1600041780 a:2:{s:7:"content";s:13018:"

Essay

„Die wunderbare Begegnung“ von SGI-Präsident Ikeda

Torao Kawasaki,

der Pionier der Forschung im Bereich der Arabistik

„Präsident Ikeda! Ich möchte ein Japanisch-Arabisches Wörterbuch verfassen. In Japan gibt es noch kein einziges! Wie kann es für uns möglich sein, die arabische Kultur zu verstehen. Wörterbücher in der englischen, deutschen und französischen Sprache gibt es mehr als genug, das ist allzu einseitig. Denn die arabische Welt bildet einen großen Bestandteil der Erde. Sie zählt mehrere hundert Millionen Menschen. Wo sollten wir ansetzen, wenn uns nicht bekannt ist, welche Anschauungen sie haben und wie sie leben. Ich glaube, dass die Vorstellung, die die Japaner über die geografische Lage dieser Länder wahrnehmen, extrem verzerrt ist.“

„Das stimmt ganz genau. Ich bin hierüber ebenfalls äußerst besorgt. Gerade heute habe ich die Gründungsfeier des Instituts der „orientalischen Wissenschaften (der heutigen „orientalischen Philosophien)“ abgehalten. Das ist ein Institut, das sich die Aufgabe auferlegt, vom Osten ausgehend alle Kulturen, Gedanken und Religionen der Welt zu erforschen. Dazu gehören sicherlich die Kultur und Philosophie des Islam. Wenn sich die Partner gegenseitig nicht kennen, ist das für uns ein Unglück. Somit können wir auch keinen Frieden schaffen.“

Es war am 27. Januar 1962, zwei Tage vor meiner Reise in den Nahen und Mittleren Osten, als ich mit dem verstorbenen Herrn Kawasaki solch ein Gespräch führte.

„Herr Kawasaki, ich bitte Sie darum, ein Japanisch-Arabisches Wörterbuch herauszugeben, obwohl ein solches Projekt eigentlich von staatlicher Seite initiiert werden müsste. Das ist ein großartiges Unterfangen.“

„Ich danke für Ihr Verständnis. Im Moment stehe ich vor einer außergewöhnlich dicken

Mauer. Alle Verleger, mit denen ich Kontakt aufgenommen habe, zeigen überhaupt kein Interesse, sie sagen sogar: ‚Es lohnt sich nicht, damit kann man keine Geschäfte machen.’ Außerdem, was die arabische Schrift angeht, gibt es wiederum keine Druckerei, die über solch eine Setzmaschine verfügt. Der erste Schritt wäre, diesen Schriftsatz anzufertigen. Jedoch sie argumentieren: ‚Es lässt sich nicht bezahlen.’ So bin ich überall auf Ablehnung gestoßen. Obwohl ich auch verstehen kann, dass der Gewinn dabei nicht außer acht gelassen werden darf, denke ich, dass die Kultur nicht nur mit ‚Geld’ aufzurechnen ist.“

Ein Jahr später hat Herr Kawasaki aus eigener Kraft das erste Japanisch-Arabische Wörterbuch herausgegeben. Dafür hat er immense eigene Finanzmittel eingesetzt, womit er weit mehr als ein stattliches Haus hätte bauen können.

Herr Kawasaki, der an einer Hochschule in Tokio Unterricht über Arabistik gab, pflegte zu seinen Studenten zu sagen:

„Wenn man in Japan über Arabien bzw. Araber spricht, neigt man einfach dazu, ein beängstigendes Bild zu malen. Das entspricht jedoch nicht der Tatsache. Es gibt keine Menschen, die freundlicher sind als sie. Sie sind ehrlich und fleißig. Weil sie sich von der Kultur des Westens sowie Japans unterscheiden, könnte es Menschen geben, die sich irritiert fühlen. Aber wenn uns einiges befremdlich vorkommt, denken die anderen genauso. Das beruht auf Gegenseitigkeit.“

„Solche unterschiedlichen Gewohnheiten sind nicht relevant. Alle Menschen sind gleich. Es sind Menschen, die leben, indem sie weinen und lachen. Sie alle wünschen sich Frieden und streben danach, fröhlich miteinander zusammenzuleben, und sie bemühen sich für das Glück ihrer Familien. Wissen Sie alle, dass Islam eigentlich Frieden bedeutet?“

„Nicht zu wissen“ ist schrecklich. Wenn man nicht weiß, wie die Wirklichkeit ist, verselbständigt sich das Bild unserer Vorstellung.

Wir Japaner haben seit der Meiji-Periode (1867-1911) von der europäischen Zivilisation vieles gelernt. Wir wissen, dass sie hervorragend ist, deswegen kommen wir nicht auf die Idee, zu denken, dass das Christentum, das die Basis Europas und Amerikas bildet, gefährlich sei, da Hitler in Europa geboren wurde.

Im Gegensatz dazu wissen wir kaum etwas von der arabischen Welt. Selbst wenn uns dünkt, dass wir gut darüber informiert sind, sind die meisten Informationen durch den Filter der europäischen und amerikanischen Ansichten zu uns gelangt.

Aus diesem Grund: Wenn wir hören, dass die Terroristen Araber seien, sind wir oft dazu geneigt, ein voreiliges Urteil zu fällen, nämlich, dass Araber gefährlich seien und der Islam eine gewaltbejahende Religion sei.

Aber es ist unmöglich, dass alle 1,2 Milliarden Gläubigen des Islam gewalttätig sind. Die Bewegung der „Rückkehr zum Islam“, wie der islamische Fundamentalismus genannt wird, ist in sich nicht einig. Die Menschen, die zu den Extremisten zählen, bilden nur einen geringen Teil, die meisten von ihnen sind die Gemäßigten.

Selbstverständlich sind alle terroristischen Taten das „absolute Böse“. Das können wir niemals billigen. Aber es ist nicht der Fall, dass die Idee des Terrorismus unmittelbar aus der Lehre des Islam entsteht.

Majid Tehranian, der Direktor des internationalen Toda Gedenk-Friedensforschungsinstituts, das ich gegründet habe, ist ein Amerikaner iranischer Herkunft. Er sagte einmal:

„Das Wort ‚Dschihad’ im Islam wird zwar oft als ‚heiliger Krieg’ übersetzt. Aber genau gesagt, wenn man nach militärischer Gewalt greift, heißt es der „äußere kleine Dschihad“. Der „innere Dschihad“ bedeutet, den bösen Gedanken sowie die eigene Habgier und den Hass zu bewältigen und den Geist zu reinigen. Der letztere wird der „große Dschihad“ genannt. Außerdem, wenn es um die Ausübung der militärischen Macht geht, ist sie nach der islamischen

Lehre nur für den Fall der Selbstverteidigung erlaubt.“

Was den heiligen Krieg angeht, hat Japan den letzten Krieg auch als den „heiligen Krieg“ bezeichnet und wiederholt gegen Amerika sowie Asien Gewalttaten ausgeübt. Um diesen Kampf zu rechtfertigen, wurde der Shintoismus benutzt. Wie wäre es denn, wenn man deswegen gesagt hätte, dass alle Japaner gewalttätig seien und die Idee der Gewalt eigentlich aus der japanischen Kultur hervorgehe? Können wir das alles akzeptieren?

Auf jeden Fall ist es zu gefährlich, wenn wir die im Nahen und Mittleren Osten existierenden Probleme, in denen die Frage von Palästina, Golfkrieg, Vorrechte der internationalen Ölkonzerne, Absichten der Rüstungsindustrie usw. kompliziert und tiefgreifend ineinander verwickelt sind, nur als eine Auseinandersetzung von zwei Parteien, nämlich zwischen dem Guten und dem Bösen, betrachten.

Dass dies schließlich nichts bringt, sollte uns klar sein, wenn wir versuchen, unsere Erinnerung an die durch den einstigen anti-sowjetischen Krieg oder den Krieg in Vietnam entstandene Tragödie aufzufrischen.

Geschweige denn, wenn wir gegenseitig versuchen, andere nach dem Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn und Tod um Tod“ durch Gewalt zu unterwerfen und Vergeltungsanschläge wiederholen, wird in alle Ewigkeit kein Tag des Friedens kommen.

Es war im Jahr 1935, in dem Herr Kawasaki nach Ägypten reiste. Er wurde vom Auswärtigen Amt Japans gesandt. Er war erst 21 Jahre alt. Nachdem er sein Studium an der Universität in Kairo abgeschlossen hatte, leistete Herr Kawasaki seinen diplomatischen Dienst jeweils im Hause des Gesandten von Ägypten, Libanon und Irak.

Zu jener Zeit standen alle arabischen Länder noch unter der Kolonialherrschaft Europas und befanden sich in einem verzweifelten Kampf, sich von der „Zeit der Demütigung“ zu verabschieden und langsam ein neues Land aufzubauen.

Was die Menschen in Arabien während der Kolonialzeit tief verletzte, war die Attitüde der Europäer, die ausdrücken sollte:

„Der politische Sieg Europas liegt darin, dass die Lehre des Christentums der des Islam überlegen sei. Und wenn ihr euer Land modernisieren wollt, müsst ihr eure veraltete Kultur aufgeben.“

„Sagt ihr, dass Europa zivilisiert ist und wir unterentwickelt sind? Das ist unverschämt! Ist es nicht eine Tatsache, dass die erste Zivilisation der Menschheit hier in Ägypten und Westasien entstanden ist! Selbst die Renaissance Europas ist doch das Ergebnis dessen, was die Menschen in Europa von unserer großartigen Zivilisation gelernt haben.

Habt ihr gesagt, dass Europa gebildet und der Islam gewalttätig ist? Das ist unerhört! Von unseren Augen aus gesehen war der Kreuzzug des Christentums nichts anderes als ein barbarischer Eroberungszug.

Habt ihr schon vergessen, inwieweit ihr uns vergewaltigt und uns ausgebeutet habt? Seid ihr jetzt schamlos in unser Land eingedrungen und erlaubt euch, alles zu machen, was ihr wollt, ist das nicht der Imperialismus Europas?

Habt ihr auch vergessen, dass die beiden Weltkriege in Europa ausgebrochen sind!“

Stolze Menschen in Arabien setzten sich mit dem schwierigen Thema auseinander, wie man das

Land modernisieren könnte, während man seine eigene Tradition beibehält und weiter pflegt. Den Menschen in Arabien, die sich gerade im Zwiespalt zwischen „Tradition und Modernisierung“ quälten, schenkte Herr Kawasaki seine leidenschaftliche Sympathie.

In der irakischen Stadt Bagdad, in der Herr Kawasaki seine Jugendzeit verbrachte, wurde sein erster Sohn geboren. Es gab riesengroße Gärten, in denen neben verschiedenen Obstbäumen überall unzählige Blumen das ganze Jahr hindurch herrlich blühten. Diese Stadt besuchte ich auch einmal. Das war eine wunderschöne moderne Stadt.

Es wurde aber darüber berichtet, dass die Stadt Bagdad jetzt wegen des Krieges und der lang anhaltenden Wirtschaftssanktionen aufs äußerste verwüstet ist. Durch die Luftangriffe wurde vieles einschließlich der Krankenhäuser zerstört. Es gibt nicht einmal minimale Lebensmittelrationen, die man den unterernährten Kindern geben könnte. Eine rapide Zunahme von Leukämie-Erkrankungen unter der Bevölkerung, vermutlich verursacht durch abgeschossene uranhaltige Munition, ist ebenfalls bekannt geworden.

Wenn Herr Kawasaki, der alle Menschen liebte, jetzt am Leben wäre, würde er bestimmt sagen:

„Aus welchem Grunde auch immer, kann die Tat, nicht Soldaten, sondern einfache Bürger zu töten, als ‚Gerechtigkeit’ bezeichnet werden? Wer hat denn das Recht, unschuldige Babys zu töten? Warum sollten die Kinder durch den Krieg, den die Erwachsen angefangen haben, umgebracht werden? Ist das wirklich „Gerechtigkeit“, obwohl den Kranken die Arzneimittel genommen werden und sie dadurch noch qualvoller sterben müssen. Im Irak wohnt und lebt nicht nur der Präsident Hussein allein.“

Vergeltung nach Vergeltung und wiederum Vergeltung.

War die „Atombombe“ eine Vergeltungsaktion nach dem Angriff auf Pearl Harbor? Der Angriff auf „Pearl Harbor“ war das absolute Böse, aber stellte die „Atombombe, die das Böse bestrafte“, die Gerechtigkeit dar?

Weil wir die Zivilisation des Westens lieben und respektieren, wünschen wir zugleich, dass der „Weg der Anti-Gewalt“ ernsthaft gesucht wird, ein internationales Gerichtssystem, das ermöglicht, den Prozess gegen Eroberer und Terrorismus gerechterweise zu führen, und die Bemühung, das Misstrauen in Vertrauen zu verwandeln! Das ist die grundlegendste Maßnahme gegen den „Terrorismus“, der die Gewalt hoch verehrt, davon bin ich fest überzeugt.

Dialog und nochmals Dialog, und was auch immer geschehen mag, weiter Dialog!

Wenn wir jetzt dieses Zeitalter, in dem die Macht Priorität besitzt, nicht abschließen können, dann wird das 21. Jahrhundert wieder ein Jahrhundert des Kriegs werden.

Am 16. August 1977 ist Herr Kawasaki gestorben, als sei er eingeschlafen. Er war 63 Jahre alt.

Seine ehemaligen Studenten verabschiedeten sich unter Tränen von ihm. Nach den knapp sechs Jahren, in denen Herr Kawasaki sein Lehramt an der Soka Universität innehatte, konnte er schließlich sagen:

„Alle Vorhaben, die ich in meinem ganzen Leben vollbringen wollte, konnte ich an der

Universität in Hachioji verwirklichen.“

Das „Zeitalter der Macht“ ist vorbei.

15 Jahre danach, im Jahr 1992, habe ich den ägyptischen Präsidenten Mubarak besucht, und wir haben uns über den Frieden in Mittlerem Osten unterhalten. Der Präsident war gerade sehr bemüht, zwischen Israel und den arabischen Ländern zu vermitteln. Er sagt nachdrücklich:

„Die Zukunft in Mittel- und Ostasien liegt darin, bis zum Ende hartnäckig Dialoge zu führen. Jetzt sind wir in ein Zeitalter eingetreten, in dem die Lösung des Problems durch Macht nicht mehr möglich ist.“

(Auszugsweise: Nr. 31 am 16. September 2001)

";s:12:"content_meta";N;}