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Griechenland – ein Hügel, die Ewigkeit zu schauen
Der Ausgangspunkt der humanistischen Kultur ist das antike Griechenland.
Wenn ich ihren Geist gewagt mit einem Wort ausdrücken sollte, könnte es womöglich gelautet haben: „Lebt lebhaft und kraftvoll!“
Heute noch, erfuhr ich, gibt es das griechische Wort „kefi“, das etwa „vital“, „triumphierend“, „lebhaft“ usw. heißt. Es geht um die optimistische Lebenskraft, die einen zu solch einer Lebensweise führt: „Lass es uns jedenfalls probieren!“, „Nichts geht verloren, selbst wenn der Versuch nicht klappt“ oder „Wir schaffen es schon irgendwie“, ohne vorher lange zu grübeln.
Bleibt dieses „kefi“ im Herzen bewahrt, ist das Leben voller Freude, denn der größte Teil menschlicher Leiden entsteht aus Mangel an Mut.
„Hier ist es . . . endlich bin ich da!“
Vor meinen Augen befand sich die vollkommenste Schönheit der Zivilisation.
Der Parthenon war von Leben erfüllt.
Im blauen Himmel strahlten die weißen Marmorsteine – wie herrlich er ist!
Diese Belebtheit und diese Lebenskraft, die über die Zeit von 2400 Jahren hinaus geht.
Kraftvoll, wiewohl graziös.
Eine aufs genauste berechnete Schönheit, wiewohl grandios.
Beispielsweise die Rundsäulen:
Sie sind etwas nach Innen geneigt. Stünden sie ganz gerade, würde ihre Spitze für das menschliche Auge eher gebogen wirken. Diese optische Täuschung mit berechnet, sind sie so aufgestellt, dass sie den Eindruck erwecken, genau senkrecht zu stehen.
Die Säulen an den vier Ecken der Außenseite sind etwas dicker als die anderen. Weil diese vier Säulen vor dem Hintergrund des Himmels aufragen, sehen sie etwas schmäler aus als in Wirklichkeit. Daher, sagt man, sind sie dicker. Sie sind sozusagen „durchdacht, damit sie einfach aussehen“.
„Es gibt vieles zu bewundern, aber nichts ist mehr (zu bewundern) als Menschen.“
Das ist die humanistische Ode, die Sophokles (497-406 v. Chr.), einer der drei großen griechischen Tragödiendichter, durch einen Chor auf der Bühne besingen ließ. (aus „Antigone“)
Das bleibt nicht nur auf die Architektur beschränkt; die olympischen Spiele, bei denen nach der körperlich maximalen Grenze gestrebt wurde, und Wissenschaften, in denen der Intellekt bis zu seiner maximalen Grenze eingesetzt wurde. Und das System der Demokratie, wodurch der Versuch unternommen wurde, Menschen durch die „Teilnahme an der Politik“ menschlich zu vervollkommnen.
Griechenland gegenüber haben wir eine Dankesschuld. Wir sind diesem Land, das uns lehrte, zum Dank verpflichtet: „Menschheit, versucht es! Befreit eure eigene verborgene Kraft!“
Es war am 4. Februar 1962, als ich die Akropolis, auf der der Parthenon steht, besuchte. Der winterliche Sonnenschein strahlte sanft. Zusammen mit meinen Freunden, die mit mir aus Japan kamen, stieg ich den holprigen Weg hinauf. Vom Hügel aus konnte man die Häuser Athens mit ihren weißen Wänden auf einen Blick sehen. In der Ferne glitzerte das dunkelblaue ägäische Meer.
Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt sah ich an der leicht gebogenen Küste entlang Fischkutter, darüber eine Schar von Möwen fliegen, eine Oma, die langsam einen Kinderwagen schob, und die Blüten der frühreifen Mandelkirsche ihre Knospen treiben – es war friedlich.
Dennoch, spürte ich, herrschte im Schatten dieses Bildes eine Atmosphäre, als ob die Menschen irgendetwas erduldet hätten. Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs waren bereits siebzehn Jahre vergangen, und weitere fünf Jahre dauerten Bürgerkriege an. Auch zum Zeitpunkt meines Besuches setzte sich der politische Wirrwarr fort.
Wenn es um Griechenland geht, ist man oft dazu geneigt, ausschließlich die antike Geschichte zum Gesprächsthema zu machen. Wenn das nur der Fall wäre, würden wir von der Realität der Menschen getrennt.
Welchen Leidensweg Griechenland, dem wir kulturell zum Dank verpflichtet sind, hinter sich hatte; viele Jahrhunderte Jahre lang stand das Land unter der Herrschaft fremder Völker. Es gab auch Tage, an denen das „Hakenkreuz“, die Fahne der Nazis, auf diesem Hügel gehisst wurde.
Am 27. April 1941 wurde Griechenland durch die deutschen Truppen erobert. Die Besatzer beschlagnahmten Getreide und Haustiere, stürzten das Land in Hungersnöte. Auf Wegen und Straßen der Stadt Athen lagen immer mehr Verhungerte. In den Konzentrationslagern verschwanden Bekannte, Freunde und Familienmitglieder.
Zu dieser Zeit wurde die Verwegenheit des griechischen Helden, den der Wanderdichter Homer (8. Jh. v. Chr.) besang, wiederbelebt: Es war eines Nachts im darauffolgenden Mai. Im Schutz der Dunkelheit näherten sich zwei Studenten der Akropolis. Sollten sie entdeckt werden, hätten sie ihr Leben verloren. Sie entgingen den Augen der Wache und erklommen den riesigen eisernen Mast, an dessen Spitze die Hakenkreuzfahne flatterte.
Am nächsten Morgen waren die Bürger Athens begeistert. Schauten sie empor, war keine verdammte Fahne mehr zu sehen! Wie erfrischend der Himmel ist! Man hat es geschafft! Im ganzen Lande brach der mutige Widerstand aus.
„Kein anderer kennt mehr den Sinn des Lebens als der Grieche. Er hasst den Tod und auch die eiserne Kette, an die er gelegt ist.“ (aus „Griechenland – meine Liebe“, Melina Mercouri)
Dreieinhalb Jahre später ging die Besetzung endlich zu Ende. Nichtsdestotrotz wurde der Tragödie kein Ende gesetzt, denn unmittelbar danach brach der Bürgerkrieg aus, bei dem der rechte und der linke Flügel heftig zusammenstießen. Im Hintergrund dieses Ereignisses spielten die Absichten der Großmächte, die Griechenland, den Knotenpunkt von Ost und West, zu ihrem eigenen Lager nehmen wollten, eine Rolle.
Selbst Helden, die die Nazis aus dem Land vertrieben hatten, wurden nun, Guerillas genannt, von ihrer eigenen Regierungsarmee verfolgt. Angriff und Vergeltung. Dagegen wiederum Vergeltung, also ein böser Kreislauf. Die Wunden, die aus dem Bürgerkrieg entstanden, waren allzu tief.
Da war eine Mutter, die aus Trauer, dass ihr Sohn getötet worden war, über Jahrzehnte hinweg bis zu ihrem Tod kein einziges Wort mehr sprach. Als ein Soldat der Regierungsarmee einen Mann, der als Guerilla verdächtigt wurde, abführen musste, fühlte er sich vom Blick der Ehefrau wie vom Dolch durchbohrt. Der Blick der Frau, die, einen Säugling auf dem Arm tragend, auf ihn starrte – Ihre von Wut, Verachtung und Hass entbrannten Augen quälten ihn Nacht für Nacht sein ganzes Leben lang.
Ist die Menschheit fortgeschritten?
War das nicht im fünften Jahrhundert vor Christi, als Herodot (490-425 v. Chr.) beklagte?: „In der Friedenszeit begraben Kinder ihre Väter. Falls Krieg ausbricht, müssen Väter ihre Kinder begraben.“ (aus „Die Geschichte“)
Von der Akropolis aus konnte ich die Ruine des antiken Theaters „Dionysos“ erblicken. Es dünkte mich, dass dieses Land selbst wie ein Protagonist der griechischen Tragödie ist, der gegen sein eigenes Schicksal kämpft.
Ich betete:
„Möge der Friede in Griechenland einziehen!“
Ich glaubte fest:
„Die Griechen sind ein großartiges Volk. Bestimmt werden sie den Frühling wieder gewinnen!“
Danach (1967), also fünf Jahre nach meinem Besuch, wurde durch den Putsch ein Militärregime errichtet, das bis 1974 andauerte. Welch Leiden, dass die Demokratie in ihrer Heimat nicht ausgeübt werden konnte!
Inmitten solcher schwieriger Umstände haben meine geliebten Freunde ihr Gebet für das Glück ihres Vaterlandes vereint fortgesetzt. Und im vergangenen Jahr 2003 konnten sie als eine staatlich anerkannte Organisation einen herrlichen Start begehen.
Griechenland ist auch in eine neue Ära eingetreten. Das wird durch die olympischen Spiele symbolisiert, die in diesem Sommer stattfinden; ein glorreiches Fest in Griechenland, dem wir sehr viel zu verdanken haben; ein Fest für den Frieden in Griechenland, in dem viele Spuren kriegerischer Auseinandersetzung hinterlassen wurden. Nichts ist erfreulicher als dies.
Während er selbst unter dem Bürgerkrieg im eigenen Land litt, richtete Nikolaos Kazantzakis (1883-1957), großer griechischer Schriftsteller des
Ich erinnere mich an den „Globalismus als ein Volk“, das Kredo meines Meisters Josei Toda (1900-1958). „Die gesamte Menschheit ist ein Volk, und alle sind Brüder!“ Dieser Aufruf meines Meisters war keine bloße Theorie. Er war wahres Gefühl, das ich mit meinem ganzen Sein wahrnahm. Alle Kriege auf der Erde bedeuten für mich Bürgerkriege, wobei gleiche Völker der Erde gegeneinander kämpfen und sich töten.
Von der Akropolis aus machte ich mich auf den Weg zum „Gefängnis Sokrates“. Im nackten Felsen befand sich ein Loch mit einem eisernen Gitter. Dieses Gefängnis regte mich an, darüber nachzudenken: „Sokrates (470-399 v. Chr.), der verfolgte wurde, war dennoch glücklich, weil er seinen herausragenden Schüler Platon (427-348 v. Chr.) hatte!“
Sieg oder Niederlage eines Meisters entscheidet sich durch seinen Schüler.
Die Länder, die ich zu dieser Zeit besuchte, waren Iran, Irak, Türkei, Griechenland, Ägypten und Pakistan. Ich erzählte meinen Freunden, die mich begleiteten:
„Um den ‚Globalismus als ein Volk’ zu verwirklichen, den unser Meister ansprach, müssen wir als seine Schüler den Weg bahnen!“
Schaffen wir es unbedingt!
Ganz egal, wer das jetzt lächerlich findet, unsere Richtigkeit wird durch die Historie, die zweihundert Jahre später geschrieben wird, bestimmt bewiesen.
Diese prachtvolle Zukunft wird auch vom Parthenon in seiner unveränderten Gestalt bestimmt bestätigt werden.
Meine Freunde!
Mit der Freude auf diesen Tag hin, lasst uns leben und lasst uns kämpfen, vital und lebhaft!
Als ich von der Stadt aus zur Akropolis emporschaute, fanden sich der ewige Palast und der ewig blaue Himmel. Mit Heiterkeit, ohne einen einzigen Schatten, schauten sie uns in der irdischen Welt an, lächelnd und beschützend.
(aus „Seikyo Shimbun“ vom 13. Juni 2004)
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