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Die Geschichte der Soka Gakkai ist verknüpft mit dem Lebenslauf ihres Begründers Tsunesaburo Makiguchi (1871-1944). Er und sein direkter Schüler Josei Toda (1900-1958), sowie dessen Nachfolger Daisaku Ikeda (geb.1928) sind die drei Personen, die der Entwicklung dieser Organisation die entscheidenden Impulse gaben und in Folge die Präsidentschaft der Organisation übernahmen. Der jetzige Präsident der SGI ist Daisaku Ikeda.
Makiguchi wurde am 06.06.1871 in einem Fischerdorf in Nordjapan geboren. Der Vater hatte ihn und seine Mutter verlassen und er wuchs bei seinem Onkel auf, der ihn adoptierte, seine Mutter besuchte ihn gelegentlich. Es kam zu einem Selbstmordversuch der Mutter, die sich mit ihm als kleinen Jungen versuchte zu ertränken, aber gerettet wurde. Makiguchi konnte aus finanziellen Gründen nicht die Oberschule besuchen, begann jedoch sich durch Selbststudium das erwünscht Wissen anzueignen. Er schaffte schließlich doch die Aufnahmeprüfung, um Lehrer zu werden. Ab 1893 war er Lehrer an der Grundschule. Die Erziehung in Japan betrachtete Makiguchi sehr kritisch[^1], sie zu reformieren wurde später zu einem seiner Hauptanliegen. Die Diskussion in der Erziehung des damaligen Japans drehte sich um die Frage, ob man die Menschen zu freien Bürger oder staatstreue Untertanen im konfuzianischen Sinne erziehen solle, wobei er die erste Position vertrat. Er veröffentlichte mit dreißig Jahren das Werk ‘Die Geographie des menschlichen Lebens’(jap.: Jinsei Chirigaku), indem er eins seiner Hauptstudiengebiete, die Geographie, mit Gegebenheiten des menschlichen Lebens in Kontext setzte. Das Buch erregte Aufsehen und man wollte ihn für weitere Arbeiten gewinnen. Makiguchi wurde Herausgeber einer Zeitschrift für junge Mädchen und stellte, auf Auftrag des kaiserlichen Erziehungsministeriums, neuartige Geographiebücher zusammen. Nach acht arbeitsreichen Jahren gab er diese Tätigkeiten auf, um wieder Schullehrer zu werden und sich selbst weiterzubilden. Seine reformatorischen Ansätze und Prinzipien, die im starken Gegensatz zu der allgemein vorherrschenden autoritären Richtung standen, brachten ihm im Laufe seiner Tätigkeit in Schwierigkeiten und führten dazu, daß er des öfteren die Anstellung wechseln mußte. In dieser Zeit begegnete er auch seinem Gefährten und Schüler Josei Toda, mit dem er von dort an eng zusammenarbeitete.
In den Jahren 1928-33 gab er sein Hauptwerk ‘Soka Kyoikugaku Taikei’ (‘Die Pädagogik zur Schaffung von Werten’) heraus. 1928 war er zum Buddhismus Nichiren Daishonins übergetreten, der für ihn die Möglichkeit darstellte, sowohl individuell als auch für die Gesellschaft Werte und Glück zu schaffen. Um diese Richtung des Buddhismus weiter zu verbreiten und in der Erziehung einen Weg zu finden, diese Ideen umzusetzen, sammelte er ab 1930 eine Gruppe von Pädagogen um sich, die sich ‘Soka Kyoiku Gakkai’ nannte. Makiguchi gewann vor allem bei jungen und bei reformistisch eingestellten Pädagogen Anhänger für seine Ideen. Die offizielle Gründung der ‘Soka Kyoiku Gakkai’(‘Gesellschaft zur werteschaffenden Erziehung’), die als Vorläufer der ‘Soka Gakkai’ gilt, war 1937. Sie ging mit einer größeren Öffnung auch für Nichtpädagogen einher, die besonders an den Elementen des Buddhismus Nichirens interessiert waren. Ab 1940 war Makiguchi ihr Präsident. Zweimal im Jahr gab es Treffen, um sich über die Ergebnisse ihrer pädagogischen und persönlichen Erfahrungen auszutauschen. 1940 wurde auch die politische Achse Berlin-Rom-Tokyo gebildet. Japan begann Feindseligkeiten mit den USA und Großbritannien aufzunehmen und trat in den zweiten Weltkrieg ein. Makiguchi war sowohl gegen die Militärregierung als auch gegen den Krieg. Die von Makiguchi herausgegebene Zeitung wurde 1942 verboten. Am 6.Juli 1943 wurde Makiguchi, nachdem seine Gesellschaft schon des längeren durch die Geheimpolizei observiert worden und sich gegen eine Zwangsvereinigung verschiedener Nichiren-Schulen und Unterordnung unter den Staatsshintoismus[^2]wehrte, zusammen mit Josei Toda und ca. zwanzig anderen Mitgliedern verhaftet und ins Gefängnis gesperrt. Er wandte sich offen gegen den Krieg und kämpfte für die Religionsfreiheit. Die Anklage lautete ‘Blasphemie und Gefährdung der Staatssicherheit’. Makiguchi starb im Gefängnis am 18.November 1944 an den Folgen der Einzelhaft und der Unterernährung. Nur er und sein Schüler Josei Toda, die zusammen die führenden Köpfe der Soka Kyoiku Gakkai waren, widersetzten sich bis zum Ende der Staatsautorität und weigerten sich, ihre Überzeugung dem Staatsshintoismus[^3] unterzuordnen. Die anderen gaben nach und wurde entlassen.
Josei Toda wurde am 11.Februar 1900 geboren. Er mußte früh bei der Erwirtschaftung des Lebensunterhaltes mitwirken, galt aber als äußerst strebsam und verwendete einen Teil seines Geldes für ein Freizeitstudium, das ihm ein Diplom als Aushilfslehrer brachte. Mit neunzehn Jahren wurde er bereits Volksschullehrer. Das Betätigungsfeld befriedigte aber nicht lange seine Bedürfnisse und er ging nach Tokyo, um dort als Lehrer tätig zu sein. Sein Vorgesetzter wurde Makiguchi, der bereits in geistige und politische Auseinandersetzungen verwickelt war und einen großen Eindruck auf Toda ausübte. Es bildete sich eine tiefe Verbundenheit zwischen diesen beiden Personen und als Makiguchi versetz wurde, folgte ihm Toda, obwohl er deswegen eine sichere Stellung als Lehrer aufgeben mußte. Er wechselte seinen Beruf und widmete sich mehr geschäftlichen Betätigungsfeldern. Früh verlor Toda seine Frau und sein Kind und wurde zudem noch lungenkrank. Eine kurze Zeit wendet sich Toda dem Christentum zu, verwirft dieses aber mit dem Eindruck, daß zu wenig nach dem gelebt werde, wovon gesprochen wird. Durch Makiguchi lernt er den Buddhismus Nichirens kennen und bekommt auch erneut Interesse für das Erziehungswesen. Er wird wieder Lehrer und beginnt mit der Herausgabe von Schulbüchern. Von einem Textbuch über Mathematik, das er selbst geschrieben hat, wurden schnell über eine Million Exemplare verkauft. Neben seinen vielfältigen Tätigkeiten beginnt er ein Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Chuo-Universität, welches er 31jährig abschließt.
Todas Überzeugung von dem Buddhismus wuchs indes immer weiter und er unterstützte seinen Mentor Makiguchi nach besten Kräften. Er empfand es, wie er später selbst sagte, als großes Glück, Makiguchi selbst in das Gefängnis begleiten zu können. Dort hat er jeden Tag stundenlang ‘Nam-Myoho-Renge-Kyo’ rezitiert und das Lotos-Sutra studiert. Besonders die Frage was eigentlich die Buddhaschaft ist beschäftigte ihn. Ausgehend von einer bestimmten Stelle im Lotos-Sutra, die als die zweiunddreißig Verneinungen bekannt[^4], ist sollen seine Bemühungen in ihm tiefe Erlebnisse und Einsichten ausgelöst haben. Die Quintessenz seiner Erkenntnis war, daß die Buddhaschaft das gleiche wie die Lebenskraft bedeutet. Diese Erfahrungen dienten ihm später als Inspirationsquelle für seine Aktivitäten beim Aufbau der Soka Gakkai. Nachdem er zum Ende des zweiten Weltkrieges, als Japan von den Amerikanern besetzt wurde, aus dem Gefängnis entlassen wurde, widmete er sich entschlossen dieser Aufgabe. Die durch die Amerikaner eingeführte Religionsfreiheit ermöglichte die beginnende Entwicklung der Soka Gakkai zu einer großen Gemeinschaft. Die Soka Kyoiku Gakkai widmete sich eher erzieherischen Aufgaben und Fragestellungen, nun wurde das Wort Kyoiku gestrichen, die Gesellschaft bekam den Namen Soka Gakkai (werteschaffende Gesellschaft) und öffnete sich noch um ein vielfaches verschiedenen Bevölkerungsschichten. Toda starb am 2.April 1958.
Um einen kleinen Einblick in die Philosophie der Werte zu bekommen, die den Soka-Erziehungsinstitutionen zugrunde liegt, hier ein sehr verkürzter Versuch einer Einführung. Makiguchi war in seinen Ansichten von John Dewey und Lester Ward beeinflußt, es wurde auch gesagt, daß die Wertephilosophie ebenso bei Windelband und Rickert aus Heidelberg Ursprünge zu verzeichnen hat.[^5] Sicher ist auf jeden Fall in ihrer Ausformulierung die Beziehung mit dem Buddhismus Nichirens, in dem Makiguchi die Bestätigung und Vertiefung seiner Theorien entdeckte. Der Buddhismus stellte für Makiguchi die Lehre dar, die den Anforderungen an eine ‘wahre Religion’ entspricht. Er sagt dazu:
„Bei einer wahren Religion entspricht die Untersuchungsmethode der der Wissenschaft, und die Ergebnisse können auf eine logische Weise systematisiert und rational bewiesen werden. Das grundlegende Prinzip und die Ausübung sollten eine universelle Gültigkeit besitzen, und die Lehre sollte ihr Ziel und das Objekt ihrer Suche klar machen. Sie sollte außerdem unveränderlich in Raum und Zeit sein. Zum Beispiel sollte sie nicht für Japan angemessen aber in Indien von geringer Bedeutung sein, oder vor hundert Jahren wirksam gewesen sein aber heute nicht mehr. .... Was ist das philosophische Objekt dieser Religion? Es ist das Leben. Im Leben sind alle Menschen, alle Phänomene, die Gesellschaft, die Länder, das gesamte Universum enthalten. Da diese Religion dem Studium der menschlichen Existenz die höchste Bedeutung zuschreibt, ist ihr Ziel dem der Wissenschaft ähnlich: ein glückliches Leben anzustreben....“[^6] (Makiguchi)
Makiguchi stellt in den Mittelpunkt seiner Überlegungen den Begriff ‘Wert’. Der Sinn des Lebens lag für ihn in der Verwirklichung des Glücks, das sich durch die Schaffung von Werten ausdrückt. Ausgehend von den Werten Wahrheit, Gutes und Schönheit, postuliert schon von Platon, ersetzt er den Begriff Wahrheit durch den Begriff Nutzen. Wahrheit an sich stellt für Makiguchi keinen Wert da, erst in der Beziehung zum Leben eines Menschen erhält ein Objekt einen bestimmten Wert. Wahrheit deutet dabei nur das Vorhandensein der Realität des Objektes an und das macht allein für sich noch keine Aussage über den Wert möglich. Er schlug vor, bei der Überprüfung von Werten vom eigenen täglichen Leben zum Lernen vorzugehen und dann wieder zurück zum Leben. Er hielt nichts von ideologischer Spielerei oder Spekulation[^7], empfahl, die Wirklichkeit vom experimentellen Gesichtspunkt aus zu begreifen und dabei stets das tägliche Leben zu betrachten und zu analysieren. Dabei sollte die Analyse des inneren Lebens nicht vernachlässigt werden. Das Prinzip ‘Ichinen Ssansen’ bietet für ihn dafür ein äußerst tiefgründiges philosophisches Mittel, das sich auf das wahre Wesen des Lebens selbst bezieht.
Der Nutzen wird durch die individuelle Beziehung eines Subjektes zum Objekt bestimmt. Positive Beziehungen ergeben Nutzen, während negative Beziehungen Schaden für das Leben bedeuten. Einen positiven Wert, der sich in Nutzen, Gutem und Schönheit ausdrücken kann, bezeichnete er als Ortho-Wert, einen negativen, der sich als Verlust, Bösem und Häßlichkeit ausdrücken kann, als Anti-Wert. Wir haben bei der Beurteilung von Werten also eine ästhetische, eine ökonomische und ein ethische Komponente. Etwas als gut zu bezeichnen setzt voraus, daß es der Gemeinschaft dienlich ist, und nicht das Interesse des eigenen Egoismus auf Kosten der Gemeinschaft ausgelebt wird. Was als gut bezeichnet wird kann sich zwar in verschiedenen Gesellschaften unterschiedlich ausdrücken, wird aber immer durch den sozialen Kontext bestimmt. Dem Guten räumt Makiguchi deswegen einen Vorrang vor den Werten Schönheit und Nützlichkeit ein, die sich auf das Individuum konzentrieren. Er sah die Gefahr, daß Menschen völlig vom individuellen Genuß in Anspruch genommen werden können, ohne das Nützliche oder das Gute in Betracht zu ziehen. Die Aufmerksamkeit des Einzelnen könne sich auch ganz auf den Egoismus und den Kult des Geldes richten, wobei die persönlichen Interessen absoluten Vorrang vor ästhetischen Gefühlen oder Erwägungen des Guten haben. Auf der anderen Seite könne eine zu starke Betonung der ethischen Werte von gut und böse wiederum zu einer illusorischen Vorstellung von diesen Werten und allmählich zur Mißachtung des individuellen Lebens führen. Die Werte der Objekte, die für verschiedene Menschen verschieden sein können, können sich auch bei konstanter Subjekt-Objekt-Beziehung im Laufe der Zeit ändern, da sich die Beziehung zu ihnen ändern kann.
Das Glück der Gesellschaft muß für Makiguchi auf dem Glück des Einzelnen aufbauen. Auch eine bloße Diskussion um Werte lehnt Makiguchi als bloßen Idealismus ab, wenn die Ebene des individuellen Lebens dabei vernachlässigt würde. Individuelle Entwicklung und Verwirklichung sei die Grundlage für Wohlstand und Gesundheit der ganzen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die das Individuum unterdrückt werde im Gegensatz dazu schwächer und zerfalle schließlich. Zu große soziale Brüche und Trennungen führe zu einer Zersetzung der Gesellschaft.
Das Gebiet der Erziehung ist dafür geeignet, den Menschen bei der Schaffung von Werten und damit bei der Verwirklichung eines glücklichen Lebens, von Bewußtsein und Vernunft zu unterstützen.
In den Schriften Makiguchis wird oft eine kulturelle Erziehung und auch das Studium der unmittelbaren Gemeinschaft betont. Das Netzwerk an Beziehungen, das die Umgebung eines Menschen bietet, ist sehr wichtig, da es das Leben aufrechterhält und unendliche kreative Lernmöglichkeiten bietet. Schon Kinder könnten durch das Studium des örtlichen Gemeinwesens und der unmittelbaren Umgebung die Beziehungen zwischen dem Land, der Natur und der Gesellschaft lernen.
Das lebendige Wissen, das aus dem Studium des Lebens an sich gewonnen werden kann, schätzte Makiguchi hoch ein. Nur dies sei im Gegensatz zum ‘toten’- rein intellektuelles Wissen, dem bloßen Ansammeln von Kenntnissen, wirklich nützlich. Lehrer sollten die Eigenheit und Kreativität der Kinder fördern, anstatt sie mit einer möglichst großen Anhäufung von Wissen zu füllen. Sie tragen ansonsten, obwohl sie meinen am Wohlergehen des Kindes interessiert zu sein, eher dazu bei, daß diese sich unglücklich fühlen. Sie sollten Kinder ermutigen können, einen Sinn zu finden, für sich selbst zu studieren und Wissen zu suchen, um damit für sich und die Gemeinschaft Werte zu schaffen, was ein glückliches Leben ausmacht.
Obwohl Element wie Wohlstand oder die Erlangung einer hohen sozialen Stellung individuell Elemente des Glückes sein können, sind sie nur Teile, die es nicht mit dem eigentlichen zu verwechseln gilt. Glück ist nach Makiguchi ein fortlaufender Entwicklungsprozess und nicht etwas Festgesetztes. Diese dynamische und progressive Natur des Glücks habe den Erzieher zu interessieren. Für ein glückliches Leben ist die Gesundheit Voraussetzung, die wiederum auch von einer positiven Tätigkeit im Leben abhängt. Den unbegrenzten Zuwachs an Privatbesitz sieht Makiguchi sehr kritisch, es entsteht eine Kluft zwischen öffentlichem und privatem Wohl und eine falsche Einschätzung (Überbewertung) von Reichtum. Um zu einer korrekten Bewertung zu kommen, ist es nötig, Zeit der spirituellen Besinnung zu widmen.
Makiguchi war der Überzeugung, daß Erziehung ein Prozeß ist, der niemals abgeschlossen ist und das ganze Leben lang andauert. Makiguchi meinte, man solle sich der Probleme, die die Welt bedrohen bewußt werden, sie allerdings als Etappen auf dem Weg zu einer gerechteren und sozialeren Ordnung begreifen. Wenn die Menschheit auf diesem Weg vorankommen will, dann geht das nur über die Erziehung. Makiguchi sieht den Wert der Kultur darin, die Illusion des Individualismus zu überwinden. Die Konkurrenz und das Ausschließlichkeitsdenken der verschiedenen Wissensgebiete gelte es zu überwinden.
Ein wichtiges Ziel in der Erziehung und Bildung ist für Makiguchi, ein soziales Bewußtsein zu entwickeln und zu fördern. Es beinhaltet die Ausbildung eines Bewußtseins dafür, daß sich die menschliche Existenz nur innerhalb eines sozialen Kontextes entfalten kann. Es ging Makiguchi darum dem ‘individuell bewußten Leben’ zu helfen sich zu erweitern, um zu einem ‘sozial bewußten Leben’ zu gelangen.[^8] Der Ausbildung des Charakters des Menschen wird besondere Bedeutung beigemessen. Der Charakter werde letztlich durch die Lebensziele eines Menschen beeinflußt. Die Überzeugungen vom Lebensziel eines Menschen unterschied Makiguchi grob in solche, die gereift sind und nach und nach zu einem offenen und entwickelten Leben führen und solche, die tendenziell egozentrisch sind und letztlich dazu führen daß man sich selbst schadet. Die Zielsetzungen der Pädagogik sollten dem täglichen Leben entspringen und die Gesamtheit der menschlichen Existenz berücksichtigen. Makiguchi versuchte auch eine Analyse der unterschiedlichen Lebensweisen der Vergangenheit und der Gegenwart im Westen und Osten, um immer wiederkehrende Verhaltensweisen zu bestimmen, die unabhängig von Zeit, Ort und Nationalität ihre Gültigkeit haben. Es stellte einen Versuch dar, universelle menschliche Ziele herauszufinden, die wiederum als Grundlage für die Festsetzung der erzieherischen Ziele dienen können.
„Reife und ausgewogene Prinzipien führen, gemeinsam mit einem klaren Ziel im Leben, zur Einheit von Körper und Geist - der Harmonie jedes Teils mit dem anderen und jedes Teils mit dem Ganzen - und zu einer dauerhaften psychischen Stabilität. Wie tief diese Einheit im Leben eines bestimmten Menschen verankert ist, bestimmt den Charakter wesentlich. Ein solcher Mensch besitzt die Fähigkeit Wert zu schaffen. Es ist das Ziel der Erziehung, als Richtlinie zu dienen, um dieses Ergebnis zu erreichen.“[^9] (Makiguchi)
Die Vermittlung von Erziehungszielen sollte über die Anknüpfung an gemachte Erfahrungen des täglichen Lebens erfolgen. Auch akademische Erklärungen werden von Leuten, die nicht studiert oder in dem Bereich gearbeitet haben, nicht verstanden.
Emotionalität und Rationalität spielen bei der Suche nach der Befriedigung der Bedürfnisse eine große Rolle. Emotionalität, die ein dominierender Faktor der ersten Lebensjahre ist, wird durch den einsetzenden Reifungsprozess nach und nach gemildert. Geschieht dies nicht, so kann daraus eine Disharmonie entstehen, die sich auf die einfache soziale Interaktion bis hin zu internationalen diplomatischen Verhältnissen auswirken kann. Eine friedliche Kooperation zwischen den Menschen erfordere ein Gleichgewicht zwischen Emotionalität und Rationalität. Makiguchi teilte die Entwicklungsphasen bei Kindern und ihren Beziehungen zu anderen Individuen und der Umgebung in die Phasen: 1.Nachahmung (Vertrauen), 2.wachsendes Selbstbewußtsein (Akzeptierung + erste Fragestellungen), 3.rationale, wissenschaftliche Phase. Dem Erzieher obliegt die Aufgabe, die Kinder von der ersten zur dritten Phase zu führen. Dieser Übergang finde jedoch zu oft nicht statt und das führe dazu, daß manche Kinder allem, was ihnen vorgegeben wird, blind folgen und sich nur den vorhandenen Normen und Modellen anpassen. Für Makiguchi war die Ausbildung eines kritischen Bewußtseins sehr wichtig. Zweifel und Skepsis bedeuteten für ihn das Übergangstadium zu einer rationellen, wissenschaftlichen Haltung. Unkritisch Ideen oder Gesichtspunkte zu übernehmen drücke eine kindliche Haltung aus. Das Kind sollte auch nicht gezwungen werden, Argumenten zu folgen, dessen Sinn es nicht wirklich begriffen hat. Diese Neigung setzt sich dann fort und wirkt sich auf entscheidende Situationen des späteren Lebens aus. Diese Haltung sollte sich sowohl der Wissenschaft als auch der Religion gegenüber ausdrücken, weder der einen noch der anderen sollte man blind glauben. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Betonung, die wissenschaftliche Haltung auch der Religion gegenüber einzunehmen. Auch sie ist sozusagen durch „try and error“ in ihrer Nützlichkeit für das eigene Leben zu überprüfen und nicht als dogmatische Bevormundung zu behandeln - nicht die Wahrheit ist der Wert, sondern der Nutzen. Das tägliche Leben ist der Ausgangs- und Zielpunkt des Lernens und dort sollte sich auch der Nutzen zeigen.
Ein weiterer Aspekt, der für Makiguchi von Bedeutung war, ist das Verhältnis zur Zeit. In der Kindheit nehmen die Gegenwart und unmittelbare Vergangenheit alle Aufmerksamkeit ein. In der Jugendzeit ist man oft voller Ideale und Hoffnungen, ohne jedoch über ausreichende Grundlagen zu verfügen. Im Alter gehen die materiellen Wünsche an die Zukunft zurück und die Gedanken beschäftigen sich mehr mit der Vergangenheit. Das birgt die Gefahr in sich, daß der Blick immer enger wird. Die Einstellung oder Tendenz gegenüber dem Leben kann in diesen Phasen, aufgrund von angeborenen Vorraussetzungen und auch aufgrund der Wechselwirkung zwischen dem geistigen und sozialem Leben, pessimistisch oder optimistisch sein. Makiguchi unterschied sechs verschiedene Lebenseinstellungen: 1.sofortige Handlung (Anlaß und Handlung in der Gegenwart) - a)optimistisch-b)pessimistisch, 2.Planung und Vorbereitung für die Zukunft - a)optimistisch-b)pesssimistisch, 3 Reflektion und Schlußfolgerung bezüglich der Vergangenheit - a)optimistisch - b)pessimistisch. Die Erziehung sollte dazu verhelfen, eine optimistische Haltung dem Leben gegenüber einzunehmen und zu einem Gleichgewicht des Verhältnisses von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft führen.
[^1]: Bethel: „Makiguchi - the value creator“: ‘Nach Makiguchis Ansicht zerstöre die japanische Erziehung das kreative Potenzial der Kinder eher als es zu verwirklichen oder zu entwickeln.’ - S.32
[^2]: Das faschistische Militärregime versuchte durch die gewaltsame Unterordnung unter die protagonierte Staatsreligion, dem Shintoismus, Kontrolle über alle religiösen Vereinigungen zu bekommen. Im Shintoismus gilt der Kaiser als Abkömmling der Sonnengöttin Amaterasu.
[^3]: Dieser verordnete Staatshintoismus beinhaltete auch die Verherrlichung des Krieges.
[^4]: Aufgrund der Unmöglichkeit mit Worten auszudrücken, was Buddhaschaft ist, gibt es im Lotos-Sutra eine Passage, wo die Buddhaschaft durch 32 Beispiele, was sie nicht sei, erläutert wird.
[^5]: Behauptung von Ernst Benz, Anmerkung in Italiiander: „Soka Gakkai
[^6]: aus der Kachi Ron (Wertephilosophie), ZS Forum 6/92, S.28
[^7]: In der ‘Wertephilosophie’ heißt es „Obwohl es besser ist nachzudenken, als nur zu schlafen, wenn man die Welt von heute betrachtet, haben wir keine Zeit, uns in metaphysische Spekulationen zu verlieren:’, vgl. Italiiander S.208
[^8]: ZS Forum, Mai 1992, S.29
[^9]: zitiert aus der ZS Forum Mai 1992, S.24
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