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Männererfahrungen

aus dem Männertrainingskurs in Trets

vom 27. September bis 2. Oktober 2002

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Hallo liebe Männer, hallo liebe Freunde!

Das hier soll ein Heft der Ermutigung sein, für uns und für alle Mitglieder der Soka Gakkai.

Genauso eine Ermutigung für unsere Freunde, die Nichiren Daishonins Buddhismus ausprobieren möchten.

Wir Männer tun uns schwerer als die anderen, unser Herz zu öffnen, andere an unserem Leben teilhaben zu lassen.

Ich hoffe dass dieses Heft einen Beitrag dafür leistet, dass Männer den Mut haben sollten, ihr Herz immer wieder und wieder zu öffnen.

Vielen Dank für alle Beiträge!

Mustafa Tanriyiöver

Männererfahrungen 1

Die Studienbeiträge 3

Die Strategie des Lotos Sutras 3

von Jürgen Lehmann 3

Bonno soku bodai 3

von Manuel Larossa 3

Bunkyo & Kamata 3

von Dietmar Vorfeld 3

Die Erfahrungen 3

Meine Erfahrung mit der Spende 3

von Akio Ando 3

Erfahrung 3

von Francis Wallace 3

Meine Erfahrung 3

von Günter Kirchstein 3

Erfahrung 3

von Liberto Riedel 3

Erfahrung mit meinem Vater 3

von Ulf Ballin 3

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[]{#_Toc47001392 .anchor}Die Studienbeiträge

Die Strategie des Lotos Sutras

von Jürgen Lehmann

"Die Strategie des Lotos-Sutra" (Antwort an Shijo Kingo) [^1]

„Masakado, ein wegen seiner Tapferkeit berühmter General, der die Kriegskunst beherrschte, wurde trotzdem von der Armee des Kaisers besiegt. Fan K´uai und Chang Liang versagten ebenfalls zum Schluss. Allein der Glaube ist es, worauf es wirklich ankommt. Ganz gleich, wie ernsthaft ich, Nichiren, auch immer für Sie bete - wenn Sie keinen Glauben haben, ist es so, als wolle man versuchen, nassen Zunder anzünden. Setzen Sie alles daran, die Kraft Ihres Glaubens zu verstärken. Betrachten Sie die Tatsache, dass Sie überlebt haben, als etwas Außergewöhnliches. Wenden Sie vor allem anderen die Strategie des Lotos-Sutra an. Dann werden, wie das Sutra sagt, ‚alle Feinde besiegt’ Diese goldenen Worte werden sich immer bewahrheiten. Glauben Sie daran von ganzem Herzen. Das Herz der Strategie und der Schwertkunst stammt aus dem Mystischen Gesetz. Einem Feigling wird keines seiner Gebete beantwortet.“

Die Frage die in der Gosho angesprochen wird lautet: Wie lässt sich das Schicksal eines Menschen verändern?

Diese Frage beinhaltet alle Fragen von Männern, die wir im Vorfeld zum Trets-Kurs bekommen haben.

Es geht nicht um Glauben im Allgemeinen, sondern um den Glauben, den man selbst hervorbringt. Dies gilt insbesondere in schwierigen Situationen. Wie lässt sich das umsetzen:

Ich möchte das anhand von folgenden drei Perspektiven/Beziehungen erläutern:

  1. Die Beziehung zu sich selbst

„Viele von uns sind zuversichtlich und optimistisch, aber wir alle müssen uns von Zeit zu Zeit mit Fragen der Selbstachtung auseinandersetzen“. Von welchem Selbst-Zweifel ist das eigene Leben durchdrungen. Wie stark sind die negativen Gedanken, die man gegen sich selbst richtet? Welche Art von Gedanken sind das? Gerade dann, wenn es am schwierigsten ist, entsteht das Risiko zu einer erhöhten (Selbst-) Destruktion. Pascual Olivera (Tänzer der im Video zur goldenen Hochzeit in einem Tanz mit seiner Frau zu sehen war) beschreibt in seiner Erfahrung: „Selbstzweifel überwinden“ sehr eindeutig, wie er sich entschlossen hat, die negativen Gedanken gegenüber sich selbst zu 100% zu besiegen.

„...nun kann ich wahres Mitgefühl und Wertschätzung für andere Menschen empfinden, weil ich Wertschätzung und Mitgefühl für mich selbst habe.“

  1. Die Beziehung zum Meister

Immer wieder höre ich von Mitgliedern, dass sie die Meister-Schüler-Beziehung als etwas mit Druck Behaftetes erleben. Meistens dann, wenn es um den Wunsch des Meisters geht. Sie empfinden dann frei nach dem Motto „Mein Meister wünscht sich von mir, dass ich dies oder jenes tue – ich bin also nur dann ein guter Schüler, wenn ich entsprechend des Wunsches des Meisters funktioniere.“ Jedoch wenn man den Wunsch des Meisters unter dem Aspekt „Zweifel überwinden/eigenen Glauben hervorbringen“ zu verstehen versucht, könnte man zu folgender Interpretation gelangen. Der Meister fordert seine Schüler auf, dass sie sich selbst (das eigene Leben) und das Leben der anderen ohne ein Jota von Zweifel respektieren. Durch diese Art von Glauben lässt sich das eigene Potential und das der Menschen in der eigenen Umgebung voll entfalten. Dies ist der buddhistische Humanismus.

  1. Die Beziehung zur ursprünglichen Lebensaufgabe

„Das Herz der Strategie und der Schwertkunst stammt aus dem mystischen Gesetz.“ Diese Erläuterung verweist auf die Einheit von Alltag und Glaube. In den drei geheimen Lehren wird das Daimoku als Weisheit bezeichnet. Deshalb ist das Daimoku von der von Weisheit durchdrungenen Tat nicht zu trennen. Dementsprechend bedeutet Mut, an seinen Idealen/am großen Wunsch des Buddhas, unter allen Umständen festzuhalten und sie voller Entschlossenheit zu leben. In der Realität empfindet man jedoch häufig, dass es etwas Äußeres gibt, welches die inneren Ideale einschränkt. Man denkt sich dann, gezwungenermaßen ist das so/so gebe ich meine Ideale auf. Mut ist die Überwindung dieser empfundenen Einschränkung. Und dies beginnt gemäß der inneren Ursache mit dem Lebenszustand, den man selbst hervorbringt. Und dies ist dann gleichbedeutend mit dem Glauben, den man selbst hervorbringt.

Bonno soku bodai

von Manuel Larossa

Zunächst die Frage, was bonno bedeutet.

Bonno setzt sich zusammen aus bon = Begierden und no = Leiden, Probleme. Der Begriff bonno stammt von dem Sanskritwort klesha ab, was Illusionen bzw. Begierden bedeutet.

Somit bezeichnet bonno Illusionen und Emotionen, die Menschen zu Leid und Verwirrungen führen, die allgemein als irdische Begierden bezeichnet werden.

Der Ursprung von irdischen Begierden sind die als Die Drei Gifte bezeichneten Ausprägungen der dem Leben innewohnenden fundamentalen Dunkelheit und den daraus resultierenden Illusionen über das Leben.

Irdische Begierden sind somit Lebenseinstellungen, Wünsche, Gefühle und Ansichten des Lebens, die sich aus einem im eigenen Leben vorherrschenden Lebenszustand ergeben, die aus den drei Giften stammen. Die drei Gifte entsprechen den drei Lebenszuständen von:

Habgier = Hunger

Ärger = Ärger

Dummheit = Animalität

Im Grunde bezeichnen also die irdischen Begierden alle Leiden, Wünsche und Ansichten über das Leben, mit denen wir als Normal-Sterbliche in unserem Alltagsleben konfrontiert werden. Diese gehen von Problemen in Partnerschaften, dem persönlichem Charakter, Leiden durch Tod eines Nahestehenden, dem Gefühl des Versagens, Resignierens, bis hin zu den Begehren nach Wohlstand, gesellschaftlichem Status, Anerkennung, Sexualität etc.

In der japanischen Tradition werden 108 Arten von Begierden überliefert. Diese Zahl entspricht auch der Anzahl der Perlen unserer Gebetskette. Deshalb sind zwei wesentliche Aussagen des Buddhismus, dass

1) das Leben eine Ansammlung von Begierden ist und

2) die Leiden des Lebens immer da sein und nie aufhören werden, zu keiner Zeit.

Was bedeutet der Begriff bodai ?

Bodai bedeutet Erleuchtung/Buddhaschaft. Um sich dem kaum fassbaren Begriff der Erleuchtung anzunähern, dienen sehr gut die Eigenschaften der vier Anführer der Bodhisattvas aus der Erde. Sie entsprechen den vier kleineren Perlen unserer Gebetskette, weil unser Leben auch mit diesen Eigenschaften ausgestattet ist. Diese sind:

Jogyo = wahres Selbst

Muhengyo = Ewigkeit

Jyogyo = Reinheit

Anryugyo = unzerstörbares Glück

Manifestiert man diese vier Eigenschaften, bedeutet Erleuchtung die tiefe Einsicht über das wahre Wesen des eigenen Lebens und dem daraus resultierenden unermesslichen Potenzial. Eine andere Möglichkeit, um den Buddhazustand zu verstehen, ist über die der Tugenden des Buddhas: Mitgefühl, Weisheit und Mut. Im Lotos-Sutra wird der erleuchtete Zustand in unserem Herzen in den folgenden Zeilen beschrieben:

Wenn die Menschen meinen, die Welt geht unter und alles wird von einem großen Feuer verzehrt, bleibt dies mein Land sicher und ruhig, voll von himmlischen und menschlichen Wesen. Die Hallen und Pavillons in den Gärten und Hainen sind mit verschiedenen Edelsteinen geschmückt. Prachtvolle Bäume sind voll von Blüten und Früchten, wo diese Menschen sich grenzenlos erfreuen. Sie machen beständig wunderbare Musik mit verschiedenen Instrumenten. Mandarava-Blüten regnen auf den Buddha und die große Versammlung herab. [^2]

Trotz der scheinbar unwirklichen Bilder dieses Textes gilt, dass der erleuchtete Zustand und seine Eigenschaften uns allen als Basis des Lebens zugrunde liegt, den wir jedoch nur sehr selten in unserem Alltag wahrnehmen.

Der Schlüsselbegriff zum Verständnis zu diesem Prinzip heißt soku. Der Begriff soku deutet auf eine „Untrennbarkeit“ zweier unterschiedlicher Aspekte hin und kann mit „das Gleiche“, „so, wie es ist“ oder „entspricht“ übersetzt werden. Zumeist wird das soku mit „sind“ übersetzt.

Die Übersetzung von soku mit „sind“ kann zu einem irrigen Verständnis führen, wenn es nicht weiter erläutert wird, denn: Die Leiden und Begierden des Alltags „sind“ nicht Erleuchtung.

Um vielleicht erst einmal einige Irrtümer vorzubeugen, wird aufgezeigt, was das Prinzip bonno soku bodai nicht bedeutet.

Der Begriff soku weist auf die Möglichkeit, auf die latente Existenz der Erleuchtung in unseren Begierden, Wünschen und Leiden hin. So wie die gegenseitige Beinhaltung der zehn Welten lehrt, gibt es keinen wesentlichen Unterschied zwischen der Welt der Buddhaschaft und den anderen neun Welten.

So, wie eine unreife, grüne Tomate mit der Zeit und wie von selbst reif und rot wird, oder ein rohes Ei mit der Zeit ein lebensfähiges Küken in seinem Inneren entwickelt, in diesem Sinne weist der Begriff soku auf eine inhärente Möglichkeit, ein latentes Potenzial der Erleuchtung in unseren Alltagsproblemen hin.

Das Prinzip soku ist jedoch ein rein theoretisches, es verweist auf keine praktische Umsetzungsmöglichkeit.

Was „könnte“ man mit unseren Leidenssituationen oder quälenden Begierden tun? Welche Lösungen werden überwiegend angeboten?

1) Man könnte die Leiden auslöschen! Bei genauer Betrachtung unserer Begierden gibt es auch solche, die lebenserhaltend sind, wie Schlafen, Essen, Fortpflanzung. Werden diese Begierden ausgelöscht, geht das einher mit der Auslöschung des Lebens selbst.

2) Man könnte sich einer transzendenten Macht oder Gottheit anvertrauen und um Lösung bitten. Dadurch gibt man jedoch auch alle Verantwortung und Handlungsmöglichkeiten ab und flieht in letzter Konsequenz vor den Herausforderungen des Lebens/der Realität.

3) Man könnte auch den Begierden trotzen, wodurch man ihnen andererseits soviel Aufmerksamkeit und Macht gibt, dass man sich ihnen wieder unterwirft.

4) Man könnte auch seine Begierden frei ausleben und zügellos nachgeben. Dadurch bestätigt und verstärkt man jedoch nur die karmische Tendenz des eigenen Lebens und graviert sie noch tiefer in sein Leben, wodurch das resultierende Leid nur noch stärker wird.

Nach all diesen Möglichkeiten, stellt sich die Frage, was der Buddhismus Nichiren Daishonins zum Prinzip bonno soku bodai erläutert.

Im Buddhismus Nichiren Daishonins umfasst das Prinzip soku eine dynamische Vorstellung von Transformation. So, wie das fundamentale Prinzip von Ursache und Wirkung lehrt, gibt es ohne Bemühungen auch kein Glück. Bei Nichiren Daishonin bedeutet soku den Gohonzon anzunehmen, mit der ganz praktischen Konsequenz für sich (chanten) und für andere (chanten und lehren) zu praktizieren. Beides ist die Ursache für die eigene Erleuchtung.

Den Gohonzon anzunehmen bedeutet für sich, den Lebenszustand des Daishonin über die Ausübung zum Gohonzon in sich selbst zu wecken und sein eigenes volles Potenzial sowie sein wahres Wesen zu erkennen und zu manifestieren.

Den Gohonzon anzunehmen als Ausübung für andere bedeutet, mit dem großen Schwur und dem eigentlichen Grund der Einschreibung des Gohonzons von Nichiren Daishonin zu verschmelzen.

Im Gegensatz zu dem oben erwähnten Beispiel der grünen Tomate und dem rohen Ei geschieht die Wandlung von den Leiden des Alltags zu dem Erkennen und Manifestieren des universellen Mitgefühls und der einhergehenden Buddhaschaft nach dem Prinzip der Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung sofort in unserem Leben.

Der Gohonzon ist das Leben Nichiren Daishonins, der, wie er selbst sagt, sein Leben in den Gohonzon mit Sumi-Tinte eingeschrieben hat. Welche wesentliche Auseinandersetzung beschäftigte Nichiren Daishonins Herz zu seiner Zeit? Als ein Grundpfeiler seiner Lehren wird die Abhandlung Rissho Ankoku Ron angesehen, in der Nichiren Daishonin die katastrophalen Umstände Japans zu seinen Lebzeit (Epidemien, Hungersnot, Zwistigkeiten innerhalb des Landes etc.) anhand verschiedener überlieferter Sutren analysiert und deren Ursache in dem Festhalten und Propagieren von falschen Lehren herausarbeitet. Das Festlegen der Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo und das Einschreiben des Gohonzons von Nichiren Daishonin entsprangen dem Wunsch, unzerstörbares, dauerhaftes Glück in die Herzen jedes einzelnen Menschen und somit Frieden und Glück in der gesamten Gesellschaft zu ermöglichen. Das tiefe Verständnis der Bauern von Atsuhara über das Anliegen der Verbreitung des Buddhismus zur Befriedung des Landes hat Nichiren Daishonin dazu veranlaßt, den Gohonzon als sein Testament für die gesamte Menschheit einzuschreiben.

Den Gohonzon anzunehmen bedeutet also das Herz Nichiren Daishonins zu seinem eigenen zu machen und somit den Wunsch zur Verbreitung der Lehre Nichirens aus dem Mitgefühl seinem Mitmenschen und seinem Land gegenüber im eigenen Herzen zu wecken. Präsident Ikeda erläutert diesen Zusammenhang, in dem er schreibt:

„Der große Wunsch nach weiter Verbreitung ist das Herz der Gosho. Er ist auch die spirituelle Säule des Lebens Nichiren Daishonins. „Großer Wunsch“ bezieht sich auf das grenzenlose Bestreben, das aus der Erleuchtung des Daishonin entsteht. Es ist der „ursprüngliche Wunsch unseres Lebens“, der ausgedrückt wird durch das Herz des Buddhas, das zu der Wahrheit erwacht ist, dass das Leben selbst die Wesenheit des mystischen Gesetzes ist, das eine große Gesetz, das alle anderen umschließt. „Zu erwachen“ heißt, sich an diesen ursprünglichen Wunsch zu erinnern.

Der Lebenszustand der Buddhaschaft und der große Wunsch nach Verbreitung sind ein und dasselbe. Daraus folgt, dass dieser ungeheure Lebenszustand sich nur bei denen zeigt, die Kosen-rufu verwirklichen wollen.“[^3]

Welche Funktion haben dann also Leiden, Begierden und Wünsche im Buddhismus Nichiren Daishonins?

1) Unsere Leiden brauchen uns nicht das Gefühl von Isolation zu geben, weil wir alle diesen Leiden ausgesetzt sind.

2) Das Annehmen und die Auseinandersetzung mit unseren Leidsituationen vor dem Gohonzon läßt uns unser wahres Wesen der Buddhaschaft erkennen bzw. manifestieren und vermehrt die Anteilnahme sowie das Mitgefühl unseren Mitmenschen gegenüber.

3) Unsere Leiden sind somit der Motor für unsere Bemühungen zur Verbreitung, weil auch die anderen Menschen ihre Leiden zur Verwirklichung ihrer Buddhaschaft und so zur Befriedung des Landes benutzen können.

4) Unsere Leiden werden zum Motor gemeinsamer harmonischer Aktivitäten und gegenseitiger Unterstützung.

5)

Begegnen wir in unserem Alltagsleben einem freudigen oder leidvollen Ereignis (bonno), von dem Begehren einer begehrten Person, über die Idee einer beruflichen Zukunft, über die Freude oder Enttäuschung eines Erfolgs oder Misserfolgs, über eine ärgerliche Situation mit einem Mitarbeiter/Mitglied oder Lebensgefährten, über die Diagnose einer Krankheit bei einer nahestehenden Person oder bei sich selbst, bis hin zum Tode eines Freundes, all diese Situationen können den Wunsch auslösen, sich der Ausübung von Nam-Myoho-Renge-Kyo zu widmen. Durch die entschlossene Haltung, sich das Herz des Gohonzons zu eigen zu machen (soku), manifestieren sich die Eigenschaften der vier Bodhisattvas bzw. die drei Tugenden des Buddhas in unserem Leben und neben der entstehenden Kraft und dem Mut erkennen wir unser wahres Wesen, was uns dazu führt, ein Leben in Richtung grenzenlosem Glück für uns selbst und andere aufzubauen und zu führen (bodai).

Bunkyo & Kamata

von Dietmar Vorfeld

Juan und ich hatten im Studium einen Teil übernommen, der die Einführung von Matthias in „Die Welt der Gosho“ plastisch machen sollte. An Hand der in der Daibyakurenge erschienen Artikel über die Kamata – und Bunkyo-Kampagne haben wir einige Zitate ausgewählt. Beide Texte waren ja im Kursheft abgedruckt. Anfang des Jahres (2003) schrieb Sensei in der Daibyakurenge über die Osaka-Kampagne.

Das sind ja alles ganz handfeste Schilderungen und Berichte von Mitstreitern, wie sie damals solch große Ziele erreicht haben. Ich habe übrigens vor einer Woche auch so eine Person kennen gelernt, die 1954 angefangen hat und 1956 mit Präsident Ikeda diese Osaka-Kampagne gewonnen hat. Es ist ein FA-Mitglied gewesen (Fr. Kazuko Araki), das bei uns im Bezirk zu Gast war. Ich war sehr beeindruckt von der großen Dankbarkeit und Bescheidenheit. Sie hat sich so gefreut, wie hier in Deutschland Menschen Daimoku chanten und diesen Glauben verbreiten.

Die Reaktionen auf diese Übersetzungen waren natürlich sehr unterschiedlich. 1953 und 2002. Dazwischen liegen fast 50 Jahre. Was kann man aus dem Jahr 1953 in das Jahr 2002 übertragen? Wie hat Präsident Ikeda es geschafft, die Menschen in Bewegung zu setzen, sie zu begeistern?

Eines der Zitate, das ich ausgewählt habe:

Ein Zeitzeuge berichtet:

Herr Hisao Ota

„Chanten wir gemeinsam“, sagte Sensei. So machten wir zusammen Sansho. Doch die Daimoku-Stimmen waren völlig unkoordiniert. Wir mußten viele Male wiederholen. Wenn ich mich richtig erinnere, haben wir neun mal wiederholen müssen. Erst beim zehnten Mal waren wir einträchtig. So etwas hatten wir zuvor noch nie erlebt. Es war wirklich überraschend. Es war die erste Unterweisung von Sensei.

Ein Zeitzeuge berichtet:

Herr Shosaku Shirai

Nachdem wir viele Male Daimoku-Sansho wiederholt hatten, sagte Sensei: „Wichtig in der Glaubenspraxis ist die Harmonie. Die Kraft des Einzelnen ist klein. Wenn wir aber gemeinsam handeln, wird die Kraft eines Menschen verfünffacht, ja verzehnfacht. Kämpfen Sie gemeinsam mit mir.“

Ich habe mich gefragt, ob so etwas heute möglich wäre. Ist das denn wirklich so wichtig, gemeinsam, quasi im „gleichen Takt“, zu beten, zu chanten, Daimoku-Sansho zu machen? Offenbar ist es wichtig, sonst hätte er es ja nicht geschrieben. Ohne Harmonie zu wenig Kraft – oder? Wahrscheinlich muss man das mal erfahren haben, sonst glaubt man das nicht und hält es am Ende für eine schikanöse Formalität. Große Aktivitäten mit Aufgaben, die eigentlich zu groß sind, sind gute Lehrstücke, wie damals. Davon habe ich mehrere Erfahrungen. Eine der letzten war der Besuch von Hiromasa Ikeda oder die Kinderbilderausstellung in Düsseldorf. Gemeinsames, wirklich entschlossenes und starkes Gongyo und Daimoku versetzt Berge. Sogar ein OB aus Düsseldorf bedankt sich schriftlich bei Präsident Ikeda. Wer hätte das gedacht?

Das nächste Zitat, das mir auffiel und auch eine gewisse Striktheit zeigte, ist folgendes:

Ein Zeitzeuge berichtet:

Herr Taihei Inoue

Es war auf einer Bezirksleiterversammlung. Als die Zeit des vereinbarten Versammlungsbeginns kam, ordnete er an: „Schließen Sie die Tür und sperren Sie sie ab.“ Dann eröffnete er die Versammlung. Es gab Bezirksleiter, die ein wenig verspätet kamen. Alle flehten an, sie hereinzulassen. Präsident Ikeda ließ sie zwar hereinkommen, sagte aber: „Wir haben uns gemeinsam mehrere Male vergewissert, dass die vereinbarte Zeit einzuhalten ist. Die Vereinbarung dennoch zu brechen und dadurch alle anderen Freunde zu stören, bedeutet Zerstörung der Eintracht der Mönchsgemeinschaft[^4]. Wir sind dabei, Schritte eines wichtigen Kampfes zu unternehmen und in Ihrer Tat, diese zu stören, manifestiert die Funktion des Bösen.“

Nach der Versammlung hatten die Mitglieder noch einmal einstimmig einen Eid auf die strikte Zeiteinhaltung geleistet. Danach gab es keinen einzigen mehr, der zu spät kam. Bis dahin war die Versammlung schlampig und gleichgültig organisiert worden. Mit diesem Zustand hat Sensei gründlich aufgeräumt.

Ist das denn so wichtig, bei einer Leiterversammlung pünktlich anzufangen? Und nicht nur pünktlich anzufangen, sondern dass auch alle TeilnehmerInnen pünktlich sind? Ist das der Schlüssel zum Erfolg? Sensei weist in seiner Antwort auf die „Eintracht der Gläubigen“ hin.

Ich selber hatte am Anfang meiner Praxis (1986) einen wunderbaren japanischen Bereichsleiter. Alle haben ihn sehr gemocht und seinen Rat und seine Nähe gesucht. Ich erinnere mich, dass ich auch mal vor der Tür stand, weil ich bei einer Leiterversammlung zu spät gekommen war und nicht mehr rein kam. Eine Zeitlang begann er auch immer fünf Minuten vor dem offiziellen Beginn einer Versammlung mit dem Gongyo. Das bezog sich auf Leiterversammlungen und nicht auf Mitgliederversammlungen. Das hat er auch nicht jahrelang gemacht. Dennoch hatte es den Effekt, sich zu bemühen, pünktlich zu kommen. Ich habe mich danach wirklich bemüht, nicht mehr zu spät zu kommen.

Das letzte Zitat:

Man pflegte damals immer zu dritt zum Shakubuku zu gehen: Einer war der „Vorsteller“, nämlich der, der den Gesprächspartner kennt, einer war der „Erfahrungserzähler“ und einer war der „Entscheidungsverantwortliche“. Diese Shakubuku-Methode hatte uns Sensei beigebracht. Tagein tagaus gingen wir aus, um fieberhaft Shakubuku zu machen.

Muss man Shakubuku-Machen denn organisieren? Irgendwie schon bzw. ist das nicht überhaupt Sinn und Zweck der Soka Gakkai und der SGI? Wenn ein großes Ziel erreicht werden soll, muss nach der effektivsten Methode gesucht werden und diese vorgenannte scheint sehr effektiv zu sein. Diese Methode funktioniert wirklich hervorragend. Es klappt leider nicht immer, sie anzuwenden. Aber aus meiner persönlichen Erfahrung kann ich sagen, dass dadurch zwei Männer in Düsseldorf Gohonzon empfangen konnten.

[]{#_Toc47001399 .anchor}Die Erfahrungen

Meine Erfahrung mit der Spende

von Akio Ando

Seit meiner Ankunft in Deutschland sind schon 37 Jahre vergangen. Die Jahre vergehen schnell!

Als ich vor 37 Jahren meine Heimat verlies, waren wir finanziell derart in Bedrängnis, dass ich mir noch nicht einmal die Reise leisten konnte, obwohl es nur für den Hinweg war - und Präsident Ikeda hatte mir sehr geholfen. Ich dachte, dass ich nie wieder die Heimaterde betreten könnte. Für meine Familie stellte sich dadurch ein weitaus größeres Problem ein, da ich damals auch für den Unterhalt mitgesorgt hatte. Mein Vater, der damals schon sehr krank war, und meine Mutter sagten mir:

„Wenn es Dein Entschluß ist, für die Kosen-rufu in Deutschland tätig zu werden, brauchst Du Dich nicht um uns zu sorgen. Wir werden ganz sicher vom Gohonzon beschützt. Geh’ nach Deutschland.“

In unserer Familie gab es schon vor meiner Geburt tragische Bergwerksunfälle, wobei mein Großvater und mein Onkel durch Gasexplosionen ums Leben gekommen sind. Nach dem Kriege wurde noch der jüngste Bruder meines Vaters durch eine herabfallende Decke untertage erschlagen.

Trotz dieser tragischen Erinnerungen befürworteten meine Eltern mein Vorhaben, nach Deutschland zu gehen und selber in einem Bergwerk zu arbeiten. Und als wir zwölf junge Männer in Deutschland ankamen, erfuhren wir sehr bald den unsagbar harten und gefährlichen Alltag der Bergarbeiter.

Zwei Jahre vergingen und ich erhielt die Nachricht, dass der Gesundheitszustand meines Vaters sehr kritisch sei. Er starb einige Tage, nachdem ich dieses Telegram erhalten habe. Es war unmöglich, das Geld für eine Heimreise aufzubringen. Aber ich war mir sicher, dass mein Vater, der mich für Kosen-Rufu hierher entsandt hat, friedlich starb.

Im dritten Jahr konnte ich mit Hilfe meiner Kameraden meine Mutter nach Deutschland holen, und der Alltag zu dritt in der Bergarbeiterunterkunft begann. Unser Lebensstandard war nach wie vor sehr dürftig und weniger als bescheiden, aber ich hatte mit meiner Frau den festen Entschluss geteilt, das Beste aus uns herauszuschöpfen und ganz weit nach oben zu kommen.

So konnte ich endlich nach viereinhalb Jahren dem gefährlichen Alltag im Bergwerk den Rücken kehren und ein neues Leben in Düsseldorf als Lagerarbeiter einer japanischen Firma beginnen. Hier arbeitete ich die nächsten zwölf Jahre, stets mit dem Ziel, das Beste zu leisten.

Im Jahr 1983 war es dann endlich soweit. Wir konnten uns selbständig machen und fingen mit einem sehr, sehr kleinen japanischen Lebensmittel- und Delikatessengeschäft mit einer Fläche von kaum 32 m^2^ an. Gleichzeitig fingen wir auch mit einem Lieferdienst an, den wir auch zwölf Jahre lang betrieben. Bereits nach drei Jahren fanden wir ein viel größeres Ladenlokal mit knapp 180 m^2^ in der Innenstadt und so zogen wir um.

1994 sollte in bester City-Lage die Shopping-Mall „Schadow Arkaden“ eröffnet werden und wir konnten nach langen und zähen Verhandlungen dort eine Fläche für ein Restaurant mieten. Unerwartet übertrafen die Baukosten unsere Vorstellungen und trotz der Top-Lage waren die Erträge eher bescheiden. Dennoch vereinten wir mit unseren Söhnen unsere Kräfte und arbeiteten täglich 14 bis 16 Stunden lang. Nach drei Jahren konnten wir endlich wieder schwarze Zahlen schreiben und ich berichtete Präsident Ikeda von unserem Erfolg. Präsident Ikeda hatte sich sehr über diese Nachricht gefreut und ließ uns folgendes mitteilen:

„Ihr habt Euch wirklich bemüht und es gut gemacht. Ich freue mich für Euch!“

Wir glauben, dass wir es als Familie nur so weit gebracht haben, weil es immer wieder Ermutigungen von Sensei gegeben hat.

Ein anderes Mal sagte er:

„Laßt uns lieber die steile Treppe hinaufsteigen anstatt bequem den Hügel herabzulaufen.

Und lasst uns das Leben leben, indem es der höchste Stolz ist, ein Kind der Soka-Gakkai zu sein.“

Wir glauben, dass es unser Leben ohne Dankbarkeit gegenüber Präsident Ikeda und der Soka-Gakkai nicht gibt.

Ich denke, dass dieses Gefühl und diese Haltung der höchsten Dankbarkeit der Geist der Spende ist. Es geht nicht um den Betrag, viel oder wenig, sondern viel mehr darum, die eigene Dankbarkeit zu spüren und diese auch Sensei entgegenzubringen. So kann man sich aufrichtig und ohne Zweifel jeder Spende beteiligen.

Wann immer wir die Chance hatten, uns an einer Spende zu beteiligen, so hat meine Frau immer alles gegeben – mit anderen Worten, wir waren immer dankbar, dieser Chance zu begegnen und wir haben immer wieder die größte Freude daran, uns mit der allergrößten Bemühung daran zu beteiligen.

Auch als wir noch in sehr einfachen Verhältnissen gelebt haben, sagte meine Frau immer, dass der einzige Weg, Wohltaten zu empfangen, nur die Spende sei. Ich bin auch davon überzeugt. Jeden Morgen, wenn ich vor den Schadow Arkaden stehe, frage ich mich, ob hier wirklich unser Restaurant ist.

Das bundesweit erhältliche Magazin „Der Feinschmecker“ und „Marcellino’s Restaurant-Report“ hat uns drei Jahre hintereinander als eines der besten Lokale empfohlen und mit Urkunden gekürt. Auch einige Lokalmagazine empfahlen uns unter ihren Top-Ten-Lokale.

Hier in Düsseldorf erweiteten wir unser Geschäft um zwei Verkaufsstände in den Filialen der Warenhauskette „Galeria Kaufhof“. Auch in Frankfurt gelang es uns im Kaufhof (an der Hauptwache) eine Filiale erfolgreich zu führen. Im nächsten Monat wird unsere große Zentralküche ihren Betrieb aufnehmen und eine weitere Filiale an der Oststraße bzw. Immermannstraße eröffnet.

Jeden Tag, wenn ich mit meiner Frau zum Gohonzon bete, bin ich voller Gefühle der Dankbarkeit. Danke sehr, Sensei! Soka-Gakkai for ever!!

Ich habe zusammen mit meiner Frau dieses Jahr an Sensei berichtet, dass wir in den nächsten zehn Jahren unser Unternehmen verzehnfachen werden. Wir sind zwar dieses Jahr 60 Jahre geworden, aber die nächsten 10 Jahre werden wir mit aller Kraft weiterarbeiten und sind entschlossen, noch viel mehr zu spenden.

In unserer Familie wächst nun die dritte Gakkai-Generation heran, und wir freuen uns beobachten zu können, dass unsere Söhne, die unsere Nachfolger in der Soka-Gakkai sind, sich mit noch mehr Energie für die Entwicklung unserer Firma einsetzen.

Erfahrung

von Francis Wallace

Wie jeden Morgen, holte ich meine Zeitung in dem Zeitungsladen an der Ecke und wie jeden Morgen grüßte ich die Verkäuferin mit: „Hallo guten Morgen, wie geht’s? “

Sie antwortete mir dieses Mal: „Schlecht, ich habe nichts zu lachen“. Völlig irritiert verließ ich schnell mit meiner Zeitung den Laden.

Die Verkäuferin entschuldigte sich für ihre Unfreundlichkeit vom Vortag und sagte, dass Sie das Gefühl hat, mir den Grund für ihr Unglücklichsein mitzuteilen. Sie fing an mir ihre Geschichte zu erzählen:

„Seit 11 Jahren bin ich nun verheiratet, aber seit einigen Monaten hat mein Mann nun eine Beziehung mit einer anderen Frau. Immer wenn ich mit ihm darüber reden möchte, sagt er einfach ‚Du spinnst!’ und geht.

Ich leide so, weil mir leider niemand zuhört, mich niemand unterstützt. Außerdem leide ich sehr darunter, keine Kinder bekommen zu können und ich wünsche es mir so sehr. Außerdem haben in meiner Kultur unfruchtbare Frauen nichts zu sagen. Immer wenn wir Urlaub in der Türkei machen, fragen mich Freunde und Familie: ‚Na, immer noch kein Kind?’

Das tut weh und ich habe gar keine Lust mehr auf Urlaub in meiner Heimat. Ich habe mich von einem Doktor untersuchen lassen und er riet mir zu einer Adoption. Mein Mann will von Adoption und solchen Dingen nichts hören. Manchmal redet er dann, Tage und Wochen nicht mehr mit mir, als wäre es meine Schuld.“

Als sie fertig war, sagte ich nur: „Ich verstehe dich. In meiner Heimat leiden die Frauen in der gleichen Situation wie du viel. Aber ich habe etwas für Dich.“ Ich schrieb ihr NAM MYOHO RENGE KYO auf einen Zettel.

Ich erklärte was diese Worte bedeuten und ermutigte sie mit meinem ganzen Leben. Sie bedankte sich und sagte mir, dass sie gestern schon das Gefühl hatte, ich würde ihr helfen. In dem Moment, in dem sie diese Worte sprach, wurde mir klar, dass mein eigener Glaube nicht stark genug war. Diese Frau, die vor mir stand, wollte keine Wohnung, keinen Freund (sie war verheiratet), sie wollte auch keinen neuen Job, sondern ein Baby, ein menschliches Wesen. Ich verabschiedete mich von ihr und ging nach Hause, um mich vor dem Gohonzon zu setzen. Ich chantete mit all meiner Kraft und mit meinem ganzen Glauben für ihr Glück.

Drei Monate später erzählt sie mir, dass das Chanten nichts bewirke, sie aber eine Freundin hat, der sie auch von Nam Myo Ho Renge Kyo erzählt hat und die jetzt wunderschöne Erfahrungen macht. Ich sagte zu ihr: „Wenn Deine Freundin wunderschöne Erfahrungen macht, dann wirst auch Du schöne Erfahrungen machen. Aber sag mir doch bitte mal, wie Du Deinen Wunsch formulierst?“ Sie antwortete: „Ich bete, dass die Freundin meines Mannes zum Teufel geht“. „Nein bete für ihr Glück“, erwiderte ich.

Anschließend erzählte ich ihr etwas von den buddhistischen Prinzipien und gab ihr darüber etwas zu lesen. Nach einiger Zeit sagte sie zu mir, dass sich zu Hause nichts geändert habe, aber sie sich so seltsam, ungewohnt gut und voll von Hoffnung fühle. Nach vier Monaten Daimoku sagte sie zu mir. „Mein Mann hat mir gestern, ohne dass ich ihn darauf angesprochen habe, gesagt, er habe seine Beziehung zu der anderen Frau beendet und es täte ihm sehr Leid“.

Am einem Abend saß ich vor dem Gohonzon, als mir meine Tochter das Telefon gab. „Sehr wichtig!“, sagt sie zu mir. Ich nehme das Telefon: „Hallo!“ Keine Antwort. Ich höre nur jemanden, der weint. „Francis, ich bin´s, Gülnaz. Warte, ich muss tief atmen“, sagt sie zwischen zwei Schluchzern. „Hast du Probleme?“, frage ich.

„Nein Francis, ich bin schwanger, ich bin...“ dreimal wiederholt sie sich.

Also, nach fünf Monaten Daimoku, erwartet sie ein Baby und im Juli 2000 bekam sie ein wunderschönes Kind, das Nejla heißt. Ich war so glücklich und bin es heute noch immer, wenn ich an diese Geschichte denke. Heute noch, ich ermutige sie, weiter zu chanten und lade sie zu Gruppenversammlungen ein.

„Das kann sie nicht machen“, hat sie gesagt, wegen ihres Mannes, er darf nicht erfahren, dass sie chantet.

„Chante, dass Du so was schaffst“ habe ich geantwortet. „Es ist unmöglich“, sagt sie.

„Dann chante weiter zu Hause“.

Ich war sehr überrascht, als sie mir am Anfang dieses Jahres sagte, dass sie gerne unsere Versammlung besuchen möchte.

Das hat sie gemacht und nicht alleine. Sie kam mit der Schwester ihres Mannes und beide haben Erfahrungen erzählt. Während sie erzählte, dachte ich an einen Abschnitt aus der Gosho:

Kein Gebet bleibt unbeantwortet.

Meine Erfahrung

von Günter Kirchstein

Hallo, ich heiße Guenter, bin 43 Jahre jung, in Bremen geboren und aufgewachsen.

Meinen Gohonzon habe ich am 5. 5. 1987 erhalten können. Zu dieser Zeit arbeitete ich als Auslieferfahrer der ersten Biobäckerei in Bremen. Hier habe ich auch meine spätere Frau kennen gelernt. 1988 kam unser erster Sohn zu uns, 1990 kam unser zweiter Sohn und 1994 sollte unsere Tochter folgen.

Die Erfahrungen die wir als junge Familie mit dem Gohonzon machten, würde ich im Nachhinein mit „Sicherheit und gute Umstände“ bezeichnen. „Frieden“ allerdings war weniger und auch schon mal gar nicht vorhanden. 1989 sind wir in eine kleine Gemeinde namens Holle (liegt bei Hildesheim) umgezogen, mit der Absicht, die Bäckerei meiner Schwiegereltern zu übernehmen. Mein Schwiegervater hatte uns natürlich zuvor diese Möglichkeit unterbreitet und wollte mich zum Bäcker ausbilden.

1½ Jahre weiter hatte ich den Gesellenbrief erreicht. 1992 ging mein Schwiegervater in den verdienten Ruhestand und ich fand mich wieder als stolzer Inhaber einer Traditionsbäckerei mit 13 Mitarbeitern, der sich zudem in Abendschulform um den Meisterbrief bemühte. Dann folgten drei gute Jahre, die Bäckerei war 6 Tage geöffnet, wobei ich für alle Mitarbeiter, auch für mich, die Fünf-Tage-Woche einführte. Das Betriebsklima war gut und vertrauensvoll. Natürlich gab es Durchsetzungskämpfe, Kündigungen usw. Auch war es nicht immer leicht mit meinem Schwiegervater. Ich sag mal: „Seine Bäckerei war sein Gohonzon“ (am 28.10.02 ist er verstorben).

Aber bis dahin war die Welt noch relativ in Ordnung, denn was nun folgen sollte, entwickelte sich für mich immer mehr zum Albtraum, der sieben Jahre lang anhalten sollte. Meine Bäckerei bekam den knallharten Verdrängungsmarkt zu spüren. Innerhalb von drei Jahren eröffneten drei neue Filialbäckereien, eine Tankstelle mit Bäckereiverkauf und diverse Bäckereiverkaufsfahrzeuge, die beinahe täglich durch Holle fuhren. Der sonst so lukrative Markt, den meine Bäckerei sich mit noch einer alteingesessenen Bäckerei teilte, war vollkommen aufgemischt. Der Umsatz schmolz unaufhaltsam. Um dagegen etwas zu unternehmen, habe ich ein zweites Geschäft eröffnet. Das aber erwies sich als Flop, an den ich fünf Jahre vertraglich gebunden war (Anfängerfehler!).

Es ist beinah nicht möglich, alles wiederzugeben, was sich ereignete: Diebstahl, Vandalismus, arbeitsgerichtliche Auseinandersetzungen, viele böse unzufriedene Worte und Handlungen, viele verzweifelte Tränen. Mein Schuldenberg wurde immer größer, ich musste immer weiter entlassen. Meine ältesten Mitarbeiter waren über 30 Jahre im Betrieb, aber ich hatte keine Wahl mehr. Die Kostenseite mußte der Einnahmenseite angepasst werden oder ich und meine Familie würde sich völlig verschuldet beim Sozialamt wiederfinden oder Schlimmeres.

Dann kam die Sonntagsöffnung und ich kroch auf dem sprichwörtlichem Zahnfleisch, zwei 624-DM-Kräfte und meine Frau für den Ladenverkauf und ich in der Produktion waren übrig geblieben. An einem normalen Familienleben war schon lange nicht mehr zu denken. Mein Glaube wurde mit den Jahren immer schwächer. Meine Frau und ich konnten nicht mehr gemeinsam chanten, die niederen drei Pfade waren mein Zuhause geworden. Unsere Kinder konnten natürlich unter dieser Situation nicht glücklich sein und natürlich blieben die Schwierigkeiten auch in der Familie nicht aus. In Zuständen, in denen ich überhaupt nicht mehr ein noch aus wußte, konnte ich aber immer öfter mehr und mehr Daimoku rezitieren und Shakubuku machen. Ich glaube, jede/r meiner ehemaligen Mitarbeiterinnen/er hat von Nam-myoho-renge-kyo gehört oder hat den Gohonzon gesehen; unsere privaten Freunde/Bekannten sowieso. Ich bekam Freude und Mut dadurch und Hoffnung. Menschliche Gefühle, die ich sonst nicht mehr fühlte, das erschien mir sehr mystisch, dass ein ausgebrannter Typ wie ich anderen Menschen von den Wohltaten des Gohonzon erzählte, wobei mein Wirkungskreis natürlich die allermeiste Zeit auf die Backstube und nähere Umgebung begrenzt war.

Gesundheitlich ging es mir immer schlechter, ich hatte auf einmal neurodermitische Hautausschläge an Armen und Händen und mein oberer Atmungsbereich war dauerhaft verstopft oder es lief eine beinah durchsichtige Flüssigkeit wie dicke Bindfäden aus meiner Nase. 2001 wurde nach einer dreitägigen stationären Untersuchung eine berufsbedingte allergische Erkrankung festgestellt.

Was sollte ich mit dieser Diagnose tun? Könnte es ein neuer beruflicher Anfang sein? Durch meinen Rehaträger war ich in jedem Fall für einen gewissen Zeitraum abgesichert. Aaber was kann ich denn noch werden? Außerdem hatte ich noch erhebliche Schulden abzuarbeiten. Zudem war meine brüchige Ehe bereits gescheitert, ich wusste es zu diesem Zeitpunkt nur noch nicht.

Es kam dann so wie es wohl kommen musste. Zzehn Monate später hatte ich vermutlich einen Allergieschock. Ich konnte mich nicht mehr bewegen; es war, als hätte ich während der Fahrt den Rückwärtsgang eingelegt. Es ging nicht mehr weiter. Jeder Versuch einer Bewegung war mit einem stechenden scharfen Schmerz verbunden.

Es war Sonntagnacht gegen drei Uhr; die Teige lagen auf dem Tisch; ich allein, keine Möglichkeit, Hilfe zu holen; panikunterdrückend glaubte ich an einen Herzinfarkt und dass ich jetzt sogar sterben könnte. Ccirka eine ½ Stunde später konnte ich mich ganz vorsichtig wieder bewegen, habe mich ins Bett gelegt und meine Frau hat ein Schild in die Ladentür gehängt: „Wegen Krankheit geschlossen“.

Nach der medizinischen Untersuchung hat sich ergeben dass es kein Herzinfarkt war. Resümierend hatte ich bis dahin sieben Jahre lang sieben Tage durchgearbeitet. Für einen Bäcker natürlich normal, immer nachts. Es war Januar 2002 und es war mein letzter Arbeitstag in der Bäckerei.

Am 2.2.2002 habe ich meinen Betrieb dann offiziell bei der Gemeinde abgemeldet und bin ins kalte Wasser gesprungen, denn der Stress sollte weitergehen, wenngleich auch etwas anders als bisher. Einen Betrieb abzumelden erfordert Aufwand und auch Nerven, allein die Daueraufträge, das Kündigen der Versicherungen und der verbliebenen Mitarbeiter. Wohin mit den verbliebenen Rohstoffen? Bankgespräche wegen der Schulden, Finanzamt usw. Zuerst mal Chanten, ich habe zwei, drei, manchmal auch vier Std. gechantet, um alles zu bedenken und dann abzuarbeiten.

Körperlich ging es mir nicht gut, meine medizinischen Werte waren dementsprechend: Blutfettwerte, Cholesterinwerte, Leberwerte, alles war zu schlecht. Ich mußte Diät halten. Und wie soll es beruflich weitergehen? Auf meinen Kontoauszügen stand ein dickes Minus. Meine Schwiegereltern machten mich für die Betriebsschließung verantwortlich. Somit waren Spannungen und Streit an der Tagesordnung. Bäckerei und Wohnhaus waren alle unter einem Dach. Wir konnten uns also schlecht aus dem Weg gehen, aber ich hatte ja meinen Gohonzon.

Ich sagte mir immer wieder: „Vertraue, chante, studiere und bemühe Dich um Koßen-rufu und es werden sich Wege öffnen.“ So vergingen die ersten zwei Monate nach der Betriebsschließung und es wurde April, der einen zweiwöchigen Berufsfindungslehrgang beinhalten sollte, in dem mein Rehaträger geprüft haben wollte, zu welcher Art Beruf ich noch in der Lage wäre, umgeschult zu werden.

Kurzum, dieser Lehrgang wurde für mich zu einer demütigenden Vorstellung. Ich war nicht mehr in der Lage einfachste Aufgaben, IQ-Tests usw. zu lösen. Ich hatte Schweißausbrüche bei jeder Anforderung. Trotz Daimoku und trotz Shakubuku, mein Ergebnis war deprimierend: „Burnout“.

Die untersuchenden Ausbilder, Ärzte und Psychologen saßen am Ende des Lehrgangs mit mir zusammen und erklärten mir in aller Deutlichkeit, dass ich zu „doof“ und/oder zu alt für alles wäre, was mich als neuen Beruf interessieren würde. Es wurde mir geraten, mich nicht zu überschätzen. Ich erhielt einige Empfehlungen und fing an, mich mit dem Gedanken anzufreunden, Kaufmann zu lernen.

Es war nicht so ganz das, was ich gern wollte. Als Bäckermeister bin ich bereits ein ½- Kaufmann, dachte ich mir im Stillen, aber aus dieser Ausbildung läßt sich für mich einiges rausholen. Ich sah mich im Geiste schon als selbstständigen Händler für Groß-u.Außenhandel. Ich kann chanten. Es wird schon werden. Würde zwar gern etwas Künstlerisch–kreatives machen. Mein Berufsfindungsergebnis sprach aber eindeutig dagegen; das war zu hoch gegriffen. „Schuster bleib bei deinen Leisten“, wurde mir gesagt.

Ich fing an mich für meinen möglichen Hochmut zu schämen. Mein Selbstbewußtsein war sehr weit unten. Zu Hause mochte ich von meinen schlechten Ergebnissen nichts erzählen und stotterte mir einen zusammen. Vverbergen ließ sich meine schlechte Gefühlslage trotzdem nicht und ich zog mich noch ein Stück weiter zurück. Heute weiß ich, dass ich mit meiner Familie offener hätte reden müssen.

Anfang Mai 2002 gab es das unvermeidbare Gespräch mit dem für mich zuständigen Sachbearbeiter meines Rehaträgers über das erzielte Ergebnis in Hamburg und was sich damit machen ließe. Dieses Gespräch fand bei mir zu Hause statt. Ich machte erst mal Kaffee, dann erzählte ich vom Gohonzon und Nam-myoho-renge-kyo, wobei er mir, so glaube ich, der Höflichkeit halber zuhörte, denn nach meinem verkorksten Ergebnis konnte der Gohonzon nichts Tolles sein!

Aber das war mir egal. Irgendetwas in mir ließ mich Shakubuku machen. Dann besprachen wir mein Abschneiden in Hamburg und ich versuchte zu erklären und zu entschuldigen und nach einigem Her und Hin eröffnete ich, dass ich gern eine Ausbildung zum Dipl. Musiktherapeuten machen würde. Ich hatte gelesen, dass eine Hochschule innerhalb des Berufsförderungswerkes in Heidelberg diesen Studiengang anbietet. In meinen ganz jungen Jahren war das mein Wunschberuf. Es ist mir nur nie gelungen, diese Ausbildung zu realisieren. Es fehlte entweder an den Zulassungsvoraussetzungen oder das Leben kam immer mit irgendetwas anderem dazwischen. Kurzum, damit hatte mein Sachbearbeiter nicht gerechnet. Ihm schien der Kaffee im Hals stecken zu bleiben. Aber ich meinte es ernst. Ich wollte an mich glauben, auch wenn es sonst niemanden um mich herum gab, der dies tat.

Mein Sachbearbeiter argumentierte zu Recht, dass die viertägige Prüfung, die mich in Heidelberg erwartet, eine kaum zu schaffende Hürde für mich darstellen würde. Eigentlich keine Chance auf Erfolg. Auch ist die Prüfung mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden. Geld ist bekanntlich knapp und er könne sich nicht vorstellen, dass seine Vorgesetzten das absegnen würden.

„Können Sie denn ein Instrument spielen?“, war seine nächste Frage. „Ich spiele hobbymäßig Gitarre“ antwortete ich. „Also gut, dann werde ich das meinen Chefs vortragen, aber überlegen sie sich schon mal eine Alternative.“

So gingen wir auseinander. Mitte Mai bekam ich dann die Zusage zur Teilnahme an der Aufnahmeprüfung, die am15.06.2002 stattfinden sollte, also vier Wochen Zeit für die Vorbereitung.

Diese Chance war einmalig für mich. Obwohl ich stark an mir zweifelte, diese Prüfung bestehen zu können, wollte ich mutig sein und das auf Gohonzonbasis durchziehen. Ich begann zu chanten und zu lernen. Am 24.05.2002, also drei Wochen vor der Prüfung, kam es dann noch mal ziemlich dick. In einem unachtsamen Moment hatte ich mir in den linken Zeigefinger geschnitten und den Innennerv durchtrennt.

Nach einer Nacht im Krankenhaus und einem operativen Eingriff, um den Nerv wieder zu verbinden und einer Gipsschiene um meine linke Greifhand, die ich dann fünf Wochen tragen sollte, fand ich mich in einer völlig veränderten Situation wieder. Ich war niedergeschlagen. Meinen Gitarrenvortrag konnte ich vergessen.

Erwähnenswert ist, dass am selben Tag in meinem Briefkasten ein Schreiben der Hochschule lag, in dem mir mitgeteilt wurde, dass die Prüfung um vier Wochen, also zum 15.07.02, verschoben werden müsse. Das war mir natürlich sehr recht. Ich bekam wieder Hoffnung und ich hatte das Gefühl, dass der Gohonzon mir auf mystische Weise ein Zeichen geben wollte, nicht aufzugeben und zu vertrauen.

Also gut, dachte ich. Jetzt erst recht chanten und weiter vorbereiten. Um es vorwegzunehmen, zum 18.07.2002, also zum musiktheoretisch/praktischen Prüfungstag war meine Hand noch nicht zu gebrauchen. Ich nahm meinen Mut zusammen und rief einen der veranwortlichen Lehrer an, um ihm meine Handverletzung zu beichten Er fragte mich, ob meine Verletzung wieder verheilen würde, was ich nach Aussage meines Arztes bejahen konnte. Und so sagte er mir nicht ab. Er sagte: „Kkommen Sie trotzdem zur Prüfung. Ich sehe schon, ob Sie was können oder nicht.“

Da ich meine Finger für die Gitarre nicht gebrauchen konnte, habe ich ein Gitarrenstück mit einer „bottle-neck-Technik“ vorbereitet. Dabei stülpt man sich ein Glasröhrchen oder Metallröhrchen über einen Finger und gleitet damit über die Saiten. Am 15.07.2002 bin ich dann mit Butsudan und Gohonzon in Heidelberg zur viertägigen Aufnahmeprüfung aufgelaufen, habe mich angemeldet, bekam mein Zimmer zugeteilt, begann zu chanten und mich den Prüfungsrealitäten zu stellen.

Alle menschlichen Kontakte waren sehr angenehm. Jedem, mit dem ich länger zu tun hatte, habe ich ganz natürlich vom Gohonzon und Nam-myoho-renge-kyo erzähl. Mir war klar, dass ich deshalb in Heidelberg bin, um meinen Glauben zu prüfen und erst in zweiter Linie um die Aufnahme zum musiktherapeutischen Studium zu bestehen.

Ich möchte nicht näher auf die einzelnen Prüfungstage/segmente eingehen, nur soviel: Wir waren 14 Prüflinge, aufgeteilt etwa zur Hälfte in Menschen, die einen technischen Beruf, und zur anderen Hälfte Menschen, die einen Sozialdienstleistungsberuf studieren wollten. Jeweils zwei aus beiden Bereichen haben am Ende bestanden und zu meiner Überraschung und riesiger Freude gehörte ich dazu.

Immer wieder empfinde ich große Dankbarkeit für diesen klaren Beweis der buddhistischen Ausübung. Damit war alles gedreht und auf den Kopf gestellt. Mein Vertrauen wuchs ins Universum. In diesem Hochgefühl habe ich dann die Heimreise angetreten.

Jetzt wollte ich mein Familienleben und meine Ehe neu beleben. Mein Kopf war soweit frei für einen Neuanfang. Was ich nicht ahnte: Es war dafür zu spät. Meine Frau hatte sich getrennt; und um das völlig klar zu machen, hatte sie mir ihren neuen Partner gleich mit präsentiert. Ich konnte mich über nichts mehr freuen.

Von Tag zu Tag bin ich tiefer in Trennungsschmerz gefallen. Es gab auch einige wirklich unschöne Szenen; das ganze Programm sozusagen. Dann bin ich ausgezogen und in meine Heimatstadt Bremen zurückgegangen. Ich konnte viele Gespräche führen: Mit meiner Familie; mit Buddhisten die selbst mitten in der Nacht für mich da waren. Hierfür gilt mein ewiger Dank. Ich konnte immer chanten und Aktivitäten machen.

Dann bekam ich Post vom Rechtsanwalt meiner Frau. Oobwohl ich meinen Verpflichtungen auch den Kindern gegenüber nachkam, sollte es tatsächlich zu einem Rechtsstreit mit der möglichen üblichen Zerfleischung kommen!? Dazu wollte ich es auf gar keinen Fall kommen lassen, auch um der Kinder willen nicht. Ich chantete für eine bestmögliche menschliche Lösung. Ich chantete dafür, dass meine Exfrau selber wieder zum Gohonzon findet. Auch dieser Wunsch ging in Erfüllung. Dann haben wir gemeinsam einen Weg gefunden (ohne Rechtsanwälte), bisher alle unsere Probleme über Unterhaltsfragen und der gemeinsamen Kindererziehung in guter wohlwollender Weise besprochen zu haben. Wir haben inzwischen immer, wenn ich in meinem ehemaligen Zuhause bin, zusammen gechantet und Gongyo praktiziert. Es ist so wohltuend für die Kinder, dass sie sehen, wie die Eltern mit einer Trennungsproblematik bisher ohne feindseliges und streitendes Verhalten umgehen können. Das ist die größte Wohltat des Chantens zum Gohonzon. Ich bin noch mitten in der Verarbeitung dieser Erfahrung aus den letzten 15 Jahren, die im Verlust meiner Familie endete und worunter ich noch lange leiden werde. Jedoch mein Vertrauen in die buddhistische Ausübung und in unseren Mentor, Herrn Ikeda und Herrn Daishonin, ist unter all diesen Umständen beständig gewachsen.

Anmerkung: Auch meine finanzielle Situation hat sich so entwickelt, dass es für alle Beteiligten gut ist, aber das ist eine andere Erfahrung.

\ Erfahrung

von Liberto Riedel

Der tägliche unerträgliche Streit meiner Eltern, einer Haß-Liebe, trieb mich bereits im Alter von drei Jahren auf den hohen Lindenbaum und in den Wald. Nur dort fühlte ich mich sicher und wohl.

Mit 11 Jahren legte ich mich auf das Gleis und erwartete den Zug, doch ein Mann riß mich weg.

Die Bibel las ich, immer wieder. Auch daß Gott von einem Gläubigen verlangte, ihm seinen Sohn zu opfern, daß ein ganzes „gottloses“ Volk in Ziegelöfen verbrannt wurde, las von Hiob, dem Pechvogel. War in der Kirchenjugend, doch meine Fragen wurden nie beantwortet. „Nur Gott weiß, was er tut“; „Jeder hat sein Kreuz zu tragen“ oder „Ein Heide kommt nicht in den Himmel“, waren Antworten, mit denen ich nichts anfangen konnte. Kirchenlieder sang ich nicht mit, mir wurde dabei unwohl.

Mit 13 begann die Tortur der Pubertät, mit meinen Gefühlen kam ich nicht zurecht, war „unsterblich“ in die falsche Person verliebt. Ich geißelte mich, schnitt mit dem Messer oft in meine Haut und wollte mein Herz herausreißen, um die Schmerzen zu beenden. Wollte mich selbst im Wald hinrichten, zwei Geschosse prallten an den Rippen ab und verließ dann blutend den Wald.

Da hörte ich vom Buddhismus und Nam Myo Ho Renge Kyo. Das gefiel mir und ich war schnell dabei. In wenigen Wochen hatte ich das Gongyo gelernt.

Den Konfirmationsunterricht brach ich ab und sagte zum Pfarrer, daß ich mich nicht mehr konfirmieren werde. Meine Eltern waren tolerant und akzeptierten das. In der Schule wurde ich verlacht und verspottet, da ich freiwillig auf die vielen Konfirmandengeschenke verzichtete.

Die Welt wollte ich verändern und alle Leiden auslöschen und zwar so schnell wie möglich. Doch ich litt weiter und dies erzeugte Wut, Ärger und Haß gegen das gesamte System. War immer auf der Seite des Schwächeren, der Außenseiter und der Rebellen. „Kämpfen bis zum letzten Atemzug“, dieser Spruch Hitlers gefiel mir und sehr schnell wurde ich fanatisch und radikal. Das marode, ungerechte System hinwegfegen wollte ich, doch innerlich konnte ich Gewalt nicht akzeptieren. Wir trafen uns und wollten den Umsturz. Die Berliner Mauer wollten wir sprengen.

Gewalt gegen Menschen duldete ich nicht und wurde bald auch in diesem Kreise als Außenseiter oder gar Feigling gesehen.

Mit 18 kam der Zugriff. Mein Elternhaus wurde mit einer Spezialeinheit gestürmt und ich wurde nach Stammheim gebracht. Wollte mich umbringen oder verhungern, ehe ich einen Kameraden verriete. Kam in eine Beton-Einzelzelle. Nachts waren Megascheinwerfer auf mich gerichtet. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mußte ich die Nächte bei offenem Fenster, Flutlicht und ohne Decke durchzittern. Während der Tage wurde ich von Spezialisten des LKA und dem CIA verhört und mir wurden Dinge, die ich niemals tat, vorgeworfen.

Beim Verhörtransport kam ein Gefangener vorbei, der sein Brot auf den Boden warf und schrie. „Ich will diesen vergifteten Fraß nicht, Freiheit für Kroatien!“ Ich beschloß, in den Hungerstreik zu treten, verweigerte die Nahrung und trank nur noch Wasser aus der unappetitlichen Spüle.

Nach zwei Wochen fand ich mich plötzlich an einem Bett angekettet, mein Herz raste, als ob es explodieren wolle, dann setzte es aus, begann wieder zu rasen. Ich sah nur sehr verschwommen Leute in weißen Kitteln, die mich ständig Dinge fragten, die ich willenlos bestätigte. Nach fünf Wochen U-Haft wurde ich entlassen, laufen konnte ich fast nicht mehr, war ausgezehrt und zitterte am ganzen Körper.

Ins Gymnasium zurückgekehrt, wurde ich geächtet, verspottet und beschimpft. Dennoch legte ich das Abitur mit akzeptablen Noten 18 Monate später ab.

Ich besann mich des „Mittleren Weges“, der meinem Herzen so sehr entsprach und begann erneut, intensiv Daimoku zu chanten, oft stundenlang. Mit 20 (1981) erhielt ich den Gohonzon. Es war ein so wunderschöner glücklicher Tag, den ich so bisher noch nie erleben durfte.

Noch im gleichen Jahr begann ich ein Geologie-Studium. Bald darauf verliebte ich mich ein zweites Mal. Meine Freundin verließ mich den Worten: „Du bist zwar ein guter Mensch, aber Du kannst mir nichts bieten.“, und nahm sich einen Studenten, der vom reichen Papa einen Mercedes bekommen hatte. Wieder geriet ich in Zorn und verstand nicht, daß nur Geld auf der Welt zählen soll.

Neben dem Studium arbeitete ich an den Wochenenden und versäumte es, im Irrglauben, daß ohne Geld nichts geht, an vielen Aktivitäten teilzunehmen.

Mit 21 flog ich nach Brasilien. Mit Rucksack und wenig Geld durchquerte ich den ganzen Kontinent. In der Atacama-Wüste erwischte es mich. Ich trank verseuchtes Wasser, Übelkeit und Fieber übermannten mich. Plötzlich schwebte ich im Raum, überall waren lodernde Feuer um meinen Körper herum. „Das kann´s doch nicht gewesen sein“, dachte ich und es kam erneut: „Nam Myo Ho Renge Kyo“. Ich bekam wieder Kraft und kehrte in den Körper zurück. Vorne und hinten ging Blut ab und mit letzter Kraft konnte ich am Boden kriechend jemanden finden, der mir half.

Traf auf dieser langen Reise alles, was man treffen kann, darunter ein führendes Mitglied des „Sendero Luminoso, des leuchteten Pfades“, einer indianischen Befreiungsfront gegen die spanische Vorherrschaft in Peru, ebenso wie viele herzliche Buddhisten und meine spätere erste Ehefrau.

1984 kehrte ich nach Brasilien zurück, heiratete dort und plante in Brasilien weiter zu studieren. Kurz war ich an der Uni in Minas Gerais, der besten Geowissen- schaftlichen Fakultät in Brasilien. Ein äußerst riskantes Unternehmen im Goldgeschäft schlug fehl. Trotz dringendem Anraten eines Bekannten, mir eine Schußwaffe zum Selbstschutz zu kaufen, verzichtete ich bewußt darauf.

Ich wurde Opfer eines bewaffneten Raubüberfalles, obwohl auf mich geschossen wurde, blieb ich unverletzt! Wäre ich bewaffnet gewesen, hätte ich den Zorn darüber kaum zügeln können und der Ausgang wäre fatal gewesen.

Ohne Finanzen mußten wir nach Deutschland zurück. Meine angenommene Tochter ließen wir bis zur Abklärung bei den Schwiegereltern.

Ich studierte und arbeitete, hatte somit kaum Zeit für meine Frau, die in Deutschland kaum klar kam und von mir abhing. Da ich nur mit Wochenendarbeit zu wenig verdiente, begann ich zuerst auf Flohmärkten, dann mit Importwaren zu handeln, teilweise erteilte ich auch Sprachunterricht und organisierte einen brasilianischen Freundeskreis. Meine Frau hatte endlich Kontakte zu anderen Brasilianern. Daß darunter leider auch Prostituierte und Gangster waren, merkte ich viel zu spät. Keine drei Jahre zusammen, verließ sie mich und ging mit einem Drogendealer. Ich fiel in eine bodenlose Depression und stürzte mich dann voll in die Droge Arbeit.

Ich begann eine Importfirma aufzubauen, erweiterte von Einzel- auf Großhandel und gründete dazu eine Schmuck- und Kunsthandwerkkreation mit z.T. über 30 Mitarbeitern in Brasilien. Ständig flog ich von einem Kontinent zum anderen, vertrieb die Waren auf Ausstellungen, Messen, Festen und schuf ein Vertriebssystem.

1992 kaufte ich einen kleinen Landsitz in Bahia, renovierte das Haus dort und legte eine Bananenplantage und Kräuterzucht nebenbei an.

Müde von ständigen Herumreisen investierte ich 1994 in ein Hotel-Restaurant am Rande des Nationalparkes Itatiaia und wollte mich dort mit der ganzen Familie niederlassen. Doch meine Schwester trat am Tag der Ratenzahlung vom Vertrag zurück und alleine konnte ich die enormen Kosten nicht aufbringen. Durch den überbewerteten bras. Real war zudem das Exportgeschäft praktisch zum Erliegen gekommen. Die Preise konnten der asiatischen Billigkonkurrenz nicht mehr standhalten.

Also versuchte ich, das Hotel mit einem neuen Partner zu finanzieren und gleichzeitig zum Laufen zu bringen. Mit größtem Arbeitsaufwand, Kreativität und Improvisationsgabe nahm ich die Herausforderung an. Doch nichts schien zu gelingen, alles schien verhext. Im Nachhinein erfuhr ich, daß gerade dieses Hotel jahrelang Zentrum der Schwarzmagie (Woodoo, Macumba) war und der Verkäufer plante, nach Erhalt der meisten Raten, mich umzulegen, um wieder an sein nun renoviertes Hotel zu gelangen. Scharen von Hungergeistern (tranca-ruas = Wegverschließer) sollten den Betrieb behindern, lahmlegen und mich vertreiben.

Gäste wurden mit Gänsehaut aus dem Hause vertrieben. Mitarbeiter und sogar Hunde und besonders Katzen von „Geistern“ besessen, um Schaden anzurichten.

Diese Herausforderung nahm ich an und lud alle diese armen Wesen täglich von 0 bis 1 Uhr nachts zum Daimoku ein. Beim Gongyo während des Tages setzten sich Vögel ans Fenster, bei Nacht kamen sogar die Straßenhunde, um den Gohonzon zu ehren. Einige Geister flohen völlig entsetzt vor dem Gohonzon, andere lauschten hinter mir, wenige chanteten sogar mit.

Ich begann, regelmäßig Gästeversammlungen abzuhalten. Andere Mitglieder gab es im Ort nicht, aber eine größere Anzahl in der nächsten größeren Stadt. Viele begannen zu praktizieren. Es gelang mir, sogar gegen die Meinung aller anderen, den alkoholsüchtigen Bruder meines besten Freundes zum Gohonzon zu führen, obwohl er mich im Rausch mehrfach beklaute, beleidigte und sogar tätlich anging. Ich konnte sein Herz sehen, es war verzweifelt, aber gut.

Einen entfernten Nachbarn konnte ich vom Selbstmord abbringen, er begann intensiv zu praktizieren, was mich sehr erfreute. Daß er homosexuell war, störte mich nicht. Er belästigte mich nie damit. Als einziges mißfiel mir seine übertriebene Eitelkeit. Ich hielt dies bei Homosexuellen für normal.

Mehrfach bot dieser Mann mir die Mitarbeit im Hotel an, bis ich mich schließlich überreden ließ. Eines Tages erschien er mit seinem „Geliebten“, einem redegewandten, aber unheimlichen, kahlköpfigen, kräftigen Mann, welcher sich als pensionierter Luftwaffenoffizier vorstellte und ein Appartement fürs Wochenende mietete.

Kurze Zeit später erschien dieser Mann erneut und meinte, er könne von Rio seinen großen Bekanntenkreis hier einführen und damit den Betrieb ankurbeln. Trotz lauem Gefühl akzeptierte ich das Angebot und ging in die Falle.

Finstere Gestalten gingen ein und aus, mein Personal kündigte und ich wurde von unerträglichen Kopfschmerzen, Müdigkeit und Übelkeit befallen. Alles schien sich erneut drastisch zu verschlechtern. Das Duo hatte sich eingenistet. Jemand sagte zu mir: „Nimm niemals Geschenke zum Essen an!“

Als ich schließlich von einem ansässigen Deutschen gefragt wurde, ob es wirklich wahr sei, daß ich das Hotel an diese zwei Schwulen verpachten und zurück nach Deutschland wolle, bemerkte ich das böse Spiel.

Ich wurde erst ausspioniert, dann von Freunden und Bekannten getrennt und verleumdet, um dann ermordet zu werden. Mein Verschwinden wurde mit dem Gerücht, daß ich nach Deutschland zurückkehren wolle und das Hotel deshalb an die zwei verpachten würde, vorbereitet.

Meine Übelkeit etc. erklärte sich durch ins Essen gemischtes Gift. Ich fand an verschiedenen Stellen tote Frösche mit zugenähten Mäulern, vergrabene Tierkadaver und unter meinem Bett drei in Flüssigkeit eingelegte Schlangenköpfe.

Meine ehemaligen Mitarbeiter wurden von der Gang mit Todesdrohungen vertrieben. Ein Mordanschlag auf meinen besten Freund schlug fehl.

Die Polizei bot mir „ungewöhnliche“ Hilfe an. Da sie gegen die Bande legal nichts tun könnten und sich Zeugen aus Todesangst schwer melden würden, boten sie mir im Geheimen an, die Gangster liquidieren zu lassen, so wie dies „in solchen Fällen üblich sei“. „Solche Banditen würden eh früher oder später im Straßengraben landen“.

Trotz höchster Not und Todesangst lehnte ich das kategorisch ab und begann für die, denen ich half und die mich kaltblütig umzubringen planten, intensiv zu beten. Erst nach Monaten des Terrors und Horrors gelang es, das Duo aus dem Anwesen „friedlich“ zu entfernen. Sie hatten gestohlen, was es zu stehlen gab, Schecks, Unterschriften und Verträge gefälscht und auch noch versucht, mich zu kriminalisieren.

Meinen Anteil am Hotel hatte ich, um den Frieden zu wahren, schließlich verloren und so wenigstens den eingesprungenen Partner vor dem Ruin gerettet. Die Firma selbst hatte ich noch inne und konnte weiterarbeiten.

Als mir ein Nachbar Früchte aus seinem Garten brachte, legte ich diese dankbar vor den Gohonzon. Am nächsten Morgen waren die Früchte mit schwarzen Flecken übersetzt und ich konnte überall Nadeleinstiche finden. Das Obst war vergiftet.

1999 kam ich nach Deutschland zurück, wollte meine Eltern wieder sehen und zusammen mit meiner Schwester nach neuen Möglichkeiten suchen. Sie war Sängerin und anerkannte Künstlerin.

Nach wenigen Wochen entschlossen wir uns, ein gemeinsames neues Unternehmen aufzubauen. Die Voraussetzungen waren ideal. Wir waren gerade dabei, ein größeres Anwesen in der Fränkischen Schweiz zu pachten. Unseren Eltern wollten wir gemeinsam einen schönen Lebensabend hier ermöglichen. Die Importe hätte ich getätigt und meine extrovertiertere Schwester das Marketing.

Dann geschah das Unfaßbare. Einen Tag nach der Firmenanmeldung fuhren wir los, um nötige Besorgungen zu machen. Hatte bereits zuvor ein sehr laues Gefühl im Magen. Es war das Fahrzeug des Freundes meiner Schwester und so war auch er der Fahrer.

Kurz vor der Autobahnausfahrt war ein Stau und wir hielten. Danach verdunkelte sich die Welt, ich schreckte hoch, alles war anders, verzerrt und eingeengt. Langsam begriff ich: Ein Unfall. Aber hatten wir doch nicht gehalten vor dem Stau?

Hinter mir sah ich meine Schwester mit zerschlagenem blutenden Kopf, blickte in ihre starre Augen. Wollte ihr sofort helfen, war aber bewegungsunfähig eingeklemmt, mein linker Arm fiel aus der Schulter. Schmerzen fühlte ich erst keine. Ich wollte schreien und brachte nur ein röchelndes Nam Myo Ho Renge Kyo heraus.

Ein Mann stand vor mir, ich versuchte vergeblich ihn auf meine Schwester hinzuweisen, damit er ihr helfe oder sie wiederbelebe. Er verstand mich nicht und schüttelte nur fassungslos den Kopf. Jetzt begannen die Schmerzen, das Inferno des Todeskampfes. Ich schien gleichzeitig zu verbluten und zu ersticken, unerträgliche Schmerzen und Lähmung dominierten mich. Jemand stach mit dem Messer in meinen Hals. Nach Pressemitteilung dauerte es fast eine Stunde bis der letzte, nämlich ich, herausgeschnitten war. Diese Stunde schien wie die Ewigkeit zu sein. Die Rotoren des Hubschraubers konnte ich noch hören, dann reiste ich durch alle Zeiten und Dimensionen.

An Schläuchen im Hals fand ich mich wieder. Bewegen konnte ich mich nicht, aber hören. Ich hörte: „Das Auge ist wohl hin“, „Die Wirbelsäule ist auch gebrochen“, „Ob er je wieder laufen kann, wissen wir nicht“. Bald fiel ich erneut ins Koma und reiste durch die Zeiten. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, alle räumlichen und zeitlichen Dimensionen zerfielen und alles war gleichzeitig da. Ich konnte fliegen.

Einem rotierenden Erdstrudel konnte ich nur mit Mühe ausweichen, wollte einfach nicht hinein. Wie ich heiße, wußte ich nicht mehr, nur daß ich bin. Gefühle und Gedanken wurden zu schwebenden Gebilden. Faßte ich nach den Gebilden, so drangen diese in mich ein und verwandelten sich in spezifische Gefühle.

Als ich wieder erwachte, donnerte die Lungenmaschine in meine Bronchien, alle paar Minuten war ich dem Ersticken nahe und die Lunge wurde ausgesaugt. Der Gedanke, daß ich womöglich gelähmt bin, plagte mich. Es gelang mir nicht, den Unterleib zu bewegen.

Erstmals konnte ich die Lebensessenz des Menschen fassen und fühlen. Eine Patientin war ebenfalls an der Lungenmaschine und außer Stand zu kommunizieren. Sie wollte ihre lästige Decke weghaben. In der Intensivstation herrschte größte Julihitze. Die Pfleger verstanden sie nicht und deckten sie noch mehr zu. Im Geiste chantete ich für die arme Frau. Viele telepathische Verbindungen konnte ich aufbauen und so auch kommunizieren.

Erst später erfuhr ich den schweren Grad meiner Verletzungen: Polytrauma, Schädelfrakturen, Hirneinblutungen, multiple Augen- Gesichts- und Halsverletzungen, Gehörschädigung mit Tinnitus, gebrochener Rückenwirbel, rechte Hand, Unterarm und Ellenbogen zertrümmert, linke Schulter zertrümmert, beide Oberschenkel zersplittert, beide Knie defekt, rechter Fuß zertrümmert mit Verlust von Knochen und Gewebe, Lungenquetschung, Bauchtrauma u.a. Nur an Frakturen waren es 22, unzählige Knochen- und Metallsplitter verblieben im ganzen Körper.

Von Juli bis Dezember 1999 war ich im Krankenhaus, wurde dann auf dem Rollstuhl regelrecht rausgeworfen, da die Haftpflichtversicherung des 40 Tonnen LKW, der ungebremst in den Stau raste, drei Menschen tötete und sieben Fahrzeuge ineinander schob (wir waren das zweite) nicht zahlen wollte und ich selbst über kein Vermögen mehr verfügte.

Monatelang quälte ich mich mit dem Rollstuhl, bis ich schließlich erst mit zwei, dann nur noch mit einer Krücke wieder laufen lernte. Nach einigen Schmerzensgeldvorschüssen und Ausfallszahlungen, mit denen ich über die Runden kam, begann die Helvetia Versicherung mir weitere nötigste Operationen und Behandlungen zu verweigern.

Mein linker Oberschenkel ist nicht zusammengewachsen, Augen und Ohren müssen operiert und behandelt, der rechte Fuß korrigiert und stabilisiert werden. Auch kann ich seit dem Unfall nicht mehr normal schlafen.

Meine Eltern konnten den tragischen Unfall und der Tod der geliebten „kleinen“ Tochter nicht überwinden, meine Mutter ist dadurch hilflos und pflegebedürftig geworden. Mein Wunsch war es, wenigstens meinen Eltern, die mir, trotz ihrer traurigen Beziehung, alles ermöglicht hatten und alles Menschenmögliche für uns Kinder taten, ein bißchen meine Dankesschuld auszugleichen. So gut es unter den Umständen ging, half ich ihnen, kochte und erledigte Dinge, die sie nicht mehr konnten.

Mein Vater verstarb im März 2002 am zweiten Herzinfarkt. Schon ins Koma gefallen, wartete er, bis ich in die Herzklinik eilte. Nachdem der Arzt mir die traurigen Fakten unterbreitete, begann ich, an seinem Bett Daimoku zu chanten und versuchte, ihm zu danken und ihn zu ermutigen, Das Herz flimmerte und mein Vater verstarb.

Meine Mutter braucht 24 Stunden Betreuung. Sie pflegend, schlief ich bis zu drei Tage nicht, fiel die Treppe herunter, brach am Tisch über dem Expressoglas zusammen, so daß es unter mir zersplitterte.

Meine Tochter war zuerst bei ihrer Mutter, die sie mit 16 Jahren auf die Straße setzte. Seit gut zwei Jahren lebt sie nun bei mir und hat, obwohl sie vorher kein Deutsch sprach, in nur einem Jahr den Hauptschulabschluß bestanden und steht jetzt vor der mittleren Reife. Bin glücklich, daß ich jetzt das, was ich früher versäumt hatte, nachholen kann. Versuche gleichzeitig Kinder, Eltern, Lehrer und „Guter Freund“ zu sein.

Habe mich entschlossen, bleibende Werte zu schaffen, indem ich Bücher schreibe, um den Menschen zu helfen. Möchte von Herzen mein Bestmögliches für die Verwirklichung von Kosen-Rufu geben und dafür alle meine Fähigkeiten und Erfahrungen einsetzen.

Ich bin viel glücklicher geworden und dankbarer, obwohl ich alles verlor, was ein „normaler Mensch“ verlieren kann: Haus, Existenz, Familienmitglieder und meine Gesundheit. Was jedoch blieb, das war mein Herz.

Das Herz ist die wahre und einzige Basis von allem und ist unsterblich. Anderes, wie alles Materielle und selbst die Gesundheit, ist vergänglich und verliert nach dem Tod seinen Sinn und Wert. „Anstatt das Dauerhafte und Wesentliche zu suchen, vergeuden die Menschen die Zeit ihrer kurzen Existenz, die wie ein kurzer flüchtiger Traum vergeht, mit Oberflächlichkeiten und Vergänglichem.“, sagte sinngemäß der „Große Weise“ Nichiren.

Erfahrung mit meinem Vater

von Ulf Ballin

Seit Anfang diesen Jahres hatte mein Vater schwere gesundheitliche Probleme. Er hatte teilweise solche starken Schmerzen, daß er weder liegen noch stehen oder sitzen konnte. In dieser Zeit haben wir viel miteinander telefoniert und ich habe ihm dann folgende tägliche Ermutigung von Daisaku Ikeda zukommen lassen:

„Wenn Dein Kampfgeist zerstört ist, wird auch der Palast Deines Herzens im Ruin zusammenfallen. Gerade so wie Wasser aus einem beschädigten Schiff leckt, werden Deine Nutzen und das Glück aus Deinem Leben schwinden. Und weil wir gerade dies verhindern wollen, ermutigen wir einander beständig in unserem Bemühen, weiter zu kämpfen.

Buddhismus heißt siegreich zu sein; Buddhismus ist ein Kampf. Auch das Leben ist ein Kampf. Und so kannst Du das wahre Glück verwirklichen, wenn Du nur durchhältst und gewinnst.“

Als spirituellen Menschen hat dieser Text meinen Vater in seinem schweren täglichen Kampf sehr angesprochen und sehr ermutigt.

Am 21. Mai kam dann jedoch die genaue Diagnose seiner Krankheit: Bauchspeicheldrüsenkrebs – eine Hiobsbotschaft! Voraussichtliche Lebensdauer: noch ca. drei Wochen! Daraufhin beschlossen meine Frau und ich noch intensiver für meinen Vater zu chanten. Es gab nur noch zwei Möglichkeiten: Entweder ein Wunder oder eben Tod. Mein Vater, der als naturheilkundlich orientierter Arzt jede Art von Chemotherapie und Bestrahlung ablehnte, begab sich in alternativ-medizinische Behandlung, die anfangs auch sehr gut anschlug. Nach ca. vier Wochen war er bereits auf dem Weg der Besserung, als dann durch diverse Komplikationen die alternative Krebsbehandlung kaum mehr weitergeführt werden konnte.

Weitere vier Wochen später traf ich mich mit ihm und mit seiner jetzigen Frau im Krankenhaus. Obwohl beide der Stiftung Gralsbotschaft angehören, einer christlichen Glaubensgemeinschaft, die an Reinkarnation und Karma glaubt, bildeten wir zusammen einen Kreis, meditierten in Stille und ich chantete für alle mit deren Einverständnis. Es war eine schöne, sehr harmonische Stimmung im sonnendurchfluteten Zimmer.

Doch am 21.08.2002 abends – ich kam gerade von einer buddhistischen Versammlung – erfuhr ich davon, daß mein Vater am Vortag in der Früh ruhig verstorben war. Allein diese Zeitverzögerung, mit der ich von dem Tode meines Vaters erfuhr, war für mich selbst schon mystisch, schließlich kam ich gerade gestärkt von einem buddhistischen Treffen. Dennoch traf mich diese Nachricht wie ein tiefer Schlag in den Bauch. Aber ich konnte das erste Mal in meinem Leben auf so eine schwierige Situation gefasst und richtig reagieren: Ich setzte mich sofort vor den Gohonzon und fing an zu chanten.

Während des Chantens schossen mir dann allerlei Gedanken durch den Kopf, viele Gefühle kamen hoch und brachen sich den Weg. Als erstes fiel mir spontan der Satz „Vater, warum hasst Du mich verlassen?“ ein, den Jesus am Kreuz gesagt haben soll. Und ich fühlte mich fürchterlich alleine. Ich musste viel weinen, immer wieder tief durchatmen und Pausen beim Chanten machen. Dann chantete ich einfach weiter. Nun wurde ich zornig auf das Leben selbst, weil es mir meinen Vater genommen hat. Wut auf die jetzige Frau meines Vaters, die ihn in den letzten Jahren so vereinnahmt hatte, daß ich mit ihm kaum mehr unter vier Augen reden konnte, stieg in mir empor. Auch der Haß auf meinen Vater, von dem ich ihm vor seinem Tode aus Rücksicht auf seine Krankheit nichts mehr gesagt hatte, brach durch und wurde mir wieder bewußt. Doch ich chantete einfach nur weiter. Und nach einiger Zeit wurde aus der Wut die Entschlossenheit, alleine aufzustehen und selbst meinen Mann zu stehen.

Ich chantete weiter und auf einmal passierte etwas Seltsames: Mein Vater war irgendwie da, rechts oben neben dem Gohonzon. Und es kam von ihm eine deutliche Botschaft herüber: „Vertraue Deiner eigenen Wahrnehmung. Selbst wenn sie eine Illusion wäre, dann wirst Du selbst das entdecken, wenn Du dich weiterhin bemühst, aufrichtig die Wahrheit zu suchen und nie damit aufhörst. Habe den Mut, die Wahrheit zu sagen und zu tun.“ - „Genau das ist es, was im Buddhismus mit suchendem Geist gemeint ist,“ dachte ich mir. Und mir wurde klar, daß mein Vater irgendwie die Buddhaschaft in seinem Leben verwirklichen konnte.

[^1]: (DG, Bd. I, S. 57, Zeile 5-16):

[^2]: (Gongyobuch, S. 42-43)

[^3]: (Die Welt der Schriften Nichiren Daishonins I, S. 10)

[^4]: Zerstörung der Eintracht der Glaubensgemeinschaft (Hawagōsō): Spaltung der buddhistischen Gemeinschaft. Eines der fünf schwersten Verbrechen (Gogyakuzai) im Buddhismus.

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