1600041779 a:2:{s:7:"content";s:22042:"

Essay Nr. 16

„Das Leben ist wunderschön“ von SGI-Präsident Ikeda

Thorvald Stoltenberg,

der siebte Hohe Flüchtlingskommissar der UN

„Du kannst es schaffen! Der Weg ist gebahnt!“

Er verging beinahe vor Ungeduld.

„Ich gehe, ich muss mich beeilen, bevor es zu spät wird!“

In seinem Herzen fand er eine Schar von Menschen, die nach Rettung suchten, wie eine Dünung im Meer.

„Sie verhungern. Sie mit Essen zu versorgen, das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Warum aber kann die Welt es nicht schaffen? Lebensmittel sind doch vorhanden!“

Fridtjof Nansen (10.10.1861-13.5.1930), Norwegens „Held der Polarexpedition“, stand zur Rettung der Flüchtlinge auf. Es war 1921, als er 59 Jahre alt war.

Gegenwind, Gegenströmung.

Verhinderung, Schmähung.

Hindernisse häuften sich, wie im Nordpolarmeer schwimmende zackige Eisberge, auf.

Er blieb dennoch zäh und unbeugsam.

„Man findet bestimmt einen Weg, zu tun, was geschafft werden muss!“

„Was dabei wichtig ist, auf alle Fälle vorwärts zu schreiten und die jetzt leidenden Menschen zu retten“, dachte er.

Als er von anderen hörte, „Wegen der bestehenden Regeln kann man nichts machen“, erwiderte er: „Dann müssen wir sie ändern!“

So gingen die Gespräche weiter:

„Es gibt aber kein Geld dafür.“

„Dann lasst es uns sammeln!“

„Es geht nicht, selbst wenn viele Länder Flüchtlinge aufnehmen wollten.“

„Warum?“

„Sie besitzen keinen Reisepass.“

„Ich verstehe! Dann lasst uns Sonderreisepässe ausstellen!“

Er entwarf den sogenannten „Nansen-Pass“ für Flüchtlinge und ließ ihn von mehr als 50 Regierungen anerkennen. Tag und Nacht wurden Pässe gedruckt und bereits im ersten Jahr (1922) 1,5 Millionen herausgegeben.

Ohne einen Reisepass konnten Flüchtlinge weder eine Landesgrenze überschreiten noch sich in anderen Ländern niederlassen, zudem konnten sie dort weder eine Anstellung finden noch eine Schule besuchen. Der Reisepass spielte für sie neben ihrem eigenen Leben eine wichtige Rolle. Dadurch konnten mehrere Millionen Menschenleben gerade noch gerettet werden.

Nansen war daran gewöhnt, als Träumer verlacht zu werden.

„Ach, so etwas passiert mir immer wieder“, so ließ er sich nicht stören.

Im Alter von 27 Jahren (1888) überquerte er Südgrönland, unternahm mit Anfang 30 eine Nordpolarexpedition (1893 bis 1896) und erreichte den nördlichsten Punkt des Globus als Erster in der Menschheitsgeschichte.

„Zu Beginn sagen alle: ‚Das ist unrealistisch und unmöglich, oder es ist leichtsinnig und lächerlich.’ Aber wenn sie sehen, dass ich es geschafft habe, dann verändern sie ihr Verhalten mir gegenüber im Handumdrehen!“, so Nansen.

Lasst uns dem Brüllen des Löwen zuhören!

„Nansens Leben kann uns heute noch anspornen“, so erzählte mir Herr Thorvald Stoltenberg (geb. im Juli 1931). Es war im Juni 1990 (in Tokio), ein halbes Jahr, nachdem er zum Hohen Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen ernannt worden war.

Der langanhaltende Kalte Krieg ging zu Ende, dennoch wurde das Flüchtlingsproblem immer ernster. Die Zahl der Menschen, die nicht in ihr Heimatland zurückkehren konnten, steigerte sich von Jahr zu Jahr. Nichtsdestotrotz wurde der Etat für das Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen weiter gekürzt.

„In den letzten zehn Jahren ist der Etat pro Flüchtling halbiert worden“, so bedauert Herr Stoltenberg. Seine Klage stimmt mit der des Norwegers Fridtjof Nansen überein, der in diesem Bereich eine Vorreiterrolle spielte.

Herr Stoltenberg sagte: „Angenommen, wenn Nansen die gegenwärtige Weltlage betrachten würde, könnte er sich einerseits über die Bemühung der UNO freuen, würde jedoch andererseits vor der Tatsache, dass humanitäre Probleme im wesentlichen unverändert geblieben sind, schaudern.“

Dass die Welt, ohne etwas zu unternehmen, einfach zusah, als 20 Millionen Menschen in Russland wegen der Nahrungsmittelknappheit verhungerten, entsetzte Nansen. Dies geschah im Herbst 1921.

„Mit weniger als der Hälfte der Kosten, die zur Beschaffung eines Kriegsschiffs benötigt werden, und mit dem Geld, um ein halbes Bataillon zu unterhalten, können wir solch einer Bevölkerung ausreichend Lebensmittel schicken!“

Auf einer Generalversammlung des Völkerbundes (der Vorläufer-Organisation der Vereinten Nationen ) in Genf in der Schweiz appellierte er lautstark an alle Teilnehmer. Die Reaktion der Teilnehmer war jedoch barsch. Es herrschte sogar eine Atmosphäre, in der sich die Feindseligkeit dem damaligen Sowjetregime gegenüber widerspiegelte. Dennoch war Nansen der Ansicht, dass eine Hilfsaktion von der aktuellen politischen Situation getrennt behandelt werden sollte.

„Wenn Sie alle auch nur im geringsten wüssten, was es heißt, gegen den Hunger zu kämpfen, und was der bevorstehende Winter, ein furchtbares Gespenst, für sie bedeutet, müssten Sie das Ausmaß dessen, was jetzt passiert, bestimmt verstehen. Sollten Sie selbst eine Familie haben, machen Sie sich darüber Gedanken, was es bedeutet, wenn Sie Ihre Frau und Kinder Hungers sterben sehen. Auch in diesem Augenblick sind 20 Millionen oder 30 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht. Falls unsere Hilfe nicht innerhalb von zwei Monaten in ihre Hände gelangt, geht ihr Leben zu Ende“, so Nansen. Selbst in seiner stattlichen Gestalt, die durch Expeditionen hart trainiert war, ließ sich ein Anzeichen von Müdigkeit erkennen.

Die große Hungersnot ereignete sich in der Ukraine, dem Zentrum der Katastrophe; brach jemand auf einer Straße zusammen, war jedoch kein einziger Mensch da, der ihn zu tragen vermochte. Pferde starben. Hunde und Katzen wurden gegessen. Selbst das Stroh auf den Dächern aß man schon längst. Die Menschen waren nicht imstande, ohne fremde Hilfe aufzustehen, und lagen kraftlos zuhause. Epidemien, Wahnsinn und Verzweiflung breiteten sich aus. Sie schrieen im Stillen:

„Warum? Warum will uns keiner helfen?“

Letztlich sprach Nansen auf der Generalversammlung voller Entschiedenheit:

„Ich bitte Sie alle, aufzuhören, hierüber noch Monate lang zu diskutieren. Auch während wir jetzt hier diskutieren, sterben in der Tat viele Menschen in Russland. Möchte jemand von Ihnen trotzdem behaupten, dass der Hungertod von 20 Millionen Menschen besser sei, als der Sowjetunion Hilfe zu leisten? Wenn ja, bekennen Sie sich bitte klipp und klar dazu!“

„Verdrehtheit“ in der modernen Welt

„Nansen wurde von vielen als jemand geschätzt, der alles, was er für richtig hielt, sämtlichen Fürsten, Ministern und Präsidenten offenherzig vortragen konnte.“

Herr Stoltenberg nickte mir zu, als ich dies erzählte. Zu seiner Amtseinführung (Amtszeit: Jan. 1990-Nov. 1990) kündigte er ebenso offen an: „Mir ist wohl bekannt, dass einige unter Ihnen sich einen ‚verständnisvollen’ Hochkommissar wünschen. Dennoch müssen sich die Führer der Welt mit den humanitären Themen ernsthaft auseinandersetzen!“

Das ist nicht etwas, das nur andere betrifft. Das geht auch nicht nur allein daraus hervor, dass sie uns leid tun. Hierbei handelt es sich nicht um eine Sentimentalität. Jeder Mensch hat das Recht, als Mensch würdevoll zu leben. Aber wenn jemandem dieses Recht geraubt wird, obliegt es der Menschheit, sich nach besten Kräften anzustrengen, um diese „Menschenrechte“ zu beschützen. Und es obliegt gleichermaßen jedem Land und jedem Bürger. Diese Pflicht und Verantwortung stehen einem sowohl aus humanitären Gründen als auch gemäß der Internationalen Gesetze zu.

Falls wir dieser Verpflichtung nicht nachkommen, heißt es, dass wir gegen eine Regel verstoßen. Und wenn wir einer Gesetzeswidrigkeit zusehen, wird sich der Ort, an dem wir leben, in ein gesetzloses Gebiet und in eine Welt verwandeln, in der die Menschenrechte durch Macht übertreten werden. Sollte uns das zuwider sein, dann müssen wir handeln, indem wir unsere Prioritäten auf die Menschenrechte legen. Anderen zu helfen bedeutet, dass uns selbst geholfen wird.

„Wenn wir beispielsweise das Leben eines Flüchtlings betrachten, stellen wir fest, dass sich der Hintergrund seines Lebens sehr weit und umfassend erstreckt“, so erzählte mir Herr Stoltenberg. Ich vermag jedoch im Hintergrund dieses einzelnen Menschen eine „Verdrehtheit der gesamten Welt“ zu vernehmen.

Dazu werde ich einige Zahlen aufzeigen: Die Zahl der Flüchtlinge betrug im Jahr 1960 1,5 Million, im Jahr 1970 2,5 Millionen, im Jahr 1980 8,9 Millionen, im Jahr 1990 17 Millionen und jetzt 20 Millionen (einschließlich der Zahl von Flüchtlingen, die sich in ihren Heimatländern aufhalten).

Zum anderen, sagt man, betragen die Gesamtetats für Militärausgaben in der ganzen Welt 800 Milliarden Dollar. Im Gegensatz dazu steht dem Büro des Hohen Flüchtlingskommissars der UN ein Jahresetat von ca. einer Milliarde Dollar zur Verfügung. Das ist glatt ein 800stel.

Ich frage mich: „Schreitet die Menschheit in eine bessere Richtung vorwärts?

Diesbezüglich kann man mit etwas über einem Prozent des gesamten Militäretats (neun Milliarden Dollar) alle Menschen mit sauberem Wasser versorgen und ihnen ausreichend Bewässerungsanlagen zur Verfügung stellen. Und mit lediglich 0,75 Prozent (sechs Milliarden Dollar) kann man alle Kinder auf der ganzen Welt in die Schule schicken.

Mit zwölf Prozent davon (ca. 100 Milliarden Dollar) kann man 800 Millionen Menschen, die unter der Hungersnot leiden, mit Lebensmitteln unterstützen. Und wenn wir die gleiche Summe für die Sicherung des Trinkwassers und andere fundamentale soziale Dienstleistungen benutzen, können wir allen Kindern auf der Welt eine Umgebung anbieten, in der sie ein gesundes Leben führen können.

Obwohl in der ganzen Welt viele Schäden durch Landmienen unaufhörlich gemeldet werden, betragen die Kosten, um 100 Millionen gegrabene Landmienen zu beseitigen, nur knapp vier Prozent des gesamten Militäretats (30 Milliarden Dollar).

Alle Flüchtlinge sind Opfer solch einer „Verdrehtheit der Welt“. Nein, sie sind Kämpfer, die gegen eine solche „Verdrehtheit der Welt“ an der vordersten Frontlinie kämpfen.

Gerade dieser Weg führt zum Frieden!

Gegenüber dem eindringlichen Vorschlag, den Nansen einreichte, verhielten sich alle Landesvertreter kühl und lehnten seinen Vorschlag „Lasst uns das russische Volk retten!“ ab. Darüber hinaus wurde Nansen böse angegriffen, indem sie argwöhnisch meinten: „Nansen wird von Vladimir Lenin (1870-1924) ausgenutzt. ... Selbst wenn wir Lebensmittel schicken, sollten sie sämtlich von der Sowjetarmee beschlagnahmt werden. ... Der Kerl versucht, beim Einkaufen von Lebensmitteln auf beträchtliche Gewinne abzuzielen.“

„Was für einen Blödsinn sagen sie! - - - Nun gut, es gibt noch einen anderen Weg!“ So richtete er aufgrund von Privatinitiativen einen „Hilfsfond für Hungersnöte“ ein. Um alle zum Spenden aufzurufen, reiste er rund um die Welt, hielt Vorträge und schrieb Artikel für Zeitungen, und indem er Filme über das Elend der Menschen vor Ort drehte und allen Bürgern darüber von Ort zu Ort berichtete, rief er sie zur Mitwirkung auf. Dafür stellte er auch sein Privatvermögen zur Verfügung.

Zu dieser Zeit fand er ein einziges Land, das seine Bemühung unterstützte und ihm beistand, nämlich die USA. Für den Beitrag, den der „Huber-Hilfsausschuss“ in den USA hierbei leistete, dankte Nansen aus tiefem Herzen.

Somit konnte er bis zum Herbst 1923 seine Hilfsaktion, Lebensmittel und Medikamente zu liefern und Flüchtlingslager einzurichten, fortsetzen. Dadurch, sagt man, konnten sechs bis sieben Millionen Menschen vor dem Hungerstod gerettet werden.

Brot zu liefern, bedeutet, eine Freundschaft zu entsenden und eine Botschaft der Solidarität zu schicken: „Wir machen uns Sorgen um Sie.“

Die Menschen vergaßen ihre Dankbarkeit gegenüber Norwegen, dem Land, das Nansen hervorbrachte, und den USA, lange, lange Jahre nicht.

Das, was er unternahm und durchführte, war der realistischste Beitrag zum Frieden.

„Die Rückkehr von mehreren hunderttausend Menschen in ihre Heimat und die Rettung der Menschen von ihrem Leiden und die Dankbarkeit, die die Menschen dafür hegen, das Vertrauen zu Menschen und der Zukunft und ferner die positive Voraussicht, dass sich die Arbeitsbedingungen verbessern – solche Elemente sind bei dem Prozess, den Frieden wieder herzustellen, weit wichtiger als ambitionierte Handlungen von Politikern und Diplomaten. ... Allein die Menschenliebe ist die realistische Politik.“

Nansen versuchte auch nicht, seinen Zorn den Politikern gegenüber zu verbergen, wenn er sprach: „Wie dem auch sei, frage ich mich, warum es solche Menschen gibt, die diesen verhungernden Menschen nicht helfen wollen? Sie können die Antwort klar erkennen, wenn Sie sie fragen! Ihre Intentionen sind in den meisten Fällen politisch motiviert. ‚Unnützliche Arroganz’ und ‚Mangel an Willen, die Menschen verstehen zu wollen, die anderer Ansicht sind als Sie selbst’. Die Menschen, die davon befangen sind, manifestieren ein typisches Beispiel der Charakteristika, welche die größte Krise Europas verursachen.

Sie mögen mich wohl einen Romantiker und Schwächling nennen. Sie werden mich auch als Dummkopf oder als einen sentimentalen Idealisten bezeichnen. Das kommt wohl vermutlich daher, dass wir fest daran glauben, dass das Gute auch den Menschen, die für Feinde gehalten werden, innewohnt, und ferner davon überzeugt sind, dass das Mitgefühl mehr hervorbringt als die Grausamkeit.

Sicher können wir sehr einfach sein, dennoch bin ich der Ansicht, dass wir für Sie keine gefährliche Existenz darstellen.

Vielmehr diejenigen, die im Schatten politischer Projekte Korruptionen kaschieren, verursachen für die Menschheit mehr Leiden, drängen die Menschen in Hungersnöte und führen Millionen von Menschen zum Tod. Sie sind das Grundübel Europas.“ (aus „Rede bei der Verleihung des Friedensnobelpreises“ im Jahr 1922)

Abrüstung in der Seele und Entwaffnung im Herzen

Ich fragte Herrn Stoltenberg direkt:

„Was ist der größte Faktor, der die Lösung von Flüchtlingsproblemen verhindert?“

Seine Antwort lautete ebenso klipp und klar:

„Ich denke, der größte Hinderungsgrund liegt bei den Politikern. Die meisten Politiker sind nicht darum bemüht, ihrem Volk genug Informationen mitzuteilen. Sie versuchen nicht, ihr Volk darüber klar und deutlich zu unterrichten, wie ernst die zunehmende Massenbewegung von Flüchtlingen oder Völkern ist. Flüchtlingsprobleme entstanden aus Gegensätzen und Gewalt. Sollte die Lösung dieser Probleme erst zu spät gelingen, besteht die Möglichkeit, dass sich fortan neue Gegensätze, erneut Gewalt und Invasion ereignen. Falls wir solche Probleme ungelöst lassen, kommt die Folge davon wiederum auf uns zu. Aus diesem Grund kommen Rettungsaktionen nicht nur den jetzigen Flüchtlingen, sondern auch dem Frieden und der Sicherheit der Menschheit in der Zukunft zugute. Sie werden auch für unsere Kinder und Kindeskinder Ruhe und Sicherheit garantieren.“

Nansen bewahrte seine feste Überzeugung, dass die Welt wiedergeboren werden müsse. Der Erste Weltkrieg versetzte ihm einen Schock. Es wurde propagiert, dass das ein „unabdingbarer Krieg sei, um eben diesen Krieg zu Ende zu bringen“. Wie war es aber in der Realität?

„An den kriegerischen Auseinandersetzungen, die wie verrückt tobten und Menschen wie schädliche Insekten, die beseitigt werden müssten, zerstörten, gab es nichts hervorragendes, nichts faszinierendes und nichts erhabenes.“

Ein Schauder ergriff Nansen. Er setzte sich mit dem Thema intensiv auseinander: „Die reale Lage der internationalen Gesellschaft ist, dass die Gesetzlosigkeit sie beherrscht, völlig unabhängig davon, was ihre Vertreter behaupten. Dabei wird ein kleines Land wie Norwegen je nach Lust und Laune der Großmächte zugrunde gerichtet werden! Sollte Norwegen nach einer militärischen Aufrüstung streben, die der der Großmächte nicht unterliegt? Das ist doch unrealistisch. Es muss irgendein anderer Weg gefunden werden. Gibt es überhaupt einen Ausweg?“

Für Nansen war der Völkerbund einzig allein die Antwort darauf. Gerade der Völkerbund bedeutete für ihn ein „neues Schiff“, das die Hoffnung der Menschheit trug. Er dachte:

„Ich muss unbedingt unter Beweis stellen, dass dieses Schiff in der Tat nützlich ist!“

„Manche Menschen denken, dass eine bessere Welt durch eine radikale Reform oder durch diktatorische Befehle und Macht und sogar dadurch, dass eine Revolution hervorgerufen wird, geschaffen werden kann. Die Menschen, die den sogenannten ‚Krieg, um den Krieg zu Ende zu bringen’ vorschlugen und vehement darauf bestanden, waren es, die eine solche charakterliche Neigung hatten.

Aber alles, was sie ernteten, war Zerstörung. Der alte Spruch, dass man einen Teufel durch einen anderen hinaustreiben solle, ist ein gefährlicher Spruch. Das Böse anzuwenden bedeutet, ein weiteres Böses hervorzurufen. Der Einsatz von Gewalt bringt die Notwendigkeit noch größerer Gewalt hervor.

Eine anhaltende Verbesserung der Welt kann durch diese Art von kurzsichtigen, schnellen Lösungsversuchen nicht erreicht werden, sondern sie muss durch eine von innen heraus kommende progressive Entwicklung verwirklicht werden; sie kann ausschließlich durch die Erziehung erreicht werden, und dafür benötigt man Zeit.“ (aus „Meine Lebensanschauung“)

Selbst wenn das Kriegsfeuer gelöscht wurde, heißt es doch nicht, dass der Krieg selbst beendet ist. Er schreibt: „Noch lange, selbst nachdem sie mit dem realen Gemetzel aufhörten, setzen sie den Kampf in ihrem Innerem fort. ... Daher, was vor allen Abrüstungsbemühungen wichtig wird, ist die Abrüstung in der Seele der Menschheit. Das heißt eine Ausbreitung des Mitgefühls. ... Die Entwaffnung im Herzen jedes einzelnen Menschen ist bedeutender als die Entwaffnung der Völker. ... Denn auf Verzweiflung, Misstrauen, Hass und Eifersucht basierend kann man keine Zukunft bauen.“

Flüchtlinge sind „Mutige, die gegen Hindernisse kämpfen“

Als der Erste Weltkrieg zu Ende ging, befanden sich über fünfhunderttausend Gefangene aus 26 Ländern in den Flüchtlingslagern Asiens und Europas. Sie wussten nicht, wann sie heimkehren konnten oder ob ihre Familienmitglieder noch am Leben waren, sie wurden wie Tiere grausam misshandelt und warteten nur auf ihren Tod. Ein großer Einsatz, sie in ihre Heimatländer zurückzuschicken – Nansen vollbrachte ihn.

„Aah!“ Die Menschen bewunderten ihn.

Es wurde berichtet: „In Europa gibt es kein einziges Land, in dem Ehefrauen sowie Mütter vor Freude über das Unterfangen, das Nansen durchführte, nicht weinten.“

Väter, Brüder und Söhne, von denen nicht bekannt war, ob sie noch am Leben waren oder nicht, kehrten endlich zurück!

Darüber hinaus setzte Nansen sich für die Rückkehr von Flüchtlingen ein, ermöglichte eine „Umsiedlung von mehreren hunderttausend Griechen und Türken“ (1922-30) und setzte sich mit der „Rettung armenischer Flüchtlinge“ sowie mit der „Abschaffung der Zwangsarbeit in Kolonialgebieten“ auseinander.

Als Dr. Nansen 1930 im Alter von 68 Jahren verstarb, beweinten ihn unzählige ehemalige Flüchtlinge. Unter ihnen waren die Namen von Musikern, die von Russland ausreisen konnten, wie Sergej Rachmaninow (1873-1943) und Igor Strawinsky (1882-1971), dem Maler Marc Chagall (1887-1985) und der Ballerina Anna Pavlovna (1881-1931) zu finden.

Flüchtlinge sind nicht „mitleiderregende Menschen“, sondern Mutige, die gegen Hindernisse hart kämpften, und verehrungswürdige, ausdauernde Menschen. Solche Menschen aufzunehmen, bedeutet sicher nicht, diejenigen aufzunehmen, die einem anderen zur Last fallen, sondern neue Vitalität und Talente im eigenen Land zu bekommen.

Mein Schiff heißt „Fram (Vorwärts)“

Herr Stoltenberg setzt als Präsident des Norwegischen Roten Kreuzes auch heute noch seine humanitären Aktivitäten fort. Er sagt:

„Wir müssen wie Nansen zum realistischen Idealisten werden. ... Wir müssen genauso wie Fridtjof Nansen fest daran glauben, dass „nur vorwärts zu gehen, für uns der einzige Weg ist.“

Im Oktober 1964 besuchte ich Norwegen. Im Museum der Stadt Oslo, die in voller Pracht von golden gefärbten Blättern glänzte, sah ich das Schiff „Fram“ an, das Nansen für seine Polarexpedition benutzt hatte. „Fram“ auf Norwegisch bedeutet „Vorwärts“.

Wenn sein Schiff im Nordpolarmeer von schwimmendem Eis gefangen wurde, konnte er es nicht mehr wenden. Er musste weiter nach vorne. Es gab keine andere Wahl. „Entweder vorwärtsgehen oder sterben!“ Der junge Nansen konnte mit der Einstellung, alle Brücken hinter sich abzubrechen, sein Abenteuer zum Sieg führen.

Der „Polarkreis“, den wir jetzt im 21. Jahrhundert zu erforschen haben, sollte ein „noch unbetretener Boden“, die Welt ohne Kriegsfeuer, sein.

Dr. Nansens Leben gibt all denjenigen, die sich herausfordern, um eine solche Welt zu erreichen, Mut:

„Ja, das kannst du bestimmt schaffen! Der Weg ist immer da. Der Weg, auf dem wir das, was zu tun ist, zu Ende führen, bahnt sich stets vor uns!“

(aus „Seikyo Shimbun“ vom 12. Juli 2003)

";s:12:"content_meta";N;}