalten. Natürlich entstehen dann auch bessere zwischenmenschliche Beziehungen. Menschen sind Gesellschaftstiere und können nicht alleine leben. In der Familie, im Beruf, in der Nachbarschaft - überall existieren wichtige zwischenmenschliche Beziehungen. Daher ist es selbstverständlich, dass optimistische Menschen oft länger und gesünder leben können, als pessimistische. Ein langes Leben bedeutet aber nicht automatisch ein glückliches Leben, denn es gibt ja auch ein rein vegetatives Leben, bei schwer hirnverletzten Menschen beispielsweise, das zwar lange dauern kann, aber eigentlich kein Leben ist. Es geht immer auch um den Inhalt, den guten Inhalt des Lebens, und der macht sich am Optimismus fest, so Seligman.
Wenn man Optimismus und Pessimismus für angeborene, also genetisch bestimmte Eigenschaften hält, kann man natürlich nichts gegen sie unternehmen; man ist ihnen dann ausgeliefert. Seligman behauptet aber, man könne Optimismus und Pessimismus „trainieren“: Wenn man jeden Tag konkret seine Lebenseinstellung verändert, immer und immer wieder, kann man schließlich eine grundlegende Veränderung der eigenen Persönlichkeit erreichen. Es gibt im Leben gute und schlechte Zeiten, sowohl wirtschaftlich, als auch gesundheitlich und beruflich. Gerade in schwierigen Situationen zeigt sich der Unterschied deutlich: Der Optimist denkt, <das ist nur zufällig und vorübergehend so, diese Schwierigkeit ist kein Dauerzustand>. Ein Optimist hat die Kraft und das Vertrauen, durch eigene Handlungen und Taten schließlich eine bessere Zeit hervorrufen zu können. Beim Pessimisten dagegen entsteht ein Teufelskreis. Der Pessimist denkt nur negativ, depressiv und geht davon aus, dass auf Schlechtes immer noch Schlechteres folgt. Ein Pessimist glaubt gerade dann, wenn er wirklich einmal Glück hat, dies sei reiner Zufall, der sich bereits am darauffolgenden Tag wieder umkehren werde. Der Optimist denkt bei einer glücklichen Fügung: <Endlich kommt das große Glück zu mir, die Wellen des Glücks haben mich erreicht, endlich, mein Leben geht vorwärts .., morgen wird es noch besser werden, als es heute ist>. Wenn ein Pessimist beispielsweise beruflich Erfolg hat, hält er das für die Bilanz seiner Bemühungen; der Optimist dagegen denkt, <jetzt habe ich endlich meine Fähigkeiten und meinen Charakter gezeigt und der Erfolg kommt zu mir zurück>.
Durch die spezifische Denkweise des Pessimisten entstehen schließlich Depression und Apathie. Im Gegensatz dazu ruft der Optimist durch seine hartnäckige Hoffnung und Zuversicht immer wieder glückliche Situationen hervor, schafft dadurch solide zwischenmenschliche Beziehungen und eine Vertrauensbasis zu seinen Mitmenschen. Seligman sagt eindeutig, dass eine optimistische Haltung dem Leben gegenüber nichts mit Oberflächlichkeit zu tun hat, sondern einem tiefgreifenden inneren, psychischen Zustand entspricht. Optimist zu sein, ist eine Lebenseinstellung, sagt er.
Der Grund, weshalb Seligman den Wunsch hatte, Präsident Ikeda zu treffen, ist folgender: Wie er erzählte, hatte er immer gedacht, dass die buddhistische Philosophie ein Produkt des Pessimismus sei, ähnlich wie auch die frühe Richtung der Psychologie. Nachdem er aber SGI-Mitglieder kennengelernt hatte, gewann er einen ganz anderen Eindruck und wollte aus diesem Grunde Präsident Ikeda kennenlernen, um mehr zu erfahren. Seligman kannte bisher nur Nembutsu und Zen-Buddhismus. Durch Nichiren Daishonins Buddhismus kam er mit einer ganz anderen buddhistischen Richtung in Kontakt, die darauf abzielt, in den Menschen Hoffnung zu wecken und sie innerlich stark zu machen. Genau das waren die Eigenschaften, die er auch von einer (seiner) modernen Psychologie erwartete: Die Menschen hoffnungsvoller und stärker werden zu lassen.
Präsident Ikeda betonte in dem Gespräch, alle Lebewesen seien geboren, um das Glück des Lebens zu genießen und nicht, um zu leiden. Jeden Augenblick zum Glück und zur Hoffnung zu führen, sei die Kraft von Nam Myoho Renge Kyo und er zitierte den berühmten Satz aus einem Brief von Nichiren Daishonin, Nam Myoho Renge Kyo zu chanten, sei die größte aller Freuden. Er zitierte noch einen anderen wichtigen Satz von ihm, der daran erinnert, dass eine schwierige oder sogar schlechte Lebenssituation das Normale ist, während gute Lebensumstände eine Seltenheit sind. Andererseits, so Ikeda, schreibt Nichiren aber auch „Jeder Winter wird zum Frühling“ [Winter ist in diesem Zusammenhang ein Symbol für das Leben der gewöhnlichen Sterblichen]. Nichiren Daishonins Leben sei selbst voll von Verfolgungen und Schwierigkeiten gewesen. Dennoch habe er eine solche Aussage machen können, die wie ein Schrei aus seiner tiefsten Seele hervorgedrungen sei. Vor seiner Beinahe-Hinrichtung in Tatsunokuchi habe er zu Shijo Kingo gesagt: „Warum weinen Sie bei diesem wunderbaren, freudigen Ereignis?“ Statt zu jammern, habe er seinen Henkern empfohlen, schnell zu machen mit seiner Enthauptung, damit sie die Zeit nicht ungenutzt verstreichen ließen, bis es Tag werde, denn das wäre doch schade für sie. In einer solch dramatischen Situation eine so starke Überzeugung zu zeigen, sei Ausdruck eines unerschütterlichen Optimismus, meinte Präsident Ikeda. Dann hob er noch die Haltung Nichiren Daishonins in Bezug auf seine Verbannung auf die Insel Sado anhand eines weiteren Zitates hervor: „Obwohl ich wie ein Schwerverbrecher hierher geschickt wurde, bin ich voller Freude und kann meine Freudentränen nicht stoppen“.
Diese Grundhaltung Nichiren Daishonins sollte die Grundlage für uns, für den Bodhisattwa-Weg sein, die gleiche Einstellung und Überzeugung wie Nichiren auf Sado zu haben. In dieser extremen Lebenssituation hat er an das Glück der gesamten Menschheit und ihre Bedeutung für die ganze Welt gedacht. Seligman versucht, als Psychologe herauszufinden, wie man vom Pessimisten zum Optimisten werden kann. Präsident Ikeda versucht, uns auf der Basis des Buddhismus Nichiren Daishonins, der hierzu eine eindeutige Aussage macht, zu ermutigen, gerade in schlechten Zeiten viel zu chanten, weil wir dadurch Hoffnung in uns hervorrufen können. In guten Zeiten erzeugt das Chanten reine Freude.
Der Bodhisattwa-Weg besteht darin, im depressiven, traurigen, ärgerlichen oder im Hungerzustand immer zu chanten! Nichiren Daishonin chantete Nam Myoho Renge Kyo in jeder Lebenssituation und jedem Lebenszustand und so sollten wir es auch machen. Mit der konkreten Aktion des Chantens verwandelt man seinen jeweiligen Lebenszustand sofort. Wir sollten nicht denken, dass es besser ist, erst zu chanten, wenn wir unseren Ärger oder unsere Depression bereits überwunden haben, denn das ist falsch, bzw. dann ist es bereits zu spät. Ohne auf einen besseren Lebenszustand zu warten, sollten wir so, wie wir gerade sind, einfach zum Gohonzon gehen und chanten. Das ist unsere einzigartige Möglichkeit, in jeder noch so schwierigen Situation sofort das Gute in uns zu entwickeln.
Wenn durch das Chanten das Gute, also der Bodhisattwa-Zustand erscheint, wie zeigt sich dies konkret bei den Menschen? Hierzu hat Präsident Ikeda etwas Wichtiges gesagt, als er 1996 einen Vortrag an der Columbia-Universität gehalten hat, mit dem Titel: „Im starken Glauben an das Gute der Menschen“: Darin erklärte er den Bodhisattwa als Modell für den Weltbürger, der Weisheit haben und um die Bedeutung wechselseitiger Beziehungen und der daraus folgenden Wirkungen für die ganze Welt wissen sollte. Weisheit ist hier zu verstehen als die Überzeugung, dass alle Menschen, trotz ihrer unterschiedlichen Rasse, gesellschaftlichen Position, Lebensbedingungen etc., vollkommen gleichwertig sind und alle in Wechselbeziehungen zueinander stehen. Aus dieser Überzeugung ergibt sich die Möglichkeit, aber auch die Pflicht, einander zu helfen und zu unterstützen; diese Art von Weisheit des „Bodhisattwa-Weltbürgers“ hat Präsident Ikeda gemeint. Bei einer solchen Sichtweise gegenüber dem Leben und den Menschen entwickelt man auch die Weisheit, die Unterschiede zwischen den Menschen nicht mehr als Hindernisse, sondern als Vorteile anzusehen. Wir brauchen und sollten keine Angst haben vor Unterschieden und wir sollten Andersartigkeit nicht einfach ablehnen. Um Unterschiede und Fremdheit zu überwinden und mit ihnen - im besten Sinne
Ikeda erzählte als konkretes Beispiel für einen Bodhisattwa und Weltbürger von dem Shoman-Sutra, das das einzige Sutra überhaupt ist, dessen Erzählerin und Protagonistin eine Frau und Laiengläubige ist. Dieses Sutra handelt und wird erzählt von Frau Shoman, einer Prinzessin, die zur gleichen Zeit wie Shakyamuni lebte, verheiratet war und Schülerin von Shakyamuni wurde. Frau Shoman bestätigte in diesem Sutra gewissermaßen die Lehre Shakyamunis und Präsident Ikeda meinte in seinem Vortrag, da das 21. Jahrhundert das Jahrhundert der Frauen sei, sei das Shoman-Sutra sehr wichtig. In ihm stellte Frau Shoman 10 konkrete Verhaltensanweisungen auf, also eine Art Verhaltenskodex für den Bodhisattwa-Weg:
Keine Gewalt gegen das Leben anzuwenden, ist das höchste Gebot für jeden Menschen. Man sollte sein eigenes Glück nicht auf dem Unglück anderer aufbauen, sondern immer danach streben, mit seinen Mitmenschen zusammen glücklich zu sein
Niemals eine verächtliche Einstellung gegenüber seinem Meister zu haben
Neben der körperlichen Gewalt und Aggressivität auch jede Form von geistiger (mentaler) Gewalt zu meiden
Nicht neidisch auf das Glück anderer Menschen zu sein (leider gibt es das aber allzu oft!)
Keine Gier in sich zu hegen; nicht alles für sich allein besitzen zu wollen, sondern mit anderen zu teilen
Keinen Reichtum für vorübergehendes Glück und oberflächliche Freuden anzusammeln, sondern nur für das Glück von armen und leidenden Menschen. (Nur für sich selbst Reichtum anzuhäufen, ist der Gegensatz des Bodhisattwa-Weges!
Sich für das Glück anderer Menschen einzusetzen, aber ohne Berechnung! (Wir können sicher sein, dass wir alles, was wir anderen Menschen geben, dreifach zurückbekommen; aber ich sage unter uns, dass nur demjenigen, der/die sich mit selbstloser Einstellung für andere Menschen einsetzt und sich ihnen widmet, alle buddhistischen Götter helfen werden)
Sich stets für Menschen einzusetzen, die große Verfolgungen, Schwierigkeiten, Krankheiten und Armut erleiden, also für alle leidenden Menschen zu leben und das als eigene Aufgabe zu erkennen
Sich für den Dharma des Buddhas einzusetzen und gegen diejenigen, die als dessen Gegner auftreten und versuchen, die Lehre zu zerstören, aufzustehen, sich aber gleichzeitig darum zu bemühen, auch diese Gegner zur buddhistischen Lehre zu führen. (Hier geht es also um Shakubuku und Mitgefühl)
Abschließend möchte ich nochmals hervorheben, dass das Thema von Ikedas Vortrag an der Columbia-Universität die Rolle der Erziehung zur Heranbildung von Weltbürgern war. Die ethischen Richtlinien, die Frau Shoman in dem nach ihr benannten Sutra aufgestellt hat, sind Merkmale eines solchen Weltbürgers.
Mitschrift von Barbara Krausnick nach der mündlichen Übersetzung von Yoshi Matsuno.
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