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G O S H O Forum 9/90
Itai Doshin
Goshovorlesung von Herrn Yoshiharu Matsuno, Bundeshauptstellenleiter der DNS beim Trainingskurs der Junge-Männer-Abteilung im März 1990 in Trets
"Ich habe einen dick gefütterten, weißen Winterkimono und ein Kan Münzen durch die Bemühungen Hoki-bos erhalten. Hoki-bo und Sado-bo und die Gläubigen von Atsuhara haben, vereint im mutigen Glauben, die wahre Stärke von Itai Doshin bewiesen."
Spricht man von "Itai Doshin", dann denkt man vielleicht sofort an "strenge Einigkeit" oder gar Uniformität. Das ist aber nicht gemeint. Itai bedeutet "verschiedene Körper', Doshin bedeutet "ein Geist". Beide Teile des Begriffs stehen auf der gleichen Ebene. Einigkeit ohne individuelle Entfaltung ist nicht das, was der Buddhismus will. Buddhistisch ist es, durch die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit Einigkeit zu erreichen. Dabei ist Itai Doshin kein Mittel, sondern bereits ein Ziel in sich. Ein Beispiel: obwohl die fünf Finger meiner Hand getrennt sind, haben sie die gleiche Handwurzel. Die Wurzel ist Doshin und die verschiedenen Finger sind Itai. Ohne die Freiheit der Finger funktioniert die Hand nicht.
Hier ist deutlich zu erkennen, wie eng die Beziehung zwischen Nichiren Daishonin und Hoki-bo war. Ohne Hoki-bos Bemühungen wären die Mitglieder in Atsuhara verloren gewesen. Die Atsuhara Verfolgung war ein direkter Anlass für Nichiren Daishonin, den Dai-Gohonson einzuschreiben, denn an der Entschlossenheit dieser einfachen Bauern konnte er sehen, dass die Zeit reif war. Selbst die Androhung des Todes hielt sie nicht davon ab, weiter Nam-Myoho-Renge-Kyo zu chanten. Drei von ihnen wurden zwar getötet, aber vom Standpunkt der Ewigkeit her sind sie Sieger des Lebens. Den Sieger des Lebens kann man nicht auf Grund einer vorübergehenden Situation erkennen. Nach dem Winter folgt immer der Frühling. Das ist die Überzeugung aller Ausübenden des Lotos-Sutras. Für uns ist jede Niederlage nur vorübergehend.
Wir sind alle Ausübende des Lotos-Sutras. Deswegen werden unsere Namen immer mit der Geschichte der deutschen Kôsen-rufu verbunden sein. Wenn wir von Itai Doshin sprechen, sollten wir uns darüber klar sein, wofür wir leben. Wenn wir ohne eigenen Entschluss nur passive Mitläufer von Kôsen-rufu sind, können wir nicht bis zum Ende mithalten. Deswegen ist es sehr wichtig, sich persönlich für Kôsen-rufu zu entscheiden. Das ist Itai Doshin. Wenn einer der drei Gläubigen aufgehört hätte zu chanten, wäre der Zustand von Itai Doshin beendet gewesen. Shakubuku ist vom Standpunkt des Buddhas aus gesehen die Tat der Barmherzigkeit. Weil wir diese Barmherzigkeit nicht immer haben, sollten wir sie durch Mut ersetzen. Durch die mutige Tat erscheint dann das Herz des Buddhas. Wir sollten mit dem Shakubuku nicht warten, bis wir diese Barmherzigkeit empfinden. Uns fehlen manchmal Energie und Klarheit. Dieses zu überwinden und trotzdem Aktivitäten zu machen, bedeutet, Mut zu haben. Mut kann also auch mit Selbstüberwindung gleichgesetzt werden. Wenn dann bei einer Aktivität, an die wir lustlos herangegangen sind, das Gefühl der Freude aufkommt, ist das eine konkrete Wirkung der mutigen Tat. Aus der Tat, die auf die Selbstüberwindung folgt, resultiert der Zustand des Buddhas.
"Wenn Itai Doshin die Vorherrschaft unter den Leuten gewinnt, werden sie alle ihre Ziele erreichen, während sie in Dotai Ishin nichts besonderes erreichen werden. Die über dreitausend Werke konfuzianischer und taoistischer Literatur sind voll von solchen Beispielen. König Chou von Yin führte siebenhunderttausend Soldaten in die Schlacht gegen König Wu von Chou mit lediglich achthundert Männern. Dennoch verlor die Armee König Chous wegen ihrer Uneinigkeit, während die Männer König Wus wegen ihrer vollkommenen Einigkeit siegten."
Die Politik des Diktators König Chou war so schlecht, dass niemand ihn freiwillig unterstützen wollte. Seine Gefolgsleute waren Söldner, nur durch Geld und Macht gewonnen. Die 800 Soldaten von König Wu aber waren Freiwillige, von denen jeder einzelne den Wunsch hatte, die Politik von König Chou zu beenden. Sie waren nicht einfach nur eine Truppe, sondern als Einzelpersonen zusammengekommen, um mit ihrer persönlichen Entschlossenheit den Diktator zu bekämpfen.
Etwas Ähnliches konnten wir letzten November in Deutschland sehen. Die Menschen dort kämpften nur mit Worten. Sie wiederholten immer wieder: "Wir sind das Volk". Dieser Satz hat sie motiviert, ihre Revolution in die Tat umzusetzen. Auch was wir in der Soka Gakkai versuchen, ist eine Revolution durch Sprache, nicht durch Gewalt. Nam-Myoho-Renge-Kyo zu chanten und den Dialog mit anderen Menschen zu suchen, ist der Weg dieser Revolution. So wichtig ist die Sprache. Zahlenmäßig sind wir nicht viele. Aber auch in Leipzig waren es zuerst nur wenige Menschen. Es wurden jedoch immer mehr und mehr. So sollte auch unsere Bewegung ohne Gewalt immer größer werden. Wenn wir immer wiederholen: "Ich bin der Buddha", "Ich bin Nam-Myoho-Renge-Kyo', werden wir Kôsen-rufu bestimmt verwirklichen.
Allerdings sind damit auch bestimmte langwierige Herausforderungen verbunden. Die täglichen Schwierigkeiten, durch die man seine Persönlichkeit frei zu entwickeln lernt, sind das Training für die Vision von Kôsen-rufu.
"Selbst ein einzelner Mensch mit sich widersprechenden Zielen wird am Ende gewiss versagen."
In jedem Augenblick kämpfen in uns viele sich widersprechende Gedanken und Ziele. Das Sutra sagt deutlich, dass wir 804 000 verschiedene "Gedankeneinheiten' pro Tag haben. Das sind pro Sekunde 9,3 verschiedene Gedanken. Die Verschiedenheit dieser Gedanken erklärt sich aus den neun verschiedenen Schichten des Bewußtseins. Dieses Konzept ist die buddhistische Darstellungsweise der Funktionen des menschlichen Geistes. Die neun Schichten umfassen unsere fünf Sinne, den Intellekt als integrierende Funktion der Sinneswahrnehmungen, das Unterbewusstsein, das Alaya-Bewusstsein (Sitz des Karmas), und die Buddhaschaft bzw. Nam-Myoho-Renge-Kyo. Diese Schichten machen unser inneres Leben aus. Man sagt vielleicht 200 mal pro Tag: "Nein, das kann ich nicht". Selbst wenn man "Ja' sagt, ist das oft nur oberflächlich und die achte Schicht, unser Karma, sagt eigentlich "Nein". Von Anfang an ist die Antwort in der achten Schicht "Nein'. Nur aus Höflichkeit oder Verpflichtung sagt man "Ja". Wie aber schafft man in dieser Sache bei sich Einigkeit? Die einfache Antwort ist: die neunte Schicht ist die
stärkste. Wenn die neunte Schicht aktiviert wird, durchdringt sie auch die Schicht des Karmas, des Unterbewusstseins und des Verstandesbewusstseins und kommt an die "Oberfläche". Die stärkste Gedankeneinheit ist also Nam-Myoho-Renge-Kyo. Wirklich mit der Einstellung zu chanten: "Ich widme mein Leben", bewegt die Buddhaschaft. Wenn die Gedankeneinheit von Nam-Myoho-Renge-Kyo sich durchsetzt, entsteht die Tat des Buddhas.
Wir chanten oft wie ein Ölsucher, der an verschiedenen Stellen bohrt und dem nur viele leere Löcher übrigbleiben, weil er nirgends tief genug gebohrt hat. Wir sollten nicht nur für verschiedene Dinge chanten, sondern vor allem mit der Einstellung: "Ich will in mir die Buddhaschaft sehen", oder "Ich will, dass diese Person die Buddhaschaft öffnet". Mit entschlossenem Daimoku erreicht man die Buddhaschaft. Wer beim Chanten dahin gelangen kann, empfindet wirklich, dass Nam-Myoho-Renge-Kyo die größte Freude aller Freuden ist. Präsident Ikeda möchte, dass wir jeden Tag diese Erfahrung machen. Leider aber haben wir zu oft die Tendenz, "Nein" zu sagen. Das ist, als ob man immer von einem Minuspunkt aus beginnt, um überhaupt zum Startpunkt zu gelangen. Jede Handlung wird dadurch viel mühsamer und man braucht sehr viel mehr Energie. Mit positiver Einstellung dagegen kann man mit viel weniger Energie das gleiche in die Tat umsetzen, da man schon aus dem "Plusbereich" heraus startet. So hat man es als positiv eingestellter Mensch viel leichter, eine konkrete Handlung durchzuführen. Junge Menschen fragen gerne bei jeder einzelnen Entscheidung sofort nach "sein" oder "nicht sein". Dabei haben wir durch Nam-Myoho-Renge-Kyo die wichtigste Entscheidung des Lebens bereits getroffen. Wir haben schon das Ziel des Lebens, nämlich die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben erreicht. In so jungen Jahren haben wir bereits das Ziel des Lebens klar vor Augen. Deshalb haben wir für jede Entscheidung eine klare Basis. Wir können ruhig das Risiko eingehen, einen Fehler zu machen. Davon, dass man nichts wagt, lernt man auch nichts. Wir können uns Fehler erlauben, ohne Angst haben zu müssen, denn diese Fehler gehören zum notwendigen Lernprozess in diesem Lebensabschnitt. Fehler können dem letztendlichen Ziel des Lebens nie schaden. Deshalb können wir es uns leisten, entscheidungsfreudig zu sein.
"Doch hundert oder tausend Leute können bestimmt ihr Ziel erreichen, wenn sie in ihrem Herzen einig sind. Obwohl sehr zahlreich, wird es für die Japaner schwierig, irgendetwas zu erreichen, weil sie uneinig sind."
Zu der Zeit, als dieser Brief geschrieben wurde, drohte Japan eine mongolische Invasion. Nichiren Daishonin scheute sich nicht zu sagen, dass eine solche Invasion auch einen positiven Effekt haben würde: die japanische Bevölkerung könnte so die Erkenntnis gewinnen, dass sie falsche Lehren praktiziert hatten. An dieser Betrachtungsweise sieht man sehr deutlich, dass Nichiren Daishonin kein Nationalist war. Er sah sich in der Rolle des Bodhisattwas aus der Erde oder später als wahrer Buddha, nie aber als "japanischer" Buddha. Nichiren Daishonins Lehren waren schon damals atypisch für Japan. Es gab nichts Vergleichbares in der japanischen Tradition. Nach seiner Aussage ist der König das "Kind", das Volk aber die Mutter. Ohne die Eltern lebt kein Kind. Der Machthaber verdankt seine Macht dem Volk.
Im Buddhismus ging man damals davon aus, dass Shakyamuni der Buddha sei. Nichiren Daishonin aber lehrte, dass die Menschen der "Wahre Buddha" sind. Sie verleihen Shakyamuni erst die Tugenden des Buddhas. Diese Umkehrung der Sichtweise forderte Nichiren Daishonin auch im politischen Bereich. Das japanische Volk hatte aber keine Ahnung von Demokratie. Deshalb machte Nichiren Daishonin schon damals klar, dass die Menschen die tatsächlichen Machthaber sein müssen. Es gibt keinen Unterschied zwischen denen, die Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten, egal ob Mann oder Frau. Sie alle sind Bodhisattwas aus der Erde. Solch eine Lehre war damals in Japan undenkbar, denn dort herrschte die Nembutsu-Sekte, die einige Ähnlichkeiten mit dem Christentum hat. In dieser Religion erscheint der Buddha in einem "Reinen Land" im Westen, d.h. nicht in dieser Welt. Wer Namu-Amida-Butsu rezitiert, kommt nach dem Tode angeblich zu diesem Buddha, gleichsam ins Paradies. Der Begründer dieser Sekte war so fanatisch, dass er sich selbst das Leben nahm, um seine Überzeugung unter Beweis zu stellen. Denn Buddhas Land kommt, so dachte er, erst nach dem Tode. Sein Versuch, sich aufzuhängen, missglückte jedoch, und er litt sieben Tage und Nächte lang große Schmerzen, bevor er starb. Viele seiner Schüler, die diese Art zu sterben als Ideal betrachteten, nahmen sich in der Folge selbst das Leben.
Diese Denkart, dass das wahre Leben erst nach dem Tod beginnt, ist natürlich sehr angenehm für manche Politiker, denen es um duldsame Untertanen, nicht aber um Revolutionen geht. Man ändert dann nichts, sondern richtet seine Hoffnung auf das Leben nach dem Tode. Diese passive Mentalität, die von der Nembutsu-Sekte gefördert wird, herrscht auch heute noch in Japan vor. Trotz aller Skandale können die japanischen Wähler sich nicht eindeutig gegen die bisherige Machtelite aussprechen, obwohl ihre Machtposition moralisch und politisch nicht mehr zu rechtfertigen ist. Die Förderung des individuellen, freien und selbstständigen Menschen durch die Soka Gakkai auf der Grundlage der Lehre Nichiren Daishonins, ist für die japanische Machtelite sehr unangenehm. Denn wer Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet, tritt in seinen eigenen Palast ein und entwickelt sich zu einem freien, kreativen und selbstbewussten Menschen.
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