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Greg Martin: Über die Meister-Schüler-Beziehung
Dies ist ein Auszug einer Rede, die während der Sommer-Studien-Konferenz am 21.07.2001\ in Baltimore von Greg Martin, dem Vize-Generaldirektor der SGI-USA, gehalten wurde.
(Eine Mitschrift von Terry Ruby, übersetzt von Carmen Biste und Annegret Rauch, mit Unterstützung von Ellen Wagner.\ [Der Charakter einer freien Rede wurde erhalten])
Nichiren Daishonin schrieb:
„... Jemand der den ursprünglichen Lehrer, der ihm das Wasser der Weisheit vom großen Ozean des Lotus-Sutras brachte, vergessen und einem anderen folgen sollte, [wird] sicherlich in endlose Leiden von Geburt und Tod herabsinken.“ (Dt. Gosho Bd. 1, 1986, S. 152)
Das Thema ‚Meister-Schüler-Beziehung’ hat mich lange Zeit beschäftigt. Ich weiß nicht genau warum. Das gesamte Lotus-Sutra handelt von der Beziehung, dem Dialog und dem Austausch zwischen Shakyamuni Buddha und seinen Schülern. Die Gosho ist eine Sammlung von Briefen eines Lehrers an seine Schüler oder anders ausgedrückt: ein von ihm ausgehender Dialog.
Ich war mit einem Dilemma konfrontiert. Auf der einen Seite gibt es diese Idee der Mentor-Schüler-Beziehung, die ich nicht wirklich verstehe und mit der ich mich nicht wohl fühle. Auf der anderen Seite aber ist es extrem wichtig diesen Punkt zu verstehen, um überhaupt ein Verständnis des Buddhismus zu bekommen.
Meine Auffassung der Mentor-Schüler-Beziehung hört nicht auf sich zu entwickeln und zu wachsen. Mein Studium hat mich zu der Schlussfolgerung geführt, dass eine Mentor-Schüler-Beziehung tatsächlich ein Modell für den religiösen Glauben im nächsten Jahrtausend ist. Und nicht nur für uns. Es ist ein Modell der religiösen Haltung und der religiösen Orientierung für alle Philosophien.
Bis zu diesem Zeitpunkt ist das geläufige Modell des religiösen Glaubens in fast allen Traditionen das der Beziehung von ‚höher Stehenden’ zu ‚niedriger Stehenden’. Der Lehrer ist allzu oft ein Gott und kein menschliches Wesen mehr und hält sich an erhabenen Orten auf. Auf diese Weise finden wir uns selbst in einem Glaubenszustand wieder, in dem wir zu jemandem aufsehen und nach einer höheren und machtvolleren Wesenheit suchen. Diese Person, die wir über uns stellen, ist nicht nur besser, machtvoller und wissender als wir, sondern sie steht auch hoch über uns und dadurch befinden wir uns ganz unten. Dieses Bild von Hoch-und-Niedrig führt uns zu dem Grundmodell religiösen Glaubens, nämlich dem der Anbetung.
Aber ist ‚Anbetung’ wirklich die korrekte Form des religiösen Glaubens, insbesondere in diesen Tagen und in diesem Zeitalter? Meine Schlussfolgerung ist „Nein“. Im Moment sind die Begründer einer Religion immer noch dort, wo sie hingestellt wurden: auf einem Podest. Was aber passiert dabei mit uns? Wir werden dadurch herabgesetzt! Das ist das Ergebnis einer tiefverwurzelten Tendenz des Menschen: der Nicht-Glaube an sich selbst, der Zweifel an sich selbst; die Schwierigkeit an die eigenen Möglichkeiten und Fähigkeiten zu glauben. Das ist auch eine schwierige Sache, richtig? Wir chanten Nam-Myoho-Renge-Kyo, wir machen morgens und abends Gongyo, wir lesen, dass wir Buddha sind, aber das ist schwer zu glauben und es ist schwer das zu leben.
Für Menschen ist es schwierig ihre eigene Großartigkeit anzuerkennen. Nelson Mandela sagte einmal sinngemäß, dass wir nicht unsere Schwäche fürchten, sondern wir fürchten unser Erwachen und unsere Großartigkeit. Wir fürchten tatsächlich, dass wir weit mehr sind, als das, was wir glauben zu sein. Wir empfinden, dass andere, die uns begegnen, besser sind als wir, dass sie barmherziger, weiser sind als wir und ‚was nicht noch alles’ und wir stellen sie auf ein Podest. Wir schenken ihnen unser Vertrauen. Das ist die Geschichte der von Menschen gemachten Religion. In einigen religiösen Traditionen ist es so, dass schon allein wenn man denkt, ‚da oben’ zu sein, das als Arroganz, als ketzerisch betrachtet wird. Es gab in der christlichen Ära Zeiten, in denen man gefoltert und verbrannt worden wäre, hätte man so etwas gesagt. Das war der Preis, den man dafür zahlen musste.
Nehru, einer der Schüler Gandhis, sagte, dass in dem Moment in dem Shakyamuni von seinen Schülern emporgehoben und über die Menschen gestellt wurde – wahrscheinlich ohne schlechte Absicht – aber, in dem Augenblick, als dies passierte, hörte Shakyamuni auf ein normaler Mensch zu sein und wurde ein Gott, eine Gottheit - also jemand der etwas Höheres ist als ‚du und ich’. In dem Augenblick ging die Menschlichkeit des Buddhismus verloren.
Menschen begannen, die Macht des Buddhas zu verehren und die Nähe seiner Macht zu suchen und gleichzeitig akzeptierten sie, dass nicht sie die Macht hatten. Verstehen Sie, wie das funktioniert? In dem Augenblick, in dem wir nach ‚draußen’ schauen, befinden wir uns in der Selbst-Verleugnung. Und je öfter wir das tun, desto schwieriger wird es zu glauben, das Sie selber die- oder derjenige sind, der machtvoll sein könnte. Die meisten Religionen enden mit der Lehre, dass man nicht machtvoll ist, dass man nicht machtvoll sein kann. Die einzige Hoffnung ist, dass man nach seinem Tod an einen besseren Ort gelangen wird.
Ralph Waldo Emerson erklärt das anhand der Bibel. Von Jesus hören wir immer über die Großartigkeit des Menschen, aber in der Kirche hören wir nichts anderes als über die Großartigkeit von Jesus. Und das ist das Problem. Wir müssen Jesus anflehen, um die Macht zurückzubekommen, damit Gott in unser Leben treten kann. Das ist eine ganz schön pessimistische Sicht des menschlichen Daseins.
Ungefähr vor zwei Jahren saß ich an einem Samstag Abend zu Hause herum, als ich einen Anruf von einem Mitglied in Kalifornien bekam. Sie ist eine Produzentin einer TV-Show für Reverend Lawson. Er ist Geistlicher der Baptisten-Gemeinde in Los Angelos. Sie sagte mir, dass sein Gast für den nächsten Tag abgesagt hatte und dass die Sendung auf dem christlichen Sender läuft und fragte mich, ob ich einspringen würde. Sie sagte: „Aber, bevor Du antwortest, sollte ich Dir sagen, dass Morgen Ostern ist. Er wird Dich fragen: ‚Was denken Buddhisten über die Wiederauferstehung von Christus?’. Und ich sagte „Eigentlich denken wir darüber nicht besonders viel nach.“
Sie sagte: „Es wäre aber eine großartige Gelegenheit, eine Verbindung zu schaffen, weil, verstehst du, Reverend Lawson ist tatsächlich einer der Schüler von Martin Luther King und er kennt die SGI.“ Also sagte ich: „Ich weiß nicht worüber ich sprechen kann,“ und sie sagte, „Na ja, Du wirst Dir was ausdenken.“. Sie kannte mich sehr gut. „In Ordnung.“ Also chantete ich und dachte darüber nach, worüber ich reden sollte. Ich hatte gerade diesen Teil des „Dialog über das Lotus-Sutra“ gelesen, in dem beschrieben wird, dass das Modell des religiösen Glaubens, das des Lehrers und des Schülers ist und dass wir auf Jesus und sein Leben und seine Auferstehung schauen sollten und ihn als einen Lehrer, einen Führer, als ein Vorbild für unser eigenes Leben, und nicht als etwas Besonderes, zu dem wir keine Beziehung herstellen können, betrachten sollten. Also sagte ich mir: ‚Lass mich einfach kühn und mutig dorthin gehen, wohin kein Buddhist zuvor gegangen ist und schauen wir was passiert.’
Also ging ich zu dieser Show und wir sprachen über eine ganze Menge Dinge, als sich Reverend Lawson, wie erwartet, zu mir dreht und sagt: „Also, was denken Buddhisten über die Kreuzigung und die Wiederauferstehung von Christus?“ Ich antwortete ihm auf der Grundlage der Meister-Schüler-Beziehung als ein Modell des religiösen Glaubens für das 21. Jahrhundert. Aber zuerst sollte ich erwähnen, dass 15 Millionen Haushalte in Amerika dieses Programm bekommen. Ich bin sicher, dass es eine Menge Amerikaner da draußen gab, die die Luft anhielten.
Egal, ich sagte: „Mein Mentor sagt mir, dass das korrekte Modell des religiösen Glaubens dasjenige der Mentor-Schüler-Beziehung und nicht das der ‚Gott-und-Mensch-Beziehung’ sein sollte. Wenn Sie sich das Leben und den Tod von Jesus als Mensch und als Vorbild ansehen, das uns etwas über unser eigenes Leben lehren soll, dann kann man gewisse Schlussfolgerungen ziehen.
Zuallererst: er war auferstanden. Das bedeutet, das Leben endet nicht mit dem Tod: Es gibt noch mehr als das: Wir werden wiedergeboren. Und er wurde in wirklich gute Umstände wiedergeboren, richtig? Wenn meine Kenntnisse des Christentums richtig sind, saß er zur Rechten Gottes. Das ist eine wirklich gute Situation, in die er wiedergeboren wurde. Was ermöglichte ihm diese unglaublich Wiedergeburt? Wie hat er sie sich verdient?“ Und dann sagte ich: „Wir müssen uns sein Leben betrachten.“
„Einige Schlussfolgerungen: Punkt 1: lange zu leben bestimmt nicht, wie man wiedergeboren wird. Die Länge eines Lebens ist nicht der Punkt, denn Jesus lebte nicht sehr lange. Punkt 2: wie viel Schmerz man aushält, wie schmerzlos oder angenehm dein Leben ist, ist ebenfalls nicht der Punkt, denn Jesus lebte und starb unter schwierigen und schmerzvollen Umständen. Wir müssen uns eher sein Leben ansehen und erkennen, dass die wahre Botschaft seines Lebens die war, wie er andere Menschen behandelte, insbesondere die, die von anderen nicht geschätzt wurden: die Kranken, die Entrechteten, jene die sozial niedrig standen. Es ist die Art und Weise, wie er andere Mitmenschen behandelte, das war der Maßstab dieses Menschen. Deswegen ist er in gute Umstände wiedergeboren worden.
Deshalb würden wir Buddhisten Jesus für einen großartigen Lehrer halten und in seinem Handeln Weisheit entdecken. Wir können die Weisheit finden, zu verstehen, dass die Art und Weise wie wir dieses Leben leben, über das nächste Leben entscheiden wird (was für ein Leben auch immer das sein wird). Wir können die Weisheit finden, zu erkennen, dass das der Schlüssel ist. Das heißt, während wir durch dieses Leben gehen, sollten wir uns bemühen, mit seinem Verhalten zu wetteifern. Das bedeutet also, dass wir selbst Jesus werden und nicht seine Macht anbeten. Deswegen würden wir Jesus als einen Lehrer betrachten.“ Er sah mich an und ich dachte, „Uh, oh, jetzt kommt’s.“ Und er sagte, „Das ist absolut korrekt. Woher haben Sie das gewusst?“
Nebenbei bemerkt, ich hatte im Grunde gerade an dem Wochenende zuvor das gleiche Gespräch mit Dekan Carter[^1] zu derselben Frage geführt und er hatte gesagt, “Ja, das ist absolut korrekt. Schade, dass nicht mehr Christen das wissen.“
Im Modell der Mentor-Schüler-Beziehung bleibt der Mentor ein menschliches Wesen und weil er ein menschliches Wesen bleibt, wird er zum Vorbild für das, was man erreichen kann. Man hat nicht nur die Möglichkeit, sondern du bist herausgefordert, dieselbe Sache zu tun. Wie Präsident Ikeda in seinem Dialog über das Lotus-Sutra sagt, fordert die Mentor-Schüler-Beziehung Sie, den Schüler, dazu auf, einen radikal anderen Blick auf sich selbst zu werfen. Sie können nicht länger daran glauben, unzulänglich und unfähig zu sein und nicht die gleichen Qualitäten zu haben wie der Mentor. Wenn Sie als Schüler das Modell der Mentor-Schüler-Beziehung bevorzugen, werden Sie als Schüler erkennen, dass der Mentor die Latte hochangesetzt hat, das demonstriert die unglaubliche Kapazität des Menschen. Ob es sich um Shakyamuni, Jesus, T’ien-T’ai, Nichiren oder Präsident Ikeda oder um wen auch immer handelt: Der Mentor verfolgt mit seinem Leben nicht die Absicht zu sagen: „Sieh mich an, wie großartig ich bin.“ Die Absicht, die der Mentor mit seinem Leben verfolgt, ist: „Sieh mich als ein Beispiel dafür an, wie groß du werden kannst.“ Das ist eine radikal andere Sicht. Das ist eine Herausforderung. Es ist schwer, das zu glauben.
Wenn wir einen großartigen Mentor sehen und was sie mit ihrem Engagement, ihrem Mut, ihrer Barmherzigkeit und ihrer Weisheit geschaffen haben, möchten wir am liebsten sagen: „Sie müssen anders sein als wir“, weil wir uns unserer Schwäche, unserer eigenen Begrenztheit, unserer schlechten Charakteranlagen, unseren schlechten Gedanken und all diesen Dingen so schmerzlich bewusst sind. Mit all diesem Wissen können wir uns nicht vorstellen, dass in diesem selben Menschen auch dieselben, wunderbaren Qualitäten, [die wir beim Mentor wahrnehmen] wohnen. Tatsächlich dreht es sich nur um diesen einen Punkt. Der gegenseitige Besitz der zehn Welten lehrt uns, dass ein Buddha zu sein bedeutet, ein gewöhnlicher Sterblicher zu sein. Ein gewöhnlicher Sterblicher, der schwach ist und faul, der all diese negativen Charaktereigenschaften besitzt, besitzt alle Qualitäten des Buddha.
Shakyamuni hat in seinem Lotus-Sutra uns auf seine Weise zu lehren versucht - nicht nur wie großartig das Leben von Shakyamuni ist - sondern wichtiger: wie großartig das Leben eines jeden einzelnen Menschen ist. Er lehrt uns, dass wir ewig und ursprünglich die Buddha-Natur besitzen. Dass auch wir sie in unserem täglichen Leben zeigen können. Unglücklicherweise haben innerhalb von einigen Generationen nach seinem Tod, seine Schüler diesen Ansatz verloren und begannen zu glauben, dass Shakyamuni etwas ganz Besonderes war. Das er anders war, dass er so war, wie Sie und ich niemals werden sein können. Dann, wenn Shakyamuni über uns schwebt und wir uns unten ansiedeln, entsteht natürlich da diese Lücke, die dazwischen liegt. Und wer passt bequem da hinein? Priester! Sie schaffen sich ihre eigenen Arbeitsplätze. Wenn sie Sie auf die Stufe des [Religions-] Begründers heben, haben sie nichts mehr zu tun. Deshalb, wenn Sie selbst auf der Tastatur Ihrer schwächeren Natur spielen, liegt es nicht sehr im Interesse der Priesterschaft, Sie daran zu erinnern, dass Sie daran glauben sollten, Sie hätten auch diese Macht.
So werden Priester zu Abgesandten, zu Boten. Sie sagen Ihnen: „Mach dir keine Sorgen. Ich werde auf die Spitze des Berges gehen und die Botschaft des Buddha mitbringen. Vertrau’ mir. Ich werde dir erzählen, was er gesagt hat. Aber du kannst nicht gehen, nein, nein, nein.“ In dem Augenblick, in dem das passierte, ging die Menschlichkeit des Buddhismus verloren.
Es zentriert sich auf die Priester und die Vermittler. Aber für gewöhnliche Menschen, wie Sie und ich, Menschen des Alltags, die ihr tägliches Leben führen, hat sich der Buddhismus davon entfernt in unserem Leben lebbar zu sein. Wir werden abhängig von Vermittlern, die uns sagen, was richtig ist und die für uns interpretieren und die uns helfen zu verstehen und die uns Weisheit geben. Wir gehen zu ihnen und sie beten für uns, ihre Gebete sind auf irgendeine Weise machtvoller. Sie sind ein wenig näher an Gott, weil sie diejenigen sind, die auf den Berggipfel sind. Das gleiche passierte Jesus. Der menschliche Jesus wurde zu Herr Jesus.
Sehr interessant ist ein anderes Modell des religiösen Glaubens: das feudalistische Modell von einem Gutsherren, einem Feudalherren. Also, da gibt es den Herrn Jesus, den Gott Shakyamuni, und wir sind die Landarbeiter des Glaubens, richtig? Und wir werden, wenn man so will, ewig die Landarbeiter oder die besseren Leibeigenen im Glauben bleiben. Wir werden dem Krämerladen des Gutsherrn immer etwas schuldig bleiben und genauso wird es unseren Kindern ergehen. Sie werden die Schulden sozusagen erben.
Es heißt, dass der Buddhismus drei Tugenden besitzt, die der Eltern, des Lehrers und des Herrschers. Weil Nichiren Daishonin den Gohonzon eingeschrieben hat, besitzt der Gohonzon diese drei Tugenden genauso. Aber das beinhaltet drei Beziehungen. Da gibt es die Eltern-Kind-Beziehung, die Mentor-Schüler-Beziehung und das Herscher-Thema. Wenn der Buddhismus die Funktion der Eltern besitzt, dann sind die Schüler Kinder des Buddha. Wir hören sehr häufig diesen Satz, dass wir alle Kinder des Buddha sind. Eigentlich, wenn der Buddhismus - wie uns die Geschichte lehrt - tatsächlich das Christentum beeinflusst hat, dann ist der Sohn Gottes tatsächlich das Gleiche [Buddha]. In dieser christlichen Sprache sind wir alle Töchter und Söhne Gottes. Aber ist das Eltern-Kind-Verhältnis das richtige Modell des buddhistischen Glaubens?
Damit der Gohonzon wie ‚Eltern’ funktioniert, Sie z.B. mit Liebe und Barmherzigkeit zu umarmen - damit also die Funktion der Eltern sichtbar werden kann, muss es da ein Kind geben. Deswegen ist ein Aspekt des Glaubens, sich dem Gohonzon in unserer Ausübung mit dem Vertrauen eines Kindes zu nähern. Nicht dass wir uns kindisch benehmen sollen. Diese Reinheit und Aufrichtigkeit, dem Buddha zu vertrauen, ist ein wichtiger Aspekt des Glaubens und Zweifel beeinträchtigen den Glauben. Wenn das Baby der Muttermilch misstrauen würde und sagen würde „Moment mal, ich möchte es erst untersuchen, bevor ich sie trinke“, dann wäre das Kind wirklich in Schwierigkeiten. Sicher, es geht nicht um blinden Glauben oder um blindes Vertrauen. Wir sollten Dinge hinterfragen, aber auch Vertrauen haben. Wie viele Male haben Sie, insbesondere von Menschen mit mehr Glaubenserfahrung gehört: „Vertrau dem Gohonzon.“ Damit Sie vertrauen können, lassen Sie Ihre Zweifel los und Sie werden Ihre Zweifel überwinden. Lassen Sie sie nicht da wo sie sind, überwinden Sie sie. Ich habe mir letzte Nacht Gedanken über ‚Glaube-ohne-Zweifel’ gemacht. Wir hören diesen Satz oft und unglücklicherweise ist die selbstverständliche Schlussfolgerung von ‚Glaube ohne Zweifel’, dass Sie niemals zweifeln sollen. Wenn Sie wirklich Glaube hätten, wenn Sie wirklich ernsthaft wären, würden Sie nie zweifeln. Und wenn Sie dann aber doch zweifeln, schämen Sie sich dafür. Sie müssen es verstecken, Sie müssen es unterdrücken. Sie können es keinem erzählen, weil es ein Zeichen dafür ist, dass mit Ihnen irgendwas nicht stimmt ... Und das ist ganz und gar falsch!
Jeder Mensch zweifelt. Tatsächlich ist es so, dass der Buddha im Lotus-Sutra den Zweifel nutzte, um den suchenden Geist seiner Anhänger zu entfachen, und sie jenseits des Ausgangspunktes geleitete, den sie zu verstehen glaubten, hinaus zu einer neuen Stufe des Glaubens. Sie brauchen sich wegen Ihres Zweifels nicht zu schämen. Sie sollten aufrichtig sein, diese anerkennen, sich damit konfrontieren und hineintauchen, denn ein tiefgründigerer Glaube erwartet Sie am Ende Ihres Weges. In der Tiefe Ihrer Zweifel liegt ein noch stärkerer Glaube, wenn Sie sie überwinden. Deshalb sollten Sie danach streben, einen Zweifel-befreienden Glauben zu leben. Keinen Glauben ohne Zweifel, sondern einen Zweifel-überwindenden Glauben. Die Stärke Ihres Glaubens anzuwenden und so zu praktizieren, um die Zweifel aufzulösen, führt zu einem stärkeren Glauben. Dies macht den Aspekt des Kindes aus.
Jedoch beinhaltet das Eltern-Kind-Verhältnis bestimmte Eigenschaften. Das Kind ist nicht gleichberechtigt zu den Eltern. Deshalb ist dieser Vergleich kein angemessenes Modell für die religiöse Gemeinschaft, weil Sie nicht abhängig von Ihrem Lehrer sein sollen. Dies würde ja bedeuten, immer um geistige Nahrung zu betteln, immer gesagt zu bekommen, was man zu tun hat, ohne die Möglichkeit selbst Weisheit hervorzubringen und eigene Entscheidungen zu treffen. Vom Mentor abhängig zu sein, ist nicht das korrekte Modell eines religiösen Glaubens.
Ein weiterer Aspekt ist der des Herrschers und des Untertanen. Dies entspricht dem feudalistischen Modell. Zum einen gibt es den Lehnsherrn und zum anderen gibt es die Bauern oder die Untertanen. Die Verantwortung des Lehnsherrn besteht darin, Schutz zu gewähren. Im feudalistischen System unterstanden ihm Armeen bzw. Soldaten, die dafür da waren, die Gemeinschaft zu beschützen. Die Aufgabe der Bauern war es, für den Anbau von Nahrungsmitteln zu sorgen und dem Lehnsherrn zu dienen. Dafür beschützte der Lehnsherr die Bauern. Auch Sie besitzen eine solche Schutzfunktion im Leben, wenn Sie Ihren Glauben sozusagen als engagiertes Fußvolk praktizieren. Dies drückt sich darin aus, ein guter Bürger in der buddhistischen Gemeinschaft zu sein. Heutzutage im Zeitalter der Demokratie ist die Gemeinschaft aus buddhistischer Sicht der „Herrscher“ und nicht das Individuum. In dem Maße, in dem Sie sich diesem größeren Ziel widmen, so z.B. in der Teilnahme an der großen Aufgabe für Kosen-rufu, üben Sie die Absicht des Buddhas aus und somit werden Sie als guter Bürger in dieser Gemeinschaft beschützt.
Der Aspekt des Herrschers und des Untertanen beinhaltet jedoch Seiten, die einem Modell des religiösen Glaubens nicht angemessen sind. Der Untertan, der Bauer könnte niemals zum Lehnsherrn in diesem feudalistischen System werden. Dort gibt es die Unterscheidung in höhere und niedere Persönlichkeiten, in Menschen, die Macht besitzen und Menschen ohne Macht. Es gibt keine gleichberechtigte Beziehung. Obwohl es wichtig ist, der Gemeinschaft zu dienen, was auch nicht in Frage gestellt wird, macht diese Haltung noch nicht das zentrale Modell des religiösen Glaubens aus.
Das zentrale Modell des religiösen Glaubens ist das Lehrer-Schüler-Verhältnis, weil es eine menschliche Beziehung ist und der Schüler anstreben kann, nicht nur gleichberechtigt zu sein, sondern vielmehr letztendlich den Lehrer zu überholen. Tatsächlich besteht die Intention des Lehrers darin, den Schüler nicht nur als gleichberechtigt anzusehen, sondern er wünscht sich, dass der Schüler das Gelernte über den Punkt weiter hinausentwickelt, an dem beide sich ursprünglich befanden. Dies versteht man unter einem korrekten Modell des religiösen Glaubens.
Es ist auch so, dass man sich seine Eltern nicht selbst aussucht - natürlich tun wir das karmisch gesehen – aber den Mentor wählt man selbst. Dies ist eine freiwillige Entscheidung. Und weil es auf freiwilliger Basis passiert, ist diese Beziehung eine der wichtigsten, die Sie überhaupt eingehen können. Es gibt im Japanischen einen Ausdruck, den man chudoshu nennt. Dieser steht für den suchenden Geist, der ein Leben lang anhält. Es ist nicht einfach, einen suchenden Geist das ganze Leben hindurch beizubehalten. Wenn man jung ist, gelingt es einem leichter. Je älter man wird, umso härter ist es, weiter zu suchen, auf dem Weg des nie endenden menschlichen Wachstums. Man sollte nie den Punkt erreichen, wo man meint, „es geschafft zu haben.“
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass wenn ich denke, es geschafft zu haben, ich mich in großer Gefahr befinde, weil es sonnenklar ist, dass ich es nicht schaffe, und zwar deshalb, weil ich mich in einem kontinuierlichen Entwicklungsprozess befinde. Ich suche ununterbrochen und dies ist ein wichtiger Aspekt unseres Glaubens. Es gibt ein buddhistisches Prinzip, welches als „juji soka ganjin“ bezeichnet wird. Dies bedeutet, dass Sie den Gohonzon mit Ihren drei spirituellen Orientierungsmöglichkeiten verehren. Wie ein Kind suchen Sie den Gohonzon und vertrauen ihm. Wenn Sie wie ein Schüler den Gohonzon suchen, so suchen Sie Nichiren Daishonin. Präsident Ikeda ist heutzutage Ihr Lehrer und zwar deshalb, weil er so ein gutes Beispiel für einen Schüler ausmacht. Präsident Ikeda zeigt Ihnen „so kann man als Schüler von Nichiren in diesem Leben seine Aufgabe wahrnehmen. Schauen Sie mich an, ich zeige es Ihnen. Ich will es Ihnen erklären. Ich erzähle Ihnen, wie man sich zu einem guten Schüler entwickelt.“ Die Tatsache, dass Präsident Ikeda so ein guter Schüler geworden ist, qualifiziert ihn erst dafür, ein guter Lehrer zu sein, der Ihnen zeigt, wie Sie gute Schüler werden können und sich so den gleichen Geist wie Nichiren aneignen.
Shakyamunis Schüler haben ihn wahrscheinlich mit dem Gefühl der Aufrichtigkeit auf eine spezielle Stufe erhoben, sie haben ihn auf ein Podest jenseits der Menschen gestellt. Ab diesem Moment war die Menschlichkeit im Buddhismus verloren gegangen. Nichiren Daishonin hat diese Schlüsselbedeutung gut verstanden und diesen Zusammenhang klar erkannt. Sie lesen in seiner ersten Gosho (seine Briefe an seine Anhänger) „Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben“, „Sie dürfen keine Lehre Shakyamunis und keinen Buddha und Bodhisattwa des ganzen Universums außerhalb Ihrer selbst suchen.“ Er macht diesen Punkt sehr klar. Shakyamuni Buddha existiert nicht außerhalb von uns selbst. Shakyamuni Buddha, gleichgesetzt mit der Welt der Buddhaschaft, existiert in uns und diese Lehre wiederholt er unzählige Male.
Nichiren Daishonin schrieb auch die Gosho, „Das Öffnen der Augen“, damit die Menschen ihre Augen für ihre Buddhaschaft öffnen können. Nichiren steht für die Tugenden der Eltern, des Lehrers und des Herrschers. Aber das ist nicht der einzigste Grund, weshalb er das „Öffnen der Augen“ geschrieben hat.
Er schrieb sie, damit Sie Ihre Augen auch für Ihre ureigenen Qualitäten öffnen können. Aber einige Generationen später wurde Nichiren Daishonin, der Mensch, ja, der großartige mitfühlende, weise Mensch, auch auf ein Podest gehoben. Dadurch wurden die Menschen degradiert und das Konzept des Wahren Buddha schloss nicht mehr Menschen wie „Du und Ich“ ein. Der Schatz des Buddha schloss nicht mehr Menschen wie „dich und mich“ ein! Dieselbe menschliche Natur zeigte sich, indem seine Schüler diese Botschaft vergaßen und Nichiren erhöhten.
Der 26. Hohe Priester, Nichikan Shonin, erinnerte sich an diese wesentliche Schlüsselbedeutung und betonte ihre Wichtigkeit erneut. Er sagte: „Der Lebenszustand Nichirens existiert in jedem von Ihnen, im Leben aller Menschen, die Nam-Myoho-Renge-Kyo zum Gohonzon chanten. Sie sind Nichiren Daishonin.“ Doch diese Schlüsselerkenntnis verschwand erneut.
Es war kein Priester, der sie wiederentdeckte. Es war Makiguchi, der sie an Toda weitergab. Toda gab sie an Präsident Ikeda weiter und dieser bemüht sich, sie an alle Menschen weiterzuleiten. Diese Schlüsselbedeutung sagt aus: Sie dürfen niemals zulassen, dass irgendwer über Ihnen steht. Das Mentor-Schüler-Verhältnis ist ein menschliches Verhältnis. Es ist wahr, dass große Lehrer außergewöhnliche Menschen sind. Sie stekken sich höhere Ziele. Es ist sehr schwer, es ihnen gleichzutun. Aber die Absicht und die Bedeutung deren Lebens ist nicht, das ihrige in den Vordergrund zu stellen. Sie lehren vielmehr die Bedeutung des Lebens aller anderen Menschen. Es geht darum, dass auch Sie sich vorstellen können, dass auch in jedem von Ihnen ein so außergewöhnlicher Mensch steckt. Es geht darum, dass auch Sie solch große Qualitäten entwickeln.
Der Lehrer sagt hierzu: „Schauen Sie mich an, ich zeige Ihnen, wie das geht.“ Doch es fällt Ihnen schwer, daran zu glauben, es ihm gleich zu tun. Oftmals habe ich Leute sagen hören: „Oh ja, Präsident Ikeda kann solche Dinge, ich aber nicht.“ Man spricht in einer Sprache über ihn, so als wäre er besonders. Natürlich ist er ein großartiger Mensch. Das empfinde ich auch so. Doch im selben Augenblick, in dem ich glaube, dass er etwas besitzt, was ich nicht habe, habe ich die Möglichkeit meines Potentials bestimmt und festgelegt. Aber ich besitze das gleiche Potential wie er und zwar in dem Ausmaß, dass ich von ihm lernen kann und durch sein Beispiel, durch seine Worte und Aktionen erkennen kann, was ich tun sollte, um meine eigenen Begrenzungen zu überwinden. Ikeda sagt so oft, dass er eben nur einer von Milliarden Präsident Ikedas oder Shinichi Yamamotos auf diesem Planeten ist. Es geht darum, auch ein Mensch mit einer solchen Kraft zu werden, und nicht nur seine Kraft auszusaugen.
In diesem Sinne ist das Mentor-Schüler-Verhältnis das ideale Modell des religiösen Glaubens. Die Ausrichtung des Menschen ist hier ganz anders: sie fordert den Schüler auf, ganz anders über sich selbst zu denken. So können Sie eine beispielhafte Richtungsänderung bezüglich Ihrer Persönlichkeit einschlagen.
Vor kurzem habe ich ein sehr interessantes Buch gelesen, dessen Titel lautet „Weshalb muss sich das Christentum ändern, um nicht auszusterben“. Geschrieben wurde es von einem Bischof der Episkopalkirche, von dem man behauptet, er sei etwas radikal. Sein Name ist Spong. Er stellt eine ganze Reihe wichtiger Behauptungen auf. Zuallererst sagt er, dass Gott nicht im Sinne von Unterscheidungsmerkmalen verstanden werden darf. Solange die christliche Kirche über Gott als den „da oben“ spricht, wird die Kirche da draußen aussterben, weil es keinen Ort dort oben gibt. Wo sollte er denn auch sein? Im Gegensatz dazu verwendet er eine interessante Sprache, die aussagt „Sie sollten Gott in Form von innewohnenden Merkmalen verstehen.“ Weiterhin sagt er, „Sie sollten Gott als Ausgangspunkt betrachten, von dem Sie sich von der Erde erheben.“
Zweitens betont er, dass Sie Jesus nicht als Gott, sondern als Lehrer betrachten sollten. „Solange die christliche Kirche an ihrer Haltung festhält, ist sie dazu bestimmt, auszusterben. Die alten Modelle haben ihre Wirksamkeit verloren. Die Menschen haben sich über das feudalistische Lebensmodell hinausentwickelt. Drittens sagt er: „Sie dürfen die Kirche nicht als Institution oder Gebäude betrachten, sie ist vielmehr eine Gruppe von Menschen.“ Ist das nicht interessant?
Als ich das Buch ausgelesen hatte, sagte ich mir, „Das Christentum entwickelt sich exakt dorthin, wo der Buddhismus sich derzeit befindet. Die obige sprachlich konträre Auseinandersetzung ist genau der Grund, weshalb sich viele Christen angezogen fühlen.
Er sagt: „Es befinden sich eine Menge Christen im Exil, die einen tiefen Glauben besitzen, sich jedoch nicht mit den Lehren, die von der Kanzel ausgesprochen werden, identifizieren können.“ Wenn die richtige Sprache angewandt wird und die Zusammenhänge erkannt werden und die Menschen als jene, die sich von der Erde erheben angesehen werden, wenn Jesus als Lehrer betrachtet werden kann und solche Dinge anders gesehen werden können, dann wird es viele Menschen geben, die sich sofort zu Hause fühlen werden.
„Die Soka Gakkai in Amerika“ ist einen Studie über unsere Organisation, die von Herrn Phillip Hammond von der Universität Kalifornien in Santa Barbara durchgeführt wurde. Er machte eine Studie über unsere Bewegung und daraus entstand eine gute Analyse unserer Organisation. Sie können viel daraus lernen. Er stellt eine ganz interessante Behauptung auf.
Demographische Untersuchungen in Amerika haben ergeben, dass es drei unterschiedlich denkende Gruppierungen in Amerika gibt. Die erste Gruppierung sind die Konservativen, sie sind Fundamentalisten und haben sich außerhalb der großen Städte Amerikas angesiedelt. Circa 30 % der amerikanischen Bevölkerung gehört zu den Konservativen. Diese Menschen wollen wieder zurück zu den alten Zeiten und den damaligen Werten. Sie glauben, dass die Vergangenheit besser war, als die Gegenwart und dass die Lösung darin besteht, zu den Werten der guten alten Zeiten zurückzufinden. Sie sind Traditionalisten. In der religiösen Terminologie würde man sie als Fundamentalisten bezeichnen.
Die zweite Gruppe sind die Progressiven. Circa 40 % der Amerikaner sind progressiv denkend. Diese Menschen glauben an den Fortschritt und die Wissenschaft und an das Anhäufen von Geld und an das Streben nach Erfolg. Diese Dinge, so meinen sie, machen das Glück der Menschen aus.
Die anderen 30 % der Amerikaner haben sich über den Fortschrittsglauben hinaus bewegt. Sie glauben auch an die Wissenschaft, den Fortschritt usw., doch sie haben erkannt, dass diese Dinge allein nicht zum erwünschten Glück führen und haben sich weiterbewegt. Sie denken über Spiritualität nach. Der Glaube dieser Menschen entspricht in etwa auch unserem Glauben. Dies bedeutet, dass es 44 Millionen volljährige Amerikaner gibt, die pro-buddhistisch eingestellt sind. Sie sind Buddhisten, ohne es zu wissen.
Ebenso hat er festgestellt, dass die meisten Menschen, die den Buddhismus praktizieren, keinen radikalen Gesinnungswandel durchgemacht haben, als sie auf den Buddhismus stießen. Es war eher so, dass sie sich sofort zu Hause fühlten, als sie mit dem Buddhismus bekannt gemacht wurden. Sie stellten fest, dass es immer schon das war, was sie glaubten. Herr Hammond stellte fest, dass es wegen der Inhalte überraschenderweise keiner großen Überzeugungsarbeit bedurfte. Es ist eine Entdeckungsreise, wobei das Gefühl entsteht, dass man eine Gruppe, einen Ort und einen Lehrer gefunden hat, die/der dem entspricht, was man schon immer glaubte. Herr Hammond stellte fest, dass es 44 Millionen Menschen in Amerika gibt, die darauf warten, die Praktizierenden des Nichiren Daishonin Buddhismus kennen zu lernen. Das ist eine ganz schön aufregende Vorstellung.
Letztendlich glaube ich, dass das Mentor-Schüler-Verhältnis sich auf die spirituelle und moralische Entwicklung des Charakters der Schüler bezieht. Für uns ist dies eine Herausforderung. Dieses Modell verlangt von uns anders zu denken und zwar über unsere Begrenzungen hinaus. Wir nehmen das traditionelle Verständnis über das Menschsein nicht so an und hören damit auf, eine externe Macht anzuflehen, um uns zu helfen, weil wir glauben, dieser Aufgabe nicht gewachsen zu sein. Es fordert uns heraus, tiefer in uns hineinzuschauen, um die Größe unseres Wesens zu entdecken und die Herzen jedes einzelnen Menschen zu sehen. Die großen Qualitäten sind Mut und Vertrauen, Hoffnung und Weisheit und Durchhaltevermögen, die alle von uns gleichermaßen ursprünglich besitzen, was aber immer wieder verneint wird. Wir befinden uns diesbezüglich im Unglauben, weil wir bislang keine Methode kannten, womit wir das Reservoir unserer Größe erschließen und es uns gestatten konnten, es zum Vorschein kommen zu lassen.
Gewöhnlich ist es so, dass Sie von der Religion, Philosophie oder durch die Erziehung allzu oft gesagt bekommen, dass Sie unvollkommen sind. Anders zu denken wäre sogar arrogant, z.B., dass tief in Ihnen noch vieles mehr verborgen ist. Deshalb vertrauen Sie anderen und setzen Ihr Vertrauen in jene, die Ihnen großartiger erscheinen und dies muss sich ändern.
Die Buddhaschaft befindet sich dort, wo Sie zu Ihrem Wahren Selbst erwachen. Nichiren Daishonin zeigt Ihnen die Praxis, wie Sie zu sich selbst finden. Er hat sein Leben in den Gohonzon eingeschrieben, sodass wir nicht sein Leben oder seine Kraft verehren. Es ist eher so, dass wenn Sie zum Gohonzon chanten, Sie den Schlüssel für Ihr wahres Selbst besitzen. Dieser Schlüssel ist „Nam-Myoho-Renge-Kyo Nichiren“. Widmen Sie sich mit Ihrem Geist, Ihrer Stimme und Ihrem Körper dem mystischen Gesetz von Ursache und Wirkung, dann werden Sie ein Leben wie das von Nichiren manifestieren.
Das Gesetz und der Buddha in Ihrem Leben ist ein und dasselbe. Der Gohonzon verkörpert diese Wahrheit auch für zukünftige Generationen. Nichiren kannte die menschliche Natur, er wusste, dass kurz nach seinem Tode diese Wahrheit in Vergessenheit gerät. Ich stelle mir vor, dass er ununterbrochen nachdachte, „Wie kann ich diese Lehre für die Zukunft bewahren, sodass, wenn der Schlüssel verloren geht, jemand dazu in der Lage sein wird, ihn wiederzuentdecken, um die große Kraft des Buddhismus und der buddhistischen Praxis zu enthüllen?“ Aus diesem Grund hat er den Menschen den Gohonzon genau vor die Nase gehängt.
Der Schlüssel hängt genau vor Ihrer Nase. Doch wenn Sie Daimoku zum Gohonzon chanten und dabei glauben, dass die Kraft außerhalb Ihrer selbst liegt und dabei denken, dass der Gohonzon vielleicht sogar herumrennt und Ihre Gebete erfüllt, dann haben Sie den Schlüssel falsch verstanden.
Die Nichiren Shoshu Priesterschaft hat auf jeden Fall diesen Schlüssel missverstanden. Sie glauben, so lehren sie, dass der Dai-Gohonzon die Wurzel allen Glaubens ist. Der Hohe Priester ist der Stamm. Der lokale Priester ist der Zweig. Ihr Gohonzon ist das Blatt und die Kraft des Gohonzons erfährt man durch den Hohen Priester. Sie glauben, dass Nam-Myoho-Renge-Kyo Nichiren dafür steht, dass der Priester die Buddhaschaft besitzt, anstatt jeder Mensch. Sie glauben Nam-Myoho-Renge-Kyo Nichiren steht für „Ich, der Hohe Priester bin der Wahre Buddha“, anstatt „Sie und alle anderen Menschen sind die wahren und ursprünglichen Buddhas.“
Unglücklicherweise sind die Blätter, Ihre Gohonzons, vom Baum gefallen. So hat der Priester Nagasaki in New York gelehrt. Ihre Blätter sind vom Baum gefallen. Dies ist offensichtlich falsch. Wenn Sie die Gosho lesen, wird es klar, dass es so nicht sein kann. Doch die Aussage des Priesters scheint zunächst glaubhaft. Sie ist deswegen glaubhaft, weil ganz tief in Ihnen der Selbstzweifel nagt. Dann besteht noch der Wunsch und die Sehnsucht danach, dass jemand kommt, um Sie zu navigieren, ist es nicht so? Man denkt, die Priesterschaft besteht aus jenen Menschen, die zu wissen scheinen, was gut für einen ist. Deshalb setzen Sie Ihr Vertrauen in sie. Das ist ein großer Fehler.
Der eigentliche Nutzen der Priesterschaft besteht darin, dass Sie durch sie das korrekte Modell des Glaubens lernen können. Vor der Exkommunizierung hatten auch Sie Ihr Vertrauen in die Priesterschaft gesetzt. Jetzt ist Vertrauen ein wichtiger Bestandteil des Glaubens. Sie können vielleicht den Menschen mit mehr Glaubenserfahrung vertrauen oder auch anderen Menschen vertrauen, aber letztendlich ist es wichtig, nie zu vergessen, dass man nur selbst für sein eigenes Leben verantwortlich ist. Das Leben ist eine Reise. Es gibt Passagiere und es gibt Fahrer. Für Sie ist es wichtig, ein Fahrer zu sein.
Es gibt viele, viele Menschen, die Passagiere in ihrem eigenen Leben sind: sie lassen jemand anderen ans Steuer. Wie oft haben Sie so was gesagt wie: „Du machst mich wütend. Hör damit auf!“ Das ist ein nervöser Beifahrer. Das ist ein Passagier. Was Sie eigentlich damit sagen ist: „Du hast Macht über meine Gefühle. Ich habe keine Kontrolle. Du bist verantwortlich für meinen Ärger und solange Du nicht damit aufhörst, bin ich unglücklich. Also hör damit auf!“ So sieht das Leben eines nervösen Beifahrers aus. Man muss das Verhalten anderer manipulieren, ihnen Anweisungen geben, sie Dinge erledigen lassen, die man gern hätte, so dass die Gefühle sich im Lot befinden. Was für ein dummes Lebenskonzept. Dabei ist es nicht verwunderlich, dass Sie das Steuer Ihres Lebens jemand anderem übergeben haben. Und dann sind Sie noch frustriert und wütend, wenn dieser nicht ordentlich das Steuer bedient.
Bitte übernehmen Sie das Steuer! Fahren Sie das Auto und bestimmen Sie die Richtung Ihres Lebens! Sie sind im Besitz der Kraft des Universums und das ist die stärkste Kraft in Ihrem Leben, mit der Sie Ihren eigenen Lebenszustand bestimmen können. Wenn jemand etwas macht, was Sie nicht mögen, müssen Sie nicht notwendigerweise ärgerlich werden. Sie wählen ihr Gefühl, weil es so richtig erscheint. Dabei haben Sie 10 Möglichkeiten.
Wenn jemand etwas macht, was Sie nicht mögen, können Sie den Höllezustand erleben. Sie könnten im Hungerzustand sein und sich etwas zu essen besorgen. Auch der Zustand der Animalität könnte sich melden. Sie könnten der Person grollen oder ähnliches fühlen. Auch der Ärgerzustand wäre eine Möglichkeit. Oder Sie könnten sich abkühlen und sich ins Zimmer zurückziehen, die Kopfhörer aufsetzen und Musik hören. Sie könnten sich im Entzückenszustand wiederfinden und so etwas sagen wie: „Oh, ich liebe es, wenn Du das tust“. Oder Sie könnten ein wenig mehr positiv damit umgehen, indem Sie sagen „Also ich kann wirklich viel dabei lernen, wenn Du Dich so verhältst“. Weiterhin können Sie sagen, „Dies hat mir soeben eine Erleuchtung beschert“. Oder Sie könnten Barmherzigkeit empfinden und sich fragen, wie Sie dem anderen helfen können. Sie könnte aber auch die Buddhaschaft hervorrufen. All diese Möglichkeiten stehen Ihnen zur Verfügung.
Solange Sie glauben, dass Sie keine Chance haben, sind Sie in den sechs niederen Welten verwurzelt und Passagier in Ihrem eigenen Leben. Nam-Myoho-Renge-Kyo handelt von dem Moment. Es handelt davon, den Moment zu ergreifen. Jeden einzelnen Augenblick Ihres Lebens zu ergreifen. So nehmen Sie die Macht in Ihre Hand und bestimmen über Ihre eigenen Möglichkeiten. Sie können anderen Menschen nicht ihr Verhalten vordiktieren oder sie gar kontrollieren. Es ist auch gut so, weil Sie es nämlich nicht mal bei demjenigen hinkriegen, über den Sie tatsächlich Kontrolle haben: nämlich bei sich selber.
Übernehmen Sie die Verantwortung über ihr Leben. Streben Sie nach Größe. Diese liegt in Ihnen. Es gibt nichts, was Sie nicht besitzen. Alles, was Sie brauchen, um glücklich zu werden, existiert seit dem ersten Tag Ihres Seins. Was Ihnen fehlt, ist der Glaube daran. Sie können dies nicht akzeptieren? Es scheint nicht so zu sein? Es scheint, als würde Ihnen etwas fehlen? Weil Ihnen schlimme Dinge vor Jahren passiert sind, glauben Sie, etwas sei falsch mit Ihnen? Gar nichts ist falsch an Ihnen! Es mag vielleicht etwas in Ihrem Denken verkehrt sein. Aber mit Ihnen selbst ist nichts verkehrt und das sind zwei verschiedene Sachen. Die Gedanken ändern sich ständig, aber es ist nicht so einfach, sich selber zu ändern. Doch glücklicherweise ist nichts falsch an Ihnen. Buddhisten gibt es in jeder Größe und in allen Körpermaßen; alle Stilrichtungen sind vertreten, alle Charaktervariationen sind vorhanden. Aber wir alle haben falsche Vorstellungen.
Abschließend wünsche ich mir, einen kleinen Beitrag dazu geleistet zu haben, das Mentor-Schüler-Verhältnis etwas klarer gemacht zu haben, so dass Sie mehr damit anfangen können. Ich glaube ganz fest, dass wir dem Gesetz folgen. Das Gesetz spricht aber nicht zu uns. Deshalb brauchen wir einen Lehrer. Wir können voneinander lernen. Doch letzten Endes sind Sie auf sich gestellt, mit Ihrem Karma vor Ihrem Gohonzon. Niemand kann für Sie Ihre Schwierigkeiten überwinden. Nur Sie können über Ihre Illusionen hinauswachsen. Nur Sie haben den Schlüssel zu Ihrer eigenen Größe. Die buddhistische Praxis ist eine Methode und es ist großartig einen Trainer zu haben, der Ihnen zeigt, wie es geht, der Sie inspiriert, wenn Sie nicht weiterwissen, wenn Sie hoffnungslos sind und vergessen haben, wie man praktiziert. Wenn Sie nicht glauben können, dass Sie Buddha sind, ist es schön etwas zu lesen, worin steht, dass Sie es aber doch sind. Das ist die Aufgabe eines guten Mentors. Der Buddha ist ein solcher Lehrer bzw. Trainer. Sie sind diejenigen, die zum Spiel antreten. Niemand sonst kann Ihr Spiel spielen.
Ich wünsche mir, dass Sie von jetzt an, auch wenn Sie die Mentor-Schüler-Beziehung nicht fühlen, noch am heutigen Tag versuchen, diese Beziehung dennoch fühlen zu wollen. Vielleicht sollten Sie mit Ihren Zweifeln kämpfen, vielleicht auch mit den Unsicherheiten, die dabei auftreten. Oder vielleicht sollten Sie sich bemühen, etwas zu verstehen, was Ihnen bisher Unbehagen einbrachte. Sie sollten dieses Thema nicht ignorieren. Sie sollten auch nicht denken, dass diese Fragestellung sich von alleine löst, oder es schlichtweg zu leicht nehmen. Sie sollten sich auch nicht von Ihren Gefühlen leiten lassen, so wie es jeder tut. Das Mentor-Schüler-Verhältnis ist der Schlüssel, der es Ihnen ermöglicht, Ihre persönliche Schatztruhe zu öffnen. So z.B. ein anderes Selbstbild zu erlangen, indem Sie aus dem Schlaf erwachen und den Wahren Buddha, den ursprünglichen Buddhazustand, der in allen Menschen steckt, zu entdecken. Vielen Dank. Ich wünsche Ihnen einen großartigen Tag!
[^1]: ^1^ Dekan Carter ist Dekan der Kapelle auf dem Gelände des Morehouse College
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