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Diese Geschichte ist eine Tatsache, die sich vor 2400 Jahren ereignete. Es war ein letztendlicher dramatischer Kampf zwischen der Gerechtigkeit und dem Bösen. Der Schauplatz war Athen, die durch Kunst und Wissenschaft weltberühmte Stadt.
Am 4. Februar 1962 habe ich dieses von mir lang ersehnte Athen besucht. Es sind genau 40 Jahren vergangen, seit ich die wertvolle Tempelruine auf der Akropolis, Forum des Dialogs der Bürger, und weiter die Ruine des Felsengefängnisses besucht habe. Begleitet von einigen Jugendlichen haben wir diese Stätten in vollem Forschungsgeist besichtigt. Dies bleibt immer deutlich in meiner Erinnerung. Ich spürte, dass in mir parallel zum Leben eines äußerst erhabenen Philosophen, das ich in meiner Jugendzeit studierte, das Drama des Kampfes zwischen Gut und Böse sowie Liebe und Hass unzähliger Menschen wiederbelebt wurde.
Welchen Lebensweg das Verhalten des wahren Weisen für die Nachwelt gezeigt hat? Welch strengem kausalen Verlauf die Menschen, die sich voller Neid und Hass gegen die Gerechtigkeit stellen, unterzogen werden müssen? Und wie die Menschen das ewig andauernde Leben recht leben sollten? Als einen Anhaltspunkt, um sich über solche philosophisch essentielle Fragen Gedanken zu machen, möchte ich auf die Historie von Athen und die Geschichte der Menschen einen Blick werfen.
Bekanntlich bin ich kein Wissenschaftler in diesem Fachgebiet. Außerdem sind seit langer Zeit bereits vielfach Studien über Sokrates durchgeführt worden. Dennoch, um in der modernen Zeit, in der wir leben, den freien und großherzigen Geist des Dialogs jenes Philosophen und dessen beherzten mutigen Kampf der Rede lernen zu können, habe ich mir vorgenommen, über ihn zu sprechen.
Im Hauptgebäude der Soka Universität in den USA schaut ein Paar Büsten die Weltbürger, die den Frieden im 21. Jahrhundert tragen, und die jungen Philosophen der Renaissance des Lebens beschützend an. Es sind die Büsten von Sokrates und Platon (Plato: 427-347 v. Chr.), Meister und Schüler des Sieges. Sokrates, Lehrer der Menschheit genannt, wurde etwa um 469 vor Chr. in Athen geboren. Jedoch wenn er gefragt wurde, woher er stammte, soll er nicht geantwortet haben, „Ich bin Athener“, sondern „Ich bin ein Mensch der Welt“.
Völlig frei von Hochmut und Zagheit machte Sokrates die ganze Welt zu seiner Heimat und die gesamte Menschheit zu seinen Brüdern. Warum konnte er als Weltbürger den offenen Geist lebendig in Schwung bringen? Das war zugleich der „Siegesschrei seines Geistes“, der die allen Menschen auferlegte Suche „Erkenne dich selbst!“ während seines ganzen Lebens unerschütterlich beibehielt und niemals aufgab.
Ich kann nichts anderes werden als ich bin.
Menschen können nichts anderes werden als sie selbst.
„Erkenne dich selbst!“ ist eine allgemeine Frage, wie die Menschen leben müssen, und sollte für uns eine Ermutigung sein, die lautet „Erwache zum wahren Glück!“ „Erkenne dich selbst!“ bedeutet, „die Menschen zu erkennen“, und führt weiter dazu, „die anderen zu verstehen“. Das wird mit dem grundlegenden Thema der Menschen, nämlich Koexistenz der Menschheit und Frieden der Welt, weiterführend in Verbindung gesetzt.
Im Buddhismus wird gelehrt, dass den Weg außerhalb seines Selbst zu suchen und sich zu wünschen, dabei etwas anzusammeln, als Beispiel damit verglichen wird, dass es nichts nutzt, selbst wenn man Tag und Nacht das Vermögen seines Nachbarn zählen würde.
Nur in deinem Selbst ist der niemals versiegbare und ewige Schatz des Lebens verborgen. Gerade jetzt, so glaube ich fest, sollte die Menschheit zum Ausgangspunkt dieses Gedankens „Erkenne dich selbst!“ aufrichtig zurückkehren.
„Alle Veränderungen im Leben jedes Individuums und der gesamten Menschheit beginnen im Bereich des Gedankens und werden im Bereich des Gedankens vollbracht.“ Das ist eine Aussage Tolstois (1828-1910), großer russischer Schriftsteller, der Sokrates tief verehrte.
Das Zeitalter, in dem Sokrates lebte, gehört zur Periode, in der das Wachstum des Stadtstaats Athen, der in der Menschheitsgeschichte anführend das demokratische System aufgebaut hatte, sich zum Niedergang neigte.
Sein Vater (Sophronikos) war Steinmetz sowie Bildhauer und seine Mutter (Phaunarete) war Hebamme. Weil sein Vater insbesondere mit der Erziehung der Kinder sehr eifrig war, konnte er die Gelegenheit wahrnehmen, die im damaligen Griechenland übliche Grundausbildung zu erhalten. Dazu scheinen Gedichte, Literatur und Musik als allgemeine Bildung gehört zu haben. Zu Beginn erlernte er von seinem Vater die Technik der Bildhauerei und wurde selbständig. Und später beschäftigte er sich intensiv mit philosophischer Tätigkeit.
Nach Platons Werk „Phaidon (über die Unsterblichkeit der Seele)“ ging der junge Sokrates zuerst auf die Erforschung der Natur zu, da er dachte, dass man durch das Erkennen des Prinzips, das allen Dingen zugrunde liegt, herausfinden könnte, was Gut und Böse sind. Das war das Ziel, das die ganze Jugendzeit Sokrates durchdrang und für das er während seines ganzen Lebens seine große Leidenschaft einsetzte. In diesem Prozess der Suche nach dem Weg lernte er Archelaos, den Schüler des Philosophen Anaxagoras (von etwa 500-428 v. Chr.), kennen und setzte unter dessen Leitung seine Forschung fort.
Aber in der Weltanschauung der damaligen Naturkunde herrschten überwiegend solche Theorien, die sich mit den vier Elementen von Erde, Wasser, Feuer und Luft erklären ließen. Sie waren jedoch nicht imstande, der Erwartung des jungen Sokrates ausreichend zu entsprechen. Was ist das Gute auf dieser Welt, und was ist das Böse? Er war selbst nicht in der Lage, die Antwort darauf herauszufinden, und hatte auch niemanden, von dem er lernen konnte. Das Leid des jungen Sokrates war tief. Die Zeit der verzweifelten Suche in der Dunkelheit dauerte lang an. Jedoch nach diesem intellektuell harten Kampf wartete die Zeit der Wendung auf ihn, in der er zu seiner eigenen Aufgabe erwachte.
Sokrates, der sich zuerst mit der Naturforschung beschäftigte, ging zur Erforschung der Menschen über und befasste sich mit der Suche nach dem grundlegendsten Prinzip, wonach sich Gut und Böse unterscheiden, in der Seele seines Selbst.
Makiguchi Sensei (1871-1944), der erste Präsident der Soka Gakkai, betrachtete das Streben Sokrates, der sich für die Bildung fähiger Menschen einsetzte, als Modell der menschlichen Erziehung. In seinem Werk „Das System der Werteschaffenden Pädagogik“ (Der erste Band erschien am 18. Nov. 1930) ist der Name Sokrates auch erwähnt.
Suche nach deinem Selbst sowie Dialog mit der Jugend.
Und Kampf der Überzeugung gegen die teuflische Natur der Macht.
Makiguchi Sensei war wahrhaft Philosoph und Pädagoge, der wie Sokrates lebte, studierte, erzählte, klagte, aufrief, lehrte, kämpfte und sich seiner tiefen Überzeugung widmete. Und so wie Sokrates seinen jungen Schüler Platon erzog und ausbildete, hinterließ Makiguchi Sensei seine junge Emanation Josei Toda (1900-1958) in der untrennbaren Einheit von Meister und Schüler.
(2) Erzähle mit leichtverständlichen Worten!!
Es ist bekannt, dass Makiguchi Sensei öfter die Frage zu stellen pflegte:
„Gutes nicht zu tun und Böses zu tun; sind diese beiden Handlungen gleich oder verschieden?“ Von dieser Frage völlig überrascht, zeigten die meisten Befragten ihre Verwirrung im Gesichtsausdruck. Sodann erzählte Makiguchi Sensei, indem er Beispiele nannte:
„Wenn Sie sehen, dass Ihr Kind während des Schlafs im Bett aufgedeckt liegt, und es nicht zudecken, heißt das nichts anderes, als dass Sie nicht Gutes tun. Als Folge davon könnte Ihr Kind nachts unterkühlt werden und sich erkälten. Die Oberdecke des schlafenden Kindes aufzudecken, ist offensichtlich das Böse, aber die Folgen der beiden Handlungen sind gleich.“
Damit machte er uns verständlich, dass wir deswegen mehr Gutes tun und immer positiver das große Gute tun sollten. Makiguchi Sensei war Meister des Dialogs.
Die Forschungsmethode zur Wahrheitsfindung in der Philosophie des Sokrates war auch Dialog (Dialektik genannt). Was ist Glück? Was ist das Gute? Was ist Gerechtigkeit? Was ist Schönheit? Was ist Mut? Was ist Wissen? Über die Tugend, die alle Menschen verbindet, führte er ernsthafte Dialoge und Debatten, und dadurch ließ er andere zur Wahrheit erwachen.
Während er von seiner Mutter, die eine hervorragende Hebamme war, mit großer Freude erzählte, nannte man die Methode, die er für die Erforschung der Wahrheit durch den Dialog anwandte, die Mäeutik (Hebammenkunst). [aus Platons „Theaitetos (Was ist Wissen?)“] Das heißt, die Wahrheit (das Kind) ist nicht etwas, das man irgendjemandem zu schenken hat, sondern sie wohnt der Seele der anderen bereits inne. Und Dialog ist etwas, das anderen verhilft, selbst zu erwachen sowie auf die Welt zu kommen.
Unsere Dialoge über den Buddhismus Nichiren Daishonins sind ebenso dafür da, anderen zu helfen, zur Buddhaschaft zu erwachen, die bereits im Inneren der Menschen existiert. Nur dadurch, dass man seine gute Seele bewahrt und sein Leben zum guten poliert, kann man sich als guter Mensch entwickeln und sein Leben gut führen. Aus dem Grund rief Sokrates die Menschen an, dass es von großer Bedeutung ist, ihre eigene Seele sorgfältig zu pflegen.
Eines Tages gab es im berühmten Apollotempel von Delphi ein Orakel, dass Sokrates der Weiseste von allen sei. Als Sokrates davon erfuhr, begann er sich mit der Frage zu quälen, was das überhaupt bedeuten sollte. „Bin ich der Weiseste? Dieser unwissende ich? Aber das Orakel dürfte nicht falsch sein! Sollte es so sein, dann müsste mein Vorzug in der Selbsterkenntnis liegen, nämlich ich weiß, dass ich nichts weiß. Denn alle anderen dagegen sind eingebildet und meinen, sie besäßen Weisheit.“
Damit gelangte er zur Schlussfolgerung, dass derjenige, der sich seines Unwissens bewusst ist, die wahre Weisheit besitzt. Das ist sozusagen Wissen des Nichtwissens. Sokrates dachte, er wolle die Menschen vor falscher Weisheit retten und ihnen Mut geben, auf die wahre Weisheit hin und zum wahren Glück zu gehen. Er wurde sich der Aufgabe, die ihm auferlegt wurde, bewusst, und fing an, konsequent philosophische Dialoge zu führen.
Am frühen Morgen ging er aus dem Haus und verbrachte die meiste Zeit draußen und führte mit den Menschen Dialoge auf öffentlichen Plätzen und Straßen, unabhängig vom Alter, von der Nationalität und auch vom Glauben. Er versuchte, mit allen Menschen Gespräche zu führen und die Kreise der Dialoge zu erweitern. Für Sokrates bestand die wahre Philosophie aus Dialogen. Sokrates, der sich durch und durch dem Dialog widmete, wird als der größte Ausübende in der Geschichte der Philosophie besungen.
Ein Gemälde, das uns ermöglicht, uns derartig durchgeführte Dialoge deutlich vorzustellen, ist „die Philosophenschule von Athen“, das Meisterwerk von Raffaello Santi (1483-1520), dem Baumeister der Renaissance. Sein Motiv ist auch auf dem Bühnenvorhang in der Vorlesungshalle der Soka Universität dargestellt, und zahlreiche Besucher aus aller Welt, die zur Soka Universität kommen, bewundern dies. Dieser Vorhang aus einem riesigen Gobelin ist ein herzliches Geschenk von den Absolventen der Soka Universität und deren Eltern.
Selbst inmitten jeglicher Feindseligkeit und Verfolgung, trotz Schmähungen und Gewalt, hörten Dialoge des Sokrates niemals auf, und sie wurden bis zum Augenblick seines Todes lebendig und dynamisch durchgeführt. Dialoge fanden auf des Messers Schneide statt und enthüllten die trügerische Weisheit der arroganten Machthaber und der Scheinmächtigen erbarmungslos. Das war der Hintergrund, weshalb die Einflussreichen der Stadt gegen ihn Groll hegten und er im späteren Zeitpunkt ins Gefängnis geworfen wurde.
Ein insbesondere bewundernswertes Merkmal des Dialogs, den Sokrates durchführte, zeichnete sich dadurch aus, dass er den erhabenen Gedanken und die hehre Tugend, welche die Menschen erzielen sollten, anhand der gut ersichtlichen Tatsachen und mit für jeden leichtverständlichen Worten erklärte. Die Gespräche, in denen alltägliche Ereignisse in bezug genommen wurden, gewannen unter den Bürgern immer mehr Sympathie und Zustimmung. Aber von Gelehrten und Politikern, die auf ihr umfangreiches Wissen stolz waren, wurde er verspottet und verunglimpft. Denn sie, die von der Überheblichkeit beseelt waren, konnten den mit einfachen Worten erklärten, tiefgründigen Gedanken des Philosophen nicht begreifen.
Dieses Ereignis macht bei mir zusammen mit der historischen Tatsache, dass die hochmütigen Fünf Älteren Priester die Gosho Nichiren Daishonins, die er besonders für seine bürgerlichen Schüler mit den leichtverständlichen Schriftzeichen „Hiragana“ schriebt, erniedrigten und mit Füßen traten, ein Doppelbild.
Eine Ideologie kann ihre Bedeutung nur dann gewinnen, wenn sie im Herzen der Menschen lebt. Allein die Tatsache, dass sie so schwierig zu verstehen ist, ist nichts anderes als Selbstzufriedenheit. Sokrates führte seine Dialoge nicht, um sein Wissen stolz zu zeigen, sondern für seine Gesprächspartner. „Verständlich zu erklären“ ist der Ausdruck des Mitgefühls.
Sokrates ist derjenige, der in der philosophischen Geschichte der Klassik als vielfältigste Person bezeichnet ist. Sein Name bedeutet „gesunde Kraft“. Er führte ein regelmäßiges Leben, und es war ein erstaunlich armes genügsames Leben. Er kontrollierte sich selbst, beherrschte sich und trainierte seinen Geist und Körper. Das kam aus dem Gedanken hervor, dass die Begierde das Besinnen abstumpfe und schließlich zur Unfreiheit und zum Leid führe.
Sein physischer Zustand war außerordentlich robust; es hieß, dass er meistens verschont blieb und nicht krank wurde, als Epidemien in Athen oftmals ausbrachen und sich verbreiteten. Weil er stets barfuss ging, machte es ihm nichts aus, selbst wenn er auf dem Eis barfuss lief. Das stimmt auch mit der Tatkraft Shakyamunis überein, der im ganzen indischen Subkontinent energisch umherwanderte, um Dialoge zu führen, und dessen große Füße dadurch so hart wie Eisenplatten wurden.
Wenn wir für Kosen-rufu kämpfen, wird unser Körper gesund, und unser Geist wird auch gesund. Die Bahn von „Handlung ist gleich (soku) Gesundheit“ ist der richtige Weg des Buddhismus Nichiren Daishonins.
Apropos hieße es, dass die Gestalt des Sokrates von der anmutigen Schönheit, die man im damaligen Athen als Ideal hielt, weit entfernt war, also ein hässlicher Mann. Er wurde ausgelacht, denn die Distanz seiner beiden Augen war groß, seine Nase war breit und stumpf, er lief wie eine Ente. Obwohl er von manchen Menschen erfuhr, es gebe in seinem Gesichtzug eine Tendenz zur Untugend, sagte Sokrates ganz gelassen: „Selbst solche schlechte Tendenzen habe ich durch Disziplin gebessert.“ Er war ein Mann von Selbstdisziplin sowie Selbsttraining.
Sokrates war ein Mensch mit Lachen im Gesicht, stets heiter, lächelnd, großherzig und zog viele Menschen mit virtuosem Humor an. Obwohl er als äußerlich hässlicher Mann betrachtet wurde, sollte die „göttliche goldene Schönheit der Seele“, sobald er anfing, zu reden, sein Inneres geöffnet, leuchtend erstahlt haben. Die Menschen, die sich in seiner Nähe befanden, mussten sein Selbst, im Spiegel von Gerechtigkeit und Wahrheit reflektiert, direkt schauen. Sie spürten ausgehend von seinem Charakter eine Anziehungskraft, so dass sie nichts anderes in die Tat umsetzen mussten, als genau das, was Sokrates sagte.
Sokrates hatte drei Kinder. Eine Episode, in der er ihnen von der Dankbarkeit gegenüber der Mutter erzählt, schreibt sein Schüler Xenophon (430-354 v. Chr.).
Eines Tages stritt sich sein ältester Sohn mit seiner Mutter und war bitter verärgert. Sokrates frage ihn: „Weißt du, was Mensch von Undankbarkeit ist?“ Der Sohn erwiderte: „Ja, ich weiß. Das ist derjenige, dem von anderen geholfen wurde und der trotzdem nicht bereitwillig ist, Dankbarkeit zu erweisen, obwohl er vermag, das zu tun.“ Sokrates setzte seine Frage fort: „Nun, meinst du nicht, dass ein solcher Mensch zu den Menschen von Unrecht gehört?“ Der Sohn antwortete: „Doch!“ Sokrates, der zu seinem Sohn sagte, dass die Undankbarkeit ein äußerst eklatantes Unrecht ist, fuhr fort:
„Frauen, die schwanger sind, tragen bis zum Ende eine schwere Last, selbst wenn ihr eigenes Leben in Gefahr steht, und teilen die Nahrung, durch die sie sich selbst ernähren, nehmen alles Leid auf sich und gebären. Sie sind um den Säugling bemüht, der kein Mittel kennt, seinen Wunsch konkret wissen zu lassen, zu erahnen und alles zu tun, was ihm Freude macht.
Sie sind Tag und Nacht unermüdlich mit der Erziehung beschäftigt und denken währenddessen kein Augenblick daran, welche Belohnung sie sich wünschen könnten. ... Sie lehren alles, was für das Leben ihres Kindes gut ist. Wenn sie denken, dass irgendjemand ihr Kind besser zu lehren versteht als sie selbst, dann tun sie ihr bestes, um es zu ihm zu schicken und lernen zu lassen, obwohl sie dafür bezahlen müssen. Sie sind voller Hoffnung, dass sich ihr Kind zu einem vortrefflichen Menschen entwickeln möge. Was meinst du, ab welchem Alter du Dinge getan und gesagt hast, die nicht erlaubt sind, und deine Mutter bei Tag und Nacht belästigt hast?
Und wenn du krank geworden bist, ist sie so sehr darum bemüht, dich mit allen Mitteln zu pflegen, so dass es dir an nichts mangeln sollte, und wünscht herzlich, dass auf dich möglichst viel Gutes zukommen wird. Sagt du dennoch, dass deine Mutter herzlos sei?“ Sokrates erklärte geduldig und fragte seinen Sohn: „Hältst du es nicht für nötig, deine Mutter, die dich mehr als alles andere liebt, zu achten und zu schätzen?“ (aus „Erinnerungen an Sokrates“: sinngemäße Rückübersetzung)
Platon hinterlässt auch in seinem Werke, dass Sokrates mit den anderen Jugendlichen über die Liebe der Eltern sanft sprach. Menschen können nie und nimmer allein leben. Alle Menschen helfen sich gegenseitig und unterstützen sich. Gerade weil die Eltern da sind, sind wir auf die Welt gekommen. Die große Erde des Lebens, auf die wir uns selbst stützen – diese Eltern, Familie und alle Menschen, mit denen wir die direkte oder indirekte Beziehungen hergestellt haben, müssen wir von ganzem Herzen schätzen und verehren. Es besteht kein Zweifel daran, dass wir mit dieser unmittelbaren Handlung das „Jahrhundert des Friedens und der Humanität“ beginnen werden.
Wenn er sah, dass jemand ein finsteres Gesicht machte, spracht Sokrates ihn einfach an: „Hast du irgendetwas, das dich im Herzen belastet? ... Es ist nötig, dass du es mit deinen Freunden teilst. ... Denn es kann für uns auch möglich sein, deine Last zu erleichtern.“ (Xenophon, aus „Erinnerungen an Sokrates“: sinngemäße Rückübersetzung)
Indem er eifrig versuchte, den Freunden, die mit Qualen und Leiden zu kämpfen hatten, zuzuhören, die Ursache festzustellen und die Weisheit für die Lösung hervorzubringen, war er stetig darum bemüht, sie zu ermutigen.
Die „Erforschung des Menschen“, die Sokrates anstrebte, brachte den Respekt vor den Menschen und ferner die Liebe zu den Menschen hervor. Er war ein Mensch, der des Volks gedachte und die Menschheit liebte. Inmitten der von Eifersucht getriebenen Gesellschaft rief Sokrates mit seiner Bemühung, Dialoge zu erweitern, das den Menschen innewohnende Gute hervor und brachte die Menschen dazu, sich miteinander zu verbinden und gegenseitig zu helfen.
Im Buddhismus Nichiren Daishonins wird auch stark betont:
„Verzichte auf schlechte Freunde und nähere dich guten Freunden!“
(Gosho Band I, Seite 122, Japanische Gosho, Seite 1244)
Unsere Bemühung für die Erweiterung der Dialoge bildet ebenfalls eine Bewegung, die ganze Menschheit zum höchsten Guten zu führen, indem die Verbindung guter Freunde erweitert und die Leiden der Menschen im realen Leben überwunden werden.
Sokrates pflegte stets zu sagen: Um die Arbeit eines Handwerkers zu lernen, ist es klar, von wem man es lernen sollte. Es ist aber erstaunlich, dass sie sich nicht darüber im klaren sind, wen die Menschen zu ihrem Meister machen sollen, wenn sie Gerechtigkeit lernen. Gerade Sokrates war derjenige, der sein ganzes Leben fest entschlossen dafür widmete, über die Gerechtigkeit zu sprechen und fortwährend nach der Gerechtigkeit zu suchen.
Er sagt: „Ich höre nie auf, allen zu zeigen, wie ich die Gerechtigkeit betrachte. ... Durch die Tat zeige ich sie (die Gerechtigkeit).“ (Xenophon, aus „Erinnerungen an Sokrates“: sinngemäße Rückübersetzung)
Die Seele der Soka Gakkai liegt auch in der Gerechtigkeit. Das Banner der Gerechtigkeit aller Gerechtigkeiten, den Buddhismus Nichiren Daishonins, hissen wir hoch. Deshalb sind wir stark. Auch wir wollen von dieser großen Philosophie der Gerechtigkeit sprechen und unermüdlich erzählen und sie durch unsere Tat klar zeigen, denn nur dort liegen sowohl der Sieg unseres eigenen Lebens als auch der strahlende Weg des Glücks.
Eines Tages führte Sokrates ein Gespräch mit den Jugendlichen, die als schöne Männer sowie als begabte Jugend hochgejubelt wurden. Er forderte sie auf, sich selbst zu erkennen, und sagte zu ihnen folgendes: „Was euer Glück garantiert, ist nur ein Wissen, nämlich gemäß diesem Wissen über Gut und Böse zu leben.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Makiguchi Sensei (1871-1944) zählte „den Maßstab von Gut und Böse zu haben“ als Grundvoraussetzung der Pädagogen. Im weiteren betonte er den Mut, gegen das Böse unentwegt zu kämpfen. Hierzu sagt er folgendes: „Nur der Mutige, der sich dem Bösen gegenüber als Feind darstellt, kann zum Freund des Guten werden.“
Sokrates, der die Jugend liebte und erzog, war der wahre Ausübende der humanen Erziehung. Im damaligen Athen wurde eine Erziehungsmethode praktiziert, nach der Lehrer, höher gestellt als Schüler, versuchten, zu unterrichten, indem sie ihren Schülern Wissen eintrichterten. Sokrates wandte eine völlig unterschiedliche Methode an. Er beschäftigte sich intensiv damit, der Jugend zu ermöglichen, aus ihrem eigenen Inneren Kraft zu schöpfen, die Weisheit zu öffnen und ihre Seele aufwärts streben zu lassen.
Er selbst war für sie ein guter Freund sowie gleichgesinnter des Intellekts, der ihnen verhalf, dies zu tun. In der schönen Brüderlichkeit, nach der noch höheren Tugend zu suchen, zeichnete sich die Erziehung des Sokrates ab. Er sagt: „Wer sich mir anschließt, wird einen erstaunlichen Fortschritt machen. Der Grund liegt darin, dass er nicht von mir, sondern von sich selbst viel Wunderbares, das er in sich entdeckt hat, hervorbringt.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates freute sich außerordentlich über die Entwicklung der Jugend. Dass der Lehrer seine Schüler wie seine eigenen Kinder schätzt und bestrebt ist, sie noch fähiger und erhabner strahlen zu lassen – darin liegt der Beweis des wahren Pädagogen.
Sokrates gab sich stetig äußerste Mühe und bekräftigte die Wichtigkeit der Freundschaft, indem er sagte: „Unabhängig davon, mit welch wertvollem Schatz er verglichen werden sollte, nichts ist überlegener als ein guter Freund. ... Ich bin ein Mensch, der ich meine Freunde lieb habe.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Eine andere Episode: Als Sokrates einem Mann begegnete, der der Armut dessen Freundes müßig und unbeteiligt zuschaute, sagte er zu seinem Schüler, der sich in seiner Nähe befand, folgendes: „Es ist wichtig, darüber nachzudenken, wie wertvoll man selbst für seinen Freund ist. Aufgrund der Reflektion dieser Lage solltest du dich selbst entwickeln, für deinen Freund ein geschätzter Mensch zu werden.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Und eine weitere: Sein junger Schüler stritt sich mit seinem älteren Bruder, und die Beziehung ging auseinander. Nachdem Sokrates davon gehört hatte, machte er sich über den Charakter der Brüder Gedanken und sagte zu seinem Schüler: „Du musst ihm zuerst von dir aus Freundschaft und brüderliche Liebe zeigen.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates lehrte die Jugend durch seine eigene Tat, wie sie sich selbst disziplinieren sollte, und bekräftigte die Wichtigkeit des Trainings in der Jugendzeit. Der Geist der Jugend, die nur im Sinne hat, Vergnügen zu verfolgen, wird im betagten Alter leer.
Der Aufzeichnung Xenophons geht eine weitere Geschichte des Sokrates für die Jugend hervor. Dem Laster gegenüber, das mit verführerischen Worten versucht, eine vielversprechende Jugend zu verderben, sagt die Tugend tadelnd: „Du wirst die höchste Freude nicht sehen, weil du bislang niemals selbst eine schöne Arbeit zuwege gebracht hast.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Ohne Ausdauer gegenüber Schwierigkeiten und ohne unaufhörliches Streben kann man das Gute nicht vollbringen. Daher wünsche ich mir, dass Sie alle der Jugend große Ermutigung geben, damit sie ihren persönlichen Sieg und eine glorreiche Geschichte erringen kann.
Als ich mit Dr. Arnold Toynbee (1889-1975), dem englischen Historiker, einen Dialog führte, wurde Sokrates auch zum Thema des Gesprächs. In dem Zusammenhang, wie man der Politik gegenüber stehen sollte, sprach er folgendes: „In gewöhnlicher Weise kam Sokrates nicht dazu, sich in die Politik ununterbrochener Polemik extra gewagt einzumischen. Aber wenn er es für nötig hielt, einen politischen Handel zu ergreifen, zögerte er nicht – auch wenn dies im allgemeinen einen unpopulären Standpunkt einnehmen sollte – das zu tun, weil er eine solche Handlungsweise als einen Teil seiner Bürgerpflicht erachtete.“ (aus „Wähle das Leben“)
Gerade in solcher Handlung des Sokrates, sagte Dr. Toynbee, wird die richtige Einstellung, die Intellektuelle und Künstler der Politik gegenüber einnehmen sollten, offenbart.
Was ist der Kern der Politik? Toda Sensei stellt klar und deutlich dar: „Schließlich ist die Politik eine Technik.“ Eine Technik, um das glückliche Leben der Menschen zu realisieren, zum Wohlergehen der Gesellschaft beizutragen und in der ganzen Welt Frieden aufzubauen, ist Politik, das ist die Schlussfolgerung von Präsident Toda.
Über das wahre Ziel der Technik, der Politik, sprach Sokrates einmal: „Es sollte darin liegen, die Seele der Menschen zum Guten zu fördern.“ (sinngemäße Rückübersetzung) Vor allen Dingen sollte die Politik der Jugend verhelfen, sich zu hervorragenden Menschen zu entwickeln. Das ist innerhalb der Staatsgeschäfte das erste, mit dem man sich beschäftigen muss, so war seine Überzeugung.
Gerade Bildung ist das grundlegendste Thema, das für die Zukunft der menschlichen Gesellschaft entscheidet. Das ist seit alters her nie verändert. Ich habe über das Thema „Universität und Gesellschaft“ mit dem Rektor der Moskauer Universität, Viktor Antonovich Sadovnichy, mehrmals gesprochen.
Der Rektor unterstrich: „Die Ziele der Politik sollten sich auf die Entwicklung der Wirtschaft, auf die Verbesserung des Lebensstandards des Volkes und auf das Glück des Volkes richten. Aber das alles kann nur dadurch ermöglicht werden, wenn Universitäten wie Bildungsinstitute stabil unterstützt werden. Davon müssen sich Politiker bewusst werden. Denn aufgrund der Bildung ist das Glück des Volkes gewährleistet.“
Glückliches Leben ist das Leben,
die Gerechtigkeit unbeugsam aufrecht zu halten
Unzählige Menschen kamen zu Sokrates, nicht nur aus Athen, sondern auch aus anderen Staatsstädten. Er bereicherte alle Besucher aufgrund seines eigenen Schatzes und ließ sie dann heimkehren, wenn er feststellte, dass sie sich zum hervorragenden Menschen entwickelt hatten. Was ist der Schatz? Es ist der Gedanke und auch die Weisheit.
„Der Gedanke besitzt ewiges Leben“, so sagte der französische Schriftsteller des neunzehnten Jahrhunderts Victor Marie Hugo (1802-1885). Er sah in der Bindung von Sokrates und Platon, Meister und Schüler, das Große des alten Griechenlands, das in der Menschheitsgeschichte erstahlt.
Nichtsdestotrotz – wie sahen und behandelten die Athener Sokrates, den Staatsschatz.
Das Athen jener Zeit war eine Gesellschaft des Neids, in der sich die Menschen gegenseitig heimtürkisch bekämpften. In den Augen des Sokrates war das eine verdrehte Gesellschaft, in der die Menschen ihr Selbst verloren; andere wurden durch falsche Anschuldigungen in die Enge getrieben, das Vermögen wurde ihnen weggenommen und ein Teil davon zu seinen Gunsten kassiert, oder es wurde dadurch verdient, indem unschuldige Menschen beleidigt und ihnen Schmerzen zugefügt wurden. Egoismus breitete sich aus und Tugend ging zugrunde.
Es waren die Menschen, Sophisten genannt, die versuchten, eine solche Tendenz der Zeitströmung zu schüren. Die Gerechtigkeit, von der sie sprachen, veränderte sich je nach Zeit und Situation. Kurzum genügte es ihnen schon, wenn sie die Menschen an irgendetwas glauben machen und sie in eine bestimmte Richtung bewegen konnten. Trügerische Reden, um sich zu schmücken und eigene Gewinne zu erzielen, gingen kreuz und quer. Solche eigensinnige Rhetorik verurteilte Sokrates vehement als Schmeichelei. „Es ist hässlich. ... Ich habe vor, beim Namen zu nennen, was niederträchtig, boshaft und hässlich ist.“ (sinngemäße Rückübersetzung) Ihren Kern stellte Sokrates scharf heraus.
Es gab auch solch einen Sophisten, der beabsichtigte, Sokrates seine Schüler wegzunehmen. Sokrates, der arm aber redlich lebte, stellten sie vor der Öffentlichkeit bloß, indem sie sagten: „Sein Essen ist schlecht, seine Kleidung ist schlicht und es gibt dort auch kein fröhliches Leben.“ Darüber hinaus kritisierte er, Sokrates habe die Jugend ins Unglück geführt.
Sokrates widerlegte ihm gegenüber: „Du magst wohl meinen, dass das Glück in Üppigkeit und Luxus liege.“ (sinngemäße Rückübersetzung) Damit durchbrach er die oberflächliche Logik des Sophisten, der den Wert des Lebens nur an der Materie messen konnte. Er stellte ihm eine Frage: „Was meinst du, gibt es etwas, das noch größere Freude ausmacht als der Gedanke, dass du dich selbst zum besseren Menschen entwickelst und deinen Freunden auch ermöglichen kannst, sich zu einem gütigeren Menschen zu entfalten, um mit ihnen tiefere Freundschaft zu schließen?“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Durch diese Worte erfrischten seine Schüler ihre Bewunderung, die sie Sokrates entgegenbrachten. Verleumdungen, durch die die Jugend auf die falsche Bahn gelenkt werden sollten, verstärkten nur noch das Band von Meister und Schüler, die auf dem korrekten Weg schritten.
Es gab auch unter den Schülern des Sokrates solche Menschen, die ihren Meister verrieten. Xenophon hinterlässt es eindeutig in seinem Werk. Solange die Schüler sich in der Nähe ihres Meisters befanden, konnten sie ihre niederträchtige Begierde beherrschen. Aber als sie den Meister verließen, „schlossen sie sich solchen Menschen an, die ein gesetzloses Leben führten, anstatt ein Leben der Gerechtigkeit. ... Sie wurden von vielen renommierten Persönlichkeiten verwöhnt und vernachlässigten ihr eigens Training.“ (sinngemäße Rückübersetzung) Sie wurden überheblich ob ihrer vornehmen Herkunft, Reichtum und Macht. Sie wurden von vielen Menschen auf Händen getragen. Außerdem waren sie schon längst von ihrem Meister weit entfernt. Wen sollte es wundern, wenn sie übermütig wurden!
Ein Schüler, der Sokrates im späteren Zeitpunkt verriet, erhielt von Sokrates die strenge aber liebevolle Führung, dass er im Herzensgrund niederträchtig sei. Diese fasste er gerade umgekehrt auf und hegte tiefen Groll. Er schaffte bösewillige Regelung, um Sokrates später angreifen zu können. Er verbot Sokrates sogar, mit der Jugend zu sprechen. Kurz danach musste er ein elendes Ende erleben. War das Ziel der Verräter Ruhm zu erringen? Das heißt, statt vom Meister in aller Bescheidenheit zu lernen, nutzten sie um ihres Ehrgeizes willen ihren Meister aus. Schließlich waren sie doch egozentrisch.
Nichiren Daishonin durchschaut das wahre Wesen derjenigen Verräter, die feigherzig und niederträchtig sind, und schreibt in seiner Gosho „Brief an die Brüder“:
„Mir ist die Zahl unbekannt, wie viele Menschen ihren Glauben aufgegeben haben, weil sie die (Verfolgung der) Gesellschaft fürchteten, obwohl sie am Anfang den Glauben hatten. Unter ihnen gibt es auch unzählige, die mich umso stärker und wütender verschmähen als solche, die mich von Anfang an verleumden.“
(Gosho Band I, Seite 113; Japanische Gosho, Seite 1088)
Der Untergang Athens war zugleich die Verdorbenheit der Machthaber. Wozu waren sie Staatsmänner? Sokrates appellierte: „Gute Staatsmänner sind gewählt, sicher nicht um sich zu bereichern, sondern um die Menschen, die sie gewählt haben, zum Glück zu führen.“
Das Schwert der Reden, das Sokrates gegen die Macht des Unrechts richtete, war wahrhaft scharf. Er ließ aufzeichnen: „Schurken, die zu abgefeimten Erzbösewichtern werden, entstehen aus solchen Machthabern.“ (aus „Gorgias“: sinngemäße Rückübersetzung)
Auch Jawaharial Nehru (1889-1964), der erste indische Primärminister, schrieb während der Inhaftierung inmitten des stürmischen Kampfes um die Unabhängigkeit Indiens aus der britischen Kolonialherrschaft: „Sokrates war ein Philosoph, der unermüdlich nach der Wahrheit suchte. ... Die politische Macht lehnt die Erforschung der Wahrheit ab.“
„Gorgias“ von Platon ist der Ausbund aller Dialoge, die Sokrates führte. Darin sind die hitzig funkenden Auseinandersetzungen zwischen der Macht und der Philosophie als Kontrahent detailliert beschrieben. In einer dieser Geschichten sagte ein Jugendlicher, von der Macht bezaubert, zu Sokrates in unverschämter Weise: „Beneiden Sie nicht den Diktator, der andere beliebig beherrschen kann, wie er es sich wünscht?“
Machthaber, die sich wider die Gerechtigkeit gestellt haben, bereichern sich materiell und erringen Ruhm. Dies war auch die Realität der Gesellschaft in der damaligen Zeit. Dagegen polemisierte Sokrates, indem er klarstellte, dass die Menschen, die Unrecht handeln, selbst wenn sie die unerreichbare Macht ergreifen könnten, in Wirklichkeit die minimalste unglücklichste Existenz sind. Er sagt: „Die hervorragenden gutherzigen Menschen, seien es Männer oder Frauen, sind glücklich, und im Gegensatz zu ihnen sind die bösartigen Menschen unglücklich.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Aufgrund seiner vernünftigen Beweisführung fing die Jugend an, allmählich schweigsam zu werden. Dann erschien ein Politiker, der offensichtlich von Machtgier besessen war, und forderte Sokrates zur Polemik auf. Er vertrat die Ansicht, dass die Gerechtigkeit bereits dadurch entschieden ist, dass der Stärkere den Schwächeren beherrschen kann. Es ist lächerlich, wenn sich die Menschen endlos mit der Philosophie beschäftigen. Es steht außer Zweifel, dass solche Menschen schließlich zugrunde gehen.
Sokrates hieß den Angriff dieses Politikers willkommen, da er erkannte, dass für ihn die beste Gelegenheit bedeutet, um das Thema, mit dem die Menschen sich ernsthaft auseinander setzen müssen, klar und deutlich darzulegen. Indem er erklärt, dass das Glück nicht nur ein Zustand ist, in dem alle Begierden erfüllt sind, sagt er folgendes: „Wenn Sie einmal glücklich werden wollen, müssen Sie so handeln, dass Sie mit den beiden Tugenden von Gerechtigkeit und Enthaltsamkeit ausgestattet sind.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Selbst der Politiker, der zu Beginn gegenüber Sokrates, der aufrichtig nach Gerechtigkeit und Glück suchte, überheblich auftrat, musste seine Bereitschaft zeigen, Sokrates zuzuhören.
Sokrates macht dem Politiker klar: Wovor man sich eigentlich fürchten muss, ist nicht zu sterben, sondern vielmehr Unrecht zu tun. Und das scheußlichste Unglück ist, voller Laster beseelt in die Welt des Jenseits zu gehen. Sokrates rief ihn an: „Nimm an, was ich dir sage! Und entscheide, in die selbe Richtung zu gehen, der auch ich entgegenstrebe, und mit mir zusammen zu gehen! ... Damit du sowohl in diesem Leben als auch im Leben nach dem Tod glücklich leben kannst, wenn du zum angestrebten Ziel gekommen bist.“ (aus „Gorgias“: sinngemäße Rückübersetzung)
Der Dialog geht zu Ende, nachdem Sokrates zum Schluss selbst in die Tat umsetzt, die Gerechtigkeit durchzusetzen, und andere auffordert und ermutigt, auch das gleiche zu tun. Selbst Machthaber zur Gerechtigkeit zu führen – darin fand sich die Herausforderung des Sokrates.
Toda Sensei sagte: „Jugend! Nehmt die Politik mit großer Sorgfalt ins Visier!“ Ich wünsche, dass die Jugend so wie Sokrates, der als derjenige, der alle Menschen durch Reden gewann, bezeichnet wurde, das Schwert der Reden der Gerechtigkeit schärfen, und dass sie die teuflische Natur der Macht durchbricht und das Banner des Sieges des Humanismus hoch hisst.
Sokrates, der eigentlich als Athens höchstverdiente Person hätte honoriert werden müssen: Die verdrehte neidische Gesellschaft vergalt ihm seine Verdienste mit Anklage, falscher Beschuldigung, unrechtem Urteil, Inhaftierung und Todesstrafe.
Der erste Präsident Makiguchi, der zweite Präsident Toda und ich wurden ins Gefängnis geworfen. Es ist eine ruhmreiche Geschichte, dass alle drei Präsidenten der Soka Gakkai um der Gerechtigkeit willen den Kampf im Gefängnis durchgeführt haben.
Gegenwärtig führe ich mit den Repräsentanten der „Thoreau Gesellschaft“ über Thoreau, den Denker der amerikanischen Renaissance, einen Dialog. Eine folgende Aussage Thoreaus ist wohl bekannt: „Unter einer Regierung, in der Menschen zu Unrecht ins Gefängnis geworfen werden, ist das Gefängnis, in dem die gerechten Menschen wohnen, ebenfalls der für sie geeignete Ort.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
####### (5) „König der Seele“ existiert ewig!!
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####### Ich bin gerecht! Deshalb fürchte ich den Tod nicht!
Sokrates führte Dialoge und zwar mit allen Menschen, denen er begegnete. Wozu! Um sie zur wahren Weisheit zu erwachen zu lassen. Ein Dialog nach dem anderen, und eine Handlung nach der anderen. Der Ruf, dass Sokrates ein Weiser ist, stieg. Gleichzeitig nahm auch die Anzahl solcher Menschen zu, die ihn beneideten.
Im Gerichtsprozess sagte Sokrates: „Vor euch, den Athenern, erschienen viele Ankläger, die völlig falsche Aussagen über mich verbreiteten.“ (aus „Die Apologie des Sokrates“: sinngemäße Rückübersetzung) Ebenso gab es Menschen, die leicht an diese falschen Aussagen glaubten. Dadurch türmte sich eine dicke Mauer aus Vorurteilen auf. Der einflussreiche Politiker Anytos, der Dichter Meletos u.a. schienen wohl den immer stärker werdenden Einfluss des Sokrates verhindern zu wollen und lauerten auf die beste Chance, Sokrates anzuklagen.
Da die Gesetze außerdem lückenhaft waren, gelang es ihnen, Sokrates zur Gerichtshandlung laden zu lassen. Das Gericht wurde damals Volksgericht genannt, und die Geschworene wurden am Tag der Gerichtsverhandlung durch das Ziehen von Losen ausgewählt. Etwa 500 Athener saßen auf der Geschworenenbank, und das Urteil wurde durch ihre Abstimmung gefällt. Es gab weder Gespräche unter den Geschworenen noch ein Plädoyer durch den Verteidiger. Außerdem dauerte die Verhandlung kaum länger als einen Tag.
Aus welchem Grund überhaupt wurde Sokrates angeklagt? Die Anklageschrift lautete: „Er billigt nicht die Götter, die der Staat billigt, und führt die neue Gottheit ein.“ Also er wurde wegen Gottes-Entehrung beschuldigt. Wie konnte dies mit einem so frommen Menschen wie ihm überhaupt geschehen! Darüber hinaus wurde er beschuldigt, die Jugendlichen verdorben zu haben, es war eine unglaublich heimtückische Anschuldigung. Es gab niemanden, der die Jugend so ernsthaft und redlich erzog wie Sokrates.
Über den Kläger Meletos sprach Sokrates zu den Geschworenen: „Ihr, Athener, Meletos begeht eine Straftat.“ Weiter enthüllte er, dass der Kläger sich eigentlich über die Jugend gar keinen ernsthaften Gedanken machte. Nachdem er die Namen seiner Schüler in einem Zug aufgezählt hatte, sagte er: „Wenn ich diese Jugendlichen tatsächlich verdorben hätte, wie der Kläger behauptete, dann müssten sie eigentlich jetzt hier sein und mich selbst anklagen.“ Das war sein scharfer Gegenangriff.
Den Prozess aus böser Absicht anwenden und die gerechte Person anklagen, das ist ein gewohntes Mittel, das Intriganten öfters benutzen. Es gab auch solche Menschen, die gegen die Schüler des Daishonin einen ungerechten Prozess anstrengten. Nichiren Daishonin beschreibt in seiner Gosho „Schrift zur Verteidigung gegen die Anklage des Ryusenji-Tempel“ wie folgt:
„Um ihre eigenen Verbrechen zu verbergen und zu vertuschen, haben sie eine ganze Reihe falscher Anklagen erhoben.“ (Japanische Gosho, Seite 850)
Das heißt, sie haben, um ihre eigenen Verbrechen zu verbergen, falsche Anklagen gegen unschuldige Menschen erhoben und Prozesse willkürlich geführt. Der Kern der bösartigen Intrigen, die gegen die Soka Gakkai unternommen wurden, ist gleich.
Die Kläger fürchteten sich vor dem Verhör des Sokrates, des Virtuosen des Dialogs, obwohl ihm kaum Zeit zustand, die Ankläger direkt zu befragen. Die berühmte „Apologie des Sokrates“ – sie bedeutete keine passive Selbstverteidigung, sondern sie war eine kühne Anfechtung gegen das grundlegende Böse. Es sollte herausgestellt werden, dass die Ankläger Heuchler sind und ihre Klage falsch ist.
Der große italienische Dichter Alighieri Dante (1265-1321), der Sokrates verehrte, schrieb über solche Menschen in seinem Werk „Göttliche Komödie“; er ließ die Heuchler, mit einem Gewand aus vergoldetem Blei bekleidet, sich in der Hölle befinden.
Sokrates rief auf, dass wir vor allem die Seele mehr schätzen sollten als alles andere. Vor dem Gericht sagte er: „Bester Mann, als ein Athener, aus der größten und für Weisheit und Macht berühmtesten Stadt, schämst du dich nicht, für Geld zwar zu sorgen, wie du dessen aufs meiste erlangst, und für Ruhm und Ehre, für Einsicht aber und Wahrheit und für deine Seele, dass sie sich aufs Beste befinde, sorgst du nicht und hieran willst du nicht denken?“ (aus „Die Apologie des Sokrates“)
Welchen Wert hat Ruhm! Was bedeutet Geld! Von großer Wichtigkeit ist „Seele“ sowie das Strahlen des „Lebens“! Das habe ich bislang gesagt und ich werde auch künftig dasselbe sagen. Er setzt fort: „Ich werde meine Handlung nie ändern, selbst wenn ich vom Schicksal des Todes oftmals bedroht werden würde.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Dieser Geist! Dieser Stolz! Er fürchtete den Tod nicht. Wovor er sich fürchtete, war, dass er das, was zu beschützen ist, nicht beschützen könnte.
Unter den Anwesenden im Gericht gab es auch solche, die sich der furchtlosen Verteidigungsrede des Sokrates widersetzten und sich während der Verhandlung aufrührerisch verhielten. Sokrates war dessen bewusst, dass die Gerichtsverhandlung zu seinem Ungunsten verlief. Dennoch sagte er: „Daher ich auch jetzt, ihr Athener, weit davon entfernt bin, um meiner selbst willen mich zu verteidigen, wie einer wohl denken könnte, sondern um euretwillen, damit ihr nicht gegen des Gottes Gabe an euch etwas sündig durch meine Verurteilung.“ (aus „Die Apologie des Sokrates“)
Hier stellt sich klar heraus, dass er aus dem Grund aufrief, weil er alle aus der Bestrafung wegen der großen Sünde, die sie begingen, retten wollte.
Das Ergebnis der ersten Stimmenabzählung verwies Sokrates für schuldig. Sowohl die Kläger als auch Sokrates selbst dachten, dass der Stimmenunterschied sehr groß sei. In Wirklichkeit jedoch lag er ganz gering. Als nächstes sollte die Art der Bestrafung entschieden werden. Die Kläger verlangten die Todesstrafe.
Sokrates, der gefragt wurde, „Sokrates, wie denkst du, welche Strafmaßnahme deinem Vergehen bestens entsprechen könnte?“, antwortete darauf: „Was mir entspricht, ist die höchststaatliche Anerkennung.“ Desweiteren sagte er unerschrocken: „Das größte Glück, das man erleben kann, liegt darin, über die Tugend zu sprechen. Leben ohne die Erforschung der Seele ist für Menschen nicht lebenswert.“
Es war oft der Fall, dass damals die meisten Menschen, die an der Anklagebank standen, in gewöhnlicher Weise jämmerlich weinten und um mildere Urteile bettelten. Manche versuchten sogar, ihre Kinder mit zum Gericht zu bringen, um Mitleid zu erregen.
Im Gegensatz zu ihnen blieb Sokrates ungewöhnlich stattlich. Und gerade das machte auf die Geschworenen einen schlechten Eindruck. Sie könnten wohl gedacht haben: „Wenn er sein Haupt verbeugen und leidvoll um eine großzügigere Behandlung bitten würde, dann könnten wir eventuell etwas nachsichtiger sein! Wie kann er so hartnäckig beleiben!“ Somit wurde über seine Todesstrafe mit mehr Stimmen als bei der ersten Abstimmung entschieden.
Sokrates sagte zu den Athenern, die über seine Todesstrafe abstimmten: „Allein, dass nur nicht dies gar nicht schwer, ihr Athener, dem Tode zu entgehen, aber weil schwerer, der Schlechtigkeit. ... Wenn ihr glaubt, durch Hinrichtungen verhindern zu können, dass jemand euch den schlechten Lebenswandel vorwirft, so täuscht ihr euch. ... So sage ich euch denn, ihr Männer, die ihr mich hinrichtet, es wird sogleich nach meinem Tode eine weit schlimmere Strafe über euch kommen, bei Zeus, als die, die ihr mir mit dem Todesurteil angetan habt.“ (aus „Die Apologie des Sokrates“)
Und er weissagt, dass die jungen Leute euch und Unrecht eures Lebens umso strenger zur Rechenschaft ziehen. Zum anderen redete er mit denen, die zu seinen Gunsten stimmten, über das Geschehene folgendes: „Ihr müsst vor allem das als wahr erkennen, dass es für einen guten Menschen kein Übel gibt, weder im Leben noch im Tod.“ (aus „Die Apologie des Sokrates“)
Die Bürger der Stadt Athen erklärten dem Menschen, der für Athen am meisten beitrug, die Todesstrafe gleich wie einem Einbrecher oder Straßenräuber.
Im Buddhismus Nichiren Daishonins wird einsichtlich erklärt, dass die Handlung der Menschen, „die Bösen zu lieben und zu respektieren und die Guten zu bestrafen“, Katastrophen herbeiruft. Im allgemeinen könnte man sagen, dass eine solche Gesellschaft schon längst den Maßstab von Gut und Böse verloren hat, also eine zügellose Gesellschaft.
Das alte Athen wurde knapp 61 Jahre nach dem Tod des Sokrates durch Makedonien erobert und ging nieder.
(6) Werde „Sokrates des einundzwanzigsten Jahrhunderts“!
„Wie sollen Menschen leben?“ – das war die Frage, mit der sich Sokrates sein ganzes Leben lang befasste. Und seine Frage stößt auf das grundlegendste Thema des Lebens, nämlich wie man den Tod betrachten soll. Denn der wahre Wert des Menschen wird geprüft, wenn er dem Tod von Angesicht zu Angesicht gegenübersteht.
Sokrates beleuchtete dieses grundlegendste Thema für alle Menschen aufgrund seines eigenen Verhaltens, auf den Tod zuzugehen, mit herrlich strahlender Helligkeit. Das Licht geht an seiner Kraft des Erstrahlens jetzt auch noch nicht verloren.
Der deutsche Philosoph Wilhelm Windelband (1848-1915) sagte einmal: „Gerade dieser Tag, (an dem Sokrates das Gift trank), ist für die Menschheit einer der höchst erhabenen Tage.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates, vom Gericht zum Tode verurteilt, wurde eingekerkert. Seine Füße wurden gefesselt und in Ketten gelegt. In diesem Zustand verbrachte er einen Monat lang im Gefängnis, während er seinen eigenen Tod vor sich sah. Gerade zu dieser Zeit fand auf der Insel Delos ein Fest statt, zu dem eine Gesandtschaft geschickt wurde. Eine Regel, die es gab, lautete, niemand dürfe bis zur Rückkehr der Gesandtschaft eine Todesstrafe vollziehen.
Während dieser Zeit soll er jedoch kein bisschen erschüttert gewesen sein; er hatte keine Angst und bat niemanden ums Überleben. Im Gefängnis war ihm gestattet, tagsüber Besucher zu empfangen. Seine Jugendlichen sowie Freunde, die ihn besuchten, waren überrascht, als sie ihn im Gefängnis sahen. Platon schrieb in seinem Werk „Phaidon“: „Mir schien, er war sowohl in seinem Verhalten als auch in seinem Reden so glücklich. Wie ein furchtloses erhabenes Ende es war.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Er war so beeindruckt und in ihm formte sich der Gedanke, dass jemand, der nach dem Tod auch glücklich sein kann, so jemand wie er (Sokrates) sein müsse. Sokrates führte Dialoge auch mit demjenigen, der die Aufgabe hatte, ihm das Gift zu geben. Im Laufe der Zeit begann selbst der Strafvollzieher, sich zu Sokrates hingezogen zu fühlen und ihn zu verehren, so dass er am Tag des Strafvollzugs Tränen vergoss.
Es ist wohl bekannt, dass sowohl Makiguchi Sensei als auch Toda Sensei beim Kampf im Gefängnis während des Zweiten Weltkriegs die Gefängniswärter Shakubuku machten.
Ein Tag, für ihn aber der letzte Tag: Sokrates führte mit denjenigen, die ihn besuchten, fröhlich und zuweilen mit einem Lächeln im Gesicht tiefgründige Dialoge, in denen es sich um Leben und Tod des Menschen handelte. Im Werk „Phaidon“ beschreibt Platon seinen Meister so lebendig und erhaben.
Als Sokrates im Gefängnis war, wurde er von seinen Schülern und Freunden dazu angeregt, aus dem Gefängnis zu entfliehen. Seine Flucht sollte möglich gewesen sein, falls er wirklich gewollt hätte. Nichtsdestotrotz lehnte Sokrates das Angebot der Hilfeleistung ab und wählte den Weg aus, das Gesetz des Staats zu befolgen und das Gift gelassen zu nehmen. Er dachte dabei nicht, dass das für ihn Unglück bedeutet, sondern in seinem Herzen war er angesichts des Todes vielmehr von Hoffnung entbrannt.
Sokrates erklärt: „Wer sein Leben erfüllt von der wirklichen Philosophie verbracht hat, braucht angesichts des Todes kein Angstgefühl zu hegen und bleibt in Hoffnung entbrannt, so dass er nach dem Tod in jener Welt die größte Güte erringen wird.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Daher war Sokrates glücklich. Ruhig und friedlich ging er dem Tod entgegen. Manche Gelehrte druckten erstaunt ihr Gefühl aus, dass sein Verhalten auf das erhabenste seiner Menschlichkeit hinweist. Er war der Ansicht und warnte mehr davor, Unrecht zu tun als Unrecht anzunehmen. Warum? Weil er fest an die späte Folgerung derjenigen glaubte, die Unrecht taten.
In Platons Werk „Gorgias (Rhetorik als Propagandamittel zur Menschenbeherrschung)“ sagt Sokrates: „Dass die Seele von zahlreichen Lastern angefüllt in den Hades geht, ist unter allen möglichen Unglücken das schlimmste Unglück.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates erzählt auch in Platons Werk „Phaidon“ wiederholt, die Seele sei unsterblich und unvergänglich. Weil er an die Unsterblichkeit der Seele glaubte, rief Sokrates die Menschen dazu auf, dass sie, während sie am Leben sind, ihre Seele um der unendlichen Ewigkeit willen pflegen sollten.
In „Gorgias“ stellt Sokrates seine Anschauung über Leben und Tod klar: „Wenn die Menschen sterben, wird die ganze Handlung ihres Lebens beurteilt und das Leben nach dem Tod bestimmt. Alle Taten, die man, während man am Leben war, beging, werden restlos in seine Seele eingeprägt, und diese bleiben auch nach dem Tod unauslöschlich. Beim Gericht müssen die Menschen alle Verkleidungen wie schönen Körper, vornehmen Familienstand, Reichtum usw. ablegen und ganz allein, und zwar nur mit ihrer Seele allein, beurteilt werden.
Die Menschen, die ihr Leben rechtens gelebt haben, werden dem Desaster nach dem Tod entkommen und können ihre Tage glücklich verbringen. Im Gegensatz zu ihnen müssen die Menschen, die unrecht gelebt haben, in die unendliche Hölle fallen. Es gibt auch solche Menschen, die von ihren Untaten befreit werden, wenn sie ihre Strafe verbüßt haben. Und über diejenigen, die extremes Unrecht getan haben, wird die fürchterlichste ewige Strafe verhängt. Die meisten von denen, die ewige Strafen verbüßen müssen, sind Diktatoren, Könige und Machthaber. Der Grund dafür ist, weil sie über uneingeschränkte Macht verfügen und demzufolge das größte Vergehen begehen.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Alle möglichen Reichtümer, Macht, sozialer Status sind vor dem scharfen Spiegel des Todes vergänglich. Sokrates scharfe und tiefgreifende Augen schauten die von allen Affektiertheiten entkleidete bloße Seele an. Seine Augen, könnte man sagen, überblickten das ewig andauernde Leben.
Die Lehre des Buddhismus lehrt die Anschauung, dass sich das Leben in den drei Existenzen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erstreckt, klar und eindeutig. Über das Prinzip, dass das Leben das ganze Universum durchdringt, schreibt Nichiren Daishonin folgendes: „’Geheim (Hi)’ ist streng, denn es stellt eine ganze Reihe der dreitausend Zustände des Lebens dar.“ (Japanische Gosho, Seite 714)
In einer anderen Stelle der Gosho schreibt er folgendes: „Wenn jemand zu einem solch schlimmen Ort geht, wird ein Königsthron oder die Stellung des Generals bedeutungslos. Die Art, wie er von den Wächtern der Hölle gequält wird, unterscheidet sich in keiner Weise von einem angebundenen Affen, dem der Affenführer zum Spiel zwingt.“ (Gosho Band I, Seite 126; Japanische Gosho, Seite 1439)
Der Vollzug der Strafe näherte sich. Die Menschen, die sich zu Sokrates hingezogen fühlten, versuchten, die Zeit so lang wie möglich hinauszuzögern. Sokrates jedoch machte sich über solche Sorgen keinen Gedanken. In seinem Herzen musste ein unbesiegbarer Lebenszustand, der selbst vom Tod nicht zerstört werden kann, verbreitet worden sein.
Er schien bester Laune zu sein; sein Gesichtsausdruck wie Gesichtsfarbe waren nicht im geringsten gestört, und ohne zu zittern, nahm er den Giftbecher entgegen und trank Gift ungekünstelt und gelassen aus.
Die Herzen seiner Freunde waren zerrissen; es gab Menschen, die vor Zorn schrieen, oder solche, die aus der Trauer, als seien sie von ihrem Vater weggerissen, anfingen, zu weinen. Jedoch setzte Sokrates seine Tat fort, sie bis zum letzten Atemzug zu beschwichtigen und ihnen seine letzten Worte zu geben. Er führte Dialoge bis zum allerletzten Augenblick seines Lebens unaufhörlich durch und hinterließ im Herzen aller den Geist, konsequent nach der Wahrheit zu suchen, tief eingeprägt.
Sokrates bejahte sicherlich nicht einfach den Tod. Weil er von der Ewigkeit des Lebens überzeugt war, warnte er Menschen davor, sich vor dem Tod zu fürchten, und rief sie auf, ihre gegenwärtige Existenz korrekt zu erfüllen. Er sagt in „Phaidon“: „Wir müssen unser bestes tun, um in dieser Welt Tugend und Weisheit zu erfahren, weil die Wirkung davon schön und die Hoffnung groß ist.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates lebte seinem eigenen Selbst zugrundeliegend. Er war Sieger der Seele. Sein Schüler Platon zeichnete auf, zum Schluss seiner „Phaidon“, die das Ende seines Meisters beschrieb: „Dies war das Ende unseres Freundes. Er kann, soweit wir ihn kennen, die herausragendste Person genannt werden, insbesondere in Weisheit und Gerechtigkeit war er unvergleichlich.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Sokrates verstarb ruhig nach seinem mit Glück erfüllten Leben. Jedoch war der Schock der Schüler, denen der Meister weggerissen wurde, unvorstellbar groß. Platon brach vor Sorge zusammen. Und er fasste den Entschluss: „Ich werde allen die Gerechtigkeit meines Meisters zeigen!“ Der Schüler begann, den glühenden Kampf gegen das Böse in der Gesellschaft, welches seinen Meister zum Tode führte, aufzunehmen.
Zu dem Zeitpunkt war Platon 28 Jahre alt. Ab dann etwa 50 Jahre lang, bis er mit 80 Jahren starb, behielt er diesen Schwur fest bei. Dies erinnert mich daran, dass Toda Sensei, der seinen Meister Makiguchi Sensei durch die Militärgewalt verlor, nach Beendigung des letzten Weltkriegs um des unentwegten Kampfes willen aufstand.
Es wird gesagt, dass Menschen, die dem gerechten Sokrates eine Falle stellten, die strenge Vergeltung hinnehmen mussten. Nach „Essais“ von Michel de Montaigne (1533-1592) erkannten die Athener bald ihre Schuld und bereuten ihre Taten, sodass sie diejenigen, die Sokrates zum Tode trieben, in höchstem Maße verabscheuten und wichen ihnen aus. Die Athener hielten selbst das, was sie berührten, als unrein. Sie gaben ihnen weder Gruß noch näherten sich ihnen. Schließlich sollten sie ein tragisches Ende erlebt haben. „Strafe und Schuld kommen gleich nach“ (sinngemäße Rückübersetzung), sagte Platon.
Sokrates schlug die Warnglocke für die Zukunft, indem er den Mechanismus der falschen Anschuldigung klar darstellte: „Falls wir falsch angeschuldigt werden sollten, ... , stellt sich heraus, dass Schmähung und Eifersucht vieler Menschen dazu führen. Und gerade sie sind etwas, das auch in anderen Fällen viele hervorragende gütige Menschen in die Falle trieb, und Menschen werden auch künftig falsch beschuldigt werden.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Deshalb müssen Menschen stark werden. Sie müssen weiser werden. Nirgendwo sonst als hier kann sich ein Weg zur idealen Gesellschaft der Menschheit bahnen. Die Soka Gakkai ist diejenige, die dafür aufgestanden ist. Seit ich mit meinen ewig andauernden Kampfgefährten von Kansai beim Prozess in Osaka den Freispruch errang, werden es jetzt am kommenden 25. Januar genau 40 Jahre. [Präsident Ikeda wurde im Jahr 1957 beim Wahlkampagne zur Nachwahl des Oberhauses beschuldigt, Hausbesuche und Bestechung angestiftet zu haben. Er wurde am 3. Juli zum Landgericht Osaka geladen, vernommen und gleich inhaftiert und erst am 17. Juli freigelassen]
Den entgültigen Beschluss des Gerichtsurteils, der mich von der falschen Beschuldigung befreite, erfuhr ich in Kairo, Ägypten, nach dem Besuch in Athen. (am 8. Februar 1962) Nicht nur diesen Sieg beim Kampf in Osaka, sondern auch Siege beim Kampf gegen alle Intrigen hat die Soka Gakkai entschieden gewonnen und das Banner der Gerechtigkeit hoch gehisst. Weil wir gerecht sind, müssen wir siegen. Um der Gerechtigkeit willen müssen wir auf dem Feld des realen Lebens klar und entschieden siegen, weil dieser Sieg die Geschichte der Menschheit, die unter falscher Beschuldigung litt, zur Umwandlung führen kann.
Erforschung des Selbst
Über die Quelle der klassischen Philosophie des Westens, zu der Sokrates und andere Denker gehören, und über ihre Gemeinsamkeit mit dem Buddhismus habe ich mich mit Dr. Josef L. Derbolav (1912-1987), dem deutschen Philosophen und Pädagogen, unterhalten. [Dialoge wurden später als Buch „Auf der Suche nach einer neuen Humanität“ vom Nymphenburger Verlag herausgegeben]
Sowohl im Westen als auch im Osten wurde „Mensch“ und unser „Selbst“ erforscht. Und die Menschen haben ihre existenzielle Grundlage, um das Selbst zu erstrahlen, erforscht. Diese Grundlage ist im Buddhismus als die allen Menschen zugrundeliegende Buddhaschaft sowie Buddhanatur dargestellt.
An einem Neujahrstag schrieb Nichiren Daishonin an eine seiner Anhängerinnen einen Brief: „Wir, gewöhnliche Sterbliche, können weder unsere eigenen Wimpern sehen, die so nah sind, noch den Himmel, der so weit entfernt ist. Gleichermaßen haben wir nicht gewusst, dass der Buddha in unserem Herzen existiert.“ (Gosho Band I, Seite 59; Japanische Gosho, Seite 1491)
Die Weisheit des Lotos-Sutras bedeutet, dass wir zum dem Inneren unseres Lebens innewohnenden Leben des Buddhas erwachen, und erklärt, wie wir dieses in unserem täglichen Leben tatsächlich hervorbringen.
Die Jigage-Verse des Kapitels „unermessliche Lebensdauer“, den wir morgens und abends rezitieren, beginnen mit dem Zeichen Ji (Ich oder Selbst) von Jiga toku burrai und enden mit dem Zeichen shin (Körper oder Leben) von Soku joju busshin. In der „Aufzeichnung der Vorlesung über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)“ erläutert Nichiren Daishonin, dass dieser Jigage-Teil sich mit dem „eigenen Leben (Jishin)“ befasst. „Eigenes Leben (Jishin)“ weist hierbei spezifisch auf das Leben Nichiren Daishonins hin und kann aber im allgemeinen verstanden werden, dass unser eigenes Leben, das mystische Gesetz zu chanten und zu verbreiten, sich als Buddha strahlend offenbart.
Wie dem auch sei, denke ich, was im einundzwanzigsten Jahrhundert unbedingt erforderlich wird, sind gewiss Gespräche und Dialoge, wie Sokrates sie ausführte – mit leichtverständlichen Worten die Güte, die dem Inneren des Gesprächspartners innewohnt, herauszubringen, sodass alle sich gemeinsam bereichern können. Ich bin fest davon überzeugt, dass aufgrund der Dialoge, die sich über Differenzen und Zivilisationen hinaus erstrecken und die Herzen aller verbinden, die „Weisheit zur Koexistenz“ entstehen wird.
Zur Bewegung der Dialoge für den Frieden, die die SGI (Soka Gakkai Internationale) jetzt durchführt, kommentieren Intellektuelle der Welt mit Belobigung und großer Erwartung.
[Professor Vladimir I. Tropin, Prorektor der Moskau Universität, schreibt: „Man kann sagen, dass Herr Ikeda in der Gegenwart von Streitigkeiten und Gegensätzen die Dialoge des Sokrates wiederbelebt hat, und zwar wahrhaft Dialoge, wie Sokrates sie führte, um auf dieser Erde das gegenseitige Verständnis und den Frieden zu verwirklichen. Oder Professor Andrej Pantev von der Sofia Universität in Bulgarien erzählt: „(In bezug auf den Dialog zwischen Dr. Aurelio Peccei, der Gründer des Club of Rom): Dieser zeigt uns deutlich, dass die Menschen, unabhängig davon, aus welchen verschiedenen Kreisen sie kommen mögen, sich einander nähern und welch großartige Ergebnisse sie hervorbringen können.]
Gegenwärtig veranstalten wir zusammen mit der European Academy of Sciences and Arts (EASA) das Symposium „Interreligiöse Dialoge“, um Dialoge zwischen den vier Weltreligionen von Christentum, Islam, Judentum und Buddhismus zu fördern. Auf dem letzten Symposium, das im September vergangenen Jahres in Wien, Österreich, stattfand, kommentierte Professor Wolfgang Warner, der älteste Teilnehmer in der Runde, folgendes: „Ich habe diesmal gehört, dass der Buddhismus lehrt, dass dem Leben aller Menschen die Buddhanatur, die würdevolle Wesenheit, innewohnt. Ich habe auch gut verstanden, dass darauf basierend Menschheitsliebe und Bruderliebe aufgebaut werden. Dieser Buddhanatur-Gedanke soll sich für alle Religionen und Zivilisationen zur gemeinsamen Basis entwickeln.“ (sinngemäße Rückübersetzung)
Die Philosophie-Bewegung der Soka Gakkai trägt eine zivilisatorische Aufgabe und Erwartung. Wir haben das zweite Jahr im neuen Jahrhundert als das „Jahr für die Erweiterung der Dialoge“ bezeichnet.
Lassen Sie uns, jeder und jede einzelne von uns, in diesem Jahr als Sokrates des einundzwanzigsten Jahrhunderts in der jeweiligen Gemeinde, Gesellschaft und auf der Bühne der Welt „Dialoge von Mut“, „Dialoge von Hoffnung“ und „Dialoge der Philosophie“ stark und unerschrocken entfalten.
(aus „Seikyo Shimbun“ datiert am 6. 7. 8. 9. 10. und 11. Januar 2002)
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