1600041779 a:2:{s:7:"content";s:24012:"
Dr. Salvador Santiago-Negrón,
Psychologe und Präsident der Carlos Albizu Universität in Puerto Rico
„Danke!“ ist ein wundervolles Wort;
- wenn man es ausspricht, geht es einem besser!
- wenn es ins Ohr eindringt, quillt Mut hervor!
„Im Zeitalter, das jetzt neu beginnt, wird die Psychologie immer bedeutender!“
Beim Gespräch mit Dr. Santiago, Psychologe aus Puerto Rico, einem mit den USA assoziierten Staat, habe ich dies gesagt. (Mai 2001)
Die Psychologie lehrt uns in Sachen menschlicher Beziehungen mannigfaltig. Hier ist beispielsweise eine Mutter, deren dreijähriger Sohn eben im Begriffe war, mit einem scharfen Messer einen Apfel zu schneiden.
„Lege das Messer hin! Du schneidest dich in den Finger!“
„Nein, ich schneide mich nicht!“, erwiderte er.
Zornig sagte sie: „Schau! Du schneidest dich doch!“
Noch zorniger entgegnete er: „Ich will aber nicht, ich schneide mich niemals!“
„Du schneidest dich doch bestimmt! Leg das Messer weg!“, so die Mutter umso lauter.
„Nein!“, antwortete ihr Sohn.
In dem Moment fiel ihr eine „andere Formulierung“ ein, die ihr von früher her aus ihrem Psychologiestudium bekannt war. Dabei änderte sie ihre Redeweise, die mit „Du …“ beginnt, wobei leicht der Eindruck entsteht, anderen etwas vorzuwerfen, in die Redeweise, die mit „Ich …“ beginnt.
Einen Augenblick später sagte sie zu ihm, ohne ein Gefühl des Zorns: „Mir ist angst und bange, wenn ich dich mit solch einem scharfen Messer hantieren sehe. Ich mache mir Sorgen, dass du dich in den Finger schneiden könntest.“ Das Kind, das seine Mutter in Ruhe beobachtete, übergab ihr eine kurze Weile später das Messer, ohne Wut und Streit. Denn durch diese Redeweise fühlte er sich in seiner Selbstachtung nicht verletzt. (aus „Der Tanz des Zorns“, Harriet Goldhor Lerner)
Allerdings steht sicher nicht fest, dass durch die Anwendung dieser Redeweise alle Probleme jederzeit gelöst werden können. Da die Herzen der Menschen keine Maschinen sind, kann es keine bestimmte Methode als ein Allheilmittel geben.
Aber wenn Sie mit „Du …“ anfangen, zu sprechen, werden sich Ihre Gesprächspartner innerlich defensiv einstellen. Und um sich gegen Sie zur Wehr zu setzen, werden sie ihre Herzen verschließen und dann ernstlich denken: „Ich lasse mich nicht besiegen!“ Zudem fühlen sie, dass, wenn sie Ihre Worte annehmen und befolgen, sie von Ihnen „besiegt“ seien. Demzufolge werden sie immer weniger auf Sie hören, zumindest besteht diese Gefahr.
Andererseits, wenn Sie sagen: „Ich …“, hierin ist eine gewisse Achtung anderen gegenüber zu finden, und es übermittelt keinem ein Gefühl, anderen etwas vorzuwerfen und sie gehorchen zu lassen, sondern es ist eher eine Grußbotschaft, die lautet: „Wenn Sie mich so behandeln, werde ich derart empfinden. Und ich überlasse Ihnen, wie Sie daraufhin, sich nunmehr dessen bewusst, handeln wollen.“ Darin findet sich eine Geisteshaltung, andere als einen unabhängigen Charakter zu achten, ohne sie voreilig zu kritisieren und in die Knie zu zwingen.
Aber wenn man vom Zorn beherrscht wird, neigt man leicht dazu, Gespräche mit „Du …“ als Subjekt zu führen. Es lautet etwa: „Du machst immer das gleiche!“
Mein Meister Josei Toda (1900-1958) hielt eines Tages eine Frage-und-Antwort-Versammlung ab, bei der eine Frau erzählte: „Mein Mann begann, allmählich immer später nach Hause zurückzukommen, und in letzter Zeit kehrt er kaum heim …“
Am Anfang sprach Herr Toda sanft:
„Kommt es vor, dass Sie nörgeln, wenn Ihr Mann nach Hause zurückgekommen ist? Beispielsweise: ‚Was hast Du gestern gemacht? Wohin bist Du vorgestern gegangen?’ Dann fühlt sich Ihr Mann langsam belästigt. In solch einer Situation sollten Sie zum Beispiel eine Suppe mit Oden zubereiten und sie ihm fröhlich anbieten, indem Sie sagen: ‚Guten Appetit! Möchtest Du noch ein Stück Tofu?’ Dann würde er sich irgendwie zuhause mit der Zeit immer wohler fühlen. Weil man nicht so handelt, geschieht genau das, wie eben gesprochen. Wenn ich mir anhören müsste: ‚Wo warst du, wo hast du denn gesteckt?’, dann würde auch ich ungern nach Hause zurückkehren.
Ab Morgen, falls Ihr Mann zurückkommt, sollten Sie versuchen, ihn so zu empfangen, indem Sie, wie gesagt, eine Oden-Suppe zubereiten. Wenn Sie dafür kein Geld haben, dann versuchen Sie es mit einer Suppe aus preiswerten Ganmodoki, und dabei sagen Sie: ‚Guten Appetit!’ Machen Sie sich keine Sorgen, Sie schaffen es schon! Also probieren Sie es ab Morgen! Weil Frauen oft nörgelig sind, ist es den Männern in den meisten Fällen zuwider.“
Hier darf aber nicht missverstanden werden, dass die Tat des Ehemanns auch nicht gerade lobenswert ist. Was aber hier klargestellt werden sollte, ist, dass die Absicht dieser Frau gewiss nicht darin liegen sollte, über ihren Ehemann zu triumphieren. Denn es steht nicht fest, dass er ihr Achtung entgegenbringt und sie schätzt, selbst wenn sie ihren Mann beim Rededuell bezwungen hätte. Das gilt sicher genauso für den umgekehrten Fall, nämlich von Mann zu Frau.
Ist es nicht so, dass viele Menschen immer wieder bestrebt sind, andere zu verändern? „Ah, wenn gerade die Person sich ändern könnte!“ Oder: „Es genügt schon, nur wenn die Frau ihre Einstellung ändern würde!“ In Wirklichkeit kann es einem, der gerade versucht, andere zu verändern, nicht gelingen, weil sie sich dabei widersetzen.
Außerdem lässt es sich oft beobachten, dass andere sich in der Tat tendenziell erst Recht so verhalten, je mehr man ihnen vorwirft: „Du bist ein verantwortungsloser und herzloser Mensch.“
Das gleiche kann man ebenso bei Kindern feststellen. Jedes Mal, wenn sie von ihren Müttern gescholten werden: „Mach schnell! … Beeile dich!“, besteht die Gefahr, dass sich die Kinder selbst einbilden: „Ich kann nicht schnell machen, ich bin ein Trödler.“ Und wenn sich das einmal im Herzen der Kinder eingeprägt hat, können die Kinder als Folge davon in Wirklichkeit auch nicht geschwind handeln. Eine solche psychologische Tendenz lässt sich im allgemeinen feststellen. Wenn man sich aber unbedingt wünscht, dass die Kinder schnell reagieren können, sollte man genau im Gegenteil versuchen, sie öfters zu loben: „Heute warst du schnell fertig.“ Dadurch wird das eigene Bild, dass das Kind „schnell machen“ kann, wiederum im Herzen der Kinder eingeprägt. Wenn Sie Ihren Kindern stets sagen: „Du bist nett und lieb!“, dann werden sie sich genau dahingehend ändern.
Dr. Santiago ist eine Person der Tat: „Um die geistige Gesundheit der Gesellschaft zu bewahren, ist ein System, sie zu unterstützen, vonnöten. Angenommen, wenn sich jemand schwach, krank, depressiv oder ausweglos fühlt und Hilfe benötigt, muss die Gesellschaft in der Lage sein, ihn mit allen zusammen zu unterstützen.“
Deshalb begründete er eine Institution, die etwa „Zentrum für Familienberatung“ heißt, in dem ein von ihm entwickeltes „Community Hotline Program“ in die Tat umgesetzt wird. Als Direktor dieses Zentrums leistet er einen großen Beitrag.
Auch in Puerto Rico scheint es nicht wenig „Domestic Violence (Häusliche Gewalt)“ zu geben. Die hier besagte Gewalt enthält nicht nur körperliche, sondern auch die sprachlicher Natur. Dazu gehören solche Schimpfworte wie zum Beispiel: „Du bist die letzte!“ Oder: „Bist du dessen bewusst, wem du dein Essen zu verdanken hast?“
Jemanden „zu ignorieren“ oder einfach „liegen zu lassen“, gerade wenn er Pflege und Unterstützung benötigt, ist „soziale Gewalt (Isolation)“. Telephonate oder Briefe der Ehefrauen zu überprüfen und ferner ihre Wertsachen wegzuwerfen oder zu zerstören sind „psychologische Gewalt (Zerstörung)“. „Finanzielle Gewalt“ bedeutet, dass man seiner Ehefrau absichtlich weniger Haushaltsgeld gibt oder all ihre Ausgaben bis ins Detail überprüft.
Wenn solch ein Akt wiederholt passiert, haben Frauen nicht nur unter den realen Notsituationen zu leiden, sondern sie werden auch durch die Situation selbst, in der sie sich verunglimpft und dazu gezwungen fühlen, gehorchen zu müssen, verletzt, und zwar eine Wirklichkeit, die stillschweigend aussagt: „Es reicht schon, dass du derart behandelt wirst.“
Schließlich fühlen sie sich ohnmächtig und verlieren selbst den Mut, selbst etwas verbessern zu wollen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass ein psychologisch negativer Einfluss auf die Kinder, die mittelbar oder unmittelbar erleben, wie ihre Mütter misshandelt werden, nicht zu übersehen ist.
In Japan trat das „Gesetz gegen Domestic Violence (DV)“ im Jahr 2001 zum ersten Mal in Kraft, und es soll in dieser Legislaturperiode weiter verbessert werden. Trotzdem scheinen die Männer, die sich dessen bewusst sind, dass die Gewalt gegen Ehefrauen eine kriminelle Handlung ist, noch nicht sehr zahlreich zu sein.
Dr. Santiago betrachtet die Gewalt als eine Art Krankheit, wie er sagt: „Die Menschheit hat viele physische Krankheiten nach mühsamen Forschungsarbeiten überwunden. Der Pathologie der Gewalt muss genauso viel Mühe gewidmet werden. Sie muss erforscht werden, sie muss vernichtet werden. Was veranlasst die Gewalt? Warum wird die eine Gesellschaft gewalttätig und die andere nicht?“
Warum werden viele Männer oft ihren Ehefrauen gegenüber gewalttätig? Vor diesem Hintergrund, lässt sich sagen, es existiert ein „verzerrtes Machtbewusstsein“, dass es nur natürlich sei, dass Ehefrauen ihren Männern schweigsam gehorchen und dann bestraft werden müssten, wenn sie etwas nicht tun würden. Zudem, wird festgestellt, es gibt eine „Kultur der Kraft“, Unstimmigkeiten mittels Gewalt zu lösen, wenn Männer sich in ihrer Würde verletzt fühlen oder wahrnehmen, dass etwas nicht so läuft, wie sie es sich vorgestellt haben.
Obwohl die Kindesmisshandlung zum Sozialproblem geworden ist, gibt es eine These, die belegt, dass die Menschen ihre Lebensweise, alles mittels Gewalt lösen zu wollen, von ihren eignen Eltern lernen.
„Wenn irgendjemand beabsichtigt, sein Kind zu misshandeln, so liegt die Ursache weder in seinen Genen noch in seinem Charakter, sondern sie liegt in Wirklichkeit doch in der Tatsache, dass er selbst in seiner Kindheit misshandelt wurde und dabei nicht imstande war, sich dagegen zu wehren.“ (aus „Bilder einer Kindheit“, Alice D. Miller)
Kinder, die durch körperliche Züchtigung und sprachliche Gewalt erzogen wurden, stellen sich unbewusst darauf ein, psychische Schmerzen nicht empfinden zu wollen, obschon sie grob behandelt werden, weil sie sich einbilden wollen: „Meine Eltern tun das, weil sie mich lieben.“ Als Folge davon werden sie gegen Schmerzen in ihrem Herzen unempfindlich. Hier handelt es sich um eine gewisse Tendenz, dass solche Kinder sich zu stumpfsinnigen Erwachsenen entwickeln, die keine Schmerzen des Herzens anderer empfinden und das gleiche wiederholen, was ihre Eltern gegen sie verübt hatten. Es würde sich eventuell anders ergeben, wenn sie jemanden hätten, der ihre Leiden und Schmerzen verstehen und sie mit ihnen teilen könnte.
Hier geht es also um eine über Generationen andauernde Kettenreaktion der Misshandlung.
„Kinder beschimpfen heißt, dass sie beschimpfen lernen, und Kinder verspotten bedeutet, dass sie verspotten lernen. Wenn man Kinder verletzt, lernen sie andere verletzen, und wenn man die Seele der Kinder tötet, lernen sie ebenso töten.“ (aus „Der Tanz des Zorns“, Harriet Goldhor Lerner)
Folglich liegt die Wurzel des Kriegs in der Familie. Das ist der Appell, den auch Dr. Santiago an alle lautstark richtet, wenn er sagt: „Gegenwärtig ist die Gewalt in der Welt weit verbreitet. Sei es zwischen Staaten oder sei es zwischen Individuen, wir dürfen niemals versuchen, Zwiste mittels Macht zu lösen. Wir Erwachsenen müssen der Jugend eine gewaltfreie Lebensweise zeigen.“
Dafür, dass Dr. Santiago gegenüber der Herrschaft der Macht sehr empfindlich ist, gibt es einen Grund. Er erzählte: „Puerto Rico, wo ich geboren und aufgewachsen bin, war Hunderte von Jahren lang durch fremde Mächte kolonialisiert und zum Gehorsam gezwungen; zuerst wurde das Land von Spaniern beherrscht, dann kamen die Amerikaner und setzten ihre Herrschaft fort. Sowohl politisch als auch religiös wurden wir stets dazu gezwungen, jemandem anderen zu gehorchen, sodass ich in der Ferne meines Lebens weder Freiheit noch Befreiung sehen konnte.“
Man kann selbst weder sein eigenes Leben noch die Zukunft seiner eigenen Gesellschaft entscheiden – ein Gefühl, eingesperrt zu sein!
„Zu dieser Zeit“, fuhr er fort, „traf ich einen hervorragenden Meister, und durch ihn veränderte sich mein Leben. Das war Dr. Carlos Albizu-Miranda, der Gründer der Carlos Albizu Universität. Ich war 18 Jahre alt. Dadurch, dass ich einen wunderbaren verehrungswürdigen Meister traf, konnte ich von ihm lernen, wie ein Schwamm alles aufsaugt.“
Was für ein Mensch war Dr. Albizu? Nach Dr. Santiago war er scheinbar ein Experte, der voller Liebe fähig war, Menschen zu ermutigen. Wie machte er das konkret?
Vor allen Dingen war er jemand, der aktiv versuchte, anderen aufmerksam zuzuhören. Gerade anderen zuzuhören, darin zeigt sich mehr Achtung als bloß zu sagen: „Halte durch!“
„Dr. Albizu hat uns Studenten oft zu sich nach Hause eingeladen. Damals waren solche Menschen, die so etwas taten, noch selten. Eifrig schenkte er uns Gehör, indem er sagte: ‚Erzählen Sie mir von sich!’ Eines Abends nahm er sich bis drei Uhr früh Zeit, mit uns über verschiedene Themen zu sprechen. Das kann ich nicht vergessen“, so Dr. Santiago.
Zu ermutigen – gerade das ist meines Erachtens die Grundvoraussetzung einer Führungspersön-lichkeit.
Zum Beispiel am Arbeitsplatz: Wenn ein Vorgesetzter versuchen würde, seinen Untergebenen nur durch Befehle in Bewegung zu setzen, würde dieser ihm zwar äußerlich folgen, aber nicht vom Herzen, wodurch seine Bewegung unmerklich langsamer wird. Der Vorgesetze, der diesen Ablauf beobachtet, stellt voreilig fest: „Er hat keine Lust und auch keine Spontaneität.“ Hierbei wird er nicht gewahr, dass er selbst derjenige ist, der die Spontaneität seines Untergebenen unterdrückt. So sehr man sich an die Macht anlehnt, das Herz wird womöglich dürr und stumpfsinnig.
Im Gegensatz zu ihm gibt es einen anderen Vorgesetzten. Ein Angestellter, der wegen Reklamationen mit einem Kunden Probleme hatte, ging zu seinem Vorgesetzten und berichtete ihm vorsichtig über den Vorgang. Obwohl er dabei dachte, dass er von ihm gescholten werden könnte, sagte sein Chef: „Verstanden! Nun gut, jetzt bin ich an der Reihe. Überlasse es mir, ich erledige das!“ Es ist überflüssig zu sagen, dass der besagte Angestellte seinen Vorgesetzten respektierte und umso mehr angespornt arbeitete.
Dadurch, einem jeden Achtung zu zollen und Mut zu schenken, gelingt ein Vorhaben sicherlich besser, überall, an Arbeitsplätzen, in Familien, Staaten und in der ganzen Welt.
Und das Beste, einem den Mut zu schenken, ist meiner Ansicht nach höchstwahrscheinlich die „Dankbarkeit“, die ausgedrückt wird: „Ich bin froh, dass du da bist.“ Und: „Dank deiner Bemühungen bin ich gerettet.“ Das wirkliche Gefühl, das einem übermittelt wird, nämlich unentbehrlich zu sein, kann einen aufmuntern.
Jomo Thorne, Leiter der Junge-Männerabteilung der SGI-USA, sowie Beatrice Lopez, Leiterin der Junge-Frauenabteilung der SGI-USA, haben in Puerto Rico ihre Heimat.
Die Mutter von Frau Lopez kam zusammen mit ihrem Vater von Puerto Rico nach New York, als sie 13 Jahre alt war. Aber, weil ihr Vater öfters gewalttätig wurde, konnte sie nicht mit ihren Geschwistern zusammen wohnen. Daher mussten alle Geschwister voneinander getrennt einzeln aufgenommen werden. Ihre Mutter fand bei einer katholischen Nonne Unterkunft und ging von dort in die Schule. Da sie nur spanisch sprechen konnte, war sie überall, sowohl zwischenzeitlich im Heim als auch in der Schule, voller Einsamkeit. Sie fühlte sich elend und von allen ausgestoßen. Sie wollte, wenn es überhaupt ginge, geschwind auf die Insel zurückkehren.
Weinend rief sie ihre Mutter an, die auf der Insel zurückgeblieben war. Ihre Mutter, die auf dem Krankenbett lag, sagte ihr jedoch jedes Mal am Telefon: „Du kannst es schaffen, du bist wunderbar. Du bist mein Stolz.“
Sie dachte: Dass ich mich bemühe, dient meiner Mutter als Stütze! Aus ihr quoll die Kraft hervor, weiterzuleben. Dass sie von ihrer Mutter gebraucht und ihr gedankt wurde, rettete sie schließlich. „Danke“ für das „Danke“ der Mutter – Jetzt triumphiert sie in ihrem siegreichen Leben.
„Danke!“ ist ein wundervolles Wort. Wenn man es ausspricht, geht es einem besser, und wenn es ins Ohr eindringt, quillt Mut hervor.
Ich selbst bin jeden Tag, von morgens bis abends, fortwährend dabei, „Danke!“, „Danke!“ zu sagen. Auch wenn ich ins Ausland reise, bin ich stets darum bemüht, gerade das Wort „Danke“ in der jeweiligen Landessprache zu sagen. „Thank you!“, „Merci!“, „Danke!“, „Gracias!“, „Spasibo!“, „Xiexie!“ usw. Und ich bin mir dessen bewusst, dies vom Herzen zu sagen, indem ich einem jeden ins Auge schaue.
Wenn man „Danke!“ sagt und „Danke!“ hört, ist man bereit, einen Harnisch in seinem Herzen abzulegen. Dadurch können Menschen in ihrer Tiefe miteinander kommunizieren. „Danke“ ist die Quintessenz der Gewaltlosigkeit. In „Danke“ finden sich Partnern gegenüber Achtung, Bescheidenheit und große Bejahung dem Leben gegenüber. Überdies sind darin ein nach vorne blickender Optimismus und Stärke enthalten. Das Herz, einem aufrichtig „Danke!“ sagen zu können, ist gesund. Jedes Mal, wenn Sie „Danke!“ sagen, erstrahlt Ihr Herz immer glänzender, und in Ihrem Körper spüren Sie immer mehr Lebenskraft hervorquellen.
Von der Wärme der Dankbarkeit, die Dr. Santiago seinem Meister widmete, war ich stark beeindruckt.
Der Gedanke, dafür dankbar zu sein, dass ein jeder selbst am Leben bleibt, gestützt durch wie viele Menschen und durch wie viele Existenzen auch immer – dieses Selbstbewusstsein, diese Begeisterung und diese Freude rufen noch mehr Glück herbei.
Eher dadurch glücklich werden, weil man jemandem dankt, als jemandem danken, weil man glücklich ist. Auch mit dem „Gebet“: Gerade unser Gebet wird sich, während wir unsere Dankbarkeit ausdrücken, mit dem Rhythmus des Universums in höchstem Maße vereinen und uns ermöglichen, unser Leben in eine positive Richtung zu drehen.
In der Zeit, in der einem nicht danach zumute ist, „Danke!“ zu sagen, stagniert die Entwicklung. Im Gegensatz dazu kann man das Hervorragende anderer ersehen, wenn man sich selbst entwickelt. Und wenn man aber aufhört, sich zu entwickeln, fallen einem in der Umgebung lauter negative Punkte auf.
Wie wäre es, wenn Männer auch in der Familie zuerst „Danke!“ sagen würden? Anstatt zu versuchen, ihre Ehefrau oder Kinder dahin zu ändern, wie man sich gerne gewünscht hätte: „Du musst oder Ihr müsst so und so sein!“
Es handelt sich hier um die Geschichte einer Familie: Eine ältere Dame, die an ihrem Lebensabend krank wurde, konnte sich selbst nicht mehr an die Namen ihrer Familienmitglieder erinnern. Aber als der Arzt, der sie behandelte, fragte, wann sie in ihrem ganzen Leben am glücklichsten war, antwortete sie darauf klar und deutlich: „Es war, als meine Tochter auf die Welt kam. Ich war so glücklich!“ Als ihre Tochter dies vom Arzt erfuhr, stürzten ihr die Tränen aus den Augen.
„Danke, Mutter! Mit diesem einen Wort ist es getan.“ Und sie dachte darüber nach, dass sie ihr eigenes Kind immer gescholten hatte, und erinnerte sich daran: „Das stimmt. Bei der Geburt dieses Kindes war ich allein durch die Tatsache, dass es geboren wurde, total glücklich!“
Nichtsdestotrotz habe ich irgendwann im Laufe der Zeit angefangen, zu versuchen, dieses Kind dem in meinem Leben existierenden ‚idealen Kind’ anzupassen. Im Vergleich mit diesem makellosen, idealen Kindesbild habe ich nur aufgezählt, woran es meinem Kind mangelt. Immer und immer wieder dachte ich: „Ihm fehlt dies oder jenes. Warum kannst du etwas so einfaches nicht!“
Obwohl ich solch eine Mutter war, gab sich mein Kind so viel Mühe, um meiner Erwartung zu entsprechen und lieb zu sein. Danke! Eigentlich ist deine Mutter allein mit der Tatsache, dass du am Leben bist, glücklich, und allein, dass du da bist, macht deine Mutter glücklich. Danke dafür!“
Sie entdeckte etwas und begann, ihr Kind mit neuen Augen zu erblicken und zu schätzen. Dann wurde sie gewahr, dass es an nichts mangelt, wofür sie „Danke!“ zu sagen hat und womit sie glücklich sein kann.
Morgens, wenn sie es aufweckt, steht das Kind auf, bevor es nicht zu spät wird. Jedoch war sie bewegt, dass dies in Wirklichkeit etwas „Wunderbares“ ist. Obzwar das Kind beim Essen wählerisch ist, obzwar das Kind ein nicht gerade gutes Zeugnis bringt, denke ich: „Danke, dass du auch heute in die Schule gegangen bist. Und ich danke dir auch heute für dein lächelndes Gesicht.“ Obwohl nichts besonderes passiert, drückt sie immer ihre Dankbarkeit aus: „Danke, dass der heutige Tag ohne Zwischenfall verlaufen ist.“
Sie wurde sich dessen bewusst, dass bereits ein Gefühl, etwas Gewöhnliches als gewöhnlich aufzunehmen, eine Art von Überheblichkeit ist.
Es gibt auch solche Menschen, denen, erst nachdem sie erfuhren, an Krebs erkrankt zu sein, eingefallen ist, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt die Tatsache, dass sie gesund gewesen sind, als ganz normal fanden und dafür kein bisschen dankbar waren.
Daher: Wie wäre es denn, wenn Sie zu Ihrem Mann hin und wieder sagen würden, indem Sie ihm direkt in die Augen schauen: „Vielen Dank für all deine Mühen!“ Und wie wäre es denn, wenn Sie Ihrer Frau sagen würden, ohne am Esstisch schweigsam zu essen: „Vielen Dank für all deine Mühen!“ Es mag Sie zuweilen genieren, aber wenn Sie den Mut aufbringen, das zu sagen, wird sich von da ab etwas ändern.
„Um die auf dem Weg unseres Lebens hochragende Mauer zu übersteigen, ist der Optimismus unabdingbar, der heißt: ‚Es ist bestimmt zu schaffen!’ Und um optimistisch zu werden, ist es erforderlich, mit optimistischen Menschen zu verkehren!“ Das ist die Ermutigung von Dr. Santiago.
Wir haben so viele Freunde, die nach dem buddhistischen Optimismus leben. Deshalb können wir bestimmt etwas verändern; wir können uns selbst, unsere eigene Familie, unseren Arbeitsplatz, unsere Gemeinde, unsere Gesellschaft und unsere Welt verändern. Wir brauchen nicht aufzugeben, von der Reform zu träumen.
In Puerto Rico hört man folgendes sagen: „Die Reichen sind nicht diejenigen, die Geld besitzen, sondern diejenigen, die Träume haben.“
(aus „Seikyo Shimbun“ vom 29. Mai 2004)
";s:12:"content_meta";N;}