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Taten für Kosen-rufu

Übersetzung aus „Il nuovo rinascimento“ - September 2000, S. 4-7

„Wenn wir uns die Lehren und Warnungen des von Tragödien übervollen zwanzigsten Jahrhunderts zu Herzen nehmen, müssen wir „Handeln“ und „Solidarität“ zu Schlüsselwörtern für das einundzwanzigste Jahrhundert machen. Die Probleme, mit denen die Menschheit konfrontiert ist, sind beängstigend in ihrer Tragweite und ihrer Komplexität. Während es schwierig sein mag zu erkennen, wo oder auch wie man beginnen soll, dürfen wir niemals dem Zynismus oder der Lähmung angesichts dieser Probleme Raum geben. Wir müssen beginnen, in der Richtung zu handeln, die uns richtig erscheint. Wir müssen uns gegen die Versuchung wehren, uns passiv mit den gegenwärtigen Bedingungen zu arrangieren. Statt dessen sollten wir uns auf die Herausforderung einlassen, eine neue Realität zu erschaffen. Der menschliche Geist ist mit der Fähigkeit ausgestattet, selbst die schwierigsten Umstände umzuwandeln und daraus einen Wert und immer reichhaltigere Bedeutung zu erschaffen. Wenn jede Person diese unbegrenzte spirituelle Kapazität zu voller Blüte bringt, und wenn gewöhnliche Menschen sich in der gemeinsamen Bemühung für positiven Wandel vereinen, wird eine Kultur des Friedens - ein Jahrhundert des Lebens - entstehen.“ (aus: Forum Juli/August 2000, S. 11)

Mit diesen Worten schließt Präsident lkeda seinen Friedensvorschlag, den er im Januar diesen Jahres bei der UNO vorgestellt hat. Für uns aber ist dies erst der Anfang. Wenn „jeder von uns beginnen soll, in die Richtung zu handeln, die uns richtig erscheint“, dann ist es an der Zeit zu klären, welches Ziel unser Handeln verfolgt. Das Ziel ist ein neues Wertesystem, durch das die Schaffung eines weitverbreiteten und lange währenden Friedens auf unserem Planeten ermöglicht wird. Dies ist sicher keine Utopie. Im Gegenteil: Jede Person, die den Buddhismus Nichiren Daishonins praktiziert, weiß, wie wichtig es ist, dieses Ziel zu erreichen.

In den Schriften von Nichiren Daishonin finden wir häufig den Ausdruck „Kosen-rufu“. Wörtlich übersetzt bedeutet ko auf japanisch „ausgedehnt“ und sen „Worte gebrauchen“, „einen Dialog führen“, während ru „fließen“ bedeutet und fu „Verbreiten“. Zusammen bezeichnen diese vier Silben die fließende Verbreitung, die mittels Dialog realisiert wird. Der Dialog wird in der buddhistischen Tradition als das Mittel der Verbreitung des Buddhismus angesehen. Präsident Ikeda benutzt den Dialog stets, um neue Verbindungen mit weltweit anerkannten wichtigen Persönlichkeiten zu knüpfen und mit ihnen über die Perspektiven der Gesellschaft für ein friedliches Zusammenleben der Völker zu diskutieren. Auch den Mitgliedern der SGI in der ganzen Welt dient der Dialog als Mittel, um täglich ihre Freunde zu ermutigen, die eigenen Schwierigkeiten herauszufordern und die Wohltaten der buddhistischen Ausübung zu erfahren. Rufu oder „die fließende Verbreitung“ bezeichnet weniger ein Ziel, an dem man ankommt, oder einen bestimmten Punkt, an dem man sagen könnte: „Unsere Arbeit ist getan“. Vielmehr bezeichnet der Begriff ru nämlich ein konstantes Fließen, eine kontinuierliche und ewige Bewegung, die vom Dialog und dem Austausch von Erfahrungen zum Leben erweckt wird. In den buddhistischen Schriften steht: „In der fünften Periode von 500 Jahren nach meinem Tod verwirklicht Kosen-rufu in der ganzen Welt und lasst nicht zu, dass der Strom jemals unterbrochen wird“. Diese dynamische Betrachtungsweise von Kosen-rufu deutet die Notwendigkeit an, den Geist der Verbreitung des Buddhismus immer lebendig zu erhalten. Dabei geht es jedoch nicht um die unermüdliche Aktivität des religiösen Bekehrens, sondern um den Versuch, jeden Tag die Lehren des Buddha im eigenen Leben und der Umgebung anzuwenden.

Im allgemeinen Gebrauch ist der Ausdruck Kosen-rufu zum Synonym für Weltfrieden geworden. Die Idee einer weiten Verbreitung des Buddhismus wird also mit dem Weltfrieden verbunden. Sicherlich ist dieser Zusammenhang nicht unangebracht und es gibt viele Religionen, die die Konstruktion einer friedlichen weltweiten Ordnung, die auf den eigenen Idealen basiert, anstreben. In diesem Zusammenhang unterstreicht der Buddhismus die Wichtigkeit eines totalen und bedingungslosen Respekts für das menschliche Leben. Der Begriff Kosen-rufu beinhaltet auch den Verzicht auf den Gebrauch von Gewalt. In einer Epoche, die von Gewalt beherrscht war, wie die, in der der Buddhismus entstanden ist, schloss der Ausdruck ,durch Dialog verbreiten' jede Form von Gewalt in der Verbreitung aus.

Die Entdeckung der innewohnenden Buddhaschaft in jedem Lebewesen lädt den glaubenden Buddhisten ein, nicht nur alle Personen zu respektieren, sondern auch die Umwelt. Diese Ideale unter den Menschen zu verbreiten ist wahrlich gleichbedeutend mit dem Aufbau des Fundamentes eines friedlichen Zusammenlebens in dieser Welt. Es ist sicherlich leicht, sich umzusehen und entmutigt zu werden. Und es ist sicherlich schwierig, Personen zu respektieren, die sich mit unsagbarer Gewalt Schwächeren gegenüber benehmen; schwierig zu glauben, dass man durch den Dialog die Zerfleischungen, die Albträume, die Unterdrückung verhindern kann. Die Logik der persönlichen Interessen scheint so stark und die Entfernung zwischen den Personen so groß zu sein, dass für viele der Weltfrieden nicht mehr ist als ein Wort, eine nicht realisierbare Utopie.

Sich dessen bewusst, lädt Präsident Ikeda die Menschen dazu ein, nicht zynisch zu werden, sondern die Hoffnung und das Vertrauen in die Menschen zu behalten. Wir müssen uns gegen die Versuchung wehren, uns passiv mit den gegenwärtigen Bedingungen zu arrangieren“, betont er, „sondern stattdessen die Herausforderung annehmen, eine neue Realität zu erschaffen. Der menschliche Geist ist mit der Fähigkeit ausgestattet, selbst die schwierigsten Umstände umzuwandeln und daraus einen Wert und immer reichhaltigere Bedeutung zu erschaffen.“ Diese Worte sind an die UNO gerichtet und repräsentieren den Wunsch nach Frieden, der im Herzen eines jeden SGI-Mitglieds wohnt.

Anstatt auf die großen Leiden der Menschheit zu schauen und sich davon überwältigen zu lassen, kann man den Frieden hier und jetzt aufbauen. Dazu gehört auch, den Buddhismus und die Gedanken von Präsident Ikeda bekannt zu machen und deren Wert mit dem eigenen Leben zu zeigen. Wichtig ist es, mit einem großen persönlichen Ziel zu starten das Gebet und die Handlungen lösen eine große innere Veränderung aus, und sehr oft übertrifft das erlangte Resultat die anfangs gesteckten Ziele. Es ist wesentlich, dabei großen Zielen Platz einzuräumen: „Warum entschließt ihr euch nicht zu einem ehrgeizigen Ziel, das ihr von heute an verfolgt? [...] Wenn ihr euch kein Ziel steckt, das mit einer großen Anstrengung erreicht werden muss, wird keiner die Möglichkeit haben, sich zu entwickeln. Wenn ihr euch in den Kopf setzt ein, ein schwieriges und ehrgeiziges Ziel zu erreichen, werden ihr keine Wahl haben, als ernsthaft vor dem Gohonzon zu chanten. Dadurch werdet ihr nicht nur große Wohltaten erhalten, sondern ihr werdet voller Freude sein und ein absolutes Vertrauen in die Kraft des Glaubens erlangen, wenn ihr euer Ziel erreicht.“ (aus „Neue Menschliche Revolution“, Bd. 3, S. 262, italienische Ausgabe.)

Das Wichtigste ist, dass die buddhistische Ausübung nicht nur bei den Intentionen stehen bleibt, sondern dass sie zu einer wirklichen Veränderung der Lebensumstände in unserer Umgebung führt. Es ist notwendig bei der Veränderung unserer Umgebung zu beginnen. Man muss sich nur umschauen, um zu sehen, wie viel Gewalt, Falschheit und Leid in unserer Nähe sind, manchmal sogar in den Häusern, wo wir wohnen. Es reicht von der Gewalt in den Sportstadien, über die Intoleranz gegen die Außenseiter der Gesellschaft bis hin zur häuslichen Gewalt. Der Buddhismus lehrt, dass der erste grundlegende Schritt ist, um uns herum Frieden zu schaffen, und dass dieser Schritt, basierend auf dem Prinzip der abhängigen Entstehung, auch einen Völkermord in anderen Gebieten der Welt verhindern kann. Die menschliche Revolution ist das wahre Prinzip für den Aufbau von Frieden. Sie ist das Mittel, durch das der Buddhismus im Leben eines Menschen eine wichtige Rolle spielen kann. Normalerweise fängt jemand an zu praktizieren, um seine eigene Ziele und Interessen zu erreichen; sonst würde man vielleicht gar nicht mit der Praxis beginnen. Aber mit der Zeit verändert sich das. Probleme tauchen auf, die man vorher nicht gesehen hat: sei es das Verhältnis zu den Eitern, andere zwingende Umstände oder Frustrationen. Wer vorher ein egozentrisches und zynisches Leben gelebt hat, setzt sich jetzt ein, um anderen zu helfen. All das hat mit einem Dialog begonnen. Und genau dies werden wir weiterhin tun: den Buddhismus im eigenen Umfeld anwenden und ihn bei Verwandten und Freunden verbreiten. Kosen-rufu macht schon dann Fortschritte, wenn man den Mut findet, offen und mit Überzeugung über das zu reden, was man gelernt und angewendet hat.

Die größte Schwierigkeit dabei ist, sich anderen gegenüber zu öffnen, ihre Probleme zu teilen und eine warmherzige Ermutigung anzubieten. Es fällt nicht jedem leicht, derart mitfühlend und altruistisch zu handeln. Viele Menschen sind verschlossen und sprechen nicht gerne über sich; und doch ist es gerade die Bemühung, sich anderen gegenüber zu öffnen, die ihnen auch helfen wird, die eigenen Probleme zu überwinden.

Wenn man mit anderen über den Buddhismus von Nichiren Daishonin spricht, ist es ratsam, theoretische Diskussionen zu vermeiden; lieber sollte man einen freundschaftlichen Dialog darüber führen, wie der Buddhismus ihnen helfen könnte.

Shakyamunis Lehren geben uns weitere Hinweise darüber wie man einen tiefgründigen Kontakt mit anderen Personen aufbauen kann. Um das Gesetz zu predigen sind die drei Regeln der „Kleidung“ („Umhang“), des „Sitzes“ und des „Raumes“ notwendig. Der „Umhang des Buddhas“ ist eine Metapher für den freundlichen und toleranten Geist des Buddhas. Ein Umhang schützt den eigenen Körper vor Kälte und Wärme. Wenn man den Umhang der Freundlichkeit und Toleranz trägt, wirft einen keine Schwierigkeit aus der Bahn, auch nicht während unserer Bemühungen für die Verbreitung. Der „Sitz“ bezieht sich auf die unbegrenzte Weisheit des Buddhas: weil er das wahre Sein aller Phänomene erfasst, kann ihn nichts stören, so dass er großzügig und mit Hingabe handeln kann. Das bedeutet, dass jede Person, die sich der Verbreitung des Gesetzes widmet, frei ist von Wünschen nach Ruhm und gesellschaftlichem Ansehen. Das Konzept des „Raumes“ des Mitgefühls bedeutet, eine Person in den eigenen Lebensraum einzuladen, sie warmherzig zu empfangen, zu umarmen und mit ihr in dem gleichen Raum sitzend gleichberechtigt zu diskutieren. Das heißt, dass man sich zusammen bemüht, beider Leben zu verbessern.

Wenn sich dann jemand entscheidet, die Ausübung auszuprobieren, sollte man diese Person wie einen Sohn/Tochter ansehen, der/die nach langer Abwesenheit nach Hause gekommen ist und sich ihm/ihr mit viel Aufmerksamkeit annehmen. Im Anfangsstadium ist es unglaublich wichtig, diese Person jeden Tag Schritt für Schritt zu begleiten, ihr beizubringen, wie man praktiziert, mit ihr zu studieren, die Fragen zu beantworten und Erfahrungen zu erzählen, die helfen können, diese Lehre besser zu verstehen. Eine Person anfangen zu lassen zu praktizieren und sich dann nicht mehr um sie zu kümmern, ist der schlechteste Weg, diesen Buddhismus zu verbreiten. Wer aber die Person unterstützt, ihr folgt und sie ermutigt, ihre Zweifel und Schwierigkeiten zu überwinden, handelt wirklich wie ihr bester Freund.

Die fruchtbarste Umgebung für die Entfaltung dieser Art von Dialogen ist die Diskussionsversammlung (Gästeversammlung). Dies ist die „wahre Erde des Buddhas“, die „Basiszelle“ für Kosen-rufu. Je mehr diese Versammlungen mit dem ernsthaften Daimoku aller Mitglieder vorbereitet sind, mit der Aufmerksamkeit auf alle Details, die Umgebung, den Zeitablauf und die Vorträge, desto mehr werden die Menschen von diesen kleinen Versammlungen durch die Wärme und die Ernsthaftigkeit der Anwesenden ermutigt nach Hause gehen. Dagegen sind Versammlungen, die schlecht vorbereitet sind, ohne Erfahrungen oder sogar mit „dicker Luft“, das Produkt der Oberflächlichkeit der Verantwortlichen und der schlimmste Platz, um Gäste mitzunehmen.

Schon seit der Zeit von Präsident Makiguchi ist die Diskussionsversammlung immer der wichtigste Moment aller buddhistischen Aktivitäten gewesen. Während dieser Versammlung kann man nämlich die Unterschiede in Kultur, Geschlecht, gesellschaftlichem und wirtschaftlichem Status überwinden, um die Humanität, die Solidarität und die Gleichheit unter den Menschen hervortreten zu lassen. Es ist ein Ausdruck höchsten Respekts für die anwesenden Personen, diese Versammlungen mit äußerster Sorgfalt durchzuführen. Wir sollten auch nicht vergessen, das Haus der Gastgeber zu respektieren, die Nachbarn nicht zu stören und die kleinen Kinder so zu betreuen, dass sie die Versammlung nicht unnötig stören. Denn die Gästeversammlungen bilden das Bindeglied zwischen der buddhistischen Organisation und der Gesellschaft. Sie stellen eine Tür zur Welt dar, durch die man Gäste und Freunde einlädt. Sie sind ein wichtiger Moment der persönlichen und globalen Veränderung und nicht einfach nur 90 Minuten Leben in irgendeiner Weise verbracht.

Wenn man sich ernsthaft darum bemüht, an einer Versammlung teilzunehmen und seinen persönlichen Beitrag zu einem guten Gelingen leistet, dann ist man sich der Wichtigkeit dieses Termins wirklich bewusst. Die Regeln sind die selben wie immer: sich einzusetzen, um mit ganzem Herzen teilzunehmen, auch in den bekannten letzten 10 Minuten, oder in extremen Fällen an den Versammlungen anderer Gruppen teilzunehmen. Außerdem ist eine gute Vorbereitung auf der Basis von Daimoku von allen Gruppenmitgliedern notwendig. Es ist auch wichtig, dass jeder eine Aufgabe hat: die Tür zu öffnen und die Gäste und Teilnehmer warmherzig zu empfangen, eine Erfahrung zu erzählen, die Grundlagen des Buddhismus zu erklären, das Gongyo der weniger Erfahrenen zu betreuen und auf ihre Fragen mit größter Wärme zu antworten.

Die Aufgabe der Gäste-/Diskussionversammlungen ist es, die Zahl der Personen, die den Glauben des Buddhismus von Nichiren Daishonin annehmen, zu erhöhen, um die Gruppen dann immer weiter aufzuteilen, bis sich das große Netz des Weltfriedens bildet. Wir müssen alle in diesem Ziel vereint sein. Auf dem Weg zu einer friedvollen Gesellschaft ist es nicht richtig, sein eigenes Ego dem gemeinsamen Ziel voranzustellen. In der Gosho heißt es: „Alle Schüler und Gläubigen Nichirens sollten Nam-Myoho-Renge-Kyo in Itai Doshin chanten und alle Unterschiede zwischen sich überwinden, um so untrennbar zu werden wie Fische und das Wasser, in dem sie schwimmen.“

Wir mögen noch weit entfernt vom Weltfrieden sein, aber Kosen-rufu ist eine Wirklichkeit, die bereits existiert. Wie lang auch immer der noch zurückzulegende Weg sein mag: das Erreichen der nächsten Etappe bringt die gesamte Menschheit dem großen Ziel ein Stück näher.

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