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Dr. Lawrence E. Carter,
Dekan des Martin Luther King Jr. International Chapel at Morehouse College in Atlanta
Kinder entwickeln sich, wenn sie begreifen, „wozu?“
Ich habe Sorgen, die mir ständig zu schaffen machen.
Es handelt sich um die Kinder.
„Die Zahl der Kinder, die zur Gewalt getrieben werden, scheint zu steigen, nicht nur in den USA und in Japan, sondern auch in anderen Ländern. Das ist ein sehr ernstzunehmendes Problem. Wie sollten wir dagegen vorgehen?“
Diese Frage stellte ich Herrn Carter, dem Dekan des Martin Luther King Jr. International Chapel. Er ist ein Schüler des „gewaltfreien Kämpfers“ Dr. Martin Luther King Jr. (15.1.1929-4.4.1968).
„Das ist eine sehr schwierige Frage, über die man von verschiedenen Aspekten aus sprechen kann.“ Indem er zunächst klarstellte, dass es sich hierbei um eine allgemeine Ansicht handelt, sagte er dennoch entschieden: „Wie können wir verhindern, dass Kinder immer mehr dazu neigen, gewalttätig zu werden, und wie können wir dieses Problem grundsätzlich lösen? Dafür sehe ich nur eine einzige Möglichkeit.“
Dr. Carter fuhr fort: „Wir Erwachsene sollten als Vorbild vorangehen und ihnen gewaltfreies Handeln konkret zeigen. Beispielsweise sind die täglichen Nachrichtensendungen unablässig von Gewalt erfüllt. Dazu werden zur Unterhaltung auch solche Filme gezeigt, die überwiegend mit Gewalt in Zusammenhang stehen. Wenn das zutrifft, ist es selbstverständlich, dass junge Leute zur Lösung von Problemen lediglich Gewalt anwenden. Das heißt, sie versuchen, ihre Probleme zu lösen, indem sie ihre Gegner einfach rasch niederschlagen. Denn niemand hat ihnen beigebracht, ihre Probleme auf eine andere Art und Weise zu lösen!
Wenn wir deswegen die momentane Lage ernst nehmen und sie wirklich verändern wollen, müssen wir Erwachsene ihnen klar und deutlich zeigen, dass wir uns geändert haben. Also, es gibt keine andere Methode, Probleme zu lösen, außer dass die Erwachsenen, die direkt oder indirekt mit Kindern zu tun haben und die ihnen gegenüber eine führende Position bekleiden, eine Vorbildfunktion ausüben.“ (am 7. Sept. 2000 in Tokio)
Nun dann, was bedeutet, Vorbild zu sein?
Dr. Carter erzählte mir eine Episode: „Das erste Kind von Dr. Martin Luther King war ein Mädchen namens Yolanda (geb. 1955). Eines Tages kam die kleine Yolanda auf ihren Vater zu und bat ihn unnachgiebig, mit ihr zum Spielplatz zu gehen, indem sie sagte: ‚Papa! Ich möchte so wie andere Kinder auch ‚in die Spielstadt’ gehen.’ Dr. King dachte sofort: ‚Das ist eine sehr gute Gelegenheit.’ Dabei erkannte er seine Verantwortung, seiner Tochter zu erklären, dass die Gesellschaft, in der sie geboren ist und aufwächst, von der Rassendiskriminierung stark geprägt ist.
Dr. King erklärte offen: ‚Schwarze Kinder können nicht in die Spielstadt gehen. Sie ist ein Spielplatz nur für weiße Kinder . . .’ Und er fuhr fort: ‚Gerade deshalb ist dein Vater selten zuhause. Dein Vater hat sich entschieden, sich dafür einzusetzen, dass alle Kinder eines Tages in der Spielstadt spielen können, und zwar unabhängig von der Hautfarbe.’
Yolanda, hörte ich, hat mit Tränen in den Augen zu Dr. King gesagt: ‚Papa! Wenn das der Grund dafür ist, dass du immer nicht zuhause bist, bitte ich dich, so weiter zu machen, weil ich auch die Spielstadt besuchen will!’“
Dr. King erzählte, auf welches Ziel hin er sein Leben führte, und von seinem Traum sowie von seinem Kampf, um diesen Traum zu realisieren.
Kinder verstehen viel mehr, als wir Erwachsene uns vorstellen. Ich halte es deshalb für wichtig, dass wir unsere Kinder nicht von oben herab anschauen, sondern sie als eigenständige Persönlichkeiten betrachten, sie schätzen und mit ihnen klar und deutlich reden. Und gerade diese unsere Haltung wird für sie zum gewaltfreien Vorbild, den Charakter anderer zu respektieren.“
Die Kinder, die häufig erfahren haben, dass sie bei Gesprächen als ein eigenständiger Charakter akzeptiert worden sind, werden sich meines Erachtens anderen Menschen gegenüber in gleicher Art und Weise verhalten.
Dr. King sollte gesagt haben, dass seine Mutter ihm, als er noch klein war, von der Rassendiskriminierung erzählte, von der Geschichte der Sklaverei und von der immer noch andauernden Diskriminierung. In Restaurants, Warteräumen und sogar an öffentlichen Plätzen, wo sie Wasser trinken konnten, wurden Weiße und Schwarze strikt getrennt. Sobald man seine vier Wände verließ, war man direkt mit der Realität konfrontiert, die ausdrückte: ‚Du bist weit unterlegen. (...) Deine Existenz ist kaum beachtenswert.’
Nachdem seine Mutter ihm dies erzählt hatte, nahm sie ihn auf ihren Schoß und sagte weiter: „Dennoch bist du genau gleich wie alle anderen und ein hervorragender Mensch!“ Sie meinte damit, dass er keinesfalls Komplexe haben sollte.
Wir dürfen Menschen weder dazu führen, Komplexe zu haben, noch sie in die Verzweiflung treiben. Hierzu sagte Dr. King einmal: „Dass das Gefühl des Scheiterns Angriffslust erzeugt, ist ein psychologisches Axiom.“ (aus „Autobiographie Martin Luther King“)
Das ist ein Satz aus seiner Rede, die er in Chicago über Schwarze hielt. Sie konnten sich aus der Armut absolut nicht befreien, auch wenn sie sich noch so verzweifelt bemühten. Das lag nicht daran, dass sie sich nicht genug anstrengten oder nicht intelligent waren, sondern vielmehr an dem bereits fest verankerten System der Gesellschaft, in dem sie lebten.
Die Stadtteile, in denen die Schwarzen wohnten, waren einem „Druckkessel der Emotionen“ gleich, der vom Gefühl des Scheiterns und Zorn erfüllt war. Es herrschte eine aufgewirbelte Atmosphäre, alles mit Gewalt lösen zu wollen. Selbst die Reden, die Dr. King hielt, wurden von den jungen Leuten unablässig von vorwurfsvollen Buhrufen begleitet.
Dr. King bemühte sich, den jungen Menschen an mehreren Abenden zuzuhören. Sie verfluchten ihre Gesellschaft und waren zutiefst verzweifelt. Sie erlebten von klein auf nichts anderes als Gewalt und Verdorbenheit. Manche von ihnen waren bereits vorbestraft. Viele gingen vorzeitig von den Schulen ab, oder es wurde ihnen gekündigt. Angesichts dieser Tatsachen beschlich selbst Dr. King ein Gefühl der Ohnmacht. Er fragte sich: „Ist es hier für mich überhaupt möglich, ihnen den gewaltfreien Kampf beizubringen?“
Nichtsdestotrotz setzte sich Dr. King unermüdlich und mit großer Ausdauer dafür ein, mit ihnen Dialoge zu führen, und appellierte an sie: „Setzt für euren Zorn gegen das Böse den Kampf ohne Gewalt ein! (...) Es gibt keine andere Möglichkeit, diese erstickende Realität zu verändern!“
Die Jugendlichen wurden tief in ihrem Herzen bewegt und fanden erstmals eine Hoffnung, und ihr folgten unmittelbar Handlungen, wobei sie selbst die Initiative ergriffen. Zum ersten Mal erlebten sie, dass ihr Herz voller Stolz war:
„Wir sind nicht deswegen aufgestanden, weil wir die Weißen niederschlagen wollen!“
„Wir führen jetzt einen Kampf, um die Seele der Weißen aus dem Sumpf der Ungerechtigkeit zu erretten!“
Sie erkannten, wozu sie leben, wofür sie kämpfen und warum sie lernen. Der Kampf, den die jungen Menschen tatsächlich führten, ermöglichte ihnen, zuerst sich selbst zu verändern, bevor er damit begonnen hatte, die Gesellschaft zu verändern.
Hier ist ein naheliegendes Muster für die Gewaltfreiheit.
Dieses ist möglicherweise eine „Ermutigung“.
Wichtig ist, „einen anzusprechen“.
Es geschah, als Dr. Lawrence Edward Carter (geb. 1941) in die fünfte Klasse der Grundschule ging. Er war den Leseübungen nicht gewachsen und der ungeschickteste in seiner Klasse.
Während seine Lehrerin im Klassenzimmer umherging, ließ sie ihre Schüler einen nach dem anderen aus einem Buch vorlesen. Alle lasen sehr gut, und so kam der junge Lawrence an die Reihe. Er konnte sogar solche Wörter nicht lesen, die normalerweise für Kinder in seinem Alter gar kein Problem darstellten. Als er die Wörter, die er nicht lesen konnte, einfach übersprang und weiterlas, brach die ganze Klasse in Gelächter aus.
„In einem solchen Moment“, erzählte er, „habe ich mir vorgenommen, mit den anderen zusammen zu lachen. Ich dachte, ich sollte lieber mitlachen, wenn ich meinen Mitschülern sowieso nicht überlegen sein kann.“
Jedoch fand sich eine Person, die nicht mitlachte. Es war seine Klassenlehrerin Josephine Clark, eine Frau mit langen blonden Haaren. Möglicherweise konnte sie die Trauer, die der Junge hinter seinem Lachen verbarg, ausmachen. Als die Unterrichtsstunden vorüber waren, fragte sie den Jungen, der allein zurückgeblieben war.
„Willst du besser lesen können?“
Ihre Stimme hörte sich für ihn genau so an, als ob sie gefragt hätte: „Kann ich dir eine Million Dollar schenken?“
Im Nu erstrahlte sein Gesicht voller Freude. Und er antwortete: „Ja!“
„Nun gut! Dann lass uns ab jetzt nach der Schule lesen üben!“, so Frau Clark.
Es passierte ihm zum ersten Mal. In der Schule hatte sich erstmals jemand um ihn „persönlich gekümmert“. Das kann wohlmöglich als eine Kleinigkeit betrachtet werden. Dennoch war es ein entscheidender „Wendepunkt im Leben“ von Dr. Lawrence E. Carter, der sich jetzt dafür einsetzt, die Geistesströmung der Gewaltfreiheit in der ganzen Welt zu verbreiten.
Der Junge Lawrence, der begann, das Lernen zu mögen, strengte sich an. Eines Tages wurde eine schwierige Frage gestellt, die kein Schüler aus seiner Klasse beantworten konnte, aber er hatte sich inzwischen so weit entwickelt, dass er einzig und allein in der Lage war, darauf zu antworten. Das haute all seine Mitschüler um.
Er war kein „Taugenichts“ mehr! Er gewann immer mehr Selbstvertrauen. Zeitgleich ereignete sich etwas merkwürdiges, wie er erzählte:
„Urplötzlich hat sich die Art und Weise, wie ich meine Umgebung betrachtete, vollkommen geändert. Menschen anzuerkennen, sie zu unterstützen, sie zu lieben und sie zu erziehen – ein solches Gefühl, welches ich noch niemals erlebt hatte, quoll aus mir hervor. Meinen jetzigen Lebenszustand habe ich dieser Erfahrung zu verdanken.“
Aus dem Glücksgefühl, von anderen verstanden und anerkannt worden zu sein, entstand das Mitgefühl. Ermutigung fördert Gewaltfreiheit.
Dr. George David Miller, Professor der Lewis Universität in den USA, der Dr. Carter auf dessen Reise nach Japan begleitete, stellte fest: „Jetzt ist die Welt zwar vom wirtschaftlichen Aspekt aus gesehen reich geworden, dennoch sind wir in geistiger Hinsicht beinahe bankrott. Denn die Erwachsenen sind in der Welt materialistischer Begierden völlig versunken, und das Wettbewerbsprinzip, andere zu verletzen und sie mit Füßen zu treten, hat in der Gesellschaft überhandgenommen.“
Darüber hinaus besteht hartnäckig die Tendenz der Menschen, sich über das Unglück anderer zu freuen und sie zu verhöhnen. Unter solchen Umständen haben die Menschen kein Recht, über Gewalthandlungen der Kinder zu jammern.
Die Familie von Dr. Carter war, bedingt durch die Krankheit seines Vaters, sehr arm. Erst viele Jahre später erfuhr er, welches Leid seine Mutter tatsächlich zu überstehen hatte.
Als er noch Student war, kehrte er einmal zu Weihnachten nach Hause zurück. Eines Abends kam seine Mutter spät von der Arbeit. Es war bereits 22:30 Uhr. Er fragte sich: „Warum so spät?“ Zu seiner Überraschung hörte er, dass sie sich schnell umziehen und zur nächsten Arbeit aufbrechen wollte. Das ging ihm schwer zu Herzen.
Rasch entschloss er sich, sie zu begleiten. Sie fuhren mit einem Auto durch die Stadt und erreichten eine Weile später ein Industriegebiet, das sich weit außerhalb der Stadt befand. „Was wollte sie hier überhaupt machen?“, dachte der junge Lawrence. Sobald die beiden, an der Pforte der Fabrik vorbei, in eine Halle eintraten, holte seine Mutter aus dem Geräteraum eine Maschine für die Bodenreinigung, eine große Maschine mit hohem Drehmoment.
„Meiner Mutter, die viel kleiner ist als ich“, dachte er, „kann ich nicht zumuten, ein solches Ding zu bedienen.“
„Mutter, ich mache es. Währenddessen kannst du etwa abstauben“, so der Junge.
„Nein, du kannst es nicht schaffen.“
„Doch, es geht. Mach dir keine Sorgen!“
So nahm er ihr die Maschine aus der Hand und schaltete sie ein. Es war ihm nicht möglich, die Maschine zu bedienen. Mit einer gewaltigen Kraft bewegte sie sich, so dass er von ihr mitgerissen wurde.
„Nun, gib mir die Maschine!“
Seine Mutter bediente die Maschine geschickt und reinigte den ganzen Boden in der großräumigen Fabrikhalle innerhalb von ein paar Stunden. Er erzählte: „Ich blieb völlig verstaubt stehen und musste nur weinen.“
„Du Mutter, du hast mich mit deinen Händen allein aufgezogen. Du hast in einem Kaufhaus gearbeitet und auch noch in einer Pharmafirma hart geschuftet. In der Küche einer Cafeteria hast du Sandwichs gerichtet, und außerdem hast du in einem Krankenhaus für das Pflegepersonal die Vorarbeit geleistet. Du hast auch die Arbeit übernommen, die großen Räder einer Diesellokomotive zu ölen. Du hast hart gearbeitet und schwer geschuftet, dennoch ist es uns finanziell nicht besser gegangen . . .“
Durch diese Erfahrungen fing der junge Carter an, sich über die reale Lage jener Menschen, die in ähnlicher Situation unter finanzieller Diskriminierung leiden, ernsthaft Gedanken zu machen. Und bald danach erkannt er, wofür Dr. Martin Luther King Jr. kämpfte. Das Herz des jungen Carter ertönte vom Gefühl Dr. Kings. „Um solche Leiden aus der Welt zu schaffen, führt Dr. King den Kampf durch!“, so Herr Carter.
Sein erstes Treffen mit Dr. King geht auf die Zeit zurück, als Herr Carter im Alter von 17 Jahren noch ein Schüler der Höheren Schule war. „Lass uns zusammen sprechen!“, so bat ihn Dr. King in ein Zimmer seiner Kirche herein und empfahl ihm im Laufe des Gesprächs, auf dem Morehouse College, seiner Alma mater, zu studieren. Obwohl es ihm aus verschiedenen Gründen nicht gelang, dieser seiner Empfehlung nachzukommen, fasste Herr Carter den Entschluss: „Dann werde ich beim selben Professor studieren, bei dem Dr. King studiert hatte.“ So ging er in die Boston Universität, auf der Dr. Kings Mentor ein Lehramt innehatte.
Einer der Gründe, warum Dr. Carter begann, sich der Gewaltfreiheit zu widmen, lag an seinem Vater. Obwohl sein Vater im Zweiten Weltkrieg seine Wehrpflicht abgeleistet hatte, wurde er danach eine „ganze andere Person“, da der Krieg im Herzen seines Vaters tiefe Wunden hinterlassen hatte.
„Meine Mutter erzählt mir, mein Vater sei ein sehr intelligenter und weiser Mensch gewesen. Jedoch, seitdem er vom Kriegseinsatz zurückgekommen war, wurde er andauend stationär behandelt. Eine Bombe oder eine Handgranate explodierte in seiner Nähe, und viele mit ihm eng befreundete Kameraden, die neben ihm standen, starben dadurch. Gehirne und Eingeweide seiner Kameraden fielen über seinen Körper . . . von diesem Schock konnte er sich bis zum Ende seines Lebens nie mehr erholen.“
Der Krieg zerstörte das Leben seines Vaters und das Glück seiner Familie ganz und gar. „Ich hasse Krieg!“ Der junge Lawrence Carter applaudierte von ganzem Herzen dem Mut von Dr. King, der sich dem Vietnam-Krieg entschieden widersetzte.
„Dr. King“, meinte Herr Carter, „war der Ansicht, dass der Vietnam-Krieg ein Rassendiskriminierungskrieg sei, und schenkte der Idee, einen Heiligen Krieg zu führen, ebenso überhaupt keinen Glauben.“ Vor allen Dingen dachte Dr. King: „Gerade unter den Umständen, dass unsere Regierung weltweit am häufigsten Gewalt anwendet, wie kann ich da allein von meinen afroamerikanischen Mitbürgern verlangen, auf Gewalt zu verzichten.“
Gerade jetzt, da unsere Landesregierung sowie ihre politischen Führer die Initiative ergreifen, die „Veränderungen, die sie sich wünschen, nicht durch Dialoge, sondern durch Gewalt zu realisieren“, wie kann man da den Jugendlichen überhaupt sagen, dass sie keine Gewalt anwenden sollten?
Nichtsdestotrotz kam Dr. Martin Luther King Jr., ohne das Ende des Vietnam-Kriegs erlebt zu haben, bei einem Attentat ums Leben (am 4. April 1968).
Im Augenblick, als er von dieser traurigen Nachricht hörte, betete der junge Carter: „Möge es mir gelingen, etwas Großartiges zu vollbringen, solange ich am Leben bin!“ Wenn das nicht der Fall sein wird, mit welchem Recht könnte ich mich als Schüler des Meisters bezeichnen, der sich der Verwirklichung jenes großen Traums gewidmet hatte und auf dem Weg dahin als Märtyrer starb, so dachte Herr Carter.
Der berühmte „Traum“, von dem Dr. King, sein Mentor, sprach:
„Ich habe einen Traum, dass eines Tages auf den roten Hügeln von Georgia die Söhne früherer Sklaven und die Söhne früherer Sklavenhalter miteinander am Tisch der Brüderlichkeit sitzen können. (...) Ich habe einen Traum, dass meine vier kleinen Kinder eines Tages in einer Nation leben werden, in der man sie nicht nach ihrer Hautfarbe, sondern nach ihrem Charakter beurteilen wird. Ich habe einen Traum heute . . .“ (am
Dieser Traum wurde mittlerweile zum Traum von Dr. Carter selbst. Darüber hinaus hegt der erste Dekan des Internationalen Chapel gegenwärtig einen Traum, aus allen Teilen der Erde Diskriminierung und Kriegsfeuer verschwinden zu lassen, wie er sagt: „Ich möchte eine Strömung des Zeitgeistes, dass die „Gewaltfreiheit’ zur ‚Superpower’ wird, in Gang setzen, anstatt des Zeitalters, in dem sich ‚Militärpotenzial’ als ‚Superpower’ dominant behauptet.“
Wer kann es schaffen? Das ist die Jugend!
Als Dr. Carter die beiden Soka Schulen in Kansai und in Tokio besuchte, schenkte er den Schülern die Worte von Prof. Dr. Benjamin Elijah Mays (1895-1984), dem Mentor Dr. Martin Luther Kings und dem sechsten Rektor des Morehouse College: „Die Tragödie des Lebens liegt nicht darin, Ziele nicht erreicht zu haben, sondern nicht einmal ein Ziel zu haben, das man gerne erreichen möchte. Das Desaster im Leben heißt nicht, dass man keinen Traum realisieren konnte, sondern, dass man keinen Traum hat.“
Deshalb, meine lieben jungen Freunde! Lauft dem großen Traum entgegen!
Prof. Dr. Carter erzählte auch folgendes: „Wenn Sie denken, ‚Ich kann nicht’, so können Sie auch nichts schaffen. Und wenn Sie meinen, ‚Ich kann es sowieso nicht schaffen’, dann werden Sie wirklich nichts erreichen. Falls Sie innerlich gedacht haben, ‚Ich werde den Kampf verlieren’, sind Sie bereits besiegt. Wer siegt, ist jemand, der von sich aus eine Überzeugung schöpft, ‚Ich kann siegen’. Alles entscheidet sich in Ihrem Herzen.“
Meine lieben Kinder! Träume werden wahr! Ihr seid die Hoffnung und die Menschen mit der großen Aufgabe, die Welt zu verändern, so Herr Carter.
Zur Zeit jener Bürgerrechtsbewegung in den USA nahmen viele Kinder und Jugendliche an Demonstrationen teil. Ihr Wunsch: Wir wollen die von Gewalt geprägte Gesellschaft verändern! Gegen ihre Aufrichtigkeit ging die Obrigkeit mit Polizeiknüppeln, Hunden, die die friedlichen Demonstranten Zähne fletschend jagten, und schonungslosen Wasserwerfern vor. Durch die Wasserwerfer wurden die Kinder auf den Boden geworfen.
Diese Szenen wurden in den ganzen USA ausgestrahlt. Und das weckte den „schlafenden Riesen“, die öffentliche Meinung, auf. Welch beschämende Taten die Erwachsenen überhaupt anrichten! Und zwei Tage danach fand eine Demonstration statt, an der sich allein mehr als 3000 Kinder beteiligten. Selbst wenn sie den Einsatzkräften der Polizei gegenüberstanden, blieben sie stolz und tapfer.
„Wasser los!“ Der Befehl wurde erteilt.
Dennoch machten die Feuerwehrmänner keine Anstalt. Und die Polizisten mit ihren Polizeihunden setzten sich auch nicht in Bewegung. Obwohl die Einsatzleiter mehrmals brüllten, blieben sie doch auf der selben Stelle. An ihnen vorbei marschierten die Kinder und Jugendlichen, während sie Lieder sangen, munter und fröhlich. (am 5. Mai 1963)
Das war der Augenblick, in dem sich mit Rührung erwies, dass die Waffe der Moral die Realität verändern kann.
Kinder sind nicht einfach Kinder.
Geschweige denn, wenn sie sich bewusst werden, „wofür“ sie kämpfen, können sie eine unvorstellbar riesige Kraft entfalten.
Am Eingang habe ich geschrieben, dass Kinder mir Sorgen bereiten. Jedoch entspricht das in Wirklichkeit möglicherweise nicht der Tatsache. Es ist wohl möglich, dass wir vielmehr von Kindern lernen müssen.
Bei seinem Besuch in einer Soka Schule stellte ihm eine Schülerin eine Frage, die den Dekan Dr. Lawrence E. Carter sehr bewegte:
„Ich glaube, wir Kinder können uns das Bewusstsein der Gewaltfreiheit fortan durch Training zu eigen machen. Aber welche Möglichkeiten, die Gewaltfreiheit zu lernen, haben die Erwachsenen, die bereits in der Welt der Gewalt heimisch geworden sind? Um sie machen wir uns große Sorgen!“
(aus „Seikyo Shimbun“ vom 26. Juli 2003)
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