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(Kapitel: 3 – 10)
Daisaku Ikeda
Katsuji Saito, Takanori Endo und Haruo Suda
Überarbeitet anhand des japanischen Originals
und zusammengestellt von Helmut Sakamoto
Am 16. März 2002
11. „Glaube und Überzeugung (Shinge)“
– eine dynamische Beziehung zwischen Glaube und Weisheit 21
12. „Weisheit ist identisch mit Mitgefühl (Jihi)“,
das die Individualität fördert. 41
13. „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“
– um alle Menschen auf den Weg des absoluten Glücks zu führen 57
14. „Karmische Ursache und Beziehung (In’nen)“
– ewiges menschliches Band von Meister und Schüler 76
Teil 9. Das achte Kapitel
„Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler“ und
das neunte Kapitel
„Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen“.
15. „Erwachen der Shravakas“
– das wunderbare „Leben auf der Grundlage des großen Wunsches“ 91
Teil 10. Das zehnte Kapitel „Lehrer des Gesetzes“
16. „Lehrer des Gesetzes“
– „geistiger Führer“, der unter den Menschen lebt 111
.
Saito: Von vielen Lesern bekomme ich oft Fragen, weshalb im Lotos-Sutra unvorstellbar lange Zeitperioden so ausgiebig beschrieben werden, wie zum Beispiel jene Stellen, an denen „Sanzen-jintengo“ und „Gohyaku-jintengo“ erklärt wird.
Endo: Das stimmt, ich frage mich auch. Der Begriff „Gohyaku-jintengo“ wird beispielsweise im sechzehnten Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“ erklärt. Da werden wir zuerst gebeten, uns eine Person vorzustellen, die die astronomische Summe von „fünfhundert (Gohyaku), tausend (Sen), zehntausend (Man) hunderttausend (Oku) nayuta, asamkhya (Asogi)“ tausendmillionenfacher Welten zu Staub zerreibt.
Dann bewegt sich diese Person nach Osten und lässt jedes Mal ein Staubkorn fallen, wenn sie an „fünfhundert, tausend, zehntausend, hunderttausend, nayuta, asamkhya Welten“ vorbeikommt. Dann fragt Shakyamuni: „Liebe Männer, was meint ihr? Könnt ihr euch die Gesamtzahl dieser Welten vorstellen oder sie berechnen?“
Suda: Dann werden alle diese unzähligen Welten, an denen man dabei vorbeikommt, ebenfalls zu Staub zermahlen, und jedes dabei entstehende Staubkorn steht für ein Kalpa (Ko).
Das stellt eine ungeheure, unvorstellbar lange Zeitspanne dar. Es wäre wirklich einfacher gewesen, eine solche Zahl als „eine Eins mit soundsoviel hundert Nullen“ oder als „Zehn zur soundsovielten Potenz“ auszudrücken.
Präsident Ikeda: Dadurch wäre das Lotos-Sutra so viel kürzer geworden, nicht wahr! Aber im Ernst, denken wir über folgendes nach: Wenn der Buddha gesagt hätte: „Ich wurde vor zehn hoch x-hundert Jahren Buddha“, hätten seine Zuhörer nur passiv antworten können: „Ja, ist das so.“
Aber wenn ihnen diese Tatsache in einer Erzählung präsentiert wird „fünfhundert, tausend, zehntausend, hunderttausend nayuta, asamkhya Welten ein Staubkorn fallengelassen“, werden die Zuhörer dazu veranlasst, sich ihr eigenes Bild von diesem unglaublich langen Zeitraum zu machen und sind dazu aufgefordert, selbst zu denken und diese Information aktiv aufzunehmen.
Saito: Ich verstehe. Die vielen Parabeln im Lotos-Sutra belegen auch, mit welcher Kraft Bilder unseren Geist anregen.
Präsident Ikeda: Genau. Ein Pädagoge hat einmal vom erzieherischen Standpunkt die Kraft von Parabeln erklärt. Er behauptete folgendes: Wenn beim Unterricht Parabeln verwendet werden, folgt der Lernende oder Student dem selben Gedankengang, dem der Lehrer einmal folgte. Der Student nimmt nicht einfach passiv Informationen auf, sondern wird dazu ermutigt, den aktiven geistigen Prozess des „Selbstdenkens“ in Gang zu setzen. (aus „Sprache und Erziehung“, O. F. Bollnow)
Endo: Bei der Behandlung psychologischer Störungen wird es auch als äußerst wichtig angesehen, den Patienten zum selbständigen Denken zu ermutigen. Es gibt zum Beispiel die sogenannte „Sandkastentherapie“, in der man dem Patienten eine Sandkiste mit Miniaturhäusern, menschlichen Figuren und so weiter gibt, womit man sie ihre eigene kleine Welt erschaffen lässt. Der Prozess, sich seine eigene Erklärung zu erschaffen, soll dabei helfen, die innewohnenden Selbstheilungskräfte des Patienten zu aktivieren.
Präsident Ikeda: In den von der Erziehungsabteilung der Soka Gakkai geführten pädagogischen Beratungszentren wenden wir auch diese Sandkastentherapie an, nicht wahr?
Saito: Ja. Es gibt in ganz Japan siebenundzwanzig solcher Beratungszentren. Seit der Eröffnung des ersten Zentrums im Jahr 1968 haben über 200.000 Menschen diesen Beratungsservice in Anspruch genommen (Stand: 1995), und das Programm ist sehr gut aufgenommen worden.
Präsident Ikeda: Die Mitglieder der Erziehungsabteilung leisten wirklich fabelhafte Arbeit. Sie geben Menschen mit Problemen im Schulbereich große Ermutigung. Sie zeigen die Tat von wahren Bodhisattwas.
Um zum Lotos-Sutra zurückzukehren – wir wissen alle, dass es voller denkwürdiger Geschichten und Parabeln steckt. Sieben davon sind besonders herausragend und haben im Lauf der Jahrhunderte große Bekanntheit erlangt. Die erste der sieben, die Parabel von den drei Wagen und dem brennenden Haus, erscheint in diesem Kapitel. Sprechen wir heute über die Bedeutung von Parabeln in diesem Kapitel als Mittelpunkt.
######## „Parabel von den drei Wagen und dem brennenden Haus“
Endo: Das Kapitel „Gleichnis und Parabel“ beginnt damit, dass Shariputra seine tiefe Freude zum Ausdruck bringt. Es ist die Freude, die er verspürt, nachdem er die ihm vorangehenden Kapitel „Geeignetes Mittel“ vermittelte Lehre von der „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“ gehört und verstanden hat. Shariputra drückte mit seinem ganzen Sein seine Begeisterung aus. Das Sutra besagt:
„Zu der Zeit tanzte Shariputra vor Freude und faltete sofort seine Hände.“ (Seite 193)
In anderen Worten: Er sprang vor Freude auf und faltete seine Hände in einer Geste der Ehrerbietung vor dem Buddha. Nichiren Daishonin erklärt diese Stelle:
„’Vor Freude tanzen’ wird erläutert, dass man zu der Erleuchtung gelangt, dass die beiden Phänomene von Körper und Geist das Mystische Gesetz sind.“
(Japanische Gosho, Seite 722)
Saito: Aber die anderen Schüler verstehen noch immer nicht. Um ihretwillen bittet Shariputra Shakyamuni darum, „ein Gesetz zu lehren, das noch nie bekannt war“. Daraufhin erläutert Shakyamuni diese „Parabel von den drei Wagen und dem brennenden Haus“.
Endo: Dies ist die erste der sieben Parabeln des Lotos-Sutras. Die anderen sind die Parabel vom „reichen Mann und seinem armen Sohn“ (im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung“), die Parabel von den „drei Arten von Kräutern und den zwei Arten von Bäumen“ (im fünften Kapitel „Parabel von den Heilkräutern“), die Parabel von dem „Phantomschloss und Ort der Schätze“ (im siebten Kapitel „Parabel des Phantomschlosses“), die Parabel vom „Juwel im Gewandsaum“ (im achten Kapitel „Prophezeiung für fünfhundert Schüler“), die Parabel vom „unschätzbaren Juwel im Dutt“ (im vierzehnten Kapitel „Ausübung mit unerschütterlicher Freude“) und schließlich die Parabel von dem „guten Arzt und seinen kranken Kindern“ (im sechzehnten Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“).
Präsident Ikeda: Parabeln spielen nicht nur im Kapitel „Gleichnis und Parabel“, sondern auch im gesamten Lotos-Sutra eine wichtige Rolle. Wie es im Kapitel „Geeignetes Mittel“ heißt: „Das Wesen stiller Auslöschung, das alle Phänomene trägt, kann nicht mit Worten erklärt werden.“ (Seite 188)
Das unendlich tiefe Gesetz, zu dem der Buddha erwacht ist, lässt sich sehr schwer in Worte fassen. Doch wenn diese Erleuchtung im Herzen des Buddhas eingeschlossen bliebe, würde der Weg zur Buddhaschaft für alle Lebewesen verschlossen bleiben. Der Grund, warum der Buddha verschiedene Parabeln verwendet, liegt darin, dass er für alle Lebewesen den Weg zur Erleuchtung öffnet.
Suda: Ich möchte jetzt den Inhalt der Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ kurz erzählen.
In einer Stadt lebte ein älterer Mann von beachtlichem Reichtum. Er besaß ein großes Haus, doch es war alt und verfallen. Plötzlich fing das Haus Feuer, und bald stand das ganze Gebäude in Flammen. Die zahlreichen Kinder des Mannes befanden sich jedoch noch in dem Haus. Obwohl das Haus brannte, waren die Kinder so mit ihren Spielen beschäftigt, dass sie ihre Lage nicht bemerkten. Wie das Sutra beschreibt: „In der dreifachen Welt gibt es keine Ruhe und Frieden, sie ist wie ein brennendes Haus.“ (Seite 233)
Das brennende Haus ist eine Metapher für unsere Welt hier, die von den Flammen des Leidens umgeben ist. Das Sutra beschreibt dieses Haus mit großer Lebendigkeit.
Endo: Ja. Das Haus ist mit giftigen Insekten, Schlangen, Ratten, Füchsen, Wölfen, Gnomen, Trollen, Yakshas und bösen Geistern verseucht. Plötzlich springen Feuerwände aus dem Boden, die diese Kreaturen in wilder, rasender Panik aus ihren Verstecken treiben. Es tut sich eine schreckliche Szene nach der anderen atemberaubend auf, wie in einem modernen Horrorfilm. Dann wendet sich der Blick auf die Kinder, die unschuldig und ohne eine Ahnung von den sie umgebenden Gefahren spielen.
Präsident Ikeda: Es ist so, als ob man der meisterhaften Kameraarbeit eines packenden Films folgte. „Das Leben ist wie ein brennendes Haus“ – diesem Vergleich gelingt es, in unserem Geist ein eindringliches Bild von den Gefahren eines Lebens zu erschaffen, das sich im Vergnügen verloren hat.
Das Lotos-Sutra beschreibt die Leiden der menschlichen Existenz auf äußerst realistische Weise. Das ist einer der Gründe, warum das Lotos-Sutra als literarisches Werk einen so hohen Ruf hat. Der chinesische Schriftsteller Lu Xun (1881-1926) hat das bild der Flammen des brennenden Hauses in seinem Werk „Sihuo (Flammen des Todes)“ verwendet.
Saito: Dies ist ein großer Unterschied zwischen dem Lotos-Sutra und anderen Mahayana-Sutra, die dazu neigen, die Wirklichkeit doch als Illusion zu beachten. Ich denke, das ist ein bezeichnendes Merkmal des Lotos-Sutras, wenn dort betont wird, dass alle Phänomene mit dem Wahren Wesen identisch (soku) sind und dass die Realität mit der Wahrheit identisch ist.
Präsident Ikeda: Ja, das ist vermutlich ein Teilaspekt. Aber das Herz des Sutras ist Mitgefühl (Jihi), die Entschlossenheit, alle Lebewesen zu retten, ein tiefes Herz, das die Leiden anderer Lebewesen wie die eigenen empfindet.
Endo: Die zweite Hälfte der Parabel von den drei Wagen und dem brennenden Haus ist genau die Geschichte einer solchen Rettung.
Der reiche Mann läuft in das brennende Haus und sagt zu den Kindern, sie sollen es sofort verlassen. Aber die Kinder, die in ihren Spielen versunken sind, wissen nicht, dass das Haus brennt und sie bei lebendigem Leib verbrennen würden. So laufen sie weiter in dem Haus herum und amüsieren sich.
Also denkt sich der reiche Mann einen Plan aus. Er sagt den Kindern, dass er draußen Wagen mit Ziegen, Wagen mit Hirschen und Wagen mit Ochsen stehen hat, alles Dinge, die sie sich gewünscht hatten. Er bittet sie, das Haus zu verlassen und auszuwählen, was immer ihnen gefällt. Als die Kinder das hören, stürzen sie alle voller Freude aus der Feuerbrunst, denn jeder möchte der erste sein, um seinen kostbaren Wagen auszuwählen. Und so werden alle Kinder gerettet.
Suda: Als die Kinder von ihrem Vater die versprochenen Wagen verlangten, gab er ihnen keine Wagen mit Ziegen, Hirschen oder Ochsen, sondern schenkte jedem von ihnen „einen großen Wagen von einheitlicher Größe und Beschaffenheit“ – einen großartigen, juwelengeschmückten Wagen, der von einem weißen Ochsen gezogen wird.
Die drei Arten von Wagen, die er ursprünglich versprochen hatte, also die Wagen gezogen von einer Ziege, einem Hirsch oder einem Ochsen, stehen für die drei Fahrzeuge (die Fahrzeuge des Shravakas, des Pratyekabuddhas und des Bodhisattwas). Der Wagen mit den Ziegen ist die Lehre für Shravakas (Stimmen-Hörer), der Wagen mit den Hirschen ist die Lehre für Pratyekabuddhas (Menschen der Teilerleuchtung) und der Wagen mit den Ochsen ist die Lehre für Bodhisattwas.
Aber der große weiße Ochsenwagen, den der Vater tatsächlich jedem seiner Kinder gab, ist das eine Buddhafahrzeug – in anderen Worten die Lehre, durch die alle Menschen die Buddhaschaft verwirklichen können.
Endo: Natürlich ist der reiche Mann in der Parabel der Buddha, und die Kinder, die in dem brennenden Haus spielen, stellen alle Lebewesen dar, die nicht erkennen, dass sie inmitten einer Welt des Leidens leben und schließlich von den Flammen dieses Leidens verbrannt werden.
Die Art und Weise, wie der Vater mit den drei Wagen die Aufmerksamkeit seiner Kinder erweckt, ist eine Metapher dafür, wie der Buddha die drei Fahrzeuge gelehrt und seine Lehren so gestaltet hat, dass sie der Aufnahmekapazität der Menschen entsprechen, um sie zu retten.
Die Tatsache, dass der Vater schließlich jedem seiner Kinder einen großen weißen Ochsenwagen gibt, sagt uns, dass die wahre Lehre des Buddhas nicht die drei Fahrzeuge, sondern das eine Buddhafahrzeug ist. Was wir hier dargestellt sehen, ist das Prinzip der „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“.
Ich bin der Vater aller Lebewesen und sollte ihre Leiden abnehmen und ihnen die Freude der unermesslichen und grenzenlosen Weisheit des Buddhas geben, damit sie ihr Wohlbefinden erleben. (Seite 216)
Präsident Ikeda: Die großen weißen Ochsenwagen, die das eine Buddhafahrzeug darstellen, werden im Sutra sehr detailliert beschrieben. Diese Beschreibung selbst ist eine Parabel, ein Versuch, auf irgendeine Weise mitzuteilen, wie wunderbar der Zustand der Buddhaschaft ist.
Saito: Ja. Das Sutra nennt sie „große Wagen, geschmückt mit sieben Arten von Juwelen“ (Seite 213) Der reiche Mann besitzt unzählige Schätze in seinen Schatzkammern. Er verwendet sie, um die Wagen mit Gold, Silber, Lapislazuli, Achat und anderen kostbaren Juwelen zu schmücken. Es sind große Wagen, die von weißen Ochsen gezogen werden. Die Wagen haben „Lehnen, die um sie führen, und Glocken, die von allen Seiten hängen, Seile aus gedrehtem und geflochtenem Gold, Netze aus Perlen, die über das Dach gespannt sind“.
Präsident Ikeda: Das lässt an die Beschreibung des juwelenbesetzten Stupas im elften Kapitel „Erscheinen des Schatzturms“ denken.
Suda: Die weißen Ochsen, die die Wagen ziehen, sind ebenfalls wunderschön. Ihre Haut ist rein und sauber, und wenn sie gehen, ziehen sie die Wagen gerade und ruhig. Wenn sie laufen, sind sie so schnell wie der Wind. Das Sutra erläutert, dass die Kinder beim Fahren dieses juwelenbesetzten Wagens sich absoluter Freiheit erfreuten.
Präsident Ikeda: Das entspricht genau einer Beschreibung des Zustandes der Buddhaschaft. Den Kindern die drei Wagen anzubieten, um sie aus dem brennenden Haus zu locken, ist die Tat, mit der der Buddha das Leiden der Menschen abnimmt. Ihnen die großen weißen Ochsenwagen zu schenken ist die Tat, mit der er ihnen Freude gibt. Er gab den Kindern den Zustand von höchst unerschütterlicher Freude und Glück, das heißt die Weisheit des Buddhas.
Nun diese dreifache Welt ist ganz meine Domäne, und die Lebewesen darin sind alle meine Kinder. Aber jetzt sind an diesem Ort verschiedene Kummer und Leiden zahlreich, und ich allein vermag sie zu retten und zu beschützen. (Seite 233)
Der große weiße Ochsenwagen, der frei die gefährlichsten Gipfel überquert, steht für den Zustand der Buddhaschaft, der keine Grenzen kennt. In einer Gosho schreibt Nichiren Daishonin eindeutig:
„Ein Fahrzeug, das frei über den Himmel der grundlegenden Natur des Gesetzes fliegt, wird der große weiße Ochsenwagen genannt.“ (Japanische Gosho, Seite 1584)
In dieser Gosho schreibt der Daishonin darüber, dass die Beschreibung des großen weißen Ochsenwagens in der chinesischen Übersetzung Kumarajivas abgekürzt ist. Und zum Vergleich bezieht er sich direkt auf eine Sanskritausgabe des Lotos-Sutras, die er studierte.
Endo: Wie der Daishonin bemerkt, ist der große weiße Ochsenwagen jeweils fünfhundert yojanas (Yujun) lang, breit und hoch. Das ist sogar größer als der Schatzturm, der im elften Kapitel des Lotos-Sutras erscheint. Sie sind gleich hoch, aber der große weiße Ochsenwagen ist doppelt so breit und lang wie der Schatzturm.
Suda: Der Sanskrittext des Lotos-Sutras, auf den sich der Daishonin bezieht, scheint sich von den heute vorhandenen Sanskritversionen zu unterscheiden. Aber wie in der Gosho steht, beschreibt er den großen weißen Ochsenwagen als mit siebenunddreißig strahlenden, silbergedeckten Stufen ausgestattet, die auf ihn hinaufführen. Vierundachtzigtausend juwelengeschmückte Glocken hängen an allen vier Seiten des Wagens, und auf seinen zweiundvierzigtausend Geländern standen die vier himmlischen Könige als Wächter. Im Inneren des Wagens saßen über 69.380 Buddhas und Bodhisattwas auf Lotossitzen.
Präsident Ikeda: Solcher Glanz übersteigt einfach das ganze Vorstellungsvermögen. Wir sollten uns den großen weißen Ochsenwagen sicherlich nicht in irgendeiner Weise wie die bescheidenen Ochsenwagen vorstellen, die man vor langer Zeit auf dem Land sehen konnte. Jetzt sieht man sie natürlich nicht mehr oft. Ich würde mich freuen, wenn ein begabter und inspirierter Maler diesen großen weißen Ochsenwagen in seinem ganzen Glanz darstellen könnte.
Saito: Die Zahl über 69.380 bezieht sich auch die Zahl der Schriftzeichen in der chinesischen Übersetzung des Lotos-Sutras. In der Abhandlung „Über das Öffnen der Augen“ schreibt Nichiren Daishonin:
„Dieses Lotos-Sutra ist ein Werk, das aus acht Bänden, achtundzwanzig Kapiteln und 69.384 Schriftzeichen besteht. Jedem einzelnen Buchstaben haftet das Wort myo (mystisch) an, was aus ihm einen Buddha macht, der mit 32 auszeichnenden Merkmalen und 80 physischen Vorzügen ausgestattet ist.“
(Gosho Band II, Seite 128; Japanische Gosho, Seite 209)
Jedes einzelne Schriftzeichen des Lotos-Sutras ist ein Buddha, und daher befinden sich stattlich in dem großen weißen Ochsenwagen 69.384 Buddhas.
Präsident Ikeda: Der große weiße Ochsenwagen ist nichts anders als das Lotos-Sutra selbst. Seine Wesenheit ist das mystische Leben des Buddhas, das große Leben von Nam-Myoho-Renge-Kyo. Deshalb schreibt der Daishonin:
„Der große weiße Ochsenwagen im Lotos-Sutra ist das Fahrzeug, das sowohl ich als auch die anderen, die Ausübenden des Lotos-Sutras, besteigen können.“
(Japanische Gosho, Seite 1584)
Endo: Das wunderbare Bild von diesem großen weißen Ochsenwagen muss auch in scharfem Gegensatz zu dem brennenden Haus gesehen werden.
Präsident Ikeda: Genau. In Dummheit und Unwissenheit versunkene Lebewesen können weder merken, dass sie mitsamt dem Haus, in dem sie leben, verbrennen, noch erkennen, dass ihr eigenes Leben das Leben des Buddhas enthält. Durch Parabel versucht der Buddha, sie zu dem herrlich strahlenden Leben in ihnen zu erwecken.
######## Auswirkungen der Parabel des Lotos-Sutras
Saito: Es gibt zusätzlich zu den sieben Parabeln, die wir bereits erwähnt haben, noch viele andere Parabeln im Lotos-Sutra. Die am häufigsten erwähnten davon sind die Parabel vom „Festmahl des großen Königs“ im sechsten Kapitel „Verleihung der Prophezeiung“, die Parabel von „dreitausend Staubkörnchen-Kalpa (sanzen-jinten-ko)“ im siebenten Kapitel „Parabel des Phantomschlosses“, die Parabel vom „Graben eines Brunnens auf einer Hochebene“ im zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes“, die Parabel von „fünfhundert, tausend Staubkörnchen-Kalpas (gohyaku-jinten-ko)“ im sechzehnten Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagatas“, die „zehn Gleichnisse“ im dreiundzwanzigsten Kapitel „Eigentliche Tat des Bodhisattwas Medizinkönig“ und die Parabel von der „einäugigen Schildkröte“ im siebenundzwanzigsten Kapitel „Eigentliche Tat des Königs ‚mystische Feierlichkeit’“.
Es gibt noch viel mehr, viel zu viele, um sie alle hier aufzuführen. Warum ist das Lotos-Sutra so reich an Parabeln? Ein offensichtlicher Grund mag in der allgemeinen Vorliebe für Parabeln und Metaphern in der indischen Denkweise liegen. Ich glaube jedoch, der viel wichtigere Grund dafür liegt darin, dass es sich beim Lotos-Sutra um eine Schrift handelt, die jeden einzelnen Menschen ansprechen will.
Suda: In der Tat haben die wunderbaren Parabeln des Lotos-Sutras über alle Grenzen und Zeitalter hindurch viele Menschen fasziniert und bezaubert. Im chinesischen Volk hat zum Beispiel der Glaube an das Lotos-Sutra die Entwicklung mehrerer Gattungen der Volksliteratur angeregt, in denen der Nutzen von jenen Menschen geschildert wird, die das Lotos-Sutra preisen und die biographischen Darstellungen über aufrichtig Glaubende und Ausübende des Sutras beinhalten.
Es ist wohl vorstellbar, dass im Hintergrund ganz klar die Zugänglichkeit und die erleuchtende Qualität dieser Parabeln des Lotos-Sutras lagen, die zur Entstehung einer solchen Volksliteratur führte.
Endo: Auch wenn für eine klare Schlussfolgerung nicht genügend Beweise vorliegen, meinen einige manche Forscher, dass das Lotos-Sutra sogar das Neue Testament der Bibel beeinflusst hat.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn im Lukas-Evangelium ähnelt zum Beispiel sehr stark der Parabel vom reichen Mann und seinem armen Sohn, die im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung“ des Lotos-Sutras erscheint.
Der berühmte japanische Buddhologe Dr. Hajime Nakamura weist auf die Möglichkeit hin, dass die westlichen Religionen, welche Lehren von Liebe vertreten, sich unter dem Einfluss des östlichen Ideals des Mitgefühls (Jihi) entwickelt haben könnten. (aus „Intellektueller Austausch zwischen Indien und Griechenland“)
Saito: Auch in der japanischen Literatur ist das Lotos-Sutra die am meisten zitierte unter den zahlreichen buddhistischen Schriften. In der Nara-Periode (710-794), kurz nachdem der Buddhismus in Japan eingeführt worden war, begannen die gebildeten Schichten Lyrik zu verfassen, die sich auf buddhistische Themen und Ideale bezog. Doch zu jener Zeit wurde das Lotos-Sutra als Thema noch nicht allgemein aufgenommen.
######### Im einfachen Volk wurde jedoch ungefähr zur selben Zeit das Lotos-Sutra zu einem Thema der volkstümlichen Literatur. Im „Nihon Ryoi Ki“, einer Sammlung buddhistischer Geschichten, die die karmischen Folgen von vielen Menschen erzählen, taucht das Lotos-Sutra mit einer Häufigkeit auf, die alle anderen Schriften bei weitem übersteigt.
Präsident Ikeda: In der Nara-Periode wurde das in Japan eingeführte Lotos-Sutra bei den einfachen Menschen besser aufgenommen als unter der Elite. Wie passend das für eine Schrift ist, die sich der Aufgabe widmet, Menschen zu helfen, mit dem täglichen Leben fertig zu werden!
Suda: Seit der Zeit, als der große Lehrer Dengyo (767-822) in der Heian-Periode (794-1185) die auf dem Lotos-Sutra beruhende Tendai Schule des Buddhismus in Japan gründete, wurde das Lotos-Sutra nicht nur als religiöser Text, sondern auch als literarisches Werk als der König der Schriften angesehen, auch unter den gebildeten Menschen der Hauptstadt.
In der aristokratischen Gesellschaft wurden regelmäßig Vorlesungen über das Lotos-Sutra gehalten, und Wissen über das Sutra wurde als unverzichtbarer Teil der Allgemeinbildung angesehen.
Präsident Ikeda: In ihrem Roman „Das Kissenbuch“ enthüllt die Schriftstellerin Sei-Shonagon aus der Heian-Periode in einer humoristischen Anekdote die weite Bekanntheit des Lotos-Sutras unter dem Adel. Als sie sich anschickte, eine Vorlesung über das Lotos-Sutra zu verlassen, bemerkte ein Adeliger namens Fujiwara-no-Yoshichika sarkastisch: „Ah, es ist gut, dass Ihr geht,“ worauf Sei-Shonagon die Antwort gab: „Auch Ihr werdet sicherlich unter den fünftausend sein, Exzellenz.“
Fujiwara-no-Yoshichika bezog sich auf Shakyamunis Reaktion im zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel“ des Lotos-Sutras, als fünftausend arrogante Gläubige die Versammlung verließen. Dort sagte Shakyamuni nämlich: „Es ist auch gut, dass diese Personen von anmaßender Arroganz sich zurückgezogen haben.“ Aus der Leichtigkeit, mit der Sei-Shonagon und ihre Freunde Anspielungen auf das Lotos-Sutra austauschten, lässt es sich vermuten, dass es zu jener Zeit bereits tief in das Bewusstsein der Menschen eingedrungen war.
Suda: Das Lotos-Sutra ist auch in dem von vielen Menschen als erster Roman der Welt angesehenen Werk „Geschichte von Genji“ von Murasaki-Shikibu eine der am häufigsten zitierten buddhistischen Schriften. Unter den verschiedenen buddhistischen Zeremonien, die die Figuren des Romans abhalten, wird oft der Brauch der acht Vortragsreihen über das Lotos-Sutra erwähnt.
Die Hauptfigur des Romans Hikaru-Genji soll im Alter von dreiundzwanzig Jahren die drei Hauptschriften der Tendai Schule und ihre zahlreichen Kommentare gelesen haben – insgesamt sechzig Bände – und war daher mit dem Lotos-Sutra eng vertraut.
Saito: Einige Gelehrte sagen, dass die berühmte Szene im Kapitel „Der Besenbaum“, die als das Gespräch in der Regennacht bekannt ist, der Struktur der „drei Zyklen der Predigt (Sanshu-no-Seppo)“ im Lotos-Sutra folgt.
Endo: Von der Mitte der Heian-Periode an verfassten der Kaiser und die Aristokratie oft Gedichte auf der Grundlage verschiedener Kapitel des Lotos-Sutras. Dieser Brauch, Gedichte auf der Grundlage eines einzelnen Kapitels zu verfassen, scheint in China populär gewesen zu sein und wurde von dort nach Japan weitergegeben.
Nach der Darstellung japanischer Literaturwissenschaftler waren die Kapitel „Geeignetes Mittel“ und „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“ die häufigste Wahl für solche Gedichte, gefolgt von den Kapiteln „Devabatta“ und jenen Kapiteln, in denen die sieben Parabeln verkündet werden: „Gleichnis und Parabel“, „Glaube und Überzeugung“, „Parabel von den Heilkräutern“ und „Prophezeiung für fünfhundert Schüler“.
Das folgende Gedicht beruht zum Beispiel auf der Parabel vom „Juwel im Gewandsaum“ aus dem Kapitel „Prophezeiung für fünfhundert Schüler“:
„Ich erfuhr erst von dem Juwel
das in mein Gewand genäht war
Durch zufälliges Treffen
Mit einem alten Freund
Als ich betrunken war.“
(aus „Sammlung der Gedichte – Hosshin-wakashu“, Seishi-Naishin’no)
Ein weiteres Gedicht spielt auf die Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ aus diesem dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel“ an:
„Die Welt ist ein elender Ort
Und doch soll ich entrinnen
Diesem Haus brennender Leidenschaft
Ohne den Ochsenwagen.“
(aus „Sammlung der Gedichte – Shui-wakashu“)
Präsident Ikeda: Damit könnte man wohl sagen, dass das Lotos-Sutra zu jener Zeit in der Bevölkerung so gut bekannt war, so dass viele seiner berühmten Sätze in der Dichtkunst als Wortspiele geläufig verwendet wurden.
######## Besondere Merkmale der Parabeln im Lotos-Sutra
Suda: Ich frage mich, woher diese ungeheure Kraft der Parabeln des Lotos-Sutras kommt, die Herzen und die Vorstellung der Menschen gefangen zu nehmen? Das Lotos-Sutra widmet insbesondere acht seiner achtundzwanzig Kapitel der Erklärung der wahren Funktion der drei Fahrzeuge und des Prinzips der „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“. Es betont dabei, dass alle Lebewesen das Potential zur Buddhaschaft besitzen.
Fünf von den sieben Parabeln des Lotos-Sutras finden sich in diesen acht Kapiteln. Diese Lehre wird mit solcher Ausdauer dargelegt, dass manche Leute dies ein wenig ermüdend oder zudringlich finden könnten. Doch was wir hier sehen, scheint meines Erachtens die außerordentliche Tiefe des Mitgefühls von Shakyamuni zu sein.
Präsident Ikeda: Richtig. Das ist genau die Quelle des Reichtums der Parabeln im Lotos-Sutra. Was ist eine Parabel? Der große Lehrer T’ien-t’ai (538-597) aus China sagt dazu in seinem Werk „Worte und Verse des Lotos-Sutras (Hokke-Mongu)“:
„Die große Liebe (Daihi) des Buddhas erschöpft sich nie, und seine herausragende Weisheit wirkt grenzenlos. Deshalb predigt der Buddha Parabeln. Indem er die Bäume bewegt, zeigt er uns den Wind, indem er seinen Fächer erhebt, enthüllt er den Mond. So erweckt er uns zur Wahrheit.“
Nichiren Daishonin zitiert diese Stelle und fügt seinen Kommentar hinzu:
„Die große Liebe ist wie das Mitgefühl, das eine Mutter für ihr Kind empfindet.“
(Japanische Gosho, Seite 721)
Es ist ein tiefes Mitgefühl (Jihi), das diese geschickten Parabeln hervorbringt. Er zitiert weiter die Worte von T’ien-t’ais Schüler Zhang’an (Shoan):
„Jemand, der den Übeltäter von dessen Bösen befreit, handelt als seine Eltern.“
(Japanische Gosho, Seite 721)
Der Daishonin beschreibt hier die „strenge Liebe“ von Eltern, die darum kämpfen, ihre Kinder vom Bösen zu befreien, selbst wenn das bedeutet, sich den Unmut des Kindes zuzuziehen.
Saito: Wir können im ganzen Kapitel „Gleichnis und Parabel“ immer wieder die elterliche Fürsorge des Buddhas sehen. Shakyamuni predigt zum Beispiel:
„Diese verschiedenen Lebewesen sind alle meine Kinder. Ich werde allen von ihnen in gleicher Weise das große Fahrzeug geben.“ (Seite 220) Und weiter: „Nun diese dreifache Welt ist ganz meine Domäne, und die Lebewesen darin sind alle meine Kinder.“ (Seite 233)
Suda: Die Stelle „Nun diese dreifache Welt“ ist sehr wichtig, denn sie macht die Beziehung zwischen dem Buddha und den Lebewesen ganz klar.
Präsident Ikeda: Alle sieben zentralen Parabeln des Lotos-Sutras enthüllen das Mitgefühl des Buddhas für die Lebewesen. In dreien von ihnen, der Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“, der Parabel vom „reichen Mann und seinem armen Sohn“ und der Parabel vom „guten Arzt und seinen kranken Kindern“ wird der Buddha als Vater dargestellt, der seine Kinder rettet.
In der Parabel von den „drei Arten von Kräutern und den zwei Arten von Bäumen“ wird er mit einer großen Wolke von Mitgefühl verglichen, die allen Arten von Pflanzen gleichermaßen Regen bringt; in der „Parabel von dem Phantomschloss und Ort der Schätze“ wird er als Anführer einer Karawane dargestellt; in der „Parabel vom Juwel im Gewandsaum“ wird er als Mann dargestellt, der seinen Freund beschützt, und in der Parabel vom „unschätzbaren Juwel im Dutt“ wird er als König dargestellt, der seinen Minister preist.
Die Parabeln des Lotos-Sutras werden nicht „der Kapazität der Zuhörer angepasst (Zuitai)“ gepredigt, sondern sie werden „dem eigenen Willen des Buddhas entsprechend (Zui-jii)“ gepredigt, um diesen Geist zu enthüllen und die Lebewesen zu ihm zu ziehen. Der Daishonin schreibt hierzu:
„Das Lotos-Sutra ist ein Beispiel für die Lehre, die „der Kapazität der Zuhörer angepasst (Zuitai)“ gepredigt wird, weil der Buddha darin alle Lebewesen seinem Geist folgen lässt.“ (Japanische Gosho, Seite 1437)
Die Parabeln des Lotos-Sutras werden gelehrt, um den Geist der Lebewesen eins mit dem Geist des Buddhas selbst zu machen.
Saito: Die Parabeln des Lotos-Sutras haben die Kraft, Lebewesen zum Zustand der Buddhaschaft zu erheben, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Ja, das haben sie. Ich habe vorher bemerkt, dass Parabeln die Kraft haben, einen auf aktive und positive Weise denken zu lassen. Herr Tsunesaburo Makiguchi, der Gründer der Soka Gakkai, hat sein pädagogisches System so entwickelt, dass es dieselbe Wirkung erzielt. Ich beziehe mich auf das, was er „Lernen in der unmittelbaren Umgebung“ und „Praktische Erziehung“ nannte.
Seine Idee war es, den Schüler so viel wie möglich in der Umgebung seines eigenen Heims erfahren zu lassen und dann zum Studium über viele Dingen überzugehen, die er nicht direkt erfahren konnte, wobei er immer seine eigene Erfahrung als Bezugspunkt benutzte.
Mit der tatsächlichen Erfahrung des Schülers sozusagen als Parabel ermutigte Makiguchi Senseis Methode die Schüler dazu, den Bereich ihres Denkens selbst zu erweitern. Deshalb legte er so großen Wert auf freie Aktivitäten für Schüler. Die Verwendung von leicht verständlichen Parabeln und Gleichnissen zum Lehren ist dasselbe, wie den Schüler dazu zu motivieren, selbständig zu denken. Und genau das bewirkt eine dramatische Veränderung in jenen Menschen, die unterrichtet werden.
In diesem Zusammenhang hat jemand einmal die sieben Parabeln des Lotos-Sutras als Medizin beschrieben, die die Krankheiten des Lebens heilen. Hier spreche ich von dem indischen buddhistischen Philosophen Vasubandhu (Tenjin), der um das vierte oder fünfte Jahrhundert lebte.
Er sagte zum Beispiel, dass die Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ ein Heilmittel für den arroganten Geist ist, der irregeleitet und verkehrt nach allen Arten von Tugenden strebt. „Irregeleitet und verkehrt“ bezeichnet die Narrheit, wahres Glück im brennenden Haus dieser dreifachen Welt zu suchen.
Er erläuterte, dass die Parabel von dem „Phantomschloss und Ort der Schätze“ ein Heilmittel für den arroganten Geist sein sollte, der von der Realität von Dingen überzeugt ist, die nicht wirklich existieren oder keine Substanz besitzen.
Sie lehrt insbesondere die Shravakas (Stimmen-Hörer), dass die begrenzte Erleuchtung der zwei Fahrzeuge, die sie für alles halten, in Wirklichkeit nicht mehr als ein Phantomschloss ist, in anderen Worten, dass es nicht existiert.
Die Parabel vom „Juwel im Gewandsaum“ wiederum heilt den arroganten Geist, der von der Nichtwirklichkeit dessen überzeugt ist, was wirklich oder tatsächlich existiert. Sie lehrt, dass das Juwel (die Buddhanatur), an dessen Existenz die Lebewesen nicht glauben, immer schon da ist, eingenäht in das Futter ihres Gewandes (ihrem eigenen Leben innewohnend).
So beschreibt Vasubandhu die sieben Parabeln als heilsame Medizin gegen die Krankheiten des Lebens. Und in diesem Sinne ist Shakyamuni ein großer Arzt, der die Lebewesen heilt und wieder belebt. Er ist ein großartiger Arzt und zugleich strenger Vater. Was in all seinen Inkarnationen hervortritt, ist Shakyamunis brennendes Mitgefühl, das inbrünstig und unermüdlich danach strebt, alle Lebewesen glücklich zu machen.
Saito: Die Parabel von dem „guten Arzt und seinen kranken Kindern“ im sechzehnten Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“ zeigt den Buddha sowohl als großen Arzt als auch als strengen Vater.
Präsident Ikeda: Der Buddha im sechzehnten Kapitel des Lotos-Sutras ist jener Buddha, der unaufhörlich für die Rettung aller Lebewesen arbeitet, seit der Zeit ohne Anfang und bis in die endlose Zukunft.
Das Leben dieses Buddhas ist ewig, und doch erscheint er auf er Welt, um Lebewesen zu retten, und tritt genau aus demselben Grund in die Verlöschung ein. Sein Erscheinen und seine Auslöschung geschehen alle um der Lebewesen willen. Dieser Buddha ist der vollkommene Ausdruck eines Lebens aus Mitgefühl (Jihi).
Endo: In der ersten der sieben Parabeln, der Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“, ist der Buddha als Vater dargestellt. Die vorher erwähnte Stelle „Nun diese dreifache Welt“ zeigt die tiefe Entschlossenheit des Buddhas, der der Vater ist, alle Lebewesen zu retten, die seine Kinder sind.
Dieser Buddha, der für alle Lebewesen ein Vater ist, wird dann im Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“ als der Buddha der Zeit ohne Anfang enthüllt, der die ewige Funktion und das Wirken des Mitgefühls darstellt, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Ja. In der Gosho „über einhundertsechs Vergleiche (Hyaku-rokka-Sho)“ wird erklärt, dass die Stelle „Nun diese dreifache Welt“ auf das Kapitel „unermessliche Lebensdauer“ geheim hinweist.
######## Gleichnis und Parabel sind identisch mit dem Dharma-Körper
Suda: Die Gleichnisse und Parabeln, die im Lotos-Sutra vorkommen, besitzen ein weiteres wichtiges Merkmal. Nicht nur verwendet Shakyamuni sie bei seinen Versuchen, die Tiefe der Lehren des Lotos-Sutras seinen Schülern zu vermitteln, sondern auch seine Schüler verwenden sie, um zu zeigen, dass sie seine Lehren verstanden haben.
Wenn wir eine Parabel verwenden, um etwas zu erklären, sehen wir das üblicherweise als eine Methode an, die von einem Lehrer angewandt wird, wenn er seine Schüler unterrichtet. Aber im Lotos-Sutra gehen Parabeln keinesfalls nur in eine Richtung. Die Schüler des Buddhas verwenden im Gespräch ebenfalls Parabeln.
Saito: Die vier großen Shravakas (Stimmen-Hörer), die unmittelbar die Bedeutung der Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ verstanden, enthüllen im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung“ ihr Verständnis, indem sie die Parabel von dem „reichen Mann und seinem armen Sohn“ erzählen.
Und im Kapitel „Prophezeiung für fünfhundert Schüler“ zeigen die Shravakas, die die Lehre von Ursachen und Beziehungen verstanden haben, die im Kapitel „Parabel vom Phantomschloss“ dargelegt wird, ihr Verständnis, indem sie die Parabel vom „Juwel am Kragen“ mitteilen.
Präsident Ikeda: Die geschickten Parabeln und Gleichnisse des Buddhas einfach nur zu hören und „Ja, ich habe verstanden“ zu sagen, stellt noch kein volles Verständnis dar. Wirklich tiefe Überzeugung führt zu einer Umwandlung des gesamten Wesens. Verstehen führt seiner Natur nach zu Umwandlung.
Wenn man zu einem höheren Lebenszustand hinaufsteigt, wird Weisheit geboren. Deshalb konnten die Schüler, die die Lehren des Buddhas hörten und wirklich verstanden, dann selbst in Parabeln sprechen.
Wir müssen uns auch daran erinnern, dass Shakyamuni Parabeln verwendete, um alle Lebewesen zu erreichen. Sein Ziel war es, allen ohne Ausnahme den Weg zur Buddhaschaft zu öffnen. Sobald seine Schüler einmal den Sinn hinter den Parabeln verstanden, den Grund, weshalb er sie verwendete, scheint es ganz natürlich, dass sie darauf mit eigenen Parabeln antworten.
Die Freude, „richtig verstanden zu haben“, erfüllte sie mit dem tiefen Wunsch „ich muss diese Wahrheit allen anderen unbedingt mitteilen“.
Endo: In einem ganz anderen Kontext erinnert mich diese Freude „richtig verstanden zu haben“ an die Geschichte, wie der alte griechische Mathematiker und Erfinde Archimedes das physikalische Gesetz vom Auftrieb entdeckte, das als archimedisches Prinzip bekannt ist.
Der König wollte überprüfen, ob eine Krone wirklich aus Gold war, und er verlangte von Archimedes, er solle das für ihn herausfinden, natürlich ohne die Krone zu beschädigen. Archimedes ging ins öffentliche Bad, um über das Problem nachzudenken, wo er bemerkte, dass das Wasser überfloss, als er sich in die Badewanne setzte.
In diesem Augenblick kam ihm eine Methode zur Messung des Goldes wie ein Blitz zu Bewusstsein. Er sprang aus dem Bad und rief: „Heureka! Heureka! (Ich hab’s gefunden)“ Diese Begebenheit ist sehr bekannt, und das griechische Wort „heureka“ ist im Westen seit Jahrhunderten ein Ausdruck für die Freude der Entdeckung gewesen.
Präsident Ikeda: Ohne Zweifel hat dieses Wort Jahrhunderte lang bis zum heutigen Tag überlebt, weil darin noch immer der Jubel des Archimedes pulsiert. In gleicher Weise durchdringt die unbezähmbare Freude der Schüler des Buddhas die Parabeln, die sie anbieten.
Interessanterweise erzählt Shakyamuni zu Shariputra, dass Shakyamuni das Lotos-Sutra predigt, um Shariputra an den Weg des Buddhas zu erinnern, nach dem Shariputra in der Vergangenheit gestrebt und den er praktiziert hatte. Der Buddha sagt:
„Weil ich jetzt wieder wünsche, dass du dich den Weg bedenkst, den du aufgrund deines ursprünglichen Gelübdes gegangen bist, predige ich für die verschiedenen Shravakas dieses Sutra des großen Fahrzeugs ...“ (Seite 199)
Die Wahrheit zu verstehen und anderen zu vermitteln, sind Handlungen des Erinnerns. Erinnerung ist möglich, weil die Wahrheit bereits im eigenen Leben ist. Deshalb legt das Lotos-Sutra so großes Gewicht auf Parabeln und den Einfluss von Ursachen und Beziehungen. Man kann wohl sagen, dass das sechzehnte Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata“ die tiefsten Ursachen und Beziehungen lehrt, die in die Vergangenheit ohne Anfang zurückreichen.
Saito: Der japanische Dichter Makoto Ooka schreibt folgendes:
„Die Worte, die wir in der alltäglichen Rede verwenden, können plötzlich, je nachdem wie sie kombiniert oder in welchem Augenblick sie geäußert werden, eine ungeheure Kraft annehmen. ... Die Sprache, die wir verwenden, ist wie die Spitze eines Eisberges. Was ist der Teil des Eisberges, der unter der Oberfläche des Ozeans liegt? Es ist die Absicht, der Geist der Person, die spricht, sowie der Geist des Zuhörers, zu dem das Wort spricht. Beide liegen unter dem Meeresspiegel der Sprache.“ (aus „Poesie, Worte und Menschen“)
Präsident Ikeda: In gewissem Sinn verändert man, wenn man eine Parabel verwendet, die Art und Weise, in der man normalerweise Worte verwendet, und wählt Ausdrücke, die die eigene Botschaft perfekt mitteilen.
Wenn man das tut, nehmen gewöhnliche, vertraute Worte eine neue Bedeutung an, die über ihre typische Verwendung hinausgeht. Daraus entsteht eine Kraft, die den Geist und den Charakter der Menschen zu verbinden vermag, die im Verborgenen wirkt und auf einer tieferen Ebene als Sprache existiert. Diese Verbindung ist die wahre Bedeutung des Begreifens und Mitteilens von Ideen. Und darin liegt die Kraft der Parabeln.
Endo: Um eine meiner Erfahrungen zu erzählen – ich erinnere mich, als ich einmal wirklich deprimiert war, sagte einer meiner Leiter einfach zu mir: „Es war wirklich hart, oder?“ Ich empfand diesen ganz einfachen Satz als große Ermutigung und war tief bewegt. Es ist erstaunlich, wie unsere aufrichtige Fürsorge für einen anderen so bewegend sein und eine so große Wirkung haben kann.
Präsident Ikeda: Ja. Es sind Worte, und doch sind es mehr als Worte. Die Kraft der Worte kommt aus dem Herzen. Der Geist, das Herz ist es, was hinter den Worten steht und was ihnen Leben gibt. Nichiren Daishonin bemerkt dazu:
„Worte manifestieren sich im Klang als Stimme, um die Gefühle in unserem Herzen mitzuteilen.“ (Japanische Gosho, Seite 563)
Die selben Worte können auch nach der Tiefe des Herzens dessen, der sie spricht, sehr unterschiedliche Kraft besitzen. In einem seiner Kommentare schreibt der große Lehrer Dengyo:
„Diese sieben Parabeln sind identisch mit der Wesenheit des Gesetzes, und die Wesenheit des Gesetzes ist identisch mit den Gleichnissen und Parabeln.“
(Japanische Gosho, Seite 516)
Das bedeutet, dass Gleichnisse und Parabeln des Lotos-Sutras das Herz und der Geist des Buddhas sind. In derselben Gosho „über die Bedeutung der Wesenheit des mystischen Gesetzes“ erklärt der Daishonin, dass Nam-Myoho-Renge-Kyo der höchste Ausdruck dieses Prinzips ist, dass Gleichnisse und Parabeln des Lotos-Sutras mit der Wesenheit des Gesetzes identisch sind.
Suda: In der Vergangenheit wurde das Lotos-Sutra dafür kritisiert, dass ihm doktrinäre Lehren fehlen und dass es nichts weiter darstellt als eine Sammlung von Parabeln und verschwenderischem Lob zum Buddha.
Präsident Ikeda: Japanische Gelehrte wie Nakamoto Tominaga (1715-1746) und Atsutane Hirata (1766-1843) sind bekannt dafür, dass sie solche Kritik ausgesprochen haben.
Suda: Ja. Nachdem er das Lotos-Sutra studiert hatte, kam Tominaga, ein Philosoph der Edo-Periode, zu dem Schluss, dass es kaum mehr als Lob des Buddhas enthalte und keine erwähnenswerten Lehren darlege. Er kritisierte auch die Parabeln des Sutras dafür, dass sie lediglich die Überlegenheit des Lotos-Sutras selbst betonen und sonst nichts.
Hirata, ein Gelehrter der japanischen Klassiker, erklärte, dass das Lotos-Sutra allen anderen Mahayana Schriften unterlegen sei. Im Vergleich zu den anderen Mahayana Sutra, kritisierte er vehement, sei es entschieden unbefriedigend, ohne wirkliche Substanz. Nach Hirata wäre das einzige, was man über die achtundzwanzig Kapitel sagen könne, dass sie zu lang seien und dass sie zwar voller Lob für das Heilmittel wären, das sie versprachen, jedoch nie die Medizin lieferten, mit der sie werben.
Präsident Ikeda: Der Daishonin hat hierzu etwas geschrieben, das auf den ersten Blick eine ähnliche Aussage enthält:
„Denken Sie daran, dass die achtundzwanzig Kapitel des Lotos-Sutras nur wenige Stellen enthalten, die die Wahrheit erklären, aber eine große Anzahl von Worten des Lobes.“ (Japanische Gosho, Seite 1242)
Doch die Schlussfolgerung des Daishonin ist das Gegenteil jener von Hirata. Er bekräftigt:
„Je mehr man die Nutzen des Lotos-Sutras lobt, umso mehr werden die eigenen Nutzen anwachsen.“ (Japanische Gosho, Seite 1242)
Der Daishonin erklärt hiermit, dass wir den Standpunkt des Buddhas einnehmen sollen. Da der Buddha das Lotos-Sutra lobt, werden wir großen Nutzen ernten, wenn wir dasselbe tun. Wenn wir nicht diese Einstellung haben, das heißt, wenn wir keinen Glauben haben, werden wir niemals das Lotos-Sutra verstehen, das das Herz und die Absicht des Buddhas erklärt.
Wenn wir das Lotos-Sutra mit dem Herz des Glaubens lesen, ist augenblicklich klar, wie oberflächlich solche Kritik am Lotos-Sutra ist, denn in jenen „wenigen Stellen, die die Wahrheit erklären,“ von denen der Daishonin spricht, ist unbestreitbar der Same der Verwirklichung der Buddhaschaft für alle Lebewesen gegenwärtig.
Suda: Heute wohl anerkannte Forscher weisen darauf hin, dass die Einwände von Tominaga und anderen gegen das Lotos-Sutra schlecht begründet sind. So schreibt zum Beispiel Dr. Nakamura, den wir zuvor zitiert haben, folgendes:
„In der ersten Hälfte des Lotos-Sutras gibt es keine systematische Darlegung einer abstrakten Philosophie. Sie beschränkt sich auf eine wiederholte, in reicher Sprache und einer Reihe von Parabeln ausgedrückte Bekräftigung der Lehre, dass alle Lehren des Buddhas nur das eine Buddhafahrzeug sind. Als Folge davon wird jeder enttäuscht werden, der in diesem Teil des Sutras eine spezielle Philosophie oder ein Lehrsystem sucht. Es ist jedoch genau dieses Fehlen einer eigens ausgedrückten Philosophie, die die wichtige philosophische Position des Lotos-Sutras anzeigt.“ (aus „Die indische Gedankenwelt“)
Saito: Nun haben wir bislang anhand der Gleichnissen und Parabeln des Lotos-Sutras über die Kraft der Sprache gesprochen, zu ermutigen und zu erleuchten. Aber in unserer heutigen Gesellschaft wird die Sprache leider allzu oft zu anderen Zwecken verwendet: um zu täuschen, um auszubeuten und um das Bewusstsein der Menschen von grundlegenden Menschenrechten zu betäuben.
Suda: Toda Sensei hat erklärt: „Sprache oder Schrift, der Überzeugung fehlt, ist so substanzlos wie Rauch.“ Wenn wir Rauch sehen, können wir ihm ausweichen. Doch im heutigen Japan ist der öffentliche Diskurs so sehr in einen Rauch von Lügen gehüllt, dass man nirgendwohin fliehen kann. Sogar niemand versucht es überhaupt mehr.
Präsident Ikeda: Wir leben wennschon nicht in einem brennenden Haus, so doch in einem rauchenden Haus.
Suda: Der verstorbene Dr. Toshio Kamba, ein bekannter Soziologe und Professor an der Soka Universität, hat einmal bemerkt:
„Die herrschenden Eliten der Regierung und der Wirtschaft versuchen, die Medien unter ihre Kontrolle zu bringen, um die öffentliche Meinung in eine Richtung zu steuern, die ihren eigenen Interessen dienlich ist.“ Und er warnte davor:
„Es ist entscheidend, dass solche faschistischen politischen Tendenzen im Keim erstickt werden, bevor sie festen Fuß fassen können. Die Erfahrung Japans vor dem Krieg hat uns gelehrt, dass eine repressive Regierung damit beginnt, indem sie relativ milde Kontrollmaßnahmen einführt. Doch sie gewinnt schnell an Tempo und organisiert ihre Kräfte. Sobald das geschehen ist, sind sehr große Anstrengungen notwendig, um dem Aufstieg des Faschismus entgegenzutreten. Und deshalb müssen wir jetzt hart gegen die konservativen, reaktionären Kräfte zuschlagen, wo sie gerade anfangen, ihre Macht auszuüben.“
(aus „Wiederholt sich die Geschichte?“)
Präsident Ikeda: Das ist wahr. Wir müssen achtsam gegenüber den Kräften sein, die hinter den kleinsten Veränderungen in der Gesellschaft stehen. Und wir müssen das Böse im Keim ersticken und das Wachstum des Guten fördern. Jedes Phänomen besitzt Implikationen, die verstanden werden müssen, und jedes Phänomen kann in eine produktive Entwicklung verwandelt werden, in etwas von höchstem Wert.
In den Schlussversen seiner Tragödie „Faust“ schreibt Goethe: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis.“
Saito: Wenn wir nicht vorsichtig sind, ist es auch für uns nur zu leicht, der Illusion zum Opfer zu fallen, dass die tiefste Essenz des Buddhismus sich in einer Theorie oder Lehre finde, die von unserem täglichen Leben getrennt ist. Aber ich glaube, dass die Parabeln des Lotos-Sutras uns lehren, dass die wirkliche, reale Welt vor uns der wahre Buddhismus ist.
Präsident Ikeda: Der Beweis des Glaubens, den wir in unserem Leben manifestieren, stellt Parabeln oder Illustrationen der tugendhaften Kraft dar, die man durch das Annehmen des mystischen Gesetzes erlangen kann. Ein solcher Beweis in unserem täglichen Leben ist ein beredtes Zeugnis der Wahrheit des mystischen Gesetzes.
Die großen Beispiele von Shijo Kingo, den beiden Ikegami Brüder und anderen Schülern Nichiren Daishonins, die in ihrer Ausübung des Glaubens großen Schwierigkeiten gegenüberstanden und sie überwanden, sind eine ungeheure Ermutigung für uns, die vor ähnlichen Problemen stehen.
Der Daishonin ermutigte die Ikegami Brüder, als die beiden vereint der Verfolgung gegenübertraten, indem er schrieb:
„Das ist eine Geschichte, die bis in die Zukunft erzählt wird. Keine andere Geschichte wird bestimmt diese Ihrige übertreffen.“
(Gosho Band I, Seite 109; japanische Gosho, Seite 1086)
Und wie es der Daishonin voraussagte, wird die Geschichte der Brüder jetzt auf der ganzen Welt erzählt. Dasselbe gilt auch für uns. Unsere individuellen Erfahrungen des Triumphes über unsere Probleme geben vielen anderen Mut und Hoffnung. Die Geschichte unseres persönlichen Sieges wird in anderen Worten zu einer Parabel, die die Kraft des mystischen Gesetzes ausdrückt. Und jene, die unsere Erfahrungen hören, können sie wieder anderen mitteilen.
Makiguchi Sensei begann mit der Bewegung des Dialogs auf der Versammlung der Soka Gakkai, bei der im Mittelpunkt steht, dass Teilnehmer ihre Erfahrungen im Glauben anderen mitteilen. Er lehrte das mystische Gesetz nicht in der Form von schwierigen, abstrakten Theorien, sondern durch leicht verständliche persönliche Erfahrungen.
Jede individuelle Erfahrung ist eine Parabel des alles durchdringenden mystischen Gesetzes. Und Gesprächen auf der Versammlung, die auf dem Mitteilen solcher persönlicher Erfahrungen beruht, sind eine moderne Entsprechung des Kapitels „Gleichnis und Parabel“, eine moderne Version der sieben Parabeln des Lotos-Sutras, ein unendlicher Schatz an Parabeln.
Parabeln sind Weisheit und Mitgefühl (Jihi), die zu ihrer duftenden Essenz destilliert wurden. Die Soka Gakkai hat eine Revolution in der Art und weise initiiert, wie der Buddhismus durch dieselbe Methode verbreitet wird, die das Lotos-Sutra verwendet.
Der Geist der Parabeln des Lotos-Sutras lebt in der fünfundsechzigjährigen Geschichte der Soka Gakkai (Stand: 1995) weiter. Und wir werden Tag für Tag weiterhin die strahlende Geschichte der weiteren Verbreitung des Lotos-Sutras schreiben, eine Geschichte, die an Generationen in der ewigen Zukunft weitergegeben werden wird.
11. „Glaube und Überzeugung (Shinge)“
– eine dynamische Beziehung
zwischen „Glaube“ und „Weisheit“
Saito: Der Untertitel unserer Diskussion lautet „ein Gespräch über Religion für das 21. Jahrhundert.“ Präsident Ikeda, Sie haben diesbezüglich ein Gespräch geführt, das ich niemals vergessen werde. Das war ein Treffen mit Professor Lawrence E. Sullivan von der Harvard Universität im März 1993.
Suda: Ich kann mich auch daran sehr gut erinnern. Ihr Gespräch ist in der Seikyo Shimbun unter dem Titel „ein Gespräch über Humanität und Religion für das 21. Jahrhundert“ erschienen.
Endo: Professor Sullivan war Direktor des Zentrums für das Studium der Weltreligionen in der Harvard Universität.
Präsident Ikeda: Wir haben bei jener Gelegenheit über den unserer gegenwärtigen Diskussion „über die Weisheit des Lotos-Sutras“ zugrundeliegenden Gedankengang gesprochen.
Saito: Die gesamte Diskussion war sehr interessant, aber besonders beeindruckt war ich von Ihren Ideen, wie Religion im einundzwanzigsten Jahrhundert sein sollte. Sie haben betont, dass es zwischen den Religionen eine Art offenen Wettbewerb geben sollte, um zu bestimmen, welche Religion den Bedürfnissen der Menschen am besten dient.
Sie haben erwähnt, dass der Buddhismus die „drei Beweise“ anbietet, auf denen dieser friedliche Wettbewerb beruhen kann: dokumentarischer Beweis, theoretischer Beweis und tatsächlicher Beweis. Und Sie haben auch gesagt, dass eine Religion eine natürliche Lebensdauer besitzt und dass die Menschen sich nicht an tote Religionen klammern sollten.
Ihre Schlussfolgerung war für mich besonders überraschend. Es sind die Menschen, sagten Sie, die entscheiden, was die Wahrheit ist. Ich war sehr überrascht. Nein, ich war mehr als überrascht, ich war tief bewegt. Ich dachte: „Ich verstehe endlich. Das ist die richtige buddhistische Anschauung über die eigentliche Rolle der Religion für die Menschen.“
Endo: Ich fürchte, ich hätte an der Stelle einfach erklärt, dass letztendlich der Buddhismus Nichiren Daishonins die einzig richtige Religion ist.
Saito: Es ist wahr, dass wir dazu neigen, voreilig diesen Schluss zu ziehen. Was mich wirklich bewegte, war das Argument, dass die Menschen selbst diejenigen sein sollten, die darüber entscheiden, wie die Religion für das 21. Jahrhundert aussieht.
Gleichzeitig kann keine Religion eine wirkliche Religion für die Menschen genannt werden, wenn sie nicht aus eignem Antrieb auswählen, indem sie für sich selbst denken und ihre Weisheit einsetzen.
Suda: Ja, das ist wahr. Stellen wir uns einmal um der Diskussion willen vor, dass ein überragender Politiker entscheidet, dass eine bestimmte Religion richtig ist. Und weil es „die Wahrheit“ ist, macht er seine Wahl im Interesse der Menschen zur Staatsreligion und erklärt, dass alle Menschen diesen Glauben annehmen müssen. Das mag sicher ein extremes Beispiel sein, aber eine solche Religion wird kaum unter den Menschen Fuß fassen.
Selbst wenn eine Religion richtig ist, wenn sie den Menschen aufgezwungen wird und ihr von den jeweiligen Machthabern ein bevorzugter Platz in der Gesellschaft gegeben wird, wird das ihren Tod bedeuten. Und eine solche Situation wird wiederum das Ende der geistigen Freiheit der Menschen sein.
Präsident Ikeda: Richtig. Der Gedanke, Menschen dazu zu zwingen, eine bestimmte Religion anzunehmen, ist dem Buddhismus völlig fremd. König Ashoka (er regierte ca. 268-232 v. Chr.) von Indien war zum Beispiel ein überzeugter Buddhist, doch er verfolgte eine Politik der Toleranz gegenüber allen Religionen.
Es heißt, dass sich Nichiren Daishonin bei seiner Rückkehr aus der Verbannung von der Insel Sado weigerte, das Angebot der Regierung anzunehmen, für ihn einen Tempel zu bauen. Er hatte gar keinen Wunsch danach, von der Regierung unterstützt zu werden.
Endo: Der Daishonin glaubte, dass das Gleichgewicht der Kräfte beim Volk liegen sollte, nicht bei den Autoritäten. Und das trifft heute noch mehr zu als damals.
Saito: Ich frage mich, in wie weit Japan diesem Ideal entspricht. Versuchen die Menschen in Japan wirklich ernst, weiser zu werden? Denken sie nicht nur für sich selbst?
Doch, sie bleiben weiterhin zu unwissend über verschiedene Religionen und diese Unwissenheit schürt ihre Ängste. Daher ignorieren sie die Versuche der Regierung, die verschiedenen Religionen zu regulieren und zu kontrollieren. In den Rufen nach strengerer Kontrolle von „schlechten“ Religionen durch die Regierung sehen wir ein Fehlen des Bewusstseins der japanischen Bevölkerung und eine Möglichkeit des Missbrauchs der Staatsgewalt. Darin spüre ich die Unreife der japanischen Demokratie.
Suda: Der niederländische Journalist Karel Van Wolferen warnt davor, dass es die wahre Absicht der japanischen Führung ist, die Menschen möglichst unwissend zu halten. Wenn das japanische Volk nicht aufwacht, wird es die Macht direkt den Autoritäten in die Hände spielen, die nichts anderes wollen, als dass es unwissend bleibt, damit sie fortfahren können, wie es ihnen gefällt.
Präsident Ikeda: Die Soka Gakkai ist eine Versammlung des Volkes. Wir kämpfen darum, sicherzustellen, dass die Menschen von den Mächtigen nicht verachtet und ausgebeutet werden. Um allen Menschen zu helfen, stark und weise zu werden, entwickeln wir ein Netzwerk des Friedens und der Kultur und machen große Bemühungen in der Erziehung.
Die Menschen sind von Natur aus stark, weise, fröhlich und warmherzig. Religiöser Glaube ist die Kraft, die diese Eigenschaften hervorbringt. Das Ziel des Glaubens ist nicht, die Menschen in Schafe zu verwandeln, sondern sie weise zu machen. Weisheit ist nicht Wissen, das anderen Leiden verursacht, es ist erleuchtete Einsicht zur Verbesserung des eigenen Lebens sowie des Lebens anderer.
Ich denke, dass die Verzerrungen der Gesellschaft heute daher stammen, dass Weisheit, die allumfassend ist, mit Wissen, das nur fragmentarisch ist, verwechselt wird und aus dem Unvermögen, echten Glauben von blinder Leichtgläubigkeit zu unterscheiden. Nichiren Daishonin sagt:
„Das Schriftzeichen Myo bedeutet, zu öffnen.“ (Gosho Band III, Seite 17)
Das Leben tendiert von Natur aus dazu, sein volles Potential zu öffnen, zu unbegrenztem Voranschreiten. Die Funktion des mystischen Gesetzes, einer wahren Religion, ist es, die Menschen zu befähigen, diese Tendenz im höchsten Ausmaß zu manifestieren. Und Glaube ist der Schlüssel, der uns ermöglicht, das volle Potential unseres Lebens, unsere innewohnende Weisheit zu öffnen. Der Daishonin sagt:
„Öffnen ist ein anderer Ausdruck für Glaube.“ (Japanische Gosho, Seite 716)
Kumarajiva bezeichnet diesen innewohnenden, ständig nach Selbstverbesserung suchenden Geist mit „Glaube und Überzeugung (Shinge)“, dem Titel des vierten Kapitels des Lotos-Sutras. Einfach gesagt bedeutet „Glaube und Überzeugung“, voll anzunehmen und sich von Herzen zu überzeugen.
Es ist wichtig, dass jeder die Lehre annehmen und sich davon überzeugen kann, um das volle Potential des eigenen Lebens freisetzen zu können. Das ist die Art von Glauben, die das Lotos-Sutra lehrt. Es ist keineswegs ein blinder Glaube.
Wir wollen dieses Mal darüber sprechen, was Glaube ist und was es nach der Vertiefung unseres Studiums im Kapitel „Glaube und Überzeugung“, zu glauben, überhaupt bedeutet.
Saito: Das Kapitel „Glaube und Überzeugung“ beginnt mit der Freude, dass die Menschen der zwei Fahrzeuge, Shravakas (Stimmen-Hörer) und Pratyekabuddhas (Menschen der Teilerleuchtung) die Lehre Shakyamunis hören, um die Buddhaschaft erlangen zu können.
Im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel“, über das wir letztes Mal gesprochen haben, versichert Shakyamuni Shariputra, dass er in einem zukünftigen Zeitalter mit dem Namen „Schmuck von großen Schätzen“ in der Welt „Frei von Makeln“ als Tathagata namens „Der Blumen-Glänzende“ geboren werden wird.
Im Mahayana-Sutra, die Shakyamuni zuvor verkündet hatte, wurden die Shravakas und Pratyekabuddhas verachtet und die Möglichkeit ihrer Erleuchtung verneint worden. Aber hier im Lotos-Sutra erklärt Shakyamuni zum ersten Mal, dass auch sie die Buddhaschaft erlangen können.
Wir haben an diesem Tag des Buddhas Stimme und Lehre gehört und sind vor Freude begeistert, als würden wir aufspringen und tanzen, und haben etwas erlangt, was wir noch niemals zuvor besaßen. Der Buddha predigt, dass die Shravakas (Stimmen-Hörer) in der Zukunft die Buddhaschaft erlangen können. Die Sammlung von unübertroffenen Juwelen haben wir selbst gewonnen, ohne dass wir sie gesucht haben. (Seite 263)
Endo: Als sie das hörten, drückten die vier großen Sharavakas ihre Freude aus. Es sind Subhuti (Shubodai), der Erste im Verständnis der Leere, Mahakatyayana (Kasen’nen), der Erste im Debattieren, Mahakashyapa (Kasho), der Erste in der Ausübung zur Auslöschung der Begierden und Mahamaudgalyayana (Mokkenren), der Erste in übernatürlichen Kräften.
Als sie „den Buddha prophezeien hörten, dass Shariputra annuttara-samyak-sambodhi (die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas) erlangen würde, war der Geist bewegt wie selten zuvor und sie tanzten vor Freude.“ (Seite 250)
Das Kapitel „Glaube und Überzeugung“ verzeichnet ihre Freude darüber, „ein Gesetz, das sie nie zuvor gekannt hatten“ zu hören.
Suda: Diese vier waren zentrale Figuren in der Glaubensgemeinschaft Shakyamunis – sozusagen Hauptverantwortliche. Doch sie waren „alt und gebrechlich“ und, wie sie selbst zugeben, „glaubten, dass wir bereits das Nirwana erlangt hatten und dass wir nicht fähig wären, mehr zu tun und daher strebten wir nicht mehr danach, die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas (annuttara-samyak-sambodhi) zu erlangen.“
Präsident Ikeda: Sie hatten Positionen, die sie aufrechterhalten mussten. Sie besaßen längere Erfahrungen. Und daher waren sie selbstzufrieden geworden.
Sie hatten viele Jahre lang praktiziert und waren alt geworden. Sie hatten einen gewissen Grad der Erleuchtung erlangt und waren damit zufrieden. Während sie anerkannten, dass die Erleuchtung ihres Meisters Shakyamuni wirklich wunderbar war, hatten sie sich mit dem Gedanken abgefunden, dass sie selbst niemals etwas Vergleichbares erlangen könnten. Daher waren sie schon glücklich damit, so zu bleiben, wie sie geworden sind.
Doch dann brach die Prophezeiung von Shariputras Erleuchtung durch die Selbstgefälligkeit und Trägheit dieser Anführer. Das Lotos-Sutra weist darauf hin, dass wir lebenslang unaufhörlich mit der großen Leidenschaft nach dem Weg streben sollen.
Saito: Wie Sie, Präsident Ikeda, in Ihrem Roman „Neue menschliche Revolution“ vorgestellt haben, deuten einige Quellen an, dass Shariputra älter war als Shakyamuni. Das bedeutet, dass Shariputra um die achtzig Jahre alt gewesen sein muss, als Shakyamuni kurz vor seinem Tod das Lotos-Sutra predigte.
Eine Sanskritversion des Lotos-Sutras sagt, dass ihre Körper schmerzten und ihre Gelenke mürb wurden, weil die vier großen Shravakas „so viele Jahre neben dem Weltgeehrten saßen.
Suda: Dann wendet sich ihr Meister Shakyamuni an sie und sagt ihnen, dass sie noch immer viel zu erreichen haben und ermutigt sie, sich für ihre eigene Entwicklung weiter zu bemühen. Das ist für uns ungeheuer wichtig.
Präsident Ikeda: Er lehrt sie die Praxis der ewigen Selbstverbesserung und ruft sie auf, sich zu entschließen, niemals zurückzugehen. „Nicht voranzuschreiten ist zurückgehen.“ Buddhistische Ausübung bedeutet, ständig dafür zu arbeiten, sich und seine Umgebung zu verbessern und immer vorwärts zu gehen. Es bedeutet ewiges Wachstum und daher ewige Jugend. Denn das Leben ist ewig und dauert durch die drei Existenzen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft.
Endo: Die Schüler der zwei Fahrzeuge bekennen auch, dass sie die Bemühungen der Bodhisattwas, die Gesellschaft zu verändern und die Menschen auf der Grundlage der Lehre des Buddhas zu führen, mit Missbilligung skeptisch betrachtet haben.
Präsident Ikeda: Die Menschen der zwei Fahrzeuge waren einer Art von „innerem Tod“ zum Opfer gefallen. Sie sehnten sich nicht mehr danach, Buddhas zu werden, und sie blickten darüber hinaus auch arrogant und misstrauisch auf jene, die sich darum bemühten, die Buddhaschaft zu verwirklichen.
Sie trennten sich von solchen Suchenden und machten sich über sie lustig. Deshalb bezeichnen sie verschiedene Mahayana-Sutra als Menschen, die „die Samen zur Erlangung der Buddhaschaft versengt haben“ – in anderen Worten als Samen, die niemals zur Buddhaschaft keimen würden.
Doch auf der grundlegendsten Ebene ließ der Buddha die Menschen der zwei Fahrzeuge nicht im Stich. Er tadelte streng und ermutigte sie, indem er sagte: „Schaut her, ihr dürft nicht in der gleichen Lage unverändert bleiben. Das seid nicht wirklich ihr. Ihr könnt doch einen noch höheren und glücklicheren Lebenszustand erlangen.“
Saito: Die Sanskritversion des Lotos-Sutras sagt: „Die Menschen der zwei Fahrzeuge, obwohl sie selber nicht die höchste Erleuchtung des Buddhas suchten, lehrten und forderten die Bodhisattwas sogar auf, die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas zu vervollständigen.
Präsident Ikeda: Andere einfach und ständig aufzufordern, irgendetwas zu verwirklichen, was man selbst noch nicht zu erlangen wagt, ist ungeheuerlich. Solche Menschen sind unglaublich arrogant. Die Tendenz, andere etwas tun zu lassen, während man selbst versäumt, dieselbe Bemühung zu machen, ist ein gefährliches Symptom, das bei der schlechten Organisationsführung auftaucht.
Mit solchen Feiglingen als Leiter in der oberen Führungsschicht wird jede Organisation sowie jeder religiöse Orden verkalken. Und was schlimm daran ist, dass solche Menschen selbst aufhören, sich zu entwickeln. Wenn das Leben stagniert, wird es krank.
Im Lotos-Sutra nehmen die Menschen der zwei Fahrzeuge den Tadel und die Ermutigung Shakyamunis von ganzem Herzen an. Erst dann sind sie als „wahre Stimmen-Hörer“ neu aufgestanden, die anderen die Stimme des wahren Gesetzes hören lassen. Sie haben ihre jugendliche Kraft zurückgewonnen und begonnen, wieder das kraftvolle Leben der Selbstverbesserung zu führen. Als sie hören, dass auch sie Buddhas werden können, rufen sie aus: „Die Sammlung von unübertroffenen Juwelen haben wir selbst gewonnen, ohne dass wir sie gesucht haben.“
Die „Sammlung von unübertroffenen Juwelen“ kann auf verschiedene Weise verstanden werden, als Hinweis auf die Lehre des Lotos-Sutras, auf den Zustand der Buddhaschaft oder auf unser eigenes Leben, das die Welt der Buddhaschaft in sich enthält.
Jeder Mensch besitzt gleichermaßen dieses unübertroffenes Juwel, das Leben. Dieses kostbarste aller Dinge „haben wir selbst gewonnen, ohne dass wir sie gesucht haben“. Es läuft auf die Frage hinaus, ob wir es als solches erkennen können. Und das Lotos-Sutra befähigt uns, diesen Schatz unseres Lebens auf die tiefste Weise wahrzunehmen und uns davon bewusst zu werden.
Das „unübertroffene Juwel“ ist sicherlich kein materieller Besitz oder „Schatz des Speichers“. Ein Mensch, der das große Erdbeben im Großraum Hyogo und Osaka im Januar 1995 erlebt hat, bemerkte: „Ich verstand, dass die wichtigsten Dinge im Leben solche sind, die man mit Geld nicht kaufen kann: das Leben, Luft und menschliche Güte.“ Das sind Worte, über die man nachdenken sollte.
Endo: Die Menschen der zwei Fahrzeuge verwenden in ihrem Zustand der Begeisterung eine Parabel, um die Lehre zu beschreiben, die sie gerade verstanden haben. Das ist die berühmte Parabel vom reichen Mann und seinem armen Sohn. Die Geschichte erzählt, dass der Sohn in jungen Jahren das Haus seines Vaters verließ und über zwanzig, dreißig, fünfzig Jahre lang von Land zu Land wanderte und dabei alt und arm war.
Saito: Der reiche Vater steht natürlich für Shakyamuni und der arme Sohn für die Schüler der zwei Fahrzeuge. Die Parabel wurde traditionell so verstanden, dass sie sich auf Shakyamunis Lebenswerk des Lehrens und Führens anderer bezieht.
Endo: Ich werde mit der Geschichte fortsetzen.
Als der Sohn aus dem Haus seines Vaters verschwand, suchte ihn der Vater, konnte ihn jedoch nicht finden. Der ließ sich schließlich in einer Stadt nieder und wurde sehr reich. Seine Speicher flossen über vor Schätzen, und er hatte zahllose Diener und Vieh. Aber der Vater fand keine Ruhe. Er wurde alt und wusste, dass er bald sterben wird. Er bedauerte, dass er keinen Erben hatte, dem er sein Vermögen hinterlassen kann und wünschte sich, seinen Sohn zu finden und ihn als Erben seiner Reichtümer einzusetzen.
Saito: Das zeigt, dass Shakyamuni die Erleuchtung erlangt hat und nach jemandem sucht, dem er alles hinterlassen kann, was er erlangt hat.
Endo: Eines Tages kam der Sohn am Haus seines Vaters vorbei. Der Sohn war überwältigt von dem wunderbaren Palast und der großartigen Erscheinung seines Vaters. Er bekam plötzlich Angst und lief davon. Genau in diesem Augenblick sah der Vater seinen Sohn. Obwohl sie fünfzig Jahre lang getrennt waren, erkannte der Vater seinen geliebten Sohn auf einen Blick.
Der Vater schickte aus Freude einen Diener aus, um den Sohn daheim willkommen zu heißen, doch der Sohn fürchtete, dass er aus irgendeinem Grund verhaftet werden sollte und versuchte, davon weg zu laufen. Als der Diener ihn schließlich fing, wurde er vor Angst und Erschöpfung ohnmächtig.
Nun verstand der Vater, dass sein Sohn in einen niedrigen Zustand fiel, dass es keinen Sinn hatte, ihm gleich zu enthüllen, wer er war. Also ließ er den Sohn ungewollt einmal gehen.
Saito: Das zeigt darauf hin, dass Shakyamuni nach seiner Erlangung der Erleuchtung versuchte, den vollen Inhalt seines Erwachens direkt mitzuteilen, aber seine Zuhörer noch nicht bereit waren, ihn zu verstehen.
Endo: Der Vater dachte sich einen Plan aus. Er schickte zwei ärmlich gekleidete Diener zu seinem Sohn und bat ihm zum Doppelten des üblichen Lohnes Arbeit als Latrinenputzer an. Der Sohn arbeitete sehr hart und gewissenhaft. Als nächstes ging der Vater, selbst in ärmliches Gewand gekleidet, zu seinem Sohn, sprach mit ihm und machte sich mit ihm bekannt.
Er sagte dem Sohn: „Du arbeitest fleißig, also bitte mich um was immer du möchtest. Du kannst mich als deinen Vater betrachten und ich werde dich ‚Sohn’ nennen.“
Allmählich wuchs zwischen ihnen ein Band des Verstehens und des Vertrauens und der Sohn ging im Haus des Vaters frei ein und aus, obwohl er weiterhin in einer ärmlichen Hütte in seiner Nähe wohnte.
Saito: Hier stellt sich heraus, dass Shakyamuni in Übereinstimmung mit der Bereitschaft und der Kapazität der Menschen zuerst eine sehr rudimentäre Lehre predigte und sie allmählich zu immer fortgeschrittenen Lehren führte. Die Tatsache, dass der Sohn noch immer außerhalb des Hauses seines Vaters lebte, weist auf eine geistige Haltung hin, die Erlangung der Erleuchtung noch immer als etwas anzusehen, das anderen geschieht.
Präsident Ikeda: Was hier besonders zu beachten ist, ist die Tatsache, dass der reiche Mann seinem Sohn sagte, er sollte ihn wie seinen wirklichen Vater betrachten.
Im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel“ wird auch gesagt, dass der Buddha und die Menschen in einer Beziehung von Vater und Kindern zueinander stehen. Egal in welchem Zustand die Menschen sein mögen, der Buddha möchte sie immer als seine Kinder retten. Diese tiefe Beziehung ist ein Kernpunkt im Buddhismus.
Die Kinder verstehen vielleicht den Geist ihrer Eltern nicht, aber die Eltern lieben ihre Kinder, egal wie rebellisch sie sein mögen. Es gibt keine Eltern, die nicht für das Glück ihrer Kinder beten.
Der Buddha betet für das Glück aller Lebewesen. Er kämpft darum, allen Lebewesen Glück zu bringen. Er ist wie die Eltern aller Lebewesen. Wenn wir unseren Glauben in die Aussichten des Buddhas setzen, öffnet sich unsere eigene Weisheit. Das ist die Bedeutung von „Glaube und Überzeugung“ im Lotos-Sutra.
Die Shravakas erfuhren von der großen Barmherzigkeit des Buddhas, der sich als ihr Vater viele Jahre lang bemühte, seine verlorenen Kinder zu retten. Sie waren tief bewegt und glaubten an die wahre Absicht des Buddhas und überzeugte sich tief davon. Diese tiefe emotionale Bewegung und Bewunderung werden in den Worten „Glaube und Überzeugung“ verdichtet.
Endo: Nach einer Weile wurde der Vater krank und spürte, dass sein Ende nahe ist. Er sprach zu seinem Sohn:
„Ich habe jetzt große Mengen von Gold, Silber und seltene Juwelen und Schätzen, die meine Speicher füllen und aus ihnen überfließen. Du sollst die Mengen, die ich habe und das, was verteilt und eingesammelt werden soll, verwalten. Das ist mein Plan, und ich möchte, dass du meine Wünsche ausführst. Was ist der Grund dafür? Weil von nun an du und ich sich nicht wie zwei verschiedene Personen verhalten werden. Daher musst du deinen Verstand beisammenhalten und zusehen, dass es keine Fehler und Verluste gibt.“ (Seite 259)
Das gesamte Vermögen des Vaters wurde in die Hände des Sohnes gelegt, der es sorgfältig verwaltete und nichts davon für sich selbst nahm.
Saito: Das entspricht der Stelle: „Er machte ihn zum Verwalter der Angelegenheiten des Haushaltes.“ Obwohl der Vater seinem Sohn freie Hand bei der Verwaltung seines Reichtums gab, blieb der Reichtum immer noch im Besitz des Vaters. Der Schatz der Weisheit des Buddhas war noch nicht der eigene Besitz des Sohnes.
Suda: Das erinnert mich an die Stelle in der Gosho „Über die Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben“:
„Wenn Sie außerhalb Ihrer selbst nach dem Weg suchen und jede Anstrengung sowie zehntausend gute Taten ausführen, ist es gleichbedeutend, so wie ein Beispiel zeigt, dass er selbst nicht einen halben Pfennig verdienen kann, selbst wenn ein armer Mann den Reichtum seines Nachbars Tag und Nacht zählen würde.“
(Gosho Band I, Seite 43; Japanische Gosho, Seite 383)
Endo: Die Zeit verging, und der Vater erkannte, dass sein Sohn selbstsicherer und großherziger wurde und, dass er sich seiner früheren kriecherischen Einstellung schämte und großen Ehrgeiz zu entwickeln begann.
Schließlich kam der Augenblick des Todes des Vaters und er rief seine Verwandten, den König und seine Minister zusammen und erklärte zu ihnen:
„Verehrte Herren, Ihr sollt wissen, dass dies mein Sohn ist, der mir geboren wurde. In meinem Schloss so und so verließ er mich und lief davon und ist über fünfzig Jahre umhergezogen und hat Not gelitten. Sein ursprünglicher Name ist so und so und mein Name ist so und so. In der Vergangenheit, als ich noch in meinem Hauptschloss lebte, sorgte ich mich um ihn und daher brach ich zur Suche nach ihm auf. Einige Zeit danach traf ich durch Zufall auf ihn. Dies ist wirklich mein Sohn und ich bin sein richtiger Vater. Nun soll alles, was mir gehört, all mein Reichtum und meine Besitztümer, ganz diesem meinen Sohn gehören.“
„Als der Sohn von der Wahrheit seiner Herkunft erfuhr, war er außer sich vor Freude. Ursprünglich hatte ich keinen Wunsch, solche Dinge zu begehren, dachte er, doch nun sind diese Mengen an Schätzen von selbst gekommen.“ (Seite 260)
Saito: Weil der Sohn schließlich eine selbstsichere und großherzige Ansicht gewann, verkündete sein Vater seinen wahren Namen und übertrug ihm seinen ganzen Reichtum. In gleicher Weise konnte der Buddha den Menschen das Lotos-Sutra verkünden, das seine wahre Lehre ist, weil ihre Kapazität eine hohe Entwicklungsstufe erreichte und ihnen das höchste Juwel der Buddhaschaft verleihen.
Suda: Der große Lehrer T’ien-t’ai aus China interpretierte diese Parabel vom „reichen Mann und seinem armen Sohn“ als Erklärung der fünfzig Jahre langen Predigt Shakyamunis. Er formulierte die Klassifizierung der Lehren, die als die „fünf Geschmäcker (Gomi)“ bekannt ist. Dieses Schema ist als „fünf Perioden“ allgemein bekannt. Ein bestimmter Inhalt (a), eine Lehrperiode (b) entsprechen in folgender Weise den fünf wichtigsten Ereignissen der Parabel: (siehe Tabelle)
Ereignisse in der Parabel Bedeutungen Lehrperioden ##### Fünf Geschmäcker
Der Vater findet den Sohn und lässt diesen ihm folgen Prüfen der Kapazität der Menschen Kegon-Periode Frische Milch
(Nyu-mi)
Er veranlasst den Sohn, in seinem Haus zu arbeiten Führen in die richtige Richtung Agon-Periode Sahne
(Raku-mi)
Aufbau von Vertrauen zwischen Vater und Sohn Zurückweisen der Hinayana-Lehren Hodo-Periode Yoghurt
(Shoso-mi)
Er überlässt dem Sohn, das Geschäft zu verwalten Beseitigung unwesentlicher Dinge Han’nya-Periode Einfache Butter
(Jukuso-mi)
Er vererbt das Geschäft offiziell seinem Sohn Öffnen und Vereinigung Hokke-Nehan-Periode Edelbutter
(Daigo-mi)
Endo: Das Lotos-Sutra ist die feinste aller Lehren des Buddhas. Man kann nicht wissen, wie wirklich wunderbar der Buddhismus ist, wenn man nicht vom Lotos-Sutra gekostet hat. Shakyamuni hat zuerst (im Kegon-Sutra) einen groben Abriss der Welt seiner Erleuchtung enthüllt, doch dieser war vollkommen jenseits des Verständnisses der Menschen der zwei Fahrzeuge.
Daher lehrte Shakyamuni die Agon-Lehren in Übereinstimmung mit den niedrigen Absichten seiner Zuhörer; er setzte die bescheidenen Ziele der Hinayana-Lehren. Daraufhin lehrte er die Mahayana-Lehren für jene mit höheren Zielen. Aber die Menschen der zwei Fahrzeuge
Saito: Die Menschen der zwei Fahrzeuge dachten über ihr damaliges Verhalten nach und beschrieben es als „sich mit einem Tageslohn zufriedenzugeben und nicht danach streben, mehr zu verdienen.“
Präsident Ikeda: Es ist zwar im allgemeinen wichtig, wenig zu begehren und mit dem zufrieden zu sein, was man hat. Doch es ist gut und wichtig, nach dem wahren Gesetz gierig zu sein. Das Ziel ist nicht, Begierden auszulöschen. Wichtig ist, was man begehrt. Irdische Begierden sind (soku) Erleuchtung. Die Sehnsucht, die Suche nach höchster Erleuchtung ist (soku) Erleuchtung.
Mit seinen Errungenschaften zufrieden zu sein, mag vielleicht bescheiden erscheinen, doch das Potential des Lebens zu unterschätzen ist in Wirklichkeit große Arroganz.
Endo: Die Menschen der zwei Fahrzeuge klammerten sich an die minderen Lehren des Hinayana und haben kein Interesse an den Lehren des Mahayana. Aus diesem Grund tadelte sie Shakyamuni vehement. Im Kapitel „Glaube und Überzeugung“ dachten die vier großen Shravakas (Stimmen-Hörer) nach:
„In der Vergangenheit, als Shakyamuni in der Gegenwart der Bodhisattwas die Shravakas als solche, die an einer minderen Lehre Freude fanden, herabsetzte, verwendete der Buddha in Wirklichkeit das große Fahrzeug, um uns zu lehren und zu bekehren.“ (Seite 263)
Hier bezeichnet „großes Fahrzeug“ die eine und einzige wahre Lehre des Mahayana, nämlich das Lotos-Sutra. Das ist das wahre „Vermögen“ des Buddhas.
######## Bedeutung von „Glaube und Überzeugung (Shinge)“
Suda: Das vierte Kapitel „Glaube und Überzeugung“ beschreibt, wie die Shravakas an die Lehre des Buddhas glaubten und sich davon überzeugten (tiefgründig verstanden) und sich dann von Herzen darüber freuten, dass sie das konnten. Das ist der Grund, warum das Kapitel den Titel „Glaube und Überzeugung“ trägt.
Sanskrit für „Glaube und Überzeugung“ heißt adhimukti, was wörtlich Neigung oder Absicht bedeutet, das heißt, seinen Geist oder Willen auf etwas auszurichten. Da dies eine Richtung des Geistes beinhaltet, denke ich, dass man es auch Ziel oder Zweck nennen könnte.
Außerdem soll mukti mit dem Sanskritwort Befreiung oder Erlösung, moksha, verwandt sein. In diesem Zusammenhang glaube ich, dass Kumarajivas Übersetzung der Kapitelüberschrift in seinem Myoho-Renge-Kyo als „Glaube und Überzeugung“ eine tiefere Interpretation als jene der Übersetzung der Überschrift von Dharmaraksa in seinem Sho-Hoke-Kyo mit „Glaube und Freude“ ist.
Präsident Ikeda: In der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)“ zitiert Nichiren Daishonin Miao-lo’s Kommentar zum Lotos-Sutra (Hokke Mongu):
„Im Sho-Hoke-Kyo wird dieses Kapitel ‚Glaube und Freude’ genannt. Obwohl beide den eigentlichen Sinn beinhalten, ist das Wort ‚Freude’ weniger passend als ‚Überzeugung’. Jetzt geht es um die Klärung des tiefgründigen Verständnisses. Mit welcher Berechtigung sollte man hierzu das Wort ‚Freude’ verwenden?“
(Japanische Gosho, Seite 725)
Wichtig ist, dass für den Buddhismus die grundlegenden Fragen von „Glaube und Weisheit“ sowie „Glaube und Befreiung (Erleuchtung)“ zu den Worten „Glaube und Überzeugung (Shinge)“ kondensiert werden.
Im weiteren Sinn bezieht sich dies auf die universellen Fragen von Zivilisation und Philosophie, von Glaube und Vernunft sowie Glaube und Wissen. Das ist ein äußerst delikates Problem, das so viele Wissensgebiete einschließlich der Erkenntniswissenschaften und der Psychologie berührt.
Der Buddhismus hat traditionellerweise diese Fragen in genauestem Detail betrachtet. Natürlich können wir dieser Frage kaum bei einem einzigen Treffen gerecht werden, aber wir können ihr auch nicht zur Gänze aus dem Weg gehen.
Der Philosoph Blaise Pascal (1623-1662) schrieb: „Wir müssen erklären, dass Religion nicht irrational ist.“
Diese Worte, die sich an Menschen ohne religiösen Glauben richten, behalten auch heute noch ihre Bedeutung. Viele Menschen sind der Ansicht, dass jede Art von Glauben und insbesondere religiöser Glaube mit der Vernunft im Widerspruch steht oder diese zumindest irgendwie lähmt.
Es gibt auch wirklich fanatische Religionen, in denen der Glaube sich gegen die Vernunft wendet. Aber es ist doch falsch, auf dieser Basis und ohne jeglichen Beweis anzunehmen, dass alle Religionen so sind. Diese Haltung ist in sich irrational und entspricht selbst einer Art von blindem Glauben.
Eine hochentwickelte Religion verneint eigentlich die Bedeutung der Vernunft nicht. Wenn eine Religion einerseits die menschliche Vernunft unterdrückt, ist es nicht möglich, dass sie andererseits das allgemeine Vertrauen der Menschheit verdienen kann.
Der Buddhismus, der die „Religion der Weisheit“ genannt wird, ist eine äußerst rationale Religion. Er ist sogar so rational, dass viele Menschen im Westen in Frage stellen, ob der Buddhismus überhaupt als Religion klassifiziert werden kann, da in seiner Lehre kein höheres Wesen in menschlicher Form vorkommt.
Suda: Insbesondere im Urbuddhismus scheint diese Tendenz stark vorzuherrschen. Doch im Mahayana-Buddhismus wird der Aspekt des Glaubens immer mehr betont.
Präsident Ikeda: Ja, das ist wahr. Aber selbst im Urbuddhismus basierte die Praxis auf dem Glauben an Shakyamuni, und auch der Glaube an die Lehren Shakyamunis wurde bestärkt. Der Glaube war der Ausgangspunkt für die intellektuelle Suche. Außerdem ermöglichte dieser Glauben eine grundlegendste Suche, die nicht nur den analytischen Intellekt, sondern auch das gesamte Sein des Menschen mit einbezog, einschließlich der intuitiven Erkenntnis und der tiefsten Ebenen des Bewusstseins.
Saito: Ganz gewiss. Das geht nicht nur in der Religion, sondern auch in jeder Art der Ausübung oder Training. Wenn man von Anfang an den Zweifel an seinen Lehrer hegt, kann keine Ausübung oder Training stattfinden. Makiguchi Sensei hat gesagt:
„Was das tägliche Leben angeht, können wir lernen, indem wir anfangs von anderen alles nachmachen. Wir beobachten, was andere Menschen tun, und kopieren, was wir sehen, im Vertrauen auf ihr Beispiel. Das gilt gleichermaßen für die Blumensteckenkunst, den Tanz, das Fechten, Judo und jede andere Art von Fähigkeit. Wir schenken unseren Glauben den Lehrern oder Lehrmeistern und tun im Vertrauen, was sie sagen. Wenn wir die Phase der Nachahmung verlassen, können wir weiter in die Phase der kreativen Schöpfung gehen. Das ist die Art und Weise, wie wir täglich leben.“
Endo: Wenn beispielsweise ein Baby überhaupt nicht daran glauben würde, was seine Eltern ihm sagen, und den Zweifel hegen würde, dass Milch Gift sei, und sich weiter weigern würde, Wasser zu trinken, dann könnte es ganz und gar nicht überleben. Der erste Schritt im Leben ist Glaube; alles entwickelt sich daraus.
Auch unsere Gesellschaft selbst kann ohne das gegenseitige Vertrauen nicht existieren.
Präsident Ikeda: Das ist wahr. Diese Art des Glaubens im täglichen Leben unterscheidet sich sicherlich vom religiösen Glauben, aber die beiden sind auch nicht völlig voneinander getrennt. Sie sind Teil eines gemeinsamen Kontinuums. Der spanische Philosoph José Ortega y Gasset (1883-1955) schreibt: „Wir haben Ideen, aber wir leben auf der Grundlage unseres Glaubens.“ (aus „Ideas y Creencias, y Otros Ensayos de Filosofia“)
Selbst wenn wir eine Idee haben, das heißt, wenn wir denken, beruhen unsere Gedanken auf Dingen, die wir glauben. Glaube ist das „Gefäß des Lebens“. Er fährt fort:
„Unser Glaube wirkt bereits in der Tiefe unseres Lebens, wenn wir beginnen, über etwas nachzudenken.“ Und weiter:
„Unser Glaube stellt die Grundlage unseres Lebens dar, den Boden, auf dem sich das menschliche Leben entfaltet. ... Unser ganzes Verhalten, einschließlich unserer intellektuellen Aktivitäten, hängt vom System unseres authentischen Glaubens ab. Wir leben, handeln und existieren innerhalb unseres Glaubens. Genau aus diesem Grund haben wir keine sehr klare Wahrnehmung unseres Glaubens, und wir denken gewöhnlich nicht über ihn nach. Doch dieser Glaube wirkt auf verborgene Weise und ist Teil all unserer bewussten Handlungen und Gedanken.“ (aus „Ideas y Creencias, y Otros Ensayos de Filosofia“)
Er beschreibt Glauben oder Überzeugungen als die „Grundlage des Wissens“. Wenn wir seinen Standpunkt einnehmen, können wir sehen, dass der Konflikt zwischen Wissen und Glauben, dessen Existenz jetzt allgemein angenommen wird, in keiner Weise selbstverständlich ist.
Glaube ist die Grundlage des Lebens, und wir haben nicht wirklich die Wahl, ob wir glauben wollen oder nicht. Wir können jedoch wählen, woran wir glauben wollen. Religionen sind systematische Darstellungen von Dingen, die geglaubt oder nicht geglaubt werden sollten. In dieser Hinsicht ist Religion ein unverzichtbarer Teil des Lebens jedes Individuums und spielt jeden Tag unseres Lebens eine entscheidende Rolle.
Suda: Man kann sagen, dass die meisten Menschen sich jedoch einfach nicht des Glaubens bewusst sind, auf dem sie ihr Leben aufbauen.
Saito: Wie Ortega sagen würde, je vollständiger wir innerhalb unseres Glaubens leben, desto weniger sind wir uns seiner bewusst. So lange das der Fall ist, gibt es keine Chance, dass wir die Richtigkeit unseres Glaubens rational reflektieren.
In diesem Sinne: Wer von sich glaubt, keinen Glauben zu haben, ist also eigentlich am irrationalsten, was den Glauben betrifft, auf dem sein eigenes Leben beruht.
Präsident Ikeda: Man kann diese Basis des Glaubens mit der Erde vergleichen. Wir sind uns normalerweise der Erde, auf der wir gehen, nicht bewusst, doch wir werden ihrer deutlich bewusst, wenn es ein Erdbeben gibt.
Gleichermaßen ist uns persönlich unser Glaube nie stärker bewusst, als wenn er zusammenbricht, etwa wenn wir uns in einer verzweifelten Situation befinden, die uns dazu zwingt, neu zu bewerten, wie wir bisher gelebt haben. Die meisten von denen, die sich um Shakyamuni versammelt hatten, kamen zu ihm auf der Suche nach einer neuen Welt des Glaubens, nachdem sie solche Frustration und Leiden erfahren hatten.
Auch einer Zivilisation kann dies passieren, wenn sie in eine Sackgasse gerät und ihre grundlegenden Werte in Frage gestellt werden. Wir leben ohne Zweifel heute in einem solchen Zeitalter. Insbesondere in der Thematik „des Glaubens und der Überzeugung“ wird die Annahme selbst in Frage gestellt, dass es eine scharfe Trennung und einen Gegensatz gibt zwischen dem Glauben einerseits und dem Wissen andererseits, was den modernen Gedanken gekennzeichnet hat.
Diese Trennung im modernen Denken wird jetzt neu überprüft. Ich bin der Überzeugung, dass statt ihrer nun erneut nach einer Fusion sowie Aufheben von Glauben und Wissen gesucht wird.
Endo: Das erinnert mich an einen Vortrag mit dem Titel „Scholastische Philosophie und moderne Zivilisation“, den Sie an der Soka Universität gehalten haben. (Juli 1973) Sie haben die Scholastik, die als die „offizielle Philosophie“ des Mittelalters galt, völlig neu dargestellt.
Sie wiesen dort darauf hin, dass das Problem der Postneuzeit, Glauben und Vernunft zusammenzubringen und ein integratives und ganzheitliches Wissen zu entwickeln, von der Scholastik sehr erhellt werden könne. Ich fand Ihre Thesen äußerst interessant.
Suda: Es ist gewiss, dass die Ansicht, Vernunft habe eine vollkommen unabhängige Funktion, an Boden zu verlieren und bereits zur Vergangenheit zu gehören scheint. Im Bereich der Wissenschaftsgeschichte beispielsweise spricht man viel von einem „Paradigmenwechsel“.
Bis vor kurzem wurde naturwissenschaftliches Wissen als universell, objektiv und von Zeitalter zu Zeitalter unveränderlich angesehen. Doch jetzt erkennt man, dass sich dieses Wissen nicht von den intellektuellen Paradigmen seiner jeweiligen Zeit trennen lässt.
Endo: Viele Denker akzeptieren jetzt diese Ansicht. Die Vernunft beruht immer auf Paradigmen – Denkweisen und Wertsystemen – an die die Menschen einschließlich der Wissenschaftler glauben. Diese Paradigmen akzeptieren sie, und auf ihnen begründen sie ihr Leben. Es wird also immer mehr akzeptiert, dass Vernunft letztlich auf Glauben beruht.
Saito: Moderne Wissenschaftler haben diesen Punkt von verschiedenen Blickwinkeln beleuchtet. Ludwig Wittgenstein (1889-1951), der österreichische Philosoph, dessen Einfluss auf das zeitgenössische Denken so groß war, hat zum Beispiel hervorgehoben, dass alles Wissen auf der Weltanschauung des Denkers beruht.
Unser Leben basiert also auf einem Glaubenssystem, das nicht auf Beweisen beruht und von dem jedes Denken abhängig ist. Sogar der Skeptiker, der behauptet, an nichts zu glauben und alles in Frage zu stellen, glaubt in Wirklichkeit an den Skeptizismus.
Suda: Der deutsche Philosoph Hans-Georg Gadamer (1900-2002) vertritt die Auffassung, dass die menschliche Erfahrung letztlich durch die Geschichte definiert wird. Wir können keine Identität erschaffen, die von der Gesellschaft getrennt ist, in der wir geboren und aufgewachsen sind. Man kann sagen, dass jedes Individuum von den Glaubensgrundsätzen ausgeht, die seine Gesellschaft sanktioniert.
Präsident Ikeda: Das Leben jedes Menschen beruht auf einem Glauben. Daher ist es selbstverständlich, dass solche Glaubensgrundsätze wirklich respektiert werden sollten. Doch wenn dieser Glaube nicht der Überprüfung durch die Vernunft und die Realität unterworfen wird, bleibt er individuell und subjektiv, und es fehlt ihm die Universalität, die notwendig ist, um ihn anderen mitzuteilen.
Die Tatsache, dass der Glaube, der im Lotos-Sutra gelehrt wird, ein Glaube mit tiefem Verstehen bzw. Überzeugung ist, zeigt, dass er nicht einfach subjektiv oder willkürlich ist. Natürlich lässt sich das grundlegendste Gesetz, zu dem der Buddha erleuchtet ist, nicht in Worten ausdrücken; es entzieht sich jeder Beschreibung und kann also in seiner Ganzheit nicht durch Sprache oder Vernunft verstanden werden.
Dennoch lehrt der Buddhismus, dass Vernunft und Sprache hoch bewertet werden sollten, wenn auch mit dem Wissen um ihre Beschränkungen. Die Erleuchtung des Buddhas mag zwar den Bereich der Vernunft übersteigen, doch sie ist nicht irrational und widersetzt sich auch nicht der Untersuchung durch die Vernunft.
„Überzeugung“ in der Formulierung des Kapitels „Glaube und Überzeugung“ bedeutet Weisheit. Diese Weisheit ist nicht selbst Vernunft, doch sie wirkt in Verbindung mit der Vernunft, und die Vernunft ist ein Teil von ihr. Sie ist in höchstem Maße vernünftig und ist gleichzeitig eine ganzheitliche Weisheit, die über die Vernunft hinausgeht. „Glaube und Überzeugung“
Endo: Auch Nichiren Daishonin hat diese höchste Lehre des Buddhismus praktiziert, der den äußert vernünftigen Weg zeigt. Ich denke oft, dass er zum Beispiel seine eigene Position bekräftigt, indem er zuerst verschiedene im Menschenleben vorhandenen Zweifel klar darlegt und sie dann systematisch widerlegt. Daher besuchte er, bevor er die Grundlagen seiner Lehre verkündete, renommierte Tempel in verschiedenen Orten Japans.
Er schreibt, dass er Zweifel über den Buddhismus seiner Zeit hatte, der sich in verschiedene Schulen unterteilte:
„Dennoch streiten die zehn Schulen und die sieben Schulen alle gegenseitig und folgen der Lehre (des Buddhas) nicht. Es sieht aus, als ob von sieben Königen oder zehn Königen jeder versuchte, der Herrscher zu sein, wodurch verursacht wird, dass sich die ganze Bevölkerung in ständiger Unruhe befinden müsste. Unter solchen Umständen fragte ich mich, wie ich dieses Dilemma lösen könnte, und ich legte ein Gelübde ab, dass ich die Behauptungen dieser acht oder zehn Schulen nicht befolgen werde.“ (Gosho Band IV, Seite 168; Japanische Gosho, Seite 294)
Ohne sich blindlings den Autoritäten seiner Zeit zu unterwerfen, machte sich der Daishonin diese Gedanken auf der Grundlage der Sutra des Buddhas und suchte nach Beweisen, um seinen Glauben zu bestätigen.
Saito: Dasselbe geschah auch bei seiner Verbannung auf der Insel Sado. Als Antwort auf die Frage, die von seinen Anhängern und auch anderen gestellt worden war, nämlich wieso der Ausübende des Lotos-Sutras verfolgt werden sollte, antwortete der Daishonin in der Abhandlung „Über das Öffnen der Augen“, wie folgt:
„Weil diese Frage der Kern dieses Schreibens sowie die wichtigste Angelegenheit für mein gesamtes Leben ist, werde ich sie hier und öfter erheben. Darüber hinaus werde ich mich damit intensiv auseinandersetzen, um die Antwort herauszustellen.
(Gosho Band II, Seite 113; Japanische Gosho, Seite 203)
Nichiren Daishonin spricht diese Frage direkt an, und dadurch, dass er sie rational überprüft, kommt er zu dem Schluss, dass er der ursprüngliche Buddha im Späten Tag des Gesetzes ist.
Hier lehnt er Fragen auch nicht ab, und versucht, zu Antworten auf einer höheren Stufe zu gelangen. Daran sehen wir, dass der Glaube im Buddhismus des Daishonin intellektuelle Kritik nicht befürchtet, sondern sie immer willkommen heißt.
Präsident Ikeda: Es gibt in derselben Gosho „Über das Öffnen der Augen“ eine andere berühmte Stelle:
„Selbst wenn sich derartig verschiedene großen Hindernisse ereignen und mir zustoßen sollten, und solange Menschen der Weisheit nicht beweisen können, dass meine Lehren unterlegen sind, werde ich Behauptungen anderer Schulen nie akzeptieren! Alle anderen Hindernisse sind für mich nicht mehr bedeutend als Staub im Wind.“ (Gosho Band II, Seite 186; Japanische Gosho, Seite 232)
Dies drückt die Überzeugung des Daishonin aus, dass seine Lehren nicht durch irgendeine Kritik zerstört werden können, und zeigt uns auch, wie sehr er den Intellekt schätzte. Weiterhin betont er in der Abhandlung „Das wahre Wesen aller Phänomene“ die Wichtigkeit des Studiums neben der Praxis:
„Bemühen Sie sich in den zwei Wegen von Ausübung und Studium. Wenn Ausübung und Studium versiegten, dürfte es keinen Buddhismus mehr geben.“
(Gosho Band I, Seite 39; Japanische Gosho, Seite 1361)
Der Daishonin erklärt, dass ohne die Suche nach Wissen sowie ohne die Prüfung durch Vernunft kein Buddhismus existieren kann. So sehr schätzt der Buddhismus Nichiren Daishonins die Vernunft.
„Glaube im Lotos-Sutra“ – Weisheit durch Glauben ersetzen
Suda: Nun zurück zum Thema des Lotos-Sutras: Im Lotos-Sutra finden wir zwei Sanskrit-Begriffe, die oft als „Glaube“ oder „Überzeugung“ übersetzt werden. Neben adhimukti (Glaube und Überzeugung)“ verwendet das Sutra auch den Begriff sraddha.
Die Bedeutung der Wurzel „da“ von sraddha ist „setzen oder stellen“, also bedeutet sraddha „seinen Glauben setzen“ oder „Glauben hervorbringen“. Dies wird als die erste Stufe der buddhistischen Praxis definiert. In den Veden der alten Hindu-Schriften, die den buddhistischen Schriften vorausgehen, wird sraddha in der Bedeutung „Wissbegierde besitzen“ oder „sich nach etwas sehnen“ verwendet.
Es ist anzunehmen, dass das Gefühl des Staunens die Quelle des religiösen Empfindens ist. Es ist also ein Gefühl von ehrfürchtigem Staunen oder Frömmigkeit gegenüber dem, was über das eigene Vorstellungsvermögen hinausgeht. Jeder, dem dieses Gefühl von Frömmigkeit fehlt und der stattdessen von Leidenschaften und Begierden beherrscht wird, wird in den buddhistischen Texten als „Ichantika (Issendai)“ bezeichnet, jemand, der weder an den Buddhismus glaubt noch nach der Erleuchtung strebt.
Saito: Die buddhistische Praxis beginnt damit, dass man sraddha – Glauben“ erweckt. Wenn dann unsere Praxis fortschreitet, wird die Weisheit poliert, dass wir uns das, was zuvor unvorstellbar war, aneignen, und somit schreiten wir auf die Erleuchtung und ihren Nutzen zu.
Endo: Deshalb wird im Kegon-Sutra sraddha als „Grundlage der Praxis“ und „Mutter der Segnungen“ bezeichnet. Glaube im Prinzip von „Weisheit durch Glauben ersetzen“ im Lotos-Sutra ist sraddha. Nichiren Daishonin schreibt dazu:
„Glauben zu haben ist die Grundlage des Buddhismus.“
(Gosho Band I, Seite 123; Japanische Gosho, Seite 1244)
Präsident Ikeda: Glaube im Buddhismus ist bestimmt kein blinder Glaube, der die Maßstäbe der Vernunft leugnet, und kein Fanatismus. Er ist eine Funktion der Vernunft, ein Prozess der Kultivierung der Weisheit, der mit einem Geist der ehrfürchtigen Suche beginnt.
Saito: Es gibt noch einen buddhistischen Ausdruck für Glaube prasada. Prasada drückt die Vorstellung von Reinheit und Klarheit aus, wie in einer klaren Stimme oder in reinem, perlenden Wasser. Er wird verwendet, um den reinen Zustand des Geistes jener zu beschreiben, deren Verwirrung durch das Hören der Lehren des Buddhismus zerstreut wurde.
Er wird mit zwei Schriftzeichen, die „reiner Glaube“ bedeuten, ins Chinesische übersetzt. Der Zustand des vollkommen reinen Glaubens ist ein innerer Lebenszustand, in dem wir immer die vollkommene Ruhe bewahren, niemals von irgendeinem äußeren Umstand irritiert werden und zur tiefen Erkenntnis erleuchtet sind, dass alle Lebewesen würdevoll und gleich sind.
Präsident Ikeda: Das ist korrekt. Die richtige Funktion des Glaubens ist, den Geist zu reinigen und zu klären. Nur wenn der Geist rein ist, kann unsere innewohnende Weisheit erstrahlen.
Es gab Philosophen, die den Intellekt als „Sklave der Leidenschaften“ angesehen und gewünscht haben, den Intellekt von den „Verunreinigungen“ der emotionalen Leidenschaften zu befreien. Andere, wie Augustinus (ein früher christlicher Philosoph), vertraten die Meinung, dass Glaube notwendig sei, um die „kränkelnde Vernunft“ zu heilen und zu stärken.
Was diese vielen unterschiedlichen Positionen gemeinsam haben, ist der Glaube, dass man die Vernunft nicht zu einer selbstzufriedenen Arroganz verkommen lassen darf.
Der Impuls wahrer Vernunft ist es, andauernd und ewig die Grenzen des gegenwärtigen Selbst zu übersteigen. Sie strebt über ihren Bereich hinaus, immer höher und sich unaufhörlich erhebend. Die Quelle der Energie und Grundlage für dieses ständige Suchen ist der Glaube an etwas, das größer als man selbst ist.
Der Glaube reinigt den Verstand, kräftigt ihn und erhöht ihn. „Reiner Glaube“ ist gründlich polierter Glaube und zugleich streng geprüfter, durchtrainierter Verstand.
Wir sind jetzt wahre Shravakas (Stimmen-Hörer) geworden. Wir wollen die Stimme des Buddhawegs annehmen und alle Lebewesen dazu veranlassen, sie zu hören.
(Seite 275)
Suda: Im zweiten Kapitel des Lotos-Sutras „Geeignetes Mittel“ bittet Shariputra Shakyamuni: „Weltgeehrter. Ich bitte Sie höflichst, die Lehre ohne Zurückhaltung zu predigen, denn zahllose Anwesende an dieser Versammlung sind zu ehrfürchtigem Glauben fähig.“ (Seite 163)
Der „ehrfürchtige Glaube“, den Shariputra bezeugte, war Glaube, der sowohl sraddha als auch prasada umfasst.
Endo: Ich glaube, wir können die drei Arten von Glauben folgendermaßen zusammenfassen. Wenn wir die buddhistischen Lehren zum ersten Mal hören, verspüren wir wunderbares Staunen und bringen „ehrfürchtigen Glauben (sraddha)“ hervor, und wir beginnen unsere buddhistische Praxis. Durch den Prozess von „Glaube und Überzeugung (adhimukti)“ nähern und polieren wir unser Leben, und wir entwickeln allmählich das Bewusstsein, dass alle Lebewesen gleich sind und Würde besitzen – den „reinen Glauben (prasada)“.
Präsident Ikeda: Der Glaube im Buddhismus ist der Motor für ständige Selbstverbesserung. Er ist eine Triebkraft, die uns motiviert, nach der Vollkommenheit unseres gesamten Seins einschließlich des Intellekts zu streben und unser verborgenes Potential ganz zu entwickeln.
Suda: Es gibt noch eine weitere Art von Glaube, die auf Sanskrit bhakti genannt wird. Dies ist ein brennender und absoluter Glaube an eine Gottheit. Die ursprüngliche Bedeutung von bhakti ist „Anteil haben“ oder „zu einem Teil werden“.
Bhakti wird zum Beispiel verwendet, um das Einswerden mit Brahman zu bezeichnen, das nach dem Hinduismus der Ursprung aller Dinge sein und alle Dinge enthalten soll. Es ist ein Glaube, der zum Einswerden mit einem mystischen Wesen führt, das über das Individuum hinausgeht, und er führt zu einer Praxis des Glaubens, in der man seine Identität einem größeren Wesen ausliefert.
Bhakti wird oft in indischen Texten verwendet, um absoluten Glauben an eine Gottheit zu bezeichnen, aber es wird in buddhistischen Texten kaum verwendet. Bhakti ist vom Wesen her ein anderer Glaube als jener, der im Buddhismus vertreten wird.
Präsident Ikeda: Das ist wahr. Der Buddhismus lehrt keine Selbstverleugnung, um dann in einer größeren Wesenheit aufzugehen. Unser individuelles Leben ist eine unendliche Schatzkammer. Unser Leben selbst ist eine Anhäufung von unermesslichem Nutzen, und unser Leben ist das Lotos-Sutra. Deshalb kommt dauerhaftes Glück niemals von außen. Alles Wertvolle kommt aus unserem eigenen Sein.
Glaube im Buddhismus bedeutet, sein wahres Selbst zu errichten. Es ist das Erwachen, dass der unendliche Horizont des Kosmos hier im Selbst existiert. Unser Selbst, das sich dem Leben des Kosmos öffnet und in ihm enthalten ist, umfasst gleichzeitig das Leben des gesamten Kosmos.
Wir befinden uns in ununterbrochenem Austausch und in ständiger Resonanz mit dem Kosmos. Glaube ist eigentlich das „Sprungbrett“ zur Erlangung dieses Bewusstseins.
Endo: Hier stellt sich die Frage, warum das Lotos-Sutra den Aspekt des Glaubens so viel mehr hervorhebt als andere buddhistische Texte.
Saito: Der Glaube wird bereits ganz am Anfang der Predigt Shakyamunis im Kapitel „Geeignetes Mittel“ stark betont. Nachdem das wahre Wesen aller Phänomene und die zehn Faktoren dargelegt worden sind, bittet Shariputra Shakyamuni, die Lehre zu verkünden, die noch nie zuvor verkündet wurde.
Shakyamuni antwortet, dass die Menschen erstaunt wären, wenn er dies tun würde. Sie würden die Lehre anzweifeln, und er weist Shariputras Bitte drei Mal zurück. Doch Shariputra schwört: „Zahllose Anwesenden an dieser Versammlung sind bestimmt fähig, diesem Gesetz ehrfürchtigen Glauben zuteil werden zu lassen.“ (Seite 164)
Und er bittet Shakyamuni ein weiteres Mal, es zu lehren. Als Antwort auf Shariputras starken und ehrfürchtigen Glauben enthüllt Shakyamuni, dass der Grund für das Erscheinen des Buddhas auf der Welt darin liegt, „allen Lebewesen die Weisheit des Buddhas zu öffnen (Kai)“, „allen Lebewesen die Weisheit des Buddhas zu zeigen (Ji)“, „alle Lebewesen zur Weisheit des Buddhas erwachen zu lassen (Go)“ und „alle Lebewesen den Weg zur Weisheit des Buddhas betreten zu lassen (Nyu)“.
Danach beginnt er, die Lehre der „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan Ken’ichi)“ zu verkünden.
Präsident Ikeda: Wie wir hieraus sehen können, ist Glaube eine Grundvoraussetzung dafür, dass das Lotos-Sutra überhaupt verkündet wird.
Endo: Shariputra, der als erster unter den Shravakas die Lehre des Buddhas im zweiten Kapitel des Lotos-Sutras „Geeignetes Mittel“ hörte und dadurch die Erleuchtung erlangte, konnte nicht durch die Kraft seiner eigenen Weisheit, sondern „durch Glauben in die Welt der Erleuchtung des Buddhas eintreten (Ishin-Tokunyu)“.
In der Abhandlung „über die Vervollkommnung der großen Weisheit (Daichi-doron)“ erklärt Nagarjuna (Ryuju): „Es ist der Glaube, durch den man in das weite Meer des Buddhismus eintritt, und es ist die Weisheit, durch die man es überquert.“
Die buddhistische Praxis beginnt mit dem Glauben. Dies führt zur Erlangung von Weisheit, und durch die Kraft der erlangten Weisheit überquert man das große Meer des Buddhismus – das heißt die Erlangung der Erleuchtung. Das ist die allgemeine Auffassung des Buddhismus.
Jedoch im Lotos-Sutra wird für die Erleuchtung der Glaube stärker betont als unsere eigene Weisheit. In der Tat wird im Lotos-Sutra „Weisheit durch Glauben ersetzt (Ishin-Daie)“.
Präsident Ikeda: Hierin liegt eine tiefe Bedeutung. Das Lotos-Sutra ist insofern allen buddhistischen Lehren gleich, als Weisheit gleich Verwirklichung der Buddhaschaft ist. Doch im Lotos-Sutra wohnt die Weisheit bereits dem Glauben inne. Das ist die Bedeutung von „Glaube und Überzeugung (Shin-ge)“. Nichiren Daishonin schreibt eindeutig:
„Überzeugung (Ge) ist eine andere Bezeichnung für Weisheit.“ Und weiter: „Es gibt keine Überzeugung getrennt vom Glauben und keinen Glauben getrennt von der Überzeugung.“ (Japanische Gosho, Seite 725)
Ohne den Glauben gib es keine Weisheit (Ge), und der Glaube, der als Weisheit (Ge) nicht erscheint, ist ein falscher Glaube. „Ge“ ist hier wiederum ein Teil des Wortes für „Befreiung“ im Sinne der „Befreiung von allen Begierden (Gedatsu)“. Es ist ein Zustand der Befreiung und der völligen Freiheit von allem Leiden. Es ist ein Zustand der Weisheit, der nur durch den Glauben erlangt werden kann.
Endo: Im siebzehnten Kapitel des Lotos-Sutras „Unterscheidung des Nutzens (Funbetsu-Kudoku-bon)“ steht folgendes: „Wenn es Lebewesen gibt, die hören, dass die Lebenszeit des Buddhas von so langer Dauer ist und die es vermögen, und sei es in einem einzigen Gedanken, Glauben und Weisheit (Ge) aufzubringen, erlangen sie Nutzen, für den es keine Grenze und kein Maß gibt. (Seite 518)
Hierin werden Glaube und Weisheit (Ge) im einem einzigen Augenblick hervorgehoben. Das Sutra setzt fort:
„Wenn es in der Zeit nach dem Tod des Tathagata solche gibt, die dieses Sutra hören und es nicht verleumden oder schlecht davon sprechen, sondern in ihrem Herzen Freude der Annahme aufbringen, dann solltest du mit Recht wissen, dass dies ein Zeichen dafür ist, dass sie bereits tiefen Glauben und tiefes Verständnis (Ge) gezeigt haben.“ (Seite 523)
Menschen der „primären Freude (Shozuiki)“, die sich darüber freuen, dass sie das mystische Gesetz erstmals hören, sind diejenigen, die, wie das Sutra sagt, bereits tiefen Glauben und Verständnis (Ge) erlangt haben. Wir können das so auslegen, dass der Kern für die Verwirklichung der Buddhaschaft in Glaube und Weisheit (Ge) liegt.
Präsident Ikeda: Ich bin sicher, dass wir darüber noch ausführlicher sprechen werden, wenn wir uns mit dem Kapitel „Unterscheidung des Nutzens“ beschäftigen, aber die wahre Absicht des Lotos-Sutras findet sich jeweils in der ersten der „vier Stufen des Glaubens (Shi-shin) und den „fünf Stufen der Praxis (Go-hon)“. Diese sind die Stufe vom „Glauben und Überzeugung (Ge) in einem einzigen Gedanken“ sowie die Stufe von der „primären Freude (Shozuiki)“.
Suda: Liegt das Thema, warum der Aspekt des Glaubens im Sutra so sehr betont wird, nicht in dem Punkt, dass das Lotos-Sutra die dem eigenen Willen des Buddhas entsprechend erläuterte Lehre (Zui-jii) ist?
Präsident Ikeda: Ja, das stimmt. Lehren, die „der Kapazität der Zuhörer angepasst (Zui-tai)“ gepredigt wurden, waren so formuliert, dass sie auf den Zustand der jeweiligen Zuhörer eingingen. Demzufolge konnten sie unproblematisch angenommen werden. Sie waren einfach zu verstehen (Ishin), und die Menschen konnten daran ebenfalls leicht glauben (Ige).
Doch der Zustand des Buddhas, der die Denk- und Vorstellungsfähigkeit des gewöhnlichen Sterblichen übersteigt, ist schwer zu glauben (Nanshin) und zu verstehen (Nange). Deshalb wird der Aspekt des Glaubens stark betont.
Nichiren Daishonin schreibt über die Unterschiede zwischen dem Lotos-Sutra und allen anderen Sutra der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und zitiert oft dabei eine Stelle der Interpretation des großen Lehrers Dengyo über das Lotos-Sutra (Hokke-Shuku):
„Ihr sollt richtig erkennen, dass alle Sutra der ersten vier von den fünf Perioden, die in der Vergangenheit gepredigt wurden, das Muryogi (unermessliche Bedeutungen)-Sutra, das jetzt gepredigt wird, und das Nirvana-Sutra, das in Zukunft gepredigt werden wird, leicht zu glauben und leicht zu verstehen sind, weil diese Sutra „der Kapazität der Zuhörer angepasst (Zui-tai)“ gepredigt werden. Dieses Lotos-Sutra ist am schwierigsten zu glauben und am schwierigsten zu verstehen, weil es die dem eigenen Willen des Buddhas entsprechend erläuterte Lehre (Zui-jii) ist“
(Japanische Gosho, Seiten 688, Seite 991)
######### Weil das Sutra, das die dem eigenen Willen des Buddhas entsprechend erläuterte Lehre (Zui-jii) ist, bei weitem den Rahmen des Lebenszustandes eines gewöhnlichen Sterblichen übersteigt, ist es für ihn nicht möglich, mit seiner Weisheit zu verstehen. Es gibt für ihn nichts übrig, außer es durch den Glauben zu verstehen.
Es wäre wahrscheinlich zutreffend: Selbst wenn man mit allen Mitteln versuchen würde, jemandem, der keine Weltraumrakete kennt, vor ihrer Technologie zu erklären, könnte er wahrscheinlich nicht verstehen, weil der Inhalt der Erklärung jenseits seiner Aufnahmekapazität liegt.
Genauso übersteigt das Geheimnis des mystischen Gesetzes, das es uns ermöglicht, einen Zustand zu erreichen, in dem wir uns im Kosmos des Lebens absolut frei bewegen können, völlig unser Vorstellungsvermögen. Deshalb haben wir keine andere Möglichkeit, außer durch die Kraft des Glaubens den Weg des mystischen Gesetzes einzuschlagen.
Aber ich spreche sicher nicht von blindem Glauben, sondern es ist Glaube, der auf dokumentarischem, theoretischem und tatsächlichem Beweis beruht. Dazu sagt Makiguchi Sensei folgendes:
„Auch wenn uns selbst fortgeschnittene medizinische Kenntnisse fehlen, hält uns das nicht davon ab, einem Arzt zu vertrauen und ihm zu erlauben, unsere Krankheit zu behandeln. Wenn wir das tun, werden wir jedoch bewusst oder unbewusst einen Arzt aussuchen, der möglicherweise die folgenden drei Bedingungen erfüllt.
1) Wenn man auf seine Schulausbildung, seinen Titel, sein Fachgebiet usw. sieht; das entspricht dem dokumentarischen Beweis.
2) Als nächstes sucht man nach dem Arzt, der eine große Anzahl von Menschen erfolgreich behandelt hat. Das ist die wichtigere Voraussetzung und entspricht dem tatsächlichen Beweis.
3) Wenn schließlich seine Behandlungsmethode vom medizinischen Gesichtspunkt gesehen vernünftig ist, hat man keine Sorge mehr. Das kann man Vernunft oder theoretischen Beweis nennen.“
Endo: Also lässt sich sogar auf dieser Ebene des täglichen Lebens das Prinzip „Weisheit durch Glauben ersetzen“ anwenden, ebenso wie die drei Beweise. Es ist wirklich wahr, dass der Buddhismus alle Phänomene umfasst.
Präsident Ikeda: Der Grund, warum das Lotos-Sutra Glauben oder Überzeugung so sehr betont, liegt im Ziel des Lotos-Sutras, die grundlegende Unwissenheit des Lebens, nämlich die fundamentale Dunkelheit des Lebens aufzuklären und alle Menschen zu ihrer „fundamentalen Erleuchtung“, nämlich zur Weisheit, erwachen zu lassen, ihr ursprüngliches Selbst zu erkennen. Diese „fundamentale Erleuchtung“ kann auch als Buddhanatur oder die Buddhaschaft bezeichnet werden.
Aber diese fundamentale Erleuchtung existiert auf der tiefsten Ebene unseres Lebens, so dass der Intellekt oder die Vernunft, die eher an der Oberfläche des Lebens wirken, sie in ihrer Ganzheit weder öffnen noch zeigen können. Nur wenn wir unser ganzes Sein einschließlich unserer intellektuellen Fähigkeiten dem mystischen Gesetz öffnen und uns ihm widmen, offenbart sich die Buddhanatur, die Welt des Buddhas, in unserem Leben. Der Daishonin schreibt hierzu:
„Dieses Wort Glaube ist ein scharfes Schwert, das die fundamentale Dunkelheit des Lebens zerschneidet.“ (Japanische Gosho, Seite 725)
Glaube bedeutet Öffnen, und Zweifel Verschießen. Wenn wir uns dem mystischen Gesetz öffnen, dann öffnet sich das mystische Gesetz in unserem Selbst. Das ist die Bedeutung von Nichikan Shonins Aussage:
„Die Willensstärke, an das Lotos-Sutra zu glauben, wird die Buddhaschaft genannt.“
Die Buddhaschaft existiert im Glauben, und als Folge davon basiert die Weisheit auch auf der Buddhaschaft. Es ist nicht möglich, das grundlegendste Gesetz des Universums mit menschlichem Verstand, der selbst nur ein winziger Teil dieses Universums ist, zu erfassen. Es gibt keine andere Möglichkeit, außer dass wir unser ganzes Leben dafür einstellen, um dieses Gesetz in unserem eigenen Leben zu offenbaren.
Das ist das Ziel von Glaube sowie Widmung (Ki-myo: „Ki – zurückkehren“ und „Myo – basieren“) an das mystische Gesetz. Der Daishonin schreibt:
„Glaube entspricht dem Prinzip der ewig unveränderbaren Wahrheit. ... Überzeugung (Ge) entspricht der durch die Beziehung veränderbaren Wahrheit.“
(Japanische Gosho, Seite 725)
In bezug auf das Prinzip „Ki-myo; Ki – zurückkehren und Myo – basieren“ bedeutet Glaube „Ki – zurückkehren“ und Überzeugung (Ge) ist „Myo – basieren“. Dadurch, dass wir an das mystische Gesetz glauben und zum mystischen Gesetz „zurückkehren (Ki)“, offenbart sich das mystische Gesetz in unserem eigenen Leben, das auf dem mystischen Gesetz „basiert (Myo)“.
Als Beweis für das Leben, in dem das mystische Gesetz pulsiert, offenbart sich die Weisheit der durch die Beziehung veränderbaren Wahrheit, und sie ist wiederum die Überzeugung von „Glaube und Überzeugung (Shin-Ge)“, wie der Daishonin erklärt:
„Glaube stellt den Wert dar, und Überzeugung (Ge) stellt einen Schatz dar. Es ist ein einziges Schriftzeichen „Glaube (Shin)“, wodurch man die Weisheit aller Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gewinnen kann.“
(Japanische Gosho, Seite 725)
In diesem Sinne sind Glaube und Überzeugung selbstverständlich nicht nur weit davon entfernt, Gegensätze zu sein, sondern auch der Glaube ist nichts Statisches, das zum Zweck der Überzeugung angenommen wird.
Eigentlich sind beide essentiell eins. Wenn man jedoch versuchen sollte, sie getrennt zu betrachten, dann könnte man sie nur als Partner in einem dynamischen Kreislauf beschreiben, wo Glaube zu Überzeugung führt und Überzeugung den Glauben weiter verstärkt. Durch diesen unendlichen Zyklus können wir uns ständig entwickeln. Das ist die grundlegende Bedeutung von „Glaube und Überzeugung“.
Es ist sehr interessant, dass der Sanskrit-Begriff adhimukti auch als Wille oder Absicht übersetzt werden kann. Die Erlangung der Buddhaschaft geschieht möglicherweise nicht in irgendeinem statischen Zustand. Es ist ein Zustand, in dem man sich unendlich bemüht, sich zu entwickeln, indem man sowohl Weisheit als auch Mitgefühl (Jihi) vertieft – das ist die Welt der Buddhaschaft.
Es liegt im Prozess des grenzenlosen und unaufhörlichen Strebens nach Vervollkommnung. Die beiden Räder, die uns zur Absicht führen, sind Glaube und Überzeugung.
Saito: In der gegenwärtigen Gesellschaft wird der Glaube als eine Funktion in der Vorstellung angesehen, die die Vernunft einschläfert und Menschen in einer geschlossenen, subjektiven Welt leben lässt. Aber ich habe jetzt richtig begriffen, dass die Bedeutung von „Glaube und Überzeugung“ im Lotos-Sutra ganz und gar anders ist.
Präsident Ikeda: Richtig. Der Glaube, der im Lotos-Sutra gelehrt wird, bietet uns keine leichten Antworten, keinen Fluchtweg aus den schwierigen Problemen, denen wir in unserem Leben begegnen. Das Lotos-Sutra lehnt vielmehr solche Leichtigkeiten ab und fordert uns stattdessen auf, die beiden Waffen, Glaube und Überzeugung, zur Erforschung des Lebens in die Hand zu nehmen. Der Glaube an das Lotos-Sutra gibt uns die Energie, dass wir uns fortgesetzt herausfordern und uns grenzenlos entwickeln können.
In der modernen Zeit hat man eine Illusion aufrecht gehalten, dass der Intellekt durch die Trennung vom Glauben eine Selbständigkeit gewonnen hätte. Aber haben wir nicht oft gesehen, dass viele moderne Ideen wie der Materialismus in Wirklichkeit auf Glauben oder auf Voraussetzungen, die völlig unüberprüft sind, beruhen? Und auf dieser Grundlage haben Leiden der Menschen und somit der Kreislauf der in der modernen Zeit vorherrschenden Unruhe angefangen.
Was jetzt notwendig ist, ist eine neue Vereinigung von Glaube und Weisheit, die alle Aspekte umfasst, einschließlich der Perspektive, die von der modernen Wissenschaft erlangt wurde. Das ist eine unvorstellbar große Herausforderung in der modernen Zivilisation. Es ist ein Versuch, das überzeugungslose Wissen und die menschliche Gesellschaft, die durch den vernunftlosen Fanatismus zerrissen worden ist, aufzuheben und sie wiederzubeleben.
Er könnte als die Geschichte vom herumziehenden Sohn – dem modernen Rationalismus – dargestellt werden, der zu seinem Elternhaus – dem Leben selbst – zurückkehrt.
„Glaube und Überzeugung (Shin-Ge)“: Ich kann mir gut vorstellen, dass das als ein Schlüsselwort bezeichnet werden kann, das die spirituelle Wanderzeit, nämlich die gegenwärtige Gesellschaft, aufheben und sie in die richtige Richtung einlenken und uns Menschen ermöglichen kann, auf die höhere Ebene des Lebens hin stetig voranzuschreiten.
12. „Weisheit ist identisch mit Mitgefühl (Jihi)“,
das die Individualität fördert.
Saito: Der große Marsch auf das Jahr 2005 hin, in dem wir das 75. Jubiläum der Gründung der Soka Gakkai feiern, hat endlich begonnen.
Präsident Ikeda: Wie wird die Welt im Jahr 2005 aussehen? Ein Kind hat seine Vision der Welt zu dieser Zeit folgendermaßen beschrieben:
„Angenommen: Es ist jetzt das Jahr 2005. Die Erde ist auf der einen Seite grün und auf der anderen Seite ist total in Schwarz. Auf der grünen Seite der Welt spielen die Kinder den ganzen Tag und die ganze Nacht. Sie schlafen nie. Auf der schwarzen Seite der Welt ist die Luft und alles verschmutzt, und nichts kann wachsen. Dort wünschen Roboter, dass sie spielen könnten. Zwischen der schwarzen Seite der Erde und der grünen Seite der Erde gibt es eine Mauer. Sie hält die Verschmutzung von der schwarzen Seite der Erde in die grüne Seite der Erde zurück. Diese Mauer heißt Mauer der Gerechtigkeit. Die Wissenschaftler sagen, dass wir innerhalb von zehn Jahren eine neue Mauer der Gerechtigkeit bauen müssen, und es bleibt für uns nichts anderes übrig, als wir auf den Mond übersiedeln.“ Ein anderes Kind schreibt:
„Ich glaube, dass wir im Jahr 2005 dem Krieg begegnen werden. Und Politiker sind verändert und versuchen, unser Leben zu bestimmen, wie sie wollen. Sie sagen, wen wir heiraten und welche Arbeit wir nehmen sollen. Es könnte sich auch total verändern. Männer werden Haushalt und Kochen erledigen, und sich die Frauen werden, wenn sie vor ihrer Arbeit nach Hause zurückkommen, in ihren Lieblingsstuhl hinsetzen und fernsehen.“ Und ein weiteres Kind schreibt:
„Es wäre schön, wenn alle Menschen nett und freundlich würden. Auf der ganzen Welt würden dann alle Schusswaffen verschwinden, und es würde keine Kriege mehr geben. Und wir werden Freunde mit den Marsbewohnern.“
Diese Sätze wurden von amerikanischen Schulkindern im Alter zwischen zehn und vierzehn Jahren gesagt, als sie vor über fünfzehn Jahren interviewt wurden. Ihre Aussprüche werden in einem Buch von Elise Boulding vorgestellt, das ich kürzlich von der Autorin erhalten habe. Der Titel des Buches ist „Die Zukunft; Bilder und Prozesse“, und es wurde von ihr gemeinsam mit ihrem verstorbenen Ehemann Kenneth Boulding (1910-93) geschrieben.
Endo: Frau Elise Boulding ist eine weltbekannte Gelehrte, die für ihre Forschungen auf einer weiten Reihe von Gebieten bekannt ist, darunter Friedensforschung, Erziehung und Frauenfragen. Sie wurde auch letztes Jahr vom „Boston Research Center for the 21st Century“ als erste Empfängerin des Weltbürger-Humanitätspreises nominiert.
Suda: Ihr Mann, Kenneth Boulding, war ein berühmter Ökonom und einer der Pioniere der Friedensforschung. So weit ich weiß, war er es, der den Begriff vom „Raumschiff Erde” geprägt hat. Ich erinnere mich, dass die Bouldings für Präsident Ikedas Friedensvorschlag anlässlich des SGI-Tags im Jahr 1992 größte Unterstützung geäußert haben.
Saito: Ich spüre, dass der Zweck der Veröffentlichung dieses Buches, das du gerade erwähnt hast, nicht nur einfach der war, auf heitere Weise Worte von Kindern wiederzugeben, sondern für die Gesellschaft der Erwachsenen ein Warnsignal erklingen zu lassen.
Endo: Das stimmt. Kinder denken auf ihre Weise über die Zukunft des Planeten nach. Und weil sie eher spüren können, was für das Leben gut oder schlecht ist, sind sie vermutlich in der Lage, die Dinge mit einer Originalität und Frische zu sehen, die jenseits der Reichweite von Erwachsenen liegt.
Präsident Ikeda: Frau Elise Boulding, die die Interviews in dem Buch führte, hat darauf bestanden, dass Kinder beim Aufbau der Gesellschaft der Zukunft „Gemeinschaftliche Teilnehmer” sein müssen. Wenn wir eine gesellschaftliche Umgebung schaffen können, die den Hoffnungen der Kinder entspricht, meint sie, wird dies auch für die Erwachsenen bestimmt eine Bereicherung des Lebens bringen. Sie fasst ihren Standpunkt nachdrücklich zusammen:
„Wir müssen unser eigenes Leben in die Hand nehmen, weil in uns der Same einer neuen Wirklichkeit existiert, ein Same, der nicht wachsen kann, solange unser Leben nicht uns selbst gehört. Was aus diesem Samen entsteht, ist die Freude. Sie besteht aus Liebe, Gerechtigkeit, Freiheit, Frieden und Reichtum.“
Sie beschreibt einen Geist, der sich danach sehnt, den im Leben jedes einzelnen Menschen vorhandenen „Samen der Freude” zu öffnen. Das Lotos-Sutra erklärt, dass alle Menschen diesen „unübertroffenen Samen”, nämlich die Buddhanatur, in ihrem Leben öffnen können. Und das fünfte Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” beschreibt das unparteiische Mitgefühl des Buddhas, das dies möglich macht. Wir wollen heute dieses Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” studieren.
######## Parabel „drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen“
Saito: Ich möchte damit beginnen, die Stellung des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” im Lotos-Sutra zu klären. Im vorausgehenden vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung” weisten Kashyapa (Kasho) und die anderen drei großen Shravakas (Stimmen-Hörer: Subhuti, Katyayana und Maudgalyayana) darauf hin, dass sie Shakyamunis Predigt „die Parabel von den drei Wagen und dem brennenden Haus“ im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel” verstanden, indem sie die Parabel vom „reichen Mann und seinem armen Sohn“ erzählten.
In diesem Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” preist Shakyamuni, nachdem er diesen Diskurs angehört hat, die vier großen Shravakas mit den Worten: „Hervorragend, hervorragend, Kashyapa. Du hast eine hervorragende Beschreibung des wahren Nutzens des Tathagata gegeben.” (Seite 279)
„Der Nutzen des Tathagata ist wirklich unermesslich und grenzenlos. Auch wenn du und die anderen euch zahllose Millionen von Kalpas bemühen solltet, könntet ihr mit ihrer Beschreibung nie zu einem Ende kommen.” (Seite 279)
Dann verkündet Shakyamuni die Parabel von den „drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen“. Das Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” dient somit einem doppelten Zweck. Der Buddha bestätigt darin einerseits den Inhalt der Lehren, die seine Schüler verstanden haben und erläutert andererseits zusätzlich, um sie zu ergänzen. Der Große Lehrer T’ien-t’ai aus China bezeichnet diese Art der Predigt als „Bestätigung und Ergänzung (Jutsujo)”.
Dann wird im darauffolgenden sechsten Kapitel „Verleihung der Prophezeiung” jedem der vier großen Shravakas (Stimmen-Hörer) die Prophezeiung gemacht, dass er in der Zukunft sicher ein Buddha werden wird. Hier wird jeweils konkret erklärt, wann, wo und mit welchem Namen jeder die Erleuchtung erlangen wird.
Endo: Wir sehen in anderen Worten eine vierstufige Entwicklung: Shakyamunis erste Predigt, das Verstehen der vier großen Shravakas, Shakyamunis Bestätigung und zusätzliche Predigt (Bestätigung und Ergänzung) und die Verleihung der Prophezeiung für die vier großen Shravakas.
Wir sehen den selben vierstufigen Ablauf, der in der Prophezeiung der Erleuchtung gipfelt, auch in den Fällen von Shariputra (mit dem zweiten Kapitel „Geeignete Mittel” beginnend) und bei der Gruppe von Shravakas, die von Purna (Furuna) vertreten werden (beginnend mit dem siebten Kapitel „Parabel des Phantomschlosses (Kejoyu-bon)”.
Präsident Ikeda: Dieser „Austausch von Meister und Schüler“ sowie diese „Einheit von Meister und Schüler“ enthalten den Schlüssel zur Erlangung der Buddhaschaft.
Wir können die Frage nach der Bedeutung über die Verleihung der Prophezeiung für eine andere Gelegenheit aufheben. Aber der Grund, warum die Verwendung der „Bestätigung und Ergänzung (Jutsujo)“ notwendig ist, liegt darin, klarzustellen, dass die Shravakas, die an die Predigt der Lehren im Lotos-Sutra geglaubt und sie verstanden haben, unfehlbar den Weg des Bodhisattwas betreten haben, der zur Erlangung der Buddhaschaft führt.
Endo: Das wird am Ende des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” klar gezeigt, wie Shakyamuni sagt: „Was ihr praktiziert, ist der Weg des Buddhas. Ihr sollt allmählich in der Praxis voranschreiten und alle sicher die Buddhaschaft erlangen“ (Seite 293)
Saito: Und das wird zur Grundvoraussetzung, auf der Shakyamuni später jedem der Shravakas die Prophezeiung verleiht, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Das stimmt. Unfehlbar den Weg zu betreten, der zur Erleuchtung führt, ist der Nutzen, der sich ergibt, wenn man an das eine Buddhafahrzeug des Lotos-Sutras glaubt und es versteht.
Die Parabel von den „drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen“ im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” erklärt diesen Nutzen noch ausführlicher.
Die für alle gleiche Predigt des Buddhas ist wie der Regen des einen Geschmacks. Jedoch die Art, wie alle Lebewesen ihrer Natur entsprechend empfangen, ist verschieden, so wie die verschiedenen Kräuter und Bäume jeweils die Feuchtigkeit auf verschiedene Weise empfangen.
Anhand dieses Gleichnisses als geeignetes Mittel öffnet und zeigt der Buddha. Obwohl er verschiedene Worte und Darlegungen verwendet, um das eine Gesetz zu erklären, ist dies in den Begriffen der Weisheit des Buddhas wie ein Tropfen im Meer.
Suda: Nun versuche ich, die Parabel zusammenzufassen.
Zuerst wird darauf hingewiesen, dass Bäume und Heilkräuter vieler verschiedener Arten auf Bergen und an Flüssen, Schluchten und Tälern im ganzen Universum wachsen und dass diese verschiedenen Arten von Pflanzen sich in Namen und Aussehen unterscheiden. Heilkräuter werden als „höher (groß)”, „mittel (mittelgroß)” und „minder (klein)” unterschieden und Bäume als „groß” und „klein”. Deshalb heißt das die Parabel von den drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen.
Darin heißt es: „eine dicke Wolke breitet sich im ganzen Himmel aus und bedeckt die ganze Welt. Aus der Wolke regnet es. Der Regen aus dieser Wolke fällt weithin und befeuchtet die Bäume und Heilkräuter überall. Und während der Regen überall in gleicher Weise fällt, wachsen die Heilkräuter und Bäume nach ihrer jeweiligen Eigenschaft und bringen verschiedene Blumen und Früchte hervor.
Die Parabel erklärt, dass es viele Unterschiede zwischen den zahlreichen Kräutern und Bäumen gibt, obwohl sie in der selben Erde wachsen und vom selben Regen befeuchtet werden.
Endo: Die „dicke Wolke” steht für den Buddha und ihr Aufsteigen und Bedecken der Welt bezeichnet das Erscheinen des Buddhas. Der Regen, der überall gleichermaßen fällt, stellt die Predigt des Buddhas dar und wird „Regen des Gesetzes” genannt. Die verschiedenen Kräuter und Bäume sind die Lebewesen und ihr Aufnehmen des Regenfalls steht für das „Hören des Gesetzes (Monpo)”.
Das Wachstum und das Hervorbringen von Blüten und Früchten durch die Kräuter und Bäume entsprechen der Ausübung und dem Nutzen, so könnte man sagen.
Von den drei Arten von Heilkräutern stehen die minderen Heilkräuter für die Menschen in der Welt der Gemütsruhe und des Himmels. Die „mittleren” Kräuter stehen für die Wesen in der Welt des Lernens und der Teilerleuchtung, und die „höheren” Kräuter und die zwei Arten von Bäumen, „klein” und „groß,” bezeichnen die Bodhisattwas, die danach streben, die Buddhaschaft zu erlangen.
Suda: Wenn die „höheren” Heilkräuter sowie die kleinen und großen Bäume alle für Bodhisattwas stehen, stellt sich die Frage, wie diese weiter unterschieden werden sollten. Es wurden im Laufe der Zeit verschiedene Theorien dafür vorgebracht. T’ien-t’ai erläutert zum Beispiel, dass die höheren Kräuter den Bodhisattwas der Tripitaka-Lehren (Hinayana) entsprechen, die kleinen Bäume jenen der verbindenden Lehren (einleitender Mahayana) und die großen Bäume jenen der besonderen Lehre (so genannt, weil sie eigens für Bodhisattwas gelehrt wurde).
Saito: Die Tatsache, dass der Regen aus den Wolken gleichermaßen fällt, weist darauf hin, dass das Gesetz, das der Buddha predigt, „von einer Form und von einem Geschmack (Isso-Ichimi)” ist. Das Prinzip „eine Form und ein Geschmack“ bedeutet, dass letztlich die Predigt des Buddhas den Nutzen enthält, es allen Menschen unparteiisch zu ermöglichen, Buddhas zu werden. Es ist das eine Fahrzeug des Buddhas.
Präsident Ikeda: Das ist die Essenz der Predigt des Buddhas vom Standpunkt des Buddhas aus gesehen. Jedoch die Menschen ihrerseits können diesen Nutzen nicht verstehen. Die Menge des Regens, die empfangen wird und seine Wirkung unterscheiden sich nach der jeweiligen Eigenschaft und der Größe der Pflanzen und Bäume. Obwohl der Buddha nur das eine Fahrzeug des Buddhas verkündet, gibt es in der Art und Weise Unterschiede, wie die Menschen die Lehre empfangen. Wenn die Lehre des Buddhas durch die verschiedenen Verständnisse der Menschen gefiltert wird, unterscheidet sich sie in die Lehren der drei Fahrzeuge.
Suda: Letztlich drücken die Parabel von den „drei Arten von Heilkräutern und den zwei Arten von Bäumen“ und die vorhergehenden zwei Parabeln (von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ sowie vom „reichen Mann und seinem armen Sohn“) das Prinzip der „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“ aus.
Sie erklärt zum einen (so wie die anderen Parabeln), wieso der Buddha die Lehren der drei Fahrzeuge verkündet hat. Sie weist darauf hin, dass, weil die Menschen sich in ihren intellektuellen Fähigkeiten und in ihrer Veranlagung für die Aufnahme der Lehren des Buddhas stark unterscheiden, der Buddha verschiedene Lehren verkündet hat, um der Kapazität und der Neigung jedes einzelnen entgegenzukommen.
Die Parabel erklärt zum anderen, dass ihre Essenz in jedem Fall das eine Fahrzeug des Buddhas ist, obwohl die Lehren des Buddhas zwar zahlreich und unterschiedlich sind und wie der Regen gleichermaßen auf alle herabfällt und einen für alle gleichen „Geschmack” besitzt.
Präsident Ikeda: Die virtuose Geschicklichkeit der Parabeln im Lotos-Sutra beeindruckt mich immer wieder. Der chinesische Schriftsteller Jin Yong (Schriftstellername von Louis Cha), mit dem ich kürzlich in Hong Kong einen Dialog begonnen habe, bezeichnet das Lotos-Sutra als „Aufzeichnung eines Dialogs” zwischen Shakyamuni und seinen Schülern und als „große Literatur”, weil es die Metapher so gekonnt einsetzt.
Suda: Soweit ich weiß, hat er reges Interesse am Buddhismus, besonders am Lotos-Sutra.
Präsident Ikeda: Er weiß wirklich sehr viel über den Buddhismus. Einer seiner Romane, „Halbgötter und Halbteufel” leitet seinen chinesischen Originaltitel aus einer Zeile im zwölften Kapitel „Devadatta” des Lotos-Sutras her. Die Wesen, die mit diesem Ausdruck bezeichnet werden, darunter himmlische Wesen, Drachen und Yakshas, befinden sich als Teilnehmer an der Versammlung, die sich im ersten Kapitel des Lotos-Sutras „Einleitung” einfindet.
Endo: Diese Wesen werden zusammenfassend als acht Arten von nichtmenschlichen Wesen bezeichnet, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Der Roman spielt in einem buddhistischen Land namens Dali (Dairi) während der Zeit der nördlichen Song-Dynastie (960-1127) in China. Der Ausdruck „Halbgötter und Halbteufel” im Titel lässt die unterschiedlichen Eigenschaften der Personen symbolisieren, die in dem Roman auftreten.
Suda: Als ich in der Seikyo Shimbun den Artikel über Ihren Dialog mit Herrn Jin Yong (16. November 1995) las, fand ich Ihren Vorschlag im Gespräch besonders bewegend, dass er die chinesische Inschrift für das Denkmal „Friedensgebet von Hiroshima” schreiben möge.
Präsident Ikeda: Es hat mich gefreut, dass er so bereitwillig akzeptiert hat. Er ist ein Kämpfer, der eine Feder des Friedens führt und mit ständigem Einsatz gegen Kernwaffen argumentiert hat. Nach sorgfältiger Überlegung bin ich zu dem Schluss gekommen, dass Herr Jin Yong die geeignetste Person wäre, um diese Inschrift zu schreiben.
Soweit ich weiß, hat er seither täglich im Lotos-Sutra gelesen und seine Handschrift geübt, weil er, wie er sagte, die Schriftzeichen mit dem Friedensgeist des Lotos-Sutras erfüllen wollte.
Saito: Wie wunderbar! Es scheint wohl, dass wir schließlich zum Lotos-Sutra gelangen, wenn wir nach den Wurzeln der orientalischen Zivilisation suchen.
Präsident Ikeda: So ist es. Und selbst in einem so großartigen Werk der religiösen Literatur wie dem Lotos-Sutra ist die Parabel von den „drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen“ von besonderem Interesse, denn unter den sieben Parabeln des Lotos-Sutras betont nur sie die Vielfältigkeit der Lebewesen. Diese Besonderheit ist unter den sieben Parabeln im Lotos-Sutra einzigartig. Und durch die Betonung wird die unparteiische Barmherzigkeit des Buddhas unterstrichen.
Die Barmherzigkeit des Buddhas ist vollkommen unvoreingenommen und unparteiisch. Der Buddha betrachtet alle Lebewesen als seine eigenen Kinder und bemüht sich, sie emporzuheben, damit sie den selben erleuchteten Lebenszustand erlangen können, den er besitzt.
Es ist nicht nur deswegen, weil es keinen Unterschieden zwischen den Menschen gibt, sondern weil der Buddha zwischen den Menschen keinen Unterschied macht. Es ist vielmehr so, dass er die Unterschiede, die zwischen den Lebewesen existieren, voll erkennt. Der Buddha respektiert die Individualität der Menschen und wünscht sich, dass alle Lebewesen ihre einzigartigen Eigenschaften frei manifestieren können.
Selbst wenn es zwischen den Lebewesen Unterschied gibt, ist der Buddha nicht dazu geneigt, sie einseitig zu lieben oder zu hassen. Der Buddha liebt die Einzigartigkeit jeder Person, erfreut sich an ihr und bemüht dafür, sie hervorzubringen. Das ist sein tiefes Mitgefühl und seine Weisheit.
Suda: Im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” erklärt Shakyamuni:
„Wie ich alle Dinge betrachte, ist es für alle gleich. Ich bin frei von Herzen, diesen oder jenen vorzuziehen, sowie den einen zu lieben oder den anderen zu hassen. Ich bin frei von Begierde und Anhänglichkeit, ohne Begrenzung und Behinderung. Zu allen Zeiten und für alle Dinge predige ich das Gesetz gleichermaßen, so wie ich es für einen einzelnen Menschen tue. Auf die selbe Weise predige ich für die Menge.“ (Seite 288)
Er sagt, dass der Buddha das Gesetz stets für alle Lebewesen gleichermaßen verkündet, ohne sie bevorzugt oder benachteiligt zu behandeln. Er predigt das Gesetz frei von Vorliebe oder Hass, genau wie er es für eine Person verkündet.
Präsident Ikeda: Der wichtige Punkt ist, dass die Predigt des Buddhas von der Anerkennung der Vielfältigkeit der Menschen ausgeht. Wie kann man allen Menschen, die in Lebensumständen, Eigenschaft und Aufnahmekapazität so unterschiedliche sind, ermöglichen, die Buddhaschaft zu verwirklichen? Das Lotos-Sutra erklärt für alle, ohne im geringsten von der „Wirklichkeit” des Individuums abzuweichen, den Weg zur Verwirklichung der Buddhaschaft.
Der Humanismus des Lotos-Sutras basiert auf der Überzeugung, das Individuum in voller Achtung zu schätzen. Das ist der Geist des Buddhas. Das grundlegende Ziel des Lotos-Sutras, alle Menschen zur Erleuchtung zu führen, beginnt damit, dass das Individuum hochgeschätzt wird. Es kann auch nur durch beharrliches Festhalten an diesem Punkt verwirklicht werden.
Auf abstrakte Weise, „die Menschen zu lieben” oder „die Menschheit zu lieben” ist relativ leicht. Mitgefühl für tatsächliche Individuen zu verspüren und es in die Tat umzusetzen, ist dagegen schwer.
Der große russische Autor Fjodor Dostojewski weist (in den Gefühlen, die eine seiner Romanfiguren ausspricht) auf diesen scheinbaren Widerspruch hin:
„Je größer meine Liebe für die Menschheit im allgemeinen, desto weniger liebe ich die Menschen im besonderen, das heißt getrennt, als Individuen.” (aus „Die Brüder Karamasow“) Und an einem anderen Roman sagt er:
„In der abstrakten Liebe für die Menschheit liebt man fast immer niemand anderen als sich selbst.” (aus „Der Idiot“)
Die Soka Gakkai wendet sich niemals vom einzelnen Menschen ab und kämpft darum, es allen Menschen zu ermöglichen, absolutes Glück zu erlangen. Das ist ein edles Unterfangen, das in den Annalen der Menschheitsgeschichte strahlend scheinen wird.
Endo: Praktisch gesehen existiert das Lotos-Sutra nirgendwo anders als hier und jetzt. Es ist in der Soka Gakkai da.
Aber wieso werden nebenbei bemerkt die Menschen, deren Leben unentbehrlich ist, allegorisch als Kräuter und Bäume dargestellt? Das ist für mich etwas schwierig zu verstehen.
Präsident Ikeda: Ja. Ähnliches gilt auch dafür, dass der Buddha mit einer Wolke verglichen wird. Um den Grund für diese spezielle Allegorie zu finden, müssten wir wohl das Klima und die Kultur Indiens in Betracht ziehen.
Suda: Das Wetter in Indien ist in drei Jahreszeiten geteilt, die Trockenzeit, die heiße Zeit und die Regenzeit. Die Regenzeit dauert ungefähr vier Monate und während der restlichen acht Monate des Jahres gibt es nur sehr wenig Regen. Daher wird der Regen sehnsüchtig erwartet und ist ganz wörtlich ein Segen.
Vielleicht finden wir aus diesem Grund viele Beispiele in den buddhistischen Schriften wie den „Regen des Gesetzes” im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern”, wo die Lehre des Buddhas mit Regen verglichen wird.
Endo: Soweit ich weiß, sagen die Menschen in Indien, wenn es regnet, dass das Wetter gut ist. Vor vier Jahren (1992) habe ich Sie, Präsident Ikeda, auf Ihrer Reise nach Indien begleiten können. Am Tag unserer Ankunft hat es leider geregnet. Aber alle anderen Leute waren hocherfreut. Man sagte mir, dass es in Indien eine Redensart gibt, es werde regnen, wenn ein Ehrengast empfangen wird. Für mich war das ein kleiner Kulturschock.
Saito: Wir Japaner neigen einfach dazu, Regen immer als etwas Bedauerliches abzutun. Aber im Licht des kulturellen und religiösen Hintergrundes Indiens gesehen ergibt der Vergleich des Buddhas mit einer großen Wolke Sinn. Schon in der Zeit vor der Entstehung des Buddhismus hat der vedische Gott Indra größte Zuneigung und Verehrung durch das indische Volk erfahren, denn er sollte den Regen verursachen und wurde auch mit dem Blitz in Zusammenhang gebracht. Es ist vorstellbar, dass der Vergleich des Buddhas mit einer Wolke sich auf dieses Bild stütze. Daher finden wir im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” folgende Stelle:
„Die Wolke der Weisheit ist mit Feuchtigkeit beladen, der Blitz leuchtet und zuckt. Der Klang des Donners hallt in der Ferne und macht die Menge frohlocken.“ (Seite 285)
Präsident Ikeda: Der „Klang des Donners” weist auf die „große, barmherzige Stimme des Buddhas“ hin, mit der er alle Lebewesen zum Glück führen will. Eine Wolke, die den Himmel bedeckt und Regen hinabsendet, ist wirklich ein passendes Bild für den Buddha, der alle Menschen liebevoll beschützt.
In jedem Fall unterstreicht diese Diskussion, wie wichtig es ist, ein Gefühl für mannigfache Unterschiede – kulturelle, historische und geographische – in den Erfahrungen der Menschen zu haben. Es gibt zum Beispiel Orte, an denen sogar ein scheinbar so direkter Vergleich wie „Glaube wie Wasser, anstatt Glauben wie Feuer” den Menschen nicht verständlich ist. Menschen anderer Länder müssen nicht unbedingt etwas verstehen oder einer Sache zustimmen, einfach nur weil „es in Japan so gängig ist.”
Wir müssen angestrengt überlegen, um herauszufinden, wie Menschen anderer Kulturen und mit anderem Hintergrund den Buddhismus besser verstehen können. Darin liegt der Geist des Buddhismus. Er ist das genaue Gegenteil von Selbstzufriedenheit.
Was den Vergleich von Lebewesen mit Kräutern und Bäumen betrifft, so erfordert es in Indien, wo es lange Perioden gibt, während derer kein Regen fällt, beträchtliche Anstrengungen, um Blumen und Bäume aufzuziehen. Und daher werden Blumen und Bäume hoch geschätzt. Menschen – allesamt kostbare Lebewesen – werden mit Kräutern und Bäumen verglichen, weil sie auf ähnliche Weise durch die angestrengten Bemühungen des Buddhas zur Erlangung der Buddhaschaft geführt werden.
Endo: In seiner Abhandlung „über die Vervollkommnung der großen Weisheit (Daichido-ron)“ verwendet der große indische buddhistische Gelehrte Nagarjuna (ca. 150-250 n. Chr.) das Bild des „Abtrennens (der Wurzeln) von Kräutern und Bäumen,” um den edlen Geist zu beschreiben, dass man (bei Opfergaben an das Gesetz) sein Leben nicht schont. Selbst in dieser Ausdrucksweise verspüren wir eine Ehrfurcht für Pflanzen als Dinge, die Leben besitzen und die auf gewisse Weise gleich wie unser eigenes Leben Bedeutung haben.
Suda: Das führt uns zu der Frage, warum dieses Kapitel den Titel „Parabel von den Heilkräutern” trägt. Heilkräuter spielen sicherlich in der Parabel von den drei Arten von Heilkräutern und zwei Arten von Bäumen eine wichtige Rolle. Doch im Text des Kapitels wird der Ausdruck „Heilkräuter” gemeinsam mit Pflanzen, Büschen, Dickichten, Hainen sowie großen und kleinen Bäumen erwähnt. Würde nicht „Parabel von den Bäumen” oder „Parabel von den Pflanzen” einen ebenso passenden Titel abgeben?
Präsident Ikeda: So würde es scheinen. In Wirklichkeit enthält jedoch der Teil der Sanskritversion des Lotos-Sutras, der dem Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” entspricht, einen Abschnitt, der in Kumarajivas Übersetzung nicht aufscheint, obwohl dieser in anderen chinesischen Übersetzungen vorhanden ist.
Saito: Es ist ein ziemlich langer Abschnitt. Und in diesem Abschnitt werden Heilkräuter vorrangig behandelt.
Präsident Ikeda: Ein Abschnitt lautet: „In den Schneebergen, den Königen der Berge, gibt es vier Arten von Heilkräutern.” Die Schneeberge sind das Himalaya-Gebirge. Als ich das Königreich Nepal besuchte, sah ich die großen Schneeberge. Sie haben wahrlich eine königliche Erscheinung. Sie besitzen eine stattliche Würde wie die einer Person, die einen vollkommenen Sieg errungen hat. Es erschien mir als sehr passend, dass dieses Land der Geburtsort Shakyamunis sein sollte, der den höchsten Gipfel menschlicher Existenz erlangte.
Im Sanskrittext erzählt das Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” eine Geschichte, dass ein Arzt auf der Suche nach Heilkräutern in den Himalaya geht, um einen Mann zu heilen, der von Geburt an blind ist.
Saito: Die vier Arten von Heilkräutern, die es im Himalaya geben sollte, werden als Ursachen aller Farben und Geschmäcker speichernd,” „alle Krankheiten heilend,” „alle Gifte entfernend” und „Sicherheit und Frieden von den Symptomen aller Krankheiten verleihend” bezeichnet. Dank dieser Heilkräuter erlangt der Mann sein Augenlicht zurück und ist voller Freude. Er unterliegt jedoch der Illusion, dass er, weil er sehen kann, ein vollkommenes Verständnis aller Dinge auf der Welt besitze.
Präsident Ikeda: Die Blindheit des Mannes steht für den Lebenszustand der Menschen, die in den Leiden der sechs Pfade versunken sind. Sein Zustand nach seiner Heilung von der Blindheit steht für den Lebenszustand der Menschen, die sich aus dem endlosen Kreislauf der Existenz in den sechs Pfaden befreit haben. Solche Lebewesen schließen jene ein, die sich mit der Erleuchtung der Welt des Lernens zufrieden geben und jene, die sich in der Welt der Teilerleuchtung wohl fühlen. Die Geschichte lehrt jedoch, dass alle Menschen nach der höchsten Erleuchtung, das heißt nach dem Zustand der Buddhaschaft streben sollten.
Suda: Heißt das, dass dieser Arzt in der Geschichte also für den Buddha steht?
Präsident Ikeda: Ja. Auch im 16. Kapitel „unermessliche Lebensdauer des Tathagata” des Lotos-Sutras wird der Buddha als „herausragender Arzt” beschrieben. Der Buddha ist ein großer Arzt der Existenz und des menschlichen Lebens.
Das chinesische Schriftzeichen für „Medizin” besteht aus zwei Teilen. Der obere Teil bedeutet „Pflanze” und der untere „Freude”. Medizin heilt die Krankheiten des Lebens und gibt Freude und Sicherheit. Das ist nur eine einfache Analyse der Struktur des Schriftzeichens und keine genaue Etymologie.
Endo: Wichtig ist nur, was genau die „Medizin” ist, die höchsten und unzerstörbaren Frieden und Wohlbefinden verleihen kann, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Nichiren Daishonin sagt:
„‘Medizin’ bedeutet Nam-Myoho-Renge-Kyo, das die Medizin von hervorragender Farbe und Duft ist.” (Japanische Gosho, Seite 824) Er sagt auch:
„(Es gibt keinen Zweifel), dass die herausragende Medizin des mystischen Gesetzes die große Krankheit der fundamentalen Dunkelheit heilt, die alle Lebewesen befallen hat.” (Japanische Gosho, Seite 720)
Nam-Myoho-Renge-Kyo ist die „mystische Medizin,” die alle Menschen grundlegend zur Heilung sowie Rettung führt. Genau in diesem Punkt liegt der Kern des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern”.
######## Die Bedeutung der allumfassenden Weisheit
######## – Weisheit offenbart sich als Mitgefühl (Jihi)
Saito: Der Buddha versteht die Unterschiede zwischen den Lebewesen und lehrt gleichzeitig das eine Fahrzeug des Buddhas, das allen gleichermaßen Nutzen bringt. Im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” wird der Buddha, der solche Weisheit besitzt, als Mensch, der „alle Dinge erkennt”, bezeichnet. Und die Weisheit des Buddhas, nämlich die allumfassende Weisheit, wird betont.
Präsident Ikeda: Da der Buddha „Mensch, der allumfassend weiß”, ist, kann er alle Arten von Lehren verkünden und alle Menschen richtig führen. Außerdem erzieht er alle Menschen auf solche Art, dass er ihnen ermöglicht, den Zustand derselben umfassenden Weisheit zu erlangen, den er besitzt. Das heißt, er führt alle Menschen zum Zustand der Buddhaschaft.
Endo: „Dieses allumfassende Wissen“ erinnert mich sehr an die „Allwissenheit“ des Gottes im Christentum. Wie kann ich den Unterschied zwischen den beiden erklären?
Präsident Ikeda: Wie du meinst, wird im Fall des Christentums die vollkommene Weisheit des Schöpfers „Allwissenheit” genannt. Der Gedankengang scheint zu lauten, dass er allwissend sein muss, weil alle Dinge von diesem göttlichen Wesen erschaffen wurden.
Das umfassende Wissen des Buddhas ist kein Wissen dieser Art. Es gibt verschiedene Interpretationen, aber ich glaube, dass das umfassende Wissen des Buddhas in seiner Weisheit besteht, alle Lebewesen voll und ganz zu verstehen, wodurch er klar stellt, welche Lehren ihnen erklärt werden sollten. Aus seinem tiefen Mitgefühl besitzt er diese Weisheit, um alle Menschen zum Glück zu führen. Dieses umfassende Wissen des Buddhas könnte „Weisheit, die eins mit Mitgefühl ist” genannt werden.
Zu diesem Gedanken finde ich die Interpretation, die in dem buddhistischen Text „Milindapanha (die Fragen des Königs Menander)“ gegeben wird, sehr erhellend. Dort wird erklärt, dass der Buddha alle Dinge wissen kann, weil er sich so zielstrebig darauf konzentriert, was er wissen will. Es ist nicht der Fall, dass er alles von Anfang an weiß.
Da der Buddha das wahre Wesen seines eigenen Lebens kennt und wenn er ihnen sein Herz zuwendet, versteht er daher Gedanken und Leiden der Menschen. Er versteht auch alles, was notwendig ist, um die Menschen zur Erleuchtung zu führen, einschließlich der Lehren, durch welche die Menschen zur Erlangung der Buddhaschaft voranschreiten können.
Aufgrund seines tiefen Mitgefühls (Jihi) richtet der Buddha sein Herz vollständig auf die Menschen. Sein Geist ist es, alle leidenden Lebewesen unfehlbar zum Glück zu führen. In diesem Geist der Zuneigung und der Fürsorge für andere ist der Buddha wie die Eltern, die sich verzweifelt bemühen, ihre Kinder zu beschützen. Und aus diesem Mitgefühl entsteht grenzenlose Weisheit. Ich denke, dass dies die Natur der allumfassenden Weisheit des Buddha ist.
Saito: Das überzeugt mich sehr. In einer Schrift namens Suttanipata, die vor dem Lotos-Sutra verkündet wurde, erklärt Shakyamuni, wie sich jene verhalten sollten, die den Weg des Lebens mit dem höchsten Ideal gemeistert haben:
„Mögen alle Lebewesen glücklich und sicher sein, mögen ihre Herzen gesund sein! … So wie eine Mutter ihr eigenes einziges Kind unter Gefahr ihres Lebens schützen würde, möget ihr ein grenzenloses Herz für alle Lebewesen hervorbringen. Und auch für die ganze Welt sollt ihr eure Gedanken von grenzenloser Barmherzigkeit hervorrufen.“
Präsident Ikeda: Wer die wahre Erleuchtung erlangt hat, schließt sich nicht in dieser Erleuchtung ab, sondern zeigt einen Geist des unendlichen Mitgefühls. Er sehnt sich nach dem Glück aller Menschen und dem Frieden und der Sicherheit der ganzen Welt. Wenn er das nicht tut, dann ist es keine wahre Erleuchtung. Daher hat Shakyamuni Worte wie diese als Richtlinie für Ausübende hinterlassen, um sicherzustellen, dass er nicht in einer seichten Erleuchtung stecken bleiben oder kein falsches Verständnis über die Erleuchtung mit der echten Erleuchtung verwechseln soll.
Die Erleuchtung und die Weisheit des Buddhas sind untrennbar von seinem unermesslichen Mitgefühl. Ich glaube fest, dass diese Prinzipien von „Mitgefühl, das sich als Weisheit manifestiert” und „Weisheit, die sich als Mitgefühl manifestiert” im Lotos-Sutra als die „allumfassende Weisheit“ dargestellt werden.
Endo: Dann können wir die Stelle im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” – „Ich bin derjenige, der alles weiß, alles sieht, den Weg kennt, den Weg öffnet und den Weg predigt” (Seite 281) – als Hinweis auf diese Einheit von Weisheit und Mitgefühl verstehen. Sie weist darauf hin, dass der Buddha, der alles weiß, gleichzeitig den Weg kennt, den Weg öffnet und den Weg predigt.
Präsident Ikeda: Ein buddhistischer Führer muss den Weg „kennen,” „öffnen” und „predigen” können. Er verwendet alle drei Kategorien des Handelns – die physische (den Weg öffnen), die verbale (den Weg predigen) und die geistige (den Weg kennen) – um die weltweite Verbreitung des mystischen Gesetzes zu entwickeln.
Suda: T’ien-t’ai interpretiert den Ausdruck „Mensch, der allumfassend weiß (Issai-Chisha)” als Hinweis auf einen Menschen, der in seinem Herzen drei Arten von Weisheit besitzt. Sie sind die Weisheit, die universelle Gesetzmäßigkeit aller Phänomene zu verstehen (Issai-chi), die Weisheit, die individuellen Aspekte aller Phänomene zu verstehen (Doshu-chi) und die Weisheit, das wahre Wesen aller Phänomene zu verstehen (Issaishu-chi).
Dabei ist die erste Weisheit, die universale Gesetzmäßigkeit aller Dinge zu verstehen, die Weisheit, die Wahrheit der Nicht-Substantialität (Ku) wahrzunehmen. Sie bezeichnet die Weisheit, zu erkennen, dass alles in seiner Wesenheit gleichermaßen nicht-substantiell und unendlich existiert. Dies ist die Weisheit der Shravakas (Stimmen-Hörer) und Pratyekabuddha (Teilerleuchtung) und wird auch die „Weisheit der Nicht-Substantialität“ genannt.
Die zweite Weisheit, die individuellen Aspekte aller Phänomene zu verstehen, ist die Weisheit, die Wahrheit der vorübergehenden Existenz zu erkennen. Das ist die Weisheit der Bodhisattwas, auf der Grundlage der Erkenntnis, dass alles in seiner Wesenheit nicht-substantiell ist, die Verschiedenheit bzw. Vielfältigkeit individueller, vorübergehender Existenz zu verstehen. Bodhisattwas benötigen diese Weisheit, weil sie die Menschen in der Realität des Lebens zum Glück führen müssen.
Die dritte Weisheit, das wahre Wesen aller Phänomene zu verstehen, ist die Weisheit des Buddhas, der sowohl die Weisheit, die universale Gesetzmäßigkeit aller Dinge zu verstehen, als auch die Weisheit, die individuellen Aspekte aller Phänomene zu verstehen, besitzt und sie nach Belieben und ohne Irrtum anwenden kann. Das ist die Weisheit des mittleren Weges.
T’ien-t’ai nannte den vollkommenen Besitz dieser drei Arten von Weisheit in unserem Leben „drei Arten von Weisheit in einem einzelnen Geist” und sagte, dass man diesen Zustand durch die buddhistische Ausübung erlangen sollte. In T’ien-t’ais Interpretation können wir wiederum den Punkt verstehen, dass die Weisheit des Buddhas mit seinem Mitgefühl, alle Menschen zum Glück zu führen, eins ist.
Präsident Ikeda: Egal wie sehr jemand behauptet, dass er die Erleuchtung erlangt hat, lügt er schließlich, wenn er sich nicht barmherzig verhält. Weisheit ist unsichtbar. Daher ist das Verhalten eines Menschen der Maßstab, um seine Weisheit zu messen. Der ursprüngliche Grund des Erscheinens des Buddhas auf der Welt wird sich schließlich „durch sein Verhalten“ als Mensch offenbaren.
Suda: Wenn wir das empörend unbarmherzige Verhalten von Menschen wie Nikken betrachten, wird es nur klar, dass ihnen Weisheit vollkommen fehlt.
Präsident Ikeda: Diese dritte Art der Weisheit, das wahre Wesen aller Phänomene zu verstehen (Issaishu-chi), das heißt „Weisheit, die sich als Mitgefühl (Jihi) offenbart,” weist auf die Weisheit des Buddhas hin, der den grundlegendsten Ursprung seines eigenen Lebens erforscht hat.
In Kiyoshi Mikis „Gedanken über das Leben (Jinseiron Note)“, einem Buch, das ich in meiner Jugend begeistert gelesen habe, steht der Satz: „Sich selbst zu erkennen, führt uns schließlich dazu, andere zu verstehen.”
In dem Ausmaß, wieweit wir über uns selbst nachdenken und unseren Lebenszustand erhöhen, können wir unser Verständnis über andere vertiefen. Jemand mit einem hohen Lebenszustand ist in der Lage, die Individualität der Menschen zu erkennen und zu schätzen. Ein Mensch mit Weisheit versucht, andere zu ermutigen und das beste aus ihnen hervorzuholen.
Selbst wenn jemand erscheint, die Weisheit zu besitzen, ihm jedoch Mitgefühl fehlt, kann er anderen keine Energie und keinen Mut geben. Ganz im Gegenteil entwickeln solche Menschen eine grausame und verschlagene „Weisheit” und verletzen andere. Das ist keine wahre Weisheit.
Unser Leben ist die Wesenheit des „gegenseitigen Besitzes der zehn Welten (Jikai Gogu)“ und des Prinzips „das Leben eines einzigen Augenblicks enthält dreitausend Bereiche (Ichinen Sansen)“. Es ist eigentlich vielfältig. Das Leben eines einzigen Augenblicks enthält dreitausend Bereiche, nämlich das ganze Universum.
Ein Buddha, der dieses wahre Wesen seines eigenen Lebens wahrgenommen und begriffen hat, manifestiert auf natürliche Weise den Wunsch, das Leben aller Lebewesen so hoch zu schätzen wie sein eigenes und so kostbar wie das seiner eigenen Kinder. Aus seinem Leben wird der Geist, die ganze Welt, das gesamte Universum friedlich und sicher machen zu wollen, hervorströmen. Das ist das Mitgefühl des Buddhas. Das Mitgefühl des Buddhas ist untrennbar von seiner Weisheit.
Im Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” drückt Shakyamuni diesen Geist auf folgende Weise aus:
„Jene, die noch nicht gerettet sind, werde ich veranlassen, dass sie gerettet werden. Jene, die noch nicht verstanden haben, werde ich zum Verständnis bringen. Jenen, die noch nicht im Frieden sind, werde ich Frieden geben.“ (Seite 281) Und an einer anderen Stelle:
„Ich erscheine auf der Welt wie eine große Wolke. Indem ich auf alle ausgetrockneten und welken Lebewesen herabregnen lasse, werde ich sie alle von ihrem Leiden befreien und dazu ermöglichen, die Freude von Frieden und Sicherheit, die Freude dieser Welt und die Freude des Nirwanas zu erlangen.“ (Seite 287)
Man könnte womöglich sagen, dass der Kern des einen Buddhafahrzeugs der großartige Lebenszustand des Buddhas ist, der die Weisheit verkörpert, die sich als Mitgefühl offenbart. In diesem Kapitel „Parabel von den Heilkräutern” wird dieses Wesen als große Wolke und als Regen, der gleichermaßen auf alle fällt, dargestellt.
Über den Regen, der gleichermaßen alle verschiedenen Kräuter und Bäume befeuchtet, sagt das Kapitel, dass der Buddha „den Regen des Gesetzes auf alle gleichermaßen fallen lässt (Tou-Hou)” (Seite 289).
Nichiren Daishonin weist darauf hin, dass diese Stelle auf zwei Arten interpretiert werden kann. Wenn der Buddha betont wird, bezeichnet sie das „unparteiische Mitgefühl Shakyamunis”. Wenn jedoch der Regen des Gesetzes betont wird, bezeichnet sie „Myoho-Renge-Kyo der unparteiischen und großen Weisheit” (Japanische Gosho, Seite 828)
Zum Jahrhundert, in dem Menschen-Brüten prachtvoll erblühen
Saito: Es ist der großartige Lebenszustand des Buddhas, in dem die Weisheit mit Mitgefühl eins ist, ein Lebenszustand, das Leben aller Menschen in ihrer unendlichen Verschiedenheit und Vielfältigkeit gleichermaßen zu befeuchten, so glaube ich.
Präsident Ikeda: Ja. Sie werden durch das Mitgefühl des Meisters, des Buddhas, befeuchtet oder ernährt. Und sie selbst entwickeln sich als Wesenheit des Mitgefühls. Menschen nähren Menschlichen. Leben nährt Leben. Am Ende des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” heißt es:
„Das Gesetz, das der Buddha predigt, ist vergleichbar mit einer großen Wolke, die mit Regen von einem einzigen Geschmack Menschen-Blüten befeuchtet, so dass jede von ihnen Früchte tragen kann.“ (Seite 292)
Ich mag diesen Ausdruck „Menschen-Blüten”. Er vermittelt stark ein Bild des Erblühens von Menschen, die jeder reiche Individualität besitzen. Shakyamuni hat zweifellos den einzigartigen Charakter jeder Person so deutlich wahrgenommen wie die einzigartigen Früchte und Schattierungen von Blüten, die von so unterschiedlichen Bäumen wie Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Zwetschke hervorgebracht werden.
Ich wünsche, dass wir durch das Studium des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” über den Geist bzw. über das Herz des Buddhas, die Einzigartigkeit in jedem einzelnen Individuum zu erkennen und zu schätzen, lernen können.
Das steht in direktem Zusammenhang mit der Kernfrage des 21. Jahrhunderts, wie man trotz vieler Verschiedenheiten Harmonie schaffen kann. Während wir die einzigartigen Eigenschaften verschiedener Völker und Kulturen in höchstem Maß respektieren, müssen wir Solidarität auf der Ebene der Humanität, des gemeinsamen Lebens schaffen. Ohne diese Solidarität wird es für die Menschheit keine Zukunft geben. Vielfältigkeit sollte auf der Welt nicht Konflikte, sondern Reichtum hervorbringen. Und der Schlüssel dazu befindet sich im Humanismus des Lotos-Sutras, und die Konkretisierung der Idee liegt im barmherzigen Charakter.
Wieso konnte Mahatma Gandhi in der indischen Unabhängigkeitsbewegung so viele Menschen zum Handeln bewegen? Ich glaube, dass die grundlegende Ursache in Gandhis Charakter lag, der durch seine leidenschaftliche Hingabe und seine zähen Kämpfe, um der Wahrheit zu kämpfen, poliert wurde. Sein Charakter „befeuchtete” die Herzen der Menschen. Es gibt eine Episode, die das gut veranschaulicht.
Vor Beginn einer wichtigen politischen Konferenz fand man Gandhi einmal nervös nach etwas suchen. Als ihn jemand fragte, was er denn suche, antwortete Gandhi „Ich habe meinen Bleistift verloren.” Da keine Zeit mehr war, bot diese Person ihm einen anderen Bleistift an. Doch Gandhi sagte, ”Ich darf diesen Bleistift nicht verlieren” und suchte weiter. Der Bleistift, der schließlich gefunden wurde, stellte sich als ein alter Bleistift heraus, der nur etwa drei Zentimeter lang war. Er war Gandhis Bewegung von einem kleinen Kind gespendet worden.
Für Gandhi war dieser winzige Bleistift kein Bleistift, er war ein schönes Herz selbst. Daher konnte er ihn nicht einfach wegwerfen. Mir scheint, dass Gandhis Geheimnis, der Grund, wieso dieser Mann, den die Menschen als Mahatma (großartige Seele) verehrten, gleichzeitig liebevoll Bapu (Vater) genannt wurde, in dieser bemerkenswerten Aufrichtigkeit seines Charakters lag.
Ich behandle auch nicht einmal ein Stück Papier sorglos, das mit der Aufrichtigkeit der Mitglieder erfüllt ist. Als Antwort auf die aufrichtige Gabe von poliertem Reis, die er erhielt, schreibt Nichiren Daishonin:
”Es ist offensichtlich, dass Reis nicht nur Reis, sondern das Leben selbst ist.”
(Japanische Gosho, Seite 1597)
In einer wirklich humanen Welt sind sogar materielle Dinge nicht einfach Objekte. Sie sind Leben, ein Spiegel unserer Herzen. Und Menschen selbst sind die unentbehrlichste und wertvollste Existenz.
Saito: Mir scheint, dass Gandhis Vertrauen in die Menschen keine Grenzen kannte. In der Überzeugung, dass, was für eine Person möglich ist, für alle möglich ist, predigte er das Ideal der Gewaltlosigkeit und organisierte eine Volksbewegung in großem Ausmaß.
Präsident Ikeda: Eine Bewegung oder Organisation kann nicht lange überleben, wenn sie von Bestimmungen und Regeln zusammengehalten wird. Und es wird ihr noch schlechter ergehen, wenn der Versuch unternommen wird, die Menschen mit Zwang zu bewegen.
Nur wenn wir gegenseitig unsere Individualität respektieren, unsere Freuden und Leiden teilen und einander mit Mut und Hoffnung inspirieren, können wir uns in Solidarität vereinen. Es ist dieser Geist freundschaftlicher Harmonie und das Gefühl der Inspiration, die eine wahre Volksbewegung möglich machen.
Endo: Das Wort Organisation ruft konformierte Bilder hervor. Doch in der heutigen Zeit werden sich nicht viele Menschen von einer Gemeinschaft oder Gruppe angezogen fühlen, die rigide Konformität verlangt.
Präsident Ikeda: Genau. Der Humanismus ist das grundlegendste Prinzip der Volksbewegung.
Suda: Ein frischer, pulsierender Humanismus ist im Kern der Entwicklung der Soka Gakkai gestanden. Das ist das ehrliche Gefühl, das die Mitglieder meiner Generation teilen, die von Kindheit an in der Praxis mit der Organisation aufgewachsen sind.
Präsident Ikeda: Das ist jedoch kein natürliches Resultat. Ich kämpfe mit all meiner Kraft jede Stunde und jeden Augenblick jedes Tages für dieses Ziel, damit die Organisation mit dem buddhistischen Geist des Mitgefühls pulsiert. Es ist unbedingt notwendig, dass alle Leiter der SGI niemals diese mühevolle Arbeit vernachlässigen und nie das Gefühl der Verantwortung verlieren.
Suda: Das bedeutet, dass das Wesen der Organisation nicht vom Menschen als Kern getrennt existieren kann. Wenn wir die Gosho lesen, sehen wir, dass der Daishonin einem weiten Spektrum von Schülern und Anhängern auf der Grundlage seiner wirklich genauen Kenntnis ihres Charakters und ihrer Persönlichkeit Führung gibt. Dank der Gosho wissen wir zum Beispiel von Shijo Kingos aufbrausendem Charakter.
Präsident Ikeda: Das ist der Beweis dafür, wie sehr der Daishonin sich um jeden seiner Anhänger Gedanken machte. Shijo Kingo gegenüber zeigt er zum Beispiel sehr eingehende Fürsorge, schon wie Eltern, die einem Kind erklären. Der Daishonin rät ihm zum Beispiel, wenn er außer Haus ist, das Trinken zu vermeiden und warnt ihn davor, mit den Frauen in seinem Haushalt zu streiten, auch wenn sie Fehler begangen haben sollten.
Und als der ältere der Ikegami-Brüder, Munenaka, zum zweiten Mal von seinem Vater enterbt wurde, schreibt der Daishonin, der sich große Sorgen um die Instabilität des jüngeren Bruders Munenaga macht, dass er seinen Glauben beibehalten sollte, in einer Art und Weise, die auf den ersten Blick wie eine strenge Zurückweisung klingt:
„Dieses Mal bin ich sicher, dass Sie Ihren Glauben aufgeben werden. Wenn Sie dies tun, habe ich nicht die geringste Absicht, Sie dafür zu tadeln. Gleichermaßen sollten auch Sie mir, Nichiren, gegenüber keinen Groll hegen, selbst wenn Sie in die Hölle gefallen sind.“ (Japanische Gosho, Seite 1090)
Wenn man das Herz eines anderen nicht wirklich versteht und begreift, könnte man nicht hoffen, seine wahre Absicht durch eine solche Erklärung mitzuteilen. Der Daishonin verstand nicht nur voll und ganz den Konflikt, der im Herzen Munenagas tobte, der an einem großen Wendepunkt in seinem Leben stand, sondern er hatte ohne Zweifel auch ein genaues Verständnis über die Persönlichkeit Munenagas.
Endo: Ich bin immer besonders davon beeindruckt, wie tief der Daishonin die Gefühle von Eltern verstehen konnte, die Kinder verloren hatten, obwohl er nie eigene Kinder hatte. Mir fallen einige Briefe ein, in denen er Familien ermutigte, die einen solchen Verlust erlitten hatten.
Präsident Ikeda: Der Daishonin ist wirklich ein großer Buddha. Er versucht, die Realität des Lebens jeder Person gänzlich zu verstehen und aufzunehmen, und teilt ihr Leiden zutiefst. Er gibt absolut niemals abstrakte Führung und zwang den Menschen vorgefasste Antworten nie auf. Daher gibt es Fälle, in denen es so scheint, als ob das, was er der einen Person sagt, das genaue Gegenteil dessen wäre, was er einer anderen sagt.
Er forderte die Frau von Toki Jonin auf, die an einer Krankheit litt und aber keinen Arzt konsultieren wollte, sich medizinisch behandeln zu lassen und erklärt wie wichtig ein langes Leben ist:
„Wenn man jung sterben müsste, wäre er, obzwar er solche Weisheit besitzt, wie die strahlende Sonne, weniger wert als ein lebender Hund.“ (Japanische Gosho, Seite 986)
Für den lebhaften Shijo Kingo, einen Samurai aus Kamakura, der bereit war, für seine Ehre zu sterben, betont der Daishonin jedoch, dass als Buddhist und als Mitglied der Gesellschaft Ehre zu erlangen wichtiger ist als langes Leben.
Suda: Der Daishonin sagt hierzu:
„Es ist durchaus wichtiger, selbst einen einzigen Tag in Ehre zu leben, als hundertundzwanzig Jahre alt zu werden, dem Namen zu schaden und in Schande zu sterben.” (Japanische Gosho, Seite 1173)
Präsident Ikeda: In beiden Fällen ist es Führung aus tiefer Weisheit, die eins mit dem Geist des Mitgefühls des Daishonin für seine Schüler ist. Beide Aussagen sind wahr. Das ist der Geist des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern”.
Im Hintergrund seiner Führung an Shijo Kingo wollte Nichiren Daishonin in dessen Herzen vermutlich seinem Schüler sagen, dass dieser sich jeden Tag weise verhalten sollte, weil er sich seiner Neigung zu aufbrausendem Verhalten bewusst war. Wenn Shijo Kingo das nicht getan hätte, hätte er sein Leben längst verloren, weil er stets in ernster Gefahr stand.
Wenn wir die Gosho mit Aufmerksamkeit ins Detail lesen, können wir feststellen, wie lebendig der Humanismus des Lotos-Sutras gerade im Verhalten des Daishonin existiert. Es sind nicht nur seine Handlungen als Ausübender des Lotos-Sutras, der großen Verfolgungen begegnete, die dem im Lotos-Sutra dargelegten Geist entsprechen.
Der Daishonin griff mit brennender Entrüstung die Machthaber und die religiösen Führer an, die mit ihnen verbündet waren und den Menschen Leiden verursachten, und ermahnte sie streng. Dies ist seit langer Zeit als Begründung dafür verwendet worden, um den Buddhismus des Daishonin als „intolerant” und „exklusiv” zu brandmarken. Doch diese Perspektive ist völlig einseitig.
Sowohl die tief mitfühlende Führung des Daishonin für die Menschen als auch seine strenge Kritik sowie Ermahnung gegenüber der Obrigkeit sind durchdrungen von einem lebendigen Humanismus.
Saito: Ich habe den Eindruck, Präsident Ikeda, dass Sie Ihre Reden während der letzten über zehn Jahre, in denen Sie eine große Zahl von Gosho zitiert haben, kontinuierlich und konsequent auf den Humanismus des Daishonin fokussiert haben.
Präsident Ikeda: Ich habe bislang die Gosho zitiert und darüber aus dem Wunsch gesprochen, der ganzen Welt die höchste Humanität und den grandiosen Lebenszustand des Daishonin zu mitzuteilen und zu verbreiten, der entschieden erklärt hat:
„Die verschiedentlichen Leiden aller Lebewesen zu ertragen, sollte es allesamt Leiden der einen Person, Nichiren, sein.” (Japanische Gosho, Seite 758)
In der Parabel des Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” wird es erläutert, dass die große Wolke des Mitgefühls des Buddhas die gesamte tausendmillionenfache Welt, das heißt das ganze Universum „bedeckte”. Wie kann man die große Barmherzigkeit, das große Mitgefühl des ursprünglichen Buddhas auf die gesamte Welt herabregnen lassen? Dieser Gedanke beschäftigt ständig mein Leben, und daraus resultiert mein ständiges Unterfangen. Denn ausgerechnet in dieser „Ausübung des Tathagata” existiert die Aufgabe der Soka Gakkai. Unser Kampf beginnt jetzt in großem Ausmaß, und wir treten endlich in die wesentliche Phase der Kosen-rufu Bewegung ein.
Ich glaube, dass eine universale Perspektive von entscheidender Wichtigkeit ist, um die moderne Welt, die in eine Sackgasse geraten zu sein scheint, zu öffnen und die Menschen zu wiederbeleben. Das ist eine Anschauung, dass wir den Menschen als Einheit mit dem gesamten Universum erfassen.
Es braucht nicht extra zu erwähnen, dass die Menschen, wenn ihr Leben eins mit dem Universum ist, auch eine Einheit mit der Natur und ihrem Planeten wahrnehmen werden. Ansichten über Gesellschaft, Staat und Völker sollten im Licht einer solchen Anschauung des menschlichen Lebens selbstverständlich auch revidiert werden.
Solange das Fenster des menschlichen Herzens verschlossen bleibt, haben wie keine Chance, die große Zukunft vor uns zu sehen. Die Menschen müssen das Fenster weit aufstoßen. Wenn sie das tun, werden sie niemals in die Sackgasse geraten. Es wird keine Hindernisse für den Frieden mehr geben.
Das Leben aller Menschen ist eins mit dem gesamten Universum. Alles Wirken des Universums trägt zur Bildung der Individualität jeder Person bei. Mit anderen Worten ist jeder einzelne Mensch ein Mikrokosmos, der den Makrokosmos auf einzigartige Weise reflektiert. Die einzelne Person ist eigentlich die ganzheitliche Person, die alles umfasst. Daher ist jede Person unentbehrlich und unersetzlich.
Die grundlegendste Weisheit, dieses Geheimnis des Lebens zu erkennen, ist die Weisheit des Buddhas, die das wahre Wesen aller Phänomene versteht. Das ist die große und unparteiische Weisheit des Buddhas. Der Buddha sieht, dass jeder Mensch, jedes Lebewesen gleichermaßen eine unentbehrliche Existenz ist.
Ich bin zuversichtlich, dass gerade dieser Humanismus des Lotos-Sutras der „universale Humanismus“ ist, der für das nächste Jahrtausend erforderlich ist. Der große indische Dichter Rabindranath Tagore (1861-1941) schreibt:
„Der selbe Strom des Lebens, der Tag und Nacht durch meine Adern fließt, fließt durch die Welt und tanzt in rhythmischen Maßen. Es ist dasselbe Leben, das in zahllosen Grashalmen voll Freude durch den Staub der Erde schießt und in ungestümen Wellen von Blättern und Blumen ausbricht. Es ist dasselbe Leben, das in der Ozeanwiege von Leben und Tod, von Ebbe und Flut gewiegt wird. Wenn ich diese Welt des Lebens berühre, fühle ich, dass meine Glieder strahlend werden. Und mein Stolz ist von dem Pochen des Lebens von Zeitaltern, der in diesem Augenblick in meinem Blut tanzt.“ (aus „Gesammelte Werke Togores“)
Ich wünsche innigst, dass wir voller Freude und Fülle mit dem grundlegenden Rhythmus des Universums, indem wir ihn in unserem Leben pulsieren lassen, weiter voranschreiten.
13. „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“
– um alle Menschen auf den Weg des absoluten Glücks zu führen
Saito: Die große Bewegung von Gästeversammlungen mit Zielrichtung auf das nächste Jahrhundert zu hat gerade begonnen. Ich möchte mein Bestes geben, um unser fortlaufendes Gespräch über das Lotos-Sutra zu etwas zu machen, das die Mitglieder in Japan und auf der ganzen Welt für ihre Versammlungen sowie im buddhistischen Dialog noch besser verwenden können.
Präsident Ikeda: Ich stimme vollkommen zu. Wir wollen uns umso mehr bemühen.
Die Gästeversammlung ist wie ein großer Strom, und alle Aktivitäten sind Seitenarme, die in diesen großen Strom münden. Aktivitäten, um den Kreis der Freundschaft in der Gesellschaft zu erweitern, und Treffen verschiedener Art für den Glauben und zum Studium tragen alle zum breiten Strom der Gästeversammlung bei. Und dieser breite und tiefe Strom, der durch das Zusammenfließen dieser tausend Flüsse geschaffen wird, bewegt sich auf den Ozean des Jahrhunderts der Menschen zu. An seinen Ufern werden sich fruchtbare Ebenen der humanen Kultur eröffnen, die reiche Früchte verschiedener Art hervorbringen.
Das Herz der Soka Gakkai findet sich in der Gästeversammlung. Toda Sensei, der zweite Präsident der Soka Gakkai, pflegte zu sagen:
„Der erste Präsident der Soka Gakkai, Tsunesaburo Makiguchi, war immer der erste, der am Versammlungsort eintraf. Wenn jemand kam, begann Makiguchi Sensei mit dieser Person ein Gespräch. Wenn eine weitere Person kam, sprach er mit beiden, wenn eine dritte Person eintraf, mit diesen dreien und unterwies sie mit größter Güte und Höflichkeit in allen Dingen.“
Endo: Als erster zum Versammlungsort – Makiguchi Sensei setzte sich voll und ganz für den Erfolg der Versammlung, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Das stimmt. Und weiter sagte Toda Sensei:
„Es ist in Ordnung, auch wenn nur eine einzige Person bei der Versammlung anwesend ist. Wichtig ist, dieser einen Person unsere Erfahrung ernsthaft und voller Energie zu erzählen, die Lehre des Buddhismus zu erklären und mit ganzem Herzen über Kosen-rufu und über das Leben zu sprechen. Selbst wenn nur zwei Personen anwesend sind, war die Versammlung ein Erfolg, wenn beide mit einem Gefühl der Freude und der Erfüllung darüber von der Versammlung nach Hause gehen, nachdem sie über den Gohonzon gesprochen und einander ermutigt haben. Wenn drei Personen zu einer Versammlung kommen, sollten Sie die Versammlung als gut besucht betrachten.“
Suda: Es ist zwar auch wichtig, dass die Versammlung gut besucht wird, doch der wirkliche Schlüssel ist, Gästeversammlungen zu schaffen, in denen jeder Teilnehmer sich wirklich befriedigt fühlen und mit dem Wunsch fortgehen kann, zur weiteren Versammlung zu kommen und vielleicht das nächste Mal einen Freund mitzunehmen.
Präsident Ikeda: Es geht nicht darum, die Menschen zu bedrängen, dass sie an der Versammlung teilnehmen, einfach um gute Teilnehmerzahlen zu erzielen. Was wichtig ist, auf der Ebene der Herzen eine Verbindung zu anderen Menschen zu schaffen. Es geht um den Dialog – eins zu eins. Es ist daher wesentlich, dass jede Person geschätzt wird. Als Folge davon stabilisiert sich die Gästeversammlung, die lebendig und erfolgreich abgehalten wird.
Wir sprechen nicht nur einfach deshalb von der „Tradition” der Gästeversammlung, weil der Veranstaltungsrahmen solcher Versammlungen viele Jahre lang fortgesetzt worden ist. Wir haben uns vielmehr mit der Gästeversammlung als Grundlage unserer Aktivitäten darum bemüht, jede Person zu schätzen. Dieser Geist, das Individuum zu schätzen und zu respektieren, ist die Tradition der Soka Gakkai.
Die SGI hat die Menschen in ihren alltäglichen, doch tapferen Kämpfen unermüdlich unterstützt. Darin liegt die Seele der Gästeversammlung. Von einem gesellschaftlichen Standpunkt aus gesehen, ist die Zahl der Menschen, die an solchen Versammlungen teilnehmen, nicht groß. Es wird solchen Versammlungen auch keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Nichts ist unauffälliger und solider als diese Art der Zusammenkunft von Menschen.
Aber Gästeversammlungen beruhen auf einer Philosophie, die das Gesetz vollständig erklärt, das das Universum durchdringt. Sie bringen eine nährende „Feuchtigkeit” hervor, die die Menschen aus allen Bereichen des Gesellschaftslebens umschließt. Darin gibt es Hoffnung, die alle Menschen dazu motivieren, aufzustehen und es noch mal zu versuchen, egal wie überwältigt sie von ihrem Schicksal sein mögen.
Endo: Sie hinterlassen ein wunderbares Gefühl der Erfrischung und Heiterkeit.
Präsident Ikeda: Das wäre wunderschön, wenn wir soweit schaffen können. Junge Leute müssen sich vielleicht beeilen, um nach einem harten Arbeitstag rechtzeitig zur Versammlung zu kommen. „Ich habe geschafft“; sobald sie dort ankommen, entspannen sie sich und werden plötzlich von der Müdigkeit überfallen und schläfrig. Aber ihr Schlaf wird nicht lange dauern, denn eine immer liebenswürdige, aber bestimmte Bezirksleiterin der Frauenabteilung wird ihnen sicher ohne Umschweife sagen: „Zeig’ ein wenig Leben! Du bist doch noch jung!” In Wirklichkeit sind sie dennoch schläfrig, weil sie gerade jung sind.
Es gibt Mitglieder von der Pionierzeit, die mit klaren Worten voller reicher Erfahrung die große Freude des Glaubens erklären. Und die Kinder in der Zukunftsabteilung sind niedlich, auch wenn sie manchmal Lärm machen.
Es mag einen Vater der Männerabteilung geben, der zum ersten Mal seit langer Zeit zu einer Versammlung gekommen ist und der seine Teilnahme dem ständigen Drängen seiner Frau zuschreibt. Und wenn er strahlend seinen Entschluss ankündigt, „endlich ernsthaft praktizieren” zu wollen, lächelt seine Frau in dem Applaus unter Tränen.
Lachen, Tränen, Emotionen – die Gästeversammlung der Soka Gakkai ist eine Oase für die einfachen Menschen, die erklingt von einem Geist der Entschlossenheit und der Dankbarkeit, wo Leiden sich in Mut verwandelt und Ermüdung einem warmen Gefühl von Erfüllung weicht.
Diese kleine Zusammenkunft ist das genaue Abbild menschlicher Harmonie. Sie ist ein echtes Modell der Demokratie. Sie besitzt den Pulsschlag von Kosen-rufu, der den Glauben mit der Familie und der Gesellschaft verbindet. Sie ist erfüllt von dem Geist, den edlen Kindern des Buddhas und ihren Freunden auf jeden Fall zu ermöglichen, glücklich zu werden. Das ist das Herz des Lotos-Sutras.
Endo: Wie Sie in Ihrem Roman „Neue Menschliche Revolution” beschrieben haben, haben Ihre Bemühungen für die weltweite Kosen-rufu Bewegung damit begonnen, dass Sie die Gästeversammlung in den Vereinigten Staaten veranstaltet haben.
Suda: Durch die Lektüre der „Neuen Menschlichen Revolution” ist mir auch etwas klargeworden – nämlich dass die Begebenheit, als Shakyamuni das Gesetz zum ersten Mal für eine kleine Gruppe von ehemaligen Gefährten bei seinen asketischen Ausübungen predigte, auch eine Art Versammlung war. Neben Shakyamuni gab es fünf Teilnehmer. Diese kleine Zusammenkunft ist in der Geschichte des Buddhismus zum strahlenden Sonnenaufgang geworden. Es heißt auch, dass Shakyamuni eine Entfernung von mehr als zweihundert Kilometern zu Fuß zurücklegte, um an den Ort zu gelangen, wo seine ehemaligen Gefährten ihrer asketischen Praxis nachgingen.
Präsident Ikeda: Die Predigt des Buddhas nahm die Form eines Dialogs an. Hier findet sich ein wichtiger gemeinsamer Punkt mit den Gästeversammlungen der Soka Gakkai. Und das Lotos-Sutra selbst, das der Höhepunkt von Shakyamunis Predigt ist, kann man sich als großdimensionale Versammlung vorstellen.
Menschen mit suchendem Geist, die nach dem Sinn des Lebens suchen und ernsthaft fragen, antwortet Shakyamuni aufrichtig, indem er seine eigene Erfahrung erzählt und Metaphern und Parabeln anwendet, um seine Aussage zu verdeutlichen. Die Menschen, die diesen Austausch sehen und hören, werden umfangen von der Freude, ihren eigenen Lebenszustand zu erweitern. Strahlende Entschlossenheit blitzt auf, eine geistige Kettenreaktion, ein wunderbarer Austausch von Herz zu Herz.
Wie ließ Shakyamuni bei dieser „Versammlung” die ewige Sonne des Mystischen Gesetzes in den Herzen der Menschen aufgehen? Ein wichtiger Kernpunkt bei der Beantwortung dieser Frage ist das Konzept der „Verleihung der Prophezeiung.” Wir wollen daher heute über das sechste Kapitel des Lotos-Sutras „Verleihung der Prophezeiung” sprechen.
identisch mit der Erlangung der Buddhaschaft
Endo: „Verleihung der Prophezeiung (Juki)” bedeutet, dass Shakyamuni seinen Schülern „Worte der Versicherung” verleiht, dass sie in der Zukunft sicher die Buddhaschaft erlangen können.
Im Kapitel „Verleihung der Prophezeiung” versichert Shakyamuni den vier großen Shravakas, Kashyapa (Kasho), Subhuti (Shubodai), Katyayana (Kasen’nen) und Maudgalyayana (Mokuren) Prophezeiungen über ihre Erlangung der Erleuchtung. Dies ist die zweite Verleihung der Prophezeiung, nach jener für Shariputra im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel”. Auf gewisse Weise schließt diese Prophezeiung auch die Predigt Shakyamunis an die vier großen Shravakas ab, die im Kapitel „Gleichnis und Parabel” mit seiner Darlegung der Parabel von den „drei Wagen und dem brennenden Haus“ beginnt.
Saito: Die Mitglieder fragen oft, was Erleuchtung oder Buddhaschaft genau und konkret bedeutet. In Shakyamunis Verleihungen der Prophezeiung für die Shravakas im Lotos-Sutra wird die Erlangung der Buddhaschaft so dargestellt, dass sie in der entfernten Zukunft geschehen wird. Nichiren Daishonin lehrt im Gegensatz dazu, dass wir die Buddhaschaft in diesem Leben verwirklichen können. Hier handelt es sich um die Frage, über welche Art von Lebenszustand reden wir dann, wenn wir von der Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben sprechen.
Präsident Ikeda: Diese Frage ist schwer zu beantworten, aber einfach gesagt bedeutet sie nicht so sehr die Frage des Erreichens oder des Erlangens eines Zieles, sondern vielmehr den Prozess zu verinnerlichen, die Welt der Buddhaschaft in unserem Leben ständig zu verstärken. Das nennt man, „auf den unübertroffenen Weg einzutreten”.
In der theoretischen Lehre oder ersten Hälfte des Lotos-Sutras war Shakyamuni noch nicht von der Ansicht abgegangen, dass die Erlangung der Buddhaschaft unzählige Äonen lange asketische Ausübungen erfordert. Daher lauteten natürlich die Prophezeiungen, die Shakyamuni für seine Schüler gab, dass sie ihre Erleuchtung in der entfernten Zukunft erlangen werden. Aber seine wahre Absicht lag darin, allen Menschen zu helfen, auf dem selben Pfad wie er voranzuschreiten. Die Verleihung der Prophezeiung versichert die Schüler, dass sie bestimmt den „Weg des Lebens,” „die Bahn zum absoluten Glück” betreten haben, auf der auch der Buddha voranschritt.
Das ist nicht die Erlangung der Erleuchtung, nämlich ein „mit edlen Merkmalen ausgestatteter” Buddha zu werden, so wie in den früheren Sutren oder der theoretischen Lehre des Lotos-Sutras dargelegt wurde. Auf demselben Pfad, den der Buddha betrat, voranzuschreiten, ist selbst die Verwirklichung der Buddhaschaft.
Auf demselben Weg voranzuschreiten, wie der Buddha, bedeutet für uns konkret, das Lotos-Sutra anzunehmen und beizubehalten. Das heißt, in unserem Leben den Geist des Buddhas, wie er im Lotos-Sutra enthüllt wird, einzugravieren und in Übereinstimmung mit diesem Geist zu leben. Auf solche Weise zu leben, bedeutet, dass wir uns niemals, was auch immer geschehen mag, vom Geist des Buddhas distanzieren. Solche unerschütterliche Überzeugung stellt sicher, dass wir niemals vom Weg des Buddhas abweichen. Im 21. Kapitel „Übernatürliche Kräfte des Tathagata” sagt Shakyamuni:
„Deshalb sollte jemand, der die Weisheit besitzt, ... nach meinem Erlöschen dieses Sutra annehmen und beibehalten. Ein solcher wird auf dem Weg Buddhas entschlossen voranschreiten und gar keinen Zweifel hegen.“ (Seite 584)
Hier wird erklärt, dass die Menschen, die das Lotos-Sutra annehmen und beibehalten, unfehlbar auf dem Weg des Buddhas vorangehen können und die Buddhaschaft zweifelsohne erlangen werden.
Saito: Auf gewisse Weise zeigt selbst die Frage „Wie ist der Zustand der Buddhaschaft?” ein Verständnis über die Erlangung der Erleuchtung, das im Grunde an den früheren Sutren und der theoretischen Lehre des Lotos-Sutras gehaftet ist. Es wird oft angenommen, dass die Buddhaschaft ein „Zustand der Erlangung” sei und dass man in der Erlangung der Buddhaschaft zu einer radikal anderen Person werde. Wir neigen durchaus dazu, in diesen Begriffen zu denken, dass man ein Buddha werde.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Nichiren Daishonin lehrt, dass es bei der Verwirklichung der Buddhaschaft nicht darum geht, ein Buddha zu werden, sondern darum, unser eigenes Leben als Buddha zu enthüllen, oder darum, das Leben des Buddhas in unserem Inneren zu offenbaren. Präsident Toda sagte hierzu:
„Die Buddhaschaft zu verwirklichen bedeutet nicht, zu einem Buddha zu werden, sondern aufrichtig an die Worte des Daishonin zu glauben, dass der gewöhnliche Sterbliche das höchste Wesen ist und dass sich das wahre Wesen in allen Phänomenen manifestiert und dazu zu erwachen, dass unser Leben selbst seit der unendlichen Vergangenheit bis in die ewige Zukunft hin als Buddha existiert.“
Als Shakyamuni im Kapitel „Verleihung der Prophezeiung” die Erleuchtung für Maudgalyayana (Mokuren) vorhersagte, sprach er von einer Zeit: „wenn er (Maudgalyayana) seinen gegenwärtigen Körper abgelegt hat.” Das bedeutet im Kern, dass Maudgalyayana in zukünftigen Existenzen, wenn er „seinen gegenwärtigen Körper abgelegt hat”, unter einer großen Menge von Buddha ausüben und schließlich selbst die Buddhaschaft erlangen wird. Der Daishonin sagt über diese Stelle:
„Zu erläutern, dass man seinen gegenwärtigen Körper ablegen muss, um die Buddhaschaft zu erlangen, ist ein Gedanke der vorläufigen Lehren. Aber der eigentliche Sinn des „Ablegens des Körpers” im Lotos-Sutra besteht darin, dass man Gefühle der Abhängigkeit von solchem Körper ablegen muss.“
(Japanische Gosho, Seite 731)
Der Daishonin sagt auch, dass dieses „Ablegen“ als „Darbringen” interpretiert werden sollte und dass „seinen gegenwärtigen Körper ablegen” „die fünf Elemente, (die den Körper bilden), den Welten des Gesetzes darzubringen” bedeutet.
Die Welten des Gesetzes weisen auf das Universum, die Welt, in der wir leben, und auf alle Lebewesen hin. Die fünf Elemente bedeuten das Leben. „Die fünf Elemente den Welten des Gesetzes darzubringen” bedeutet, die Handlungen von Bodhisattwas auszuführen, die ihr Leben zum Wohl anderer Menschen zu widmen. In anderen Worten ist die Tat selbst, dass man auf dem Weg des Bodhisattwas schreitet, bereits die Verwirklichung der Buddhaschaft.
In der wesentlichen Lehre oder zweiten Hälfte des Lotos-Sutras wird eine neue Auffassung von der Verwirklichung der Buddhaschaft dargestellt. Diese Auffassung findet sich in der Enthüllung im sechzehnten Kapitel „unendliche Lebensdauer des Tathagata”, dass der Buddha, der die Erleuchtung vor der entfernten Vergangenheit erlangte, selbst nach der Erlangung der Buddhaschaft die Ausübung des Bodhisattwas ständig durchführt. Dadurch, dass er ein Buddha wurde, hörte Shakyamuni nicht auf, ein Bodhisattwa zu sein.
Konkret ausgedrückt manifestieren sich sowohl die Erscheinung als auch die Ausübung des Buddhas in der Ausübung des Bodhisattwas. Selbst nach der Erlangung der Erleuchtung setzt der Buddha seinen Schritt auf dem Weg der Ausübung des Bodhisattwas fort. Dies ist, in anderen Worten „der Weg des Buddhas”.
Saito: Ganz am Ende des Kapitels „unendliche Lebensdauer des Tathagata” wird der Wunsch des Buddhas ausgedrückt:
„Wie kann ich allen Lebewesen ermöglichen, in den unübertroffenen Weg einzutreten und rasch den Körper eines Buddhas zu erlangen”. (Seite 510)
Hier können wir andeutungsweise verstehen, dass der Ausdruck „ermöglichen, in den unübertroffenen Weg einzutreten“ mit dem darauffolgenden Ausdruck „den Körper eines Buddhas (die Erleuchtung) zu erlangen“ identisch ist.
Präsident Ikeda: Vom Standpunkt der wesentlichen Lehre aus gesehen, ist die Erlangung der Buddhaschaft nicht so sehr ein „Ziel” oder ein besonderer „Zustand”, sondern ein Weg. Wir könnten vielleicht wagen, zu sagen, dass der einzige Unterschied im Zustand einer Person vor und nach der Erlangung der Buddhaschaft darin liegt, ob dieser Weg im Leben dieser Person fest etabliert ist oder nicht.
„Diesen Weg fest zu etablieren” bedeutet, in unserem Leben einen Geist zu festigen, der sich das Glück anderer sowie sein eigenes Glück wünscht, und ständig mit diesem Geist konstruktive Handlungen zu setzen.
Suda: Wie wunderbar ist es, wenn sich dieser Geist, das Glück anderer sowie sein eigenes und den Frieden für alle zu wünschen, in der ganzen Welt verbreitet werden wird.
######## Verleihung der Prophezeiung an die vier großen Shravakas
Saito: Sie haben eben über die „Befestigung des Weges” gesprochen. Das stimmt vollkommen mit der ursprünglichen Bedeutung der Worte „Verleihung der Prophezeiung (Juki)” überein.
Endo: Das chinesische Schriftzeichen für Prophezeiung (ki) ist ein Verb, das ursprünglich „klar unterscheiden und zusammenhängend ausdrücken” bedeutet. Der Ausdruck „Verleihung der Prophezeiung (Juki)”, der in der chinesischen Übersetzung des Lotos-Sutras erscheint, wurde von Kumarajiva geprägt, als er begann, buddhistische Schriften aus dem Indischen zu übersetzen.
In früheren Übersetzungen wurden Zeichenkombinationen in der Bedeutung von „Unterscheidung der Prophezeiung (Kibetsu)“ oder „Verleihung der Entscheidung (Juketsu)“ verwendet. Hier bedeutet „Unterscheidung” „klar unterscheiden”, und „Entscheidung” bedeutet „entscheidend bestimmen”.
Suda: „Verleihung der Prophezeiung” soll sich von dem Sanskrit-Ausdruck vyâkarana ableiten, zu dessen Bedeutungen „Unterscheidung”, „Analyse” und „Entwicklung” gehören. In buddhistischen Texten wird er in der Bedeutung verwendet, dass man auf eine Frage eine klare Antwort gibt.
Saito: „Prophezeiung (ki)” von „Verleihung der Prophezeiung (Juki)” bedeutet kurz gesagt „klare Aussage”. Indem der Buddha die Dinge klar ausdrückt, ermöglicht er den Menschen, unfehlbar auf dem Weg zur Erlangung der Buddhaschaft voranzuschreiten. In der vorletzten Folge haben wir bekräftigt, dass „Glaube und Überzeugung (Shinge)“ den Geist bzw. die Absicht bezeichnen, sich entwickeln zu wollen. Ich glaube, im Gegensatz dazu hat die „Verleihung der Prophezeiung” die Kraft, die Menschen zu befähigen, diesen Geist in der Tiefe ihres Lebens einzugravieren.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. „Verleihung der Prophezeiung (Juki)” bedeutete ursprünglich, eine klare Antwort zu geben und auf diese Weise den Zweifel im Herzen der Menschen zu lösen. Leiter sollten immer geradeheraus und klar sprechen. Unklarheit ist böse, weil die Menschen sich dadurch unbehaglich fühlen. Den Menschen Zuversicht zu geben, ist der Kernpunkt bei der „Verleihung der Prophezeiung”.
Saito: Die meisten Prophezeiungen, die in buddhistischen Texten gegeben werden, beziehen sich auf Umstände nach dem Tod. Die Menschen können nicht mit Sicherheit wissen, was nach dem Tod oder in der Zukunft sein wird. Genau das mag der Grund dafür gewesen sein, warum es für Shakyamuni notwendig war, über diese Dinge „klar zu sprechen”.
Der große Lehrer T’ien-t’ai aus China sagt auch, dass „Verleihung der Prophezeiung” sich auf die Fähigkeit des Buddhas bezieht, „den Menschen durch Worte wahres Verständnis zu geben”.
Präsident Ikeda: Der Buddha verleiht den Menschen Prophezeiungen, um sie klar verstehen zu lassen, dass sie selbst die Buddhaschaft erlangen können. Er lässt sie davon bewusst und zuversichtlich werden.
Suda: Im Kapitel „Verleihung der Prophezeiung” ist Kashyapa (Kasho) der erste der vier großen Shravakas, an den die Verleihung der Prophezeiung stattfindet. Maudgalyayana (Mokuren) und die anderen drei, die diese Szene beobachten, melden sich bei Shakyamuni und bitten ihn, dass sie auch die Verleihung der Prophezeiungen erhalten möchten. Daraufhin verleiht Shakyamuni Subhuti, Katyayana und Maudgalyayana in dieser Reihenfolge Prophezeiungen.
Wenn Sie unser tiefes Herz verstehen und uns eine Prophezeiung der Buddhaschaft verleihen, wäre dies gerade, wie Sie süßen Tau auf uns ausgießen würden, um uns zu ermöglichen, Fieber zu beseitigen und Kühle zu gewinnen. Und wie wenn jemand aus einem Land kommt, in dem Hungersnot herrscht, und plötzlich auf ein Bankett eines großen Königs gelangt. Sein Herz noch erfüllt von Zweifel und Furcht, würde er es nicht wagen, die Speisen sogleich zu essen. Doch wenn er vom König dazu eine Anweisung bekäme, dann würde er den Mut aufbringen, zu essen. (Seite 298)
Endo: Die „Parabel vom Festmahl des großen Königs“ wird in dieser Szene erzählt, in der Maudgalyayana (Mokuren) und die anderen beiden Shravakas um Verleihung der Prophezeiung baten.
Mit dieser Parabel erklären die drei Schüler, dass sie sich bei der Bitte um die Verleihung der Prophezeiung durch den Buddha so fühlen, als ob sie Menschen aus einem Land gekommen wäre, in dem eine Hungersnot herrscht, und plötzlich auf das Festmahl eines großen Königs gelangen, das heißt zur ausgesuchtesten und reichhaltigsten Küche. Menschen in einer solchen Situation wären sicherlich fast außer sich vor dem Wunsch zu essen. Aber gleichermaßen wären sie so sehr erfüllt von Zweifel und Furcht, so dass sie es nicht wagen würden, das Essen zu berühren, ehe ihnen der König die Erlaubnis dazu erteilte.
Auf dieselbe Weise haben diese Schüler zwar die Lehre vom Einen Buddhafahrzeug gehört und sich davon überzeugt, die sogar den Shravakas die Erlangung der Buddhaschaft ermöglicht. Aber sie können dennoch keine wirkliche Gewissheit sowie Ruhe verspüren, solange der Buddha auch für sie keine Prophezeiung verleiht.
Suda: Nebenbei bemerkt wird Shakyamunis Verleihung der Prophezeiung als „süßen Tau auf uns ausgießen” in Allegorien dargestellt. Das ist eine Übersetzung des Sanskrit-Ausdrucks amrita, der „Unsterblichkeit” bedeutet, ein mystisches Elixier der ewigen Jugend und der Unsterblichkeit, das in der Welt des Himmels existieren soll. Die Verwendung dieses Wortes deutet an, dass die Verleihung der Prophezeiung nicht nur die gegenwärtige Lebensexistenz beeinflusst, sondern auch zukünftige Existenzen.
Präsident Ikeda: Die Verleihung der Prophezeiung hat die Wirkung, das Gefühl der Unruhe zu vertreiben, das die Schüler in der Tiefe ihres Lebens verspürt hatten, und ihnen absolute Sicherheit zu geben. Durch die Verleihung der Prophezeiung, nämlich die Versicherung des Buddhas, dass sie schließlich die Buddhaschaft erlangen werden, haben sie sicher im Grund ihres Lebens tiefe Zuversicht für die Zukunft gewonnen.
Wohl gemerkt, um dieses Gefühl der Zuversicht zu stärken, gibt der Buddha den Titel, das jeweilige Kalpa (Kō: Zeitalter) und das Land an, in dem die vier großen Shravakas (Stimmen-Hörer) die Buddhaschaft erlangen werden.
Saito: Ja. Shakyamuni bezeichnet den Namen des Kalpas, wann sie die Buddhaschaft erlangen werden, den Namen des Landes, in dem sie die Buddhaschaft erlangen werden und den Titel, den sie als Buddha tragen werden.
Obwohl Shakyamuni sagt, dass er seinen Schülern aufgrund ihrer Würde und Tugend Prophezeiungen verleiht, scheint es mir jedoch, dass die ganzen Bezeichnungen von Kalpa, Land und Titel mit den besonderen Stärken und der Persönlichkeit jedes der vier Schüler zusammenhängen. Die Prophezeiungen, die den vier großen Shravakas verliehen wurden, lauten folgendermaßen:
Schüler Kalpa Land Titel Kashyapa (Kasho) Große Majestät Tugend des Lichts Tathagata „Helligkeit des Lichts“ Subhuti (Shubodai) Von Juwelen erfüllt Geburt mit Juwelen Tathagata „Überragende Erscheinung“ Katyayana (Kasen’nen) Tathagata „Jambunada Goldenes Licht“ Maudgalyayana (Mokuren) Von Freude erfüllt Freude des Geistes Tathagata „Tamalapatra Duft von Sandelholz“
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Ich glaube, dass diese Namen das Drama des Lebens jedes einzelnen umfassen.
Suda: Im Fall von Kashyapa (Kasho) zum Beispiel, dem ersten der vier, die eine Prophezeiung empfangen, ist das Wort Licht sowohl in seinem Namen „Helligkeit des Lichts” als auch im Namen seines Landes „Tugend des Lichts” enthalten.
Im Sanskrit hat „Helligkeit des Lichts” die Bedeutung von „Strahlen des Lichts”. Der Name des Landes „Tugend des Lichts” bedeutet „Welt der Ehre” oder „Welt erfüllt von Ruhm”. Und „Große Majestät,” der Name des Kalpas, bedeutet „großartig strahlende Erscheinung”.
Endo: Kashyapa stammte aus einer angesehenen Familie, aber er hatte sogar noch vor Shakyamuni das Leben eines religiösen Asketen begonnen und lange auf der Suche nach der Wahrheit umherziehend gelebt. Als er Shakyamuni schließlich traf, soll er sich bereits bei der ersten Begegnung entschlossen haben, Shakyamunis Schüler zu werden.
Der Überlieferung zufolge soll Kashyapa seine Kleider mit denen Shakyamunis umgetauscht haben, weil dieser Kleider trug, die noch gröber waren als seine eigenen, und danach nur mehr diese Kleider getragen haben. Kashyapa soll sich damit asketischer Praxis ehrlicher Armut gewidmet haben.
Und wenn es auch solche gefühllose Personen unter den Schülern des Buddhas gab, die auf Kashyapa wegen seiner armen Erscheinung herabschauten, verhielt sich Shakyamuni genau entgegengesetzt. Shakyamuni respektierte Kashyapa als jemanden, der länger praktiziert hatte, als er selbst, ließ ihn auf einem erhöhten Platz gleich seinem eigenen sitzen und lobte ihn als den ersten in der asketischen Praxis ehrlicher Armut.
Präsident Ikeda: Shakyamuni sah in anderen Worten in Kashyapa (Kasho), der sich rigoros der einfachsten und unauffälligsten Praxis widmete, eine Person an, die am leuchtendsten strahlt.
Saito: Da wir von „asketischer Praxis ehrlicher Armut (Zuda-gyo)“ sprechen, die in einer Parabel in der zweiten Hälfte des fünften Kapitels „Parabel von den Heilkräutern” des Lotos-Sutras steht, in einer Stelle, die in Kumarajivas Übersetzung nicht erscheint, ist mir eine Geschichte eingefallen, dass ein Mann, dessen Blindheit durch Heilkräuter aus den Schneegebirgen (Himalaya) geheilt worden ist, durch weitere asketische Praxis ehrlicher Armut die „übernatürliche Kräfte, tausend Meilen weit zu sehen” erlangt haben soll. Ich glaube, dass wir hier einen Zusammenhang zwischen der „asketischen Praxis ehrlicher Armut“ und dem Namen „Helligkeit des Lichts” sehen können.
Präsident Ikeda: Der Nutzen der „asketischen Praxis ehrlicher Armut“ eines blinden Mannes symbolisiert den Nutzen, der aus dem „Glauben und Überzeugung (Shinge)“ des Lotos-Sutras kommt. Dieser Nutzen bedeutet, dass man in seinem Leben die ewig fortwährende „Helligkeit des Lichts” erlangt. Ein solches hell strahlendes Herz zu gewinnen, ist als Mensch der größte Glanz.
Das Ziel der „asketischen Praxis ehrlicher Armut (Zuda-gyo)“ ist es, alle Begierden hinsichtlich elementarer Fragen der Kleidung, Nahrung und Unterkunft zu zerstreuen. Das Licht der Weisheit des Buddhas hat auch die Kraft, die Dunkelheit des Leidens im menschlichen Leben zu zerstreuen. Es kann sein, dass Shakyamuni „Kashyapa (Kasho)“ den Namen „Tathagata Helligkeit des Lichts“ verlieh, weil dieser Aspekt der Erleuchtung des Buddhas mit Kashyapas Stärken zusammenfällt. Nichiren Daishonin sagt dazu:
„Jetzt setzen Nichiren und seine Anhänger die Helligkeit des Lichts von Nam-Myoho-Renge-Kyo in die Finsternis und die Dunkelheit der Verleumdung des Gesetzes ein. Das ist in Wirklichkeit die Tugend von Kashyapa (Kasho), dem Tathagata Helligkeit des Lichts.“ (Japanische Gosho, Seite 731)
Das mystische Gesetz zu verbreiten, um die Dunkelheit der Verleumdung des Gesetzes zu vertreiben, ist selbst die höchste „asketische Praxis ehrlicher Armut”.
Suda: Als nächstes in der Prophezeiung, die Subhuti (Shubodai) verliehen wird, ist „Juwel” das Schlüsselwort. „Geburt mit Juwelen”, der Name des Landes, bedeutet wörtlich etwas, das Juwelen hervorbringt. Und der Name des Kalpas „Von Juwelen Erfüllt” bedeutet „Glanz von Juwelen”. „Überragende Erscheinung”, Subhutis Titel in der nächsten Existenz, bedeutet „jemand, der eine Erscheinung von Ruhm” hat.
Endo: Subhuti war der Neffe Sudattas (Sudatsu), des reichen Kaufmannes, der das berühmte Kloster Jetavana als Gabe für Shakyamuni erbaut hatte. Subhuti soll durch eine Begegnung mit dem Buddha zu der Zeit, als das Kloster errichtet wurde, Shakyamunis Schüler geworden sein. Selbst nachdem er das weltliche Leben aufgegeben hatte, brachte Subhuti immer Gaben dar, wann er nur konnte. Somit galt er als der erste im Zustand innerer Ruhe und als am meisten würdig, Gaben zu empfangen.
Präsident Ikeda: Dass er in der Praxis des Almosengebens hervorragend war, mag mit dem Bild der Juwelen in Zusammenhang stehen. Aber noch grundlegender bezeichnet das Erscheinen dieses Wortes vermutlich die Tatsache, dass er im Lotos-Sutra das wahre „Juwel der Weisheit” und „Juwel des Lebens” erlangt. Im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung (Shinge-bon)” erfreuen sich die vier großen Shravakas an der Entdeckung, dass die Welt der Buddhaschaft in ihrem eigenen Leben existiert, und sagen: „Die Sammlung von unübertroffenen Juwelen haben wir selbst gewonnen, ohne dass wir sie gesucht haben.“
Saito: Es mag von Bedeutung sein, dass ganz am Anfang des vierten Kapitels „Glaube und Überzeugung” Subhuti als „Mann von lebenslanger Weisheit” bezeichnet wird. Eine Person von „lebenslanger Weisheit” ist jemand, der sein Leben auf Weisheit aufbaut; es ist ein anderer Name für den Buddha. Es bedeutet auch „Person mit starker Lebenskraft” oder „Person mit langem Leben”.
Subhuti war hervorragend an Weisheit. Unter Shakyamunis Schülern wurde er als der erste im Verständnis über die Lehre der Nicht-Substantialität angesehen. Bei der Predigt Shakyamunis in vielen der Hannya-Sutra, die die Lehre der Nicht-Substantialität erklären, war er der Dialogspartner Shakyamunis. Insbesondere im „Sutra der großen Weisheit (Daibon-Han’nya)“ und an anderen Stellen geht Shakyamuni so weit, dass er Subhuti anweist, die Bodhisattwas über die vollkommene Weisheit des Buddhas zu unterrichten.
Präsident Ikeda: Doch Subhuti war noch immer beschränkt auf die Weisheit im Zustand der zwei Fahrzeuge. Er konnte zwar anderen die Weisheit des Buddhas erklären, doch er strebte nicht konsequent danach, die vollkommene Weisheit des Buddhas selbst zu erlangen. Im Kapitel „Glaube und Überzeugung” denkt er über seine frühere Einstellung nach.
Dann, als er das Lotos-Sutra hörte, konnte er den Weg zur Erlangung der Weisheit des Buddhas, nämlich den Weg zur Erlangung der Buddhaschaft betreten. Das ist zweifellos der Grund dafür, dass er die Prophezeiung empfangen konnte. Durch diese Verleihung der Prophezeiung konnte er in der späteren Existenz ein namhafter Buddha werden, dessen Leben von dem inneren „Juwel” der Welt der Buddhaschaft strahlt.
Suda: In der Prophezeiung, die Katyayana (Kasen’nen) verliehen wird, wird weder das Kalpa noch das Land erwähnt, nur sein Titel „Jambundana Goldenes Licht” wird enthüllt. Der Name bedeutet „Leuchten des Goldsands aus dem Fluss Jambundana”. Der Jambundana ist ein Fluss, der durch den Jambundana-Wald im paradiesischen Land fließt, das auf der Nordseite des Himalaya liegen soll. Man glaubte, dass der Goldsand aus diesem Fluss mit außergewöhnlicher Schönheit leuchtete.
Saito: Es wird gesagt, dass Katyayanas Haut in einem wunderschönen goldenen Ton leuchtete. Mir scheint, dass er daher diesen Namen erhalten hat.
Präsident Ikeda: Der Name bezeichnet vermutlich den Charakter des Buddhas, der von Mitgefühl und Weisheit wie Gold erstrahlt. Wenn wir die Dinge auf diese Weise betrachten, sehen wir, dass die Schüler solche Namen erhalten, die zu ihren individuellen Persönlichkeiten passen. Ihre persönlichen Charakter werden zudem in die tugendhaften Eigenschaften der Buddhas sublimiert.
Suda: Schließlich geht es um Maudgalyayana (Mokuren). Sein Name bedeutet in der Prophezeiung „Tamalapatra Duft von Sandelholz” sowie „Duft der Blätter der Tamala- und Sandelholzbäume”. Das Holz dieser Bäume wurde gemahlen und zu Parfum verarbeitet, das auf den Körper gesprüht oder eingerieben wurde. Das Holz wurde auch in Festfeuern verbrannt.
Die Bezeichnung des Kalpas „Erfüllt von Freude” bedeutet „überfließendes Wohlsein und Freude” und „Freude des Geistes,” der Name des Landes, bedeutet „Ort, der den Geist erfreut”.
Endo: Dieses Kalpa, das Land und der Titel scheinen sich auf die Tatsache zu beziehen, dass Maudgalyayana (Mokuren) als der erste mit übernatürlichen Kräften bekannt war. Es gibt viele Geschichten über seine übernatürlichen Kräfte, aber besonders eine Episode wird oft auf Wandmalereien und in anderen buddhistischen Kunstwerken dargestellt. Es ist die Begebenheit, als er den König Brahma (Bonten) dazu bringt, Shakyamuni zu verehren und dessen Lehre anzunehmen.
Nach dieser Legende stieg Maudgalyayana einmal zu dem Ort im Himmel empor, wo König Brahma und die anderen Götter wohnen, und demonstrierte ihnen, dass er in einer Flamme meditierte. Das blendende Licht war so hell, dass nicht einmal König Brahma, der als Schöpfer der ganzen Welt (Brahman) sowie Verkörperung des grundlegenden universalen Prinzips angesehen wurde, jemals etwas Ähnliches gesehen hatte.
Als Maudgalyayana sich als Schüler Shakyamunis zu erkennen gab, fragte König Brahma über einen Boten, ob es unter Shakyamunis Schülern viele gäbe, die solche großen übernatürlichen Kräfte besäßen. Als er hörte, dass es viele gab, war König Brahma voller Freude und gelobte, ein Anhänger Shakyamunis zu werden. König Brahma, der Herrscher der Saha-Welt, war hoch erfreut, und seine Freude verbreitete sich überall und erfüllte die ganze Welt.
Präsident Ikeda: Dadurch, dass der Schüler seine eigene Fähigkeit zeigte, konnte er König Brahma die Größe seines Meisters lehren. Nichts bringt mehr Ehre für sowohl Meister als auch Schüler als dies.
Suda: Vielleicht wegen des Bildes der Flamme in dieser Episode enthält der Titel, der Maudgalyayana verliehen wurde, den Namen des Holzes, das in Festfeuern verbrannt wurde. Wir können auch vermuten, dass das Kalpa „Erfüllt von Freude” und das Land „Freude des Geistes” genannt werden, weil das Leuchten dieser Flamme von Maudgalyayanas Meditation die gesamte Welt mit Freude erfüllte.
Präsident Ikeda: Was hier wichtig ist, dass jeder dieser Schüler seine Persönlichkeit und gesamte Lebenserfahrung nach der Erlangung der Buddhaschaft beginnen konnte, als tugendhafte erleuchtete Eigenschaften des Buddhas strahlen zu lassen. Solange wir den Glauben ausüben, ist keine Bemühung umsonst. Das ist der große Nutzen des Lotos-Sutras.
Ohne Zweifel ließ das Hören der wunderbaren Namen des Kalpas, des Landes und des Titels, die perfekt dem Charakter jedes einzelnen entsprachen, die vier Shravakas tief verspüren, dass sie alle tatsächlich die Buddhaschaft erlangen werden. Und alle in ihrer Umgebung konnten dementsprechend verstehen, dass auch sie selbst lobenswerte Buddhas werden. Infolgedessen verbreiteten sich Wellen der Freude unter denjenigen, die das Geschenk der Prophezeiungen gehört hatten.
Suda: Das erinnert mich an die Verleihung von Auszeichnungen für Verdienste an die älteren Mitglieder in der SGI. Ich bin immer bewegt davon, wie sehr sich alle Teilnehmer an Versammlungen freuen, in denen solche Auszeichnungen verliehen werden, wenn sie sehen, dass ihre Freunde auf diese Weise anerkannt werden, und sie entschließen sich selbst, in ihrem Leben ähnliches Wachstum zu verwirklichen.
Präsident Ikeda: Jene, die ausgewählt werden, solche Anerkennung zu empfangen, stehen für die gesamte Mitgliedschaft. Daher ist eine Auszeichnung, die einer Person verliehen wird, eine Auszeichnung an alle, die auf demselben Weg vorangehen. Trotzdem ist es in unserer selbstbezogenen Zeit wirklich edel, wie die Mitglieder sich freuen, wenn ihre Freunde geehrt werden. Es ist ein Anlass, der für sie zu einer Quelle der Inspiration wird, sich in ihrem eigenen persönlichen Wachstum und ihrer Entwicklung weiter zu bemühen. Wo sonst kann man einen solchen Geist der Gemeinschaft finden?
Das ist die Welt der Soka Gakkai, die durch starken Glauben geformt ist. Der Geist, anderen Beifall zu spenden, entsteht aus Vertrauen in das eigene Leben. Ein Geist des Neides steht im Gegensatz dazu für einen Mangel an Selbstvertrauen.
Saito: Neid bringt eine Art von negativer Gleichheit hervor. Neidische Menschen versuchen andere zurückzuhalten, in dem minimalistischen Streben nach Gleichheit, nach dem Muster von „den Nagel hineinhämmern, der herausragt”.
Ein Geist, der anderen Beifall spendet, bringt wahre, positive Gleichheit hervor. Er manifestiert sich in der Tendenz, alle Menschen gemeinsam mit sich selbst als edel und achtenswert anzuerkennen und in dem Wunsch, dass alle sich gleichermaßen entwickeln mögen. Das, glaube ich, ist die Einstellung eines echten Buddhisten.
Endo: Das ist es, was wir in der Welt des Lotos-Sutras finden. Shakyamuni lehrt, dass alle Menschen die Buddhaschaft erlangen können, und fordert sie auf, gemeinsam mit ihm auf dem „unübertroffenen Weg” voranzugehen. Ich glaube, dass eine solche Welt dadurch erschien, dass der Buddha das Eine Buddhafahrzeug enthüllte.
Präsident Ikeda: Genau. Das Eine Buddhafahrzeug wird mit einem tatsächlichen Fahrzeug verglichen, das alle Menschen auf dem sicheren Weg zum Ziel der Erlangung der Buddhaschaft führt. Wir können auf dem richtigen Weg bleiben, weil es durch das Mitgefühl des Buddhas angetrieben und durch die Weisheit des Buddhas gelenkt wird.
Darin, den richtigen Weg zu betreten, der zur Erlangung der Buddhaschaft führt, liegt der Nutzen, dass man an das Eine Buddhafahrzeug des Lotos-Sutras glaubt und sich davon überzeugt. Durch die Verleihung der Prophezeiung gibt der Buddha eine Versicherung darüber ab. Diese „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“ ruft darüber hinaus Freude und Zuversicht bei anderen hervor. Auf diese Weise erweitert sich das Netzwerk der Menschen, die auf dem unübertroffenen Weg der Erlangung der Buddhaschaft vorangehen, noch weiter. Das ist die Welt des Lotos-Sutras.
######### Geist der „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“
######### – „alle Lebewesen können den Weg des Buddhas erlangen”
Endo: In der Tat wächst die Anzahl der Personen, die im weiteren Verlauf des Sutras Prophezeiungen der Buddhaschaft erhalten, zudem ständig an. Zuerst empfängt Shariputra (Sharihotsu) im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel” allein eine solche Prophezeiung. Die vier großen Shravakas (Stimmen-Hörer) sehen dies und freuen sich darüber. Darauf hin empfangen sie ihre eigenen Prophezeiungen im sechsten Kapitel „Verleihung der Prophezeiung”.
Als nächstes werden im achten Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” Purna (Furuna) und fünfhundert Mönchen in gleicher Weise Prophezeiungen verliehen. Im darauffolgenden neunten Kapitel „Prophezeiungen für lernende und allwissende Menschen” wird Ananda (Anan), Rahula (Ragora) und zweitausend Schülern die Prophezeiung der Erleuchtung verliehen.
So werden in der Predigt vom zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel” bis zum neunten Kapitel „Prophezeiungen für lernende und allwissende Menschen” den Shravakas insgesamt vier Mal Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen.
Suda: Die Zahl der Empfänger der Prophezeiungen wächst allmählich. Beginnend mit nur Shariputra am Anfang erweitert sie sich zu den vier großen Shravakas, den fünfhundert Schülern und schließlich den zweitausend Mönchen.
Präsident Ikeda: Im zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes” vergrößert sich der Umfang der Empfänger noch weiter.
Endo: Ja. Bis zu diesem Punkt im neunten Kapitel hatten nur Shravakas Prophezeiungen der Erleuchtung empfangen, aber im nächsten zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes” sagt Shakyamuni die Erleuchtung für all diejenigen voraus, die sich selbst nur einen einzigen Augenblick daran erfreuten, einen Abschnitt oder Vers des Lotos-Sutras zu hören. Das, sagt Shakyamuni, ist die einzige Bedingung, um die Erleuchtung zu erlangen:
„Siehst du in dieser Versammlung von den unermesslichen himmlischen Wesen, Drachenkönig, Yaksha, Gandharvs, Asurs, Garuda, Kimnara, Mahoraga, menschlichen und nichtmenschlichen Wesen sowie von den Mönchen und Nonnen, männlichen und weiblichen Laienanhängern, solche, die danach streben, Shravakas zu werden, solche, die danach streben, Pratyekabuddhas zu werden oder solche, die nach dem Weg des Buddhas streben? Wenn all diese vor dem Buddha einen Vers oder einen Satz des Lotos-Sutras, des wunderbaren Gesetzes, hören und sich auch nur im Leben eines einzigen Augenblicks daran erfreuen, werde ich ihnen eine Prophezeiung verleihen, dass sie bestimmt „Anuttara-samyak-sambodhi (die höchste vollkommene Erleuchtung)“ erlangen werden. (Seite 383)
Diese Aussage gilt zudem nicht nur auf jene begrenzt, die zur Lebzeit Shakyamunis lebten, sondern sie erstreckt sich auch auf die Menschen nach seinem Tod.
Präsident Ikeda: Es ist eine großartige Verleihung der Prophezeiung, nicht wahr? Es ist ein Drama, in dem das Leben immer kraftvoller erblühen kann.
Endo: Es gibt im Lotos-Sutra noch weitere Verleihungen der Prophezeiung. Im zwölften Kapitel „Devadatta (Daiba-Datta)” zum Beispiel wird Devadatta, von dem die Menschen dachten, dass er wegen des großen Übels, das er begangen hatte, niemals die Buddhaschaft erlangen könnte, die Prophezeiung seiner Erleuchtung verliehen.
Auch im dreizehnten Kapitel „Aufforderung zum Beibehalten (Kanji)” wird den Frauen speziell eine Prophezeiung der Erleuchtung verliehen. Die Lehren, die vor dem Lotos-Sutra verkündet worden waren, vertraten den Standpunkt, dass Frauen keine Buddhaschaft erlangen könnten.
Präsident Ikeda: Letztlich sagt das Lotos-Sutra die Erleuchtung für alle Menschen voraus. Die Verleihung der Prophezeiung ist eine von vielen Arten, auf die das zentrale Prinzip des Lotos-Sutras – dass „alle Lebewesen den Weg des Buddhas erlangen können” – konkret ausgedrückt wird.
Saito: Unter den vielen Voraussagen der Erleuchtung gibt es „Verleihungen der Prophezeiung für jene auf einem guten Pfad” und „Verleihungen der Prophezeiung für jene auf einem bösen Pfad”. Während andere Sutra als das Lotos-Sutra Voraussagen enthalten, dass böse Menschen wie Devadatta in die Hölle fallen werden, sagt keines voraus, dass solche Menschen die Buddhaschaft erlangen werden. Und obwohl einige Sutra die Prophezeiung verleihen, dass böse Menschen einen guten Weg betreten werden, ist der Zustand des Pratyekabuddhas (der Teilerleuchtung) jedoch die höchste Stufe, die sie zu erlangen hoffen können.
Über Menschen der Zwei Fahrzeuge (Shravakas und Pratyekabuddha) erklären andere Sutra, dass sie einen Weg betreten können, der aber niemals zur Buddhaschaft führen wird, und dass ihnen das Ziel der höchsten Erleuchtung ewig verwehrt sein wird. Aus diesem Grund werden die Verleihungen der Prophezeiung in den anderen Sutra als „diskriminierend” bezeichnet.
Präsident Ikeda: Das Lotos-Sutra verkörpert die „Verleihung der Prophezeiung an alle Menschen” und die „gleichberechtigte Verleihung der Prophezeiung”. Es sagt die Erleuchtung der Buddhaschaft für alle voraus, einschließlich jener, für die andere Sutra die Möglichkeit, die Erleuchtung zu erlangen, verneinen, wie die Shravakas und Pratyekabuddha, böse Menschen und Frauen.
Die grundlegenden Voraussetzungen, eine Prophezeiung der Erleuchtung zu verleihen, sind „Glaube und Überzeugung (Shinge)“. In den Worten des Kapitels „Lehrer des Gesetzes” bedeutet das, nur sich im Leben eines einzigen Augenblicks an einen Vers oder einen Satz des Lotos-Sutra zu erfreuen. Durch diesen „Motor” der Freude können wir den Weg, der zur Erlangung der Buddhaschaft führt, betreten und auf ihm voranzugehen.
Endo: Den markanten Unterschied zwischen den Prophezeiungen der Erleuchtung im Lotos-Sutra und allen anderen erklärt T’ien-t’ai in seiner Abhandlung „Erläuterung über Worte und Formulierungen des Lotos-Sutras (Hokke-Mongu)“ folgendes:
„In anderen Sutra werden nur Bodhisattwas Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen, nicht Shravakas und Pratyekabuddha. Sie werden nur guten Menschen verliehen, nicht bösen Menschen. Sie werden nur Männern verliehen, nicht Frauen. Sie werden nur menschlichen und himmlischen Wesen verliehen, nicht Wesen in der Welt der Animalität. Im Lotos-Sutra werden allen Lebewesen Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen.“
In der Verleihung der Prophezeiung zur Erlangung der Erleuchtung an alle Menschen liegt das Herz des Lotos-Sutras.
Suda: In seiner anderen Abhandlung „Erläuterung über die wesentliche Bedeutungen des Lotos-Sutras (Hokke-Gengi)“ führt T’ien-t’ai den Grund für die zentrale Stellung der Verleihung der Prophezeiung für die Shravakas im Lotos-Sutra wie folgt auf:
„Die Doktrin offenbart sich anhand der Dingen klar und konkret. Spezielle Fragen können durch Worte klar verstanden werden. Die Tatsache, dass Im Lotos-Sutra allen Shravakas bestimmte Prophezeiungen verliehen werden, weist darauf hin, dass alle Lebewesen die Buddhaschaft erlangen können.“ (Band 6)
In anderen Worten weisen diese Worte, die speziell an die Shravakas gerichtet sind, darauf hin, dass alle Menschen die Buddhaschaft erlangen können. Da sogar den Shravakas Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen wurden, von denen man als Menschen der Zwei Fahrzeuge dachte, dass sie von der Erlangung der Buddhaschaft am weitesten entfernt seien, ist Shakyamunis darauffolgende Voraussage der Erleuchtung für alle Menschen keine Überraschung.
Präsident Ikeda: Der Geist der Verleihung der Prophezeiung im Lotos-Sutra ist es, allen Menschen zu ermöglichen, Buddha zu werden. Es ist vermutlich Bodhisattwa „Niemals Verachtend (Fukyo)“, der diesen Geist am direktesten in die Praxis umsetzt. Dieser Bodhisattwa verehrt alle Menschen in gleicher Weise, indem er ihnen sagt, dass er sie zutiefst respektiert, weil sie in der Zukunft Buddha sein werden.
Saito: Die Worte, die Bodhisattwa „Niemals Verachtend“ spricht, wenn er auf die Menschen zugeht, sind sicherlich eine Verleihung der Prophezeiung. Sie stellen das sogenannte Lotos-Sutra in vierundzwanzig Schriftzeichen dar:
„Ich verehre euch tiefst. Ich wage niemals, arrogant zu sein und euch zu erniedrigen. Was ist der Grund dafür? Weil ihr alle den Weg des Bodhisattwas praktiziert und bestimmt die Buddhaschaft erlangen werdet.“ (Seite 567)
Die Menschen, die Bodhisattwa „Niemals Verachtend“ auf diese Weise grüßte, verachteten ihn. Sie schmähten und verfolgten ihn, indem sie so de facto erwiderten: „Ich brauche keine falsche Verleihung der Prophezeiung von einem Nicht-Weisen wie dir!”
Endo: T’ien-t’ai interpretiert die Prophezeiungen der Erleuchtung im Lotos-Sutra in den Begriffen der drei inhärenten Potentiale der Buddhanatur und sagt, dass die Prophezeiungen, die vom Bodhisattwa „Niemals Verachtend“ verliehen wurden, die „Verleihung der Prophezeiung der innewohnenden Buddhaschaft” darstellen.
Die „drei inhärenten Potentiale der Buddhaschaft (San-in Bussho)“ sind die innewohnende Buddhaschaft (Sho-in), die Welt der Buddhaschaft, die in allen Menschen existiert, die Weisheit (Ryo-in), die Welt der Buddhaschaft hervorzurufen und gute Taten oder buddhistische Ausübungen (En-in), um diese Weisheit zu manifestieren. Diese drei Potentiale sind die Ursachen zur Erlangung der Buddhaschaft.
Gemäß der Erläuterung T’ien-t’ais stellt Shakyamunis Prophezeiung der Erleuchtung für die Shravakas im Lotos-Sutra die „Verleihung der Prophezeiung, in der die Weisheit entwickelt wird, die Welt der Buddhaschaft hervorzurufen” dar.
Und die Erklärung, dass man die Buddhaschaft durch die Praxis des Lobes üben den Buddha wie in den zehn Arten von Gaben erlangen kann, die im zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes” erläutert werden, interpretiert T’ien-t’ai, stellt die „Verleihung der Prophezeiung, in der gute Taten oder buddhistische Ausübungen zur Manifestation dieser Weisheit führen” dar.
Und das Erkennen des Bodhisattwas „Niemals Verachtend“, dass die Buddhanatur allen Menschen innewohnt, und seine ehrfürchtige Verbeugung vor ihnen, entsprechen, wie ich gerade erwähnt habe, der „Verleihung der Prophezeiung der innewohnenden Buddhaschaft”.
Saito: Die „Verleihung der Prophezeiung der innewohnenden Buddhaschaft“ bedeutet, die Menschen selbst die Existenz der ihrem eigenen Leben innewohnenden Buddhaschaft erwecken zu lassen.
Präsident Ikeda: Ja. In anderen Worten weist das inhärente Potential der innewohnenden Buddhaschaft auf das Herz und auf den inneren Bereich des Lebens selbst hin. Wenn man daher Menschen dazu bringt, sich vom großartigen Potential ihres Lebens bewusst zu werden, entspricht dies der Verleihung der Prophezeiung der innewohnenden Buddhaschaft.
Einfacher ausgedrückt bedeutet es, alle Menschen davon zu überzeugen, indem man ihnen entschieden sagt: „Auch du verwirklichst unfehlbar das größte Glück.” Es heißt, ihnen Hoffnung zu geben und einen Geist der Herausforderung in den Herzen jener Menschen wiederzuerwecken, die resigniert und erschöpft in der Finsternis des Leidens festsitzen. In einer stagnierenden Gesellschaft, die sich in einer Sackgasse befindet, bedeutet das für uns, zu bekräftigen, dass Menschen das grenzenlose Potential besitzen, alle Schwierigkeiten zu überwinden und eine Lösung zu finden.
Jeder Mensch ist eine Wesenheit des Mystischen Gesetzes. Jede Person ist durch ihre Humanität ehrwürdig. Das enthüllt Bodhisattwa „Niemals Verachtend“ mit seinem Leben durch die Praxis, andere zu verehren.
Nichiren Daishonin erklärte, dass seine eigene Ausübung dieselbe ist, wie die Praxis des Bodhisattwas „Niemals Verachtend“. Nam-Myoho-Renge-Kyo zu chanten und zu verbreiten, bedeutet, im Späten Tag des Gesetzes identisch mit der Verleihung der Prophezeiung der Erleuchtung. Der Daishonin sagt:
„Das Wort ‚Prophezeiung (ki)’ bedeutet Nam-Myoho-Renge-Kyo.”
(Japanische Gosho, Seite 730)
Über diese „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“ von Nam-Myoho-Renge-Kyo sagt er wiederum:
„Weil es sich um die Verleihung der Prophezeiung des mystischen Gesetzes handelt, ist es die Verleihung der Prophezeiung an alle Welten des Gesetzes.”
(Japanische Gosho, Seite 731)
„Verleihung der Prophezeiung an alle Welten des Gesetzes” bedeutet Verleihung der Prophezeiung an alle Lebewesen der Zehn Welten. Die Bedeutung über die Verleihung der Prophezeiung von Nam-Myoho-Renge-Kyo liegt darin, zu klar zeigen, dass alle Lebewesen der Zehn Welten Wesenheiten des Mystischen Gesetzes sind.
Das heißt, dass die Menschen, selbst wenn sie sich beispielsweise in der Welt der Hölle befinden, sicher die Buddhaschaft erlangen können, weil sie Wesenheiten des Mystischen Gesetzes sind. Die Prophezeiung der Erleuchtung in diesem Sinne zu verleihen, ist die höchste „Verleihung der Prophezeiung für alle Menschen” und die „gleichberechtigte Verleihung der Prophezeiung” des Lotos-Sutras.
Die Lehre Nichiren Daishonins ist der „Buddhismus des Säens“. Die Verleihung der Prophezeiung seiner Lehre durchzuführen, nämlich die Verleihung der Prophezeiung von Nam-Myoho-Renge-Kyo, bedeutet, den Samen des Mystischen Gesetzes in das Leben der Menschen zu pflanzen und ihnen zu ermöglichen, eine Beziehung zum Mystischen Gesetz herzustellen. Es bedeutet, in der Tiefe des Lebens jedes einzelnen Menschen das Bewusstsein zu pflanzen, dass er sowie sie eine Wesenheit des Mystischen Gesetzes ist, und das grenzenlose Potential des Lebens zu erklären.
Nam-Myoho-Renge-Kyo ist auch der Same von Glück und Frieden. Die Verleihung der Prophezeiung von Nam-Myoho-Renge-Kyo wird die Menschheit auf den sicheren Weg zum Glück und Frieden führen. Wenn die tiefe Anschauung über das Leben und die menschliche Natur, dass alle Lebewesen Wesenheiten des Mystischen Gesetzes sind, Wurzeln schlägt, wird die Menschheit gewiss in der Lage sein, auf diesem zuverlässigen Weg voranzugehen.
Die Buddhaschaft zu verwirklichen, scheint zwar wie ein Ziel zu sein, aber das ist es nicht. Es ist ein unverwechselbarer Weg. Es ist Hoffnung selbst, die uns dahin bewegt, ewig zur eigenen Verbesserung, ewig zur größeren Erfüllung und ewig zur größeren Bereicherung und Freude im Leben.
Die zukünftige Erlangung der Buddhaschaft, die im Lotos-Sutra vorausgesagt worden ist, lehrt die Einstellung, sich auf die Gegenwart und die Zukunft zu konzentrieren, den progressiven Geist, sich immer um die Verwirklichung weiteren Wachstums zu bemühen und noch mehr Menschen zu helfen, glücklich zu werden.
Endo: Wenn die Buddhaschaft zu verwirklichen, nur bedeuteten würde, einen Zustand der Vollkommenheit zu erlangen, über den hinaus es nichts mehr zu tun gibt, wäre es vielmehr ziemlich langweilig.
Präsident Ikeda: Wenn wir den Weg der Verwirklichung der Buddhaschaft betreten, können wir aus der Tiefe unseres Seins alle Stürme, Schneetreiben und versengende Winde und natürlich auch seine Frühlingsbrise, seinen blauen Himmel und seinen Sonnenschein im Leben vollständig genießen.
Wir verwirklichen den unübertroffenen Lebenszustand, in dem das Leben eine Freude ist und der Tod eine Freude darstellt. Diesem Weg zu folgen garantiert, dass wir solche ewige Erfüllung und Hoffnung erfahren können. In gewissem Sinn kann man sagen, dass dies für uns bedeutet, die Prinzipien von „Verwirklichung der Buddhaschaft in diesem Leben” und „Verwirklichung der Buddhaschaft in seiner gegenwärtigen Form” fortwährend zu erleben.
Endo: Die Quintessenz dieser ganzen Bemühungen und Anstrengungen ist der Lebenszustand Nichiren Daishonins, der sagt:
„Erst durch das Hervortreten von Verfolgungen sollten wir gewiss sein können, Frieden und Freude errungen zu haben.” (Japanische Gosho, Seite 750)
Präsident Ikeda: Ich stimme zu. Auf die „drei starken Feinde“ sowie auf die „drei Hindernisse und vier Teufel“ im Buddhismus zu treffen ist der größte Beweis, dass wir auf dem richtigen Weg vorangehen. Diese Hindernisse versichern uns, dass wir gewiss die Buddhaschaft verwirklichen können, wenn wir diese Probleme oder Schwierigkeiten überwinden.
Weil wir auf Hindernisse treffen, wissen wir, dass der Weg von Kosen-rufu, auf dem wir jetzt vorangehen, richtig ist. Wir können zuversichtlich sein, dass wir Leben um Leben den Weg zur Verwirklichung der Buddhaschaft betreten werden. Hindernisse sind daher die Quelle der größten Ermutigung.
Vom Standpunkt des Glaubens aus gesehen, sind Verfolgungen deswegen auch eine „Verleihung der Prophezeiung”. Man könnte wohl sagen, dass sie die „Abschlussprüfung” unserer buddhistischen Ausübung sind. Wenn die drei starken Feinde miteinander wetteifern, um uns herauszufordern, haben wir wirklich die Gelegenheit, den Weg der Verwirklichung der Buddhaschaft zu betreten. Und sobald wir diesen Weg betreten, werden wir ewig Buddha sein.
Saito: Die tiefe Bedeutung über die „Verleihung der Prophezeiung“ ist mir an vielen Punkten klar geworden, die ich zuvor nicht richtig gewürdigt habe.
Präsident Ikeda: Für die Menschheit ist ein richtiger Weg unerlässlich. Als ich vor etwas mehr als zehn Jahren mit Dr. Aurelio Peccei (1908-1984), dem Mitbegründer des Club of Rome sprach, stimmten wir überein, dass die moderne Zivilisation außer Kontrolle zu geraten schien:
„Wir fahren mit leichtsinniger Geschwindigkeit über eine kurvenreiche Straße. ... Wir sind wie ein Kind ohne Furcht, das begeistert ist vom Rausch der Geschwindigkeit und weiter auf das Gaspedal des Wagens steigt. ... Wir riskieren jeden Augenblick eine Katastrophe.”
Endo: Ohne zu wissen, in welche Richtung wir fahren, noch in welcher Richtung wir gehen sollten, treiben wir immer weiter auf dem „unsicheren Weg” in undurchdringliche Dunkelheit. Das ist der heutige Zustand der Menschheit.
Präsident Ikeda: Seit ich Dialoge mit Dr. Peccei vor mehr als einem Jahrzehnt führte, hat sich die Situation auf der Welt nicht im geringsten verbessert. Und ich bin zutiefst besorgt um den Zustand, dass in letzter Zeit sogar die Energie, eine Veränderung der Dinge zum Guten zu versuchen, umso knapper zu werden scheint.
Saito: Mir kommt doch vor, dass der Grund dafür in der Tatsache liegt, dass die Menschen auf gewisse Weise „zurückgelassen” wurden. Die Maschinen haben sich an Kraft und Geschwindigkeit weiter entwickelt. Und obwohl das „Automobil” einer zivilisierten Gesellschaft erschaffen wurde, das die Früchte dieses Fortschritts vereint, sind die Menschen, die auf dem Fahrersitz sitzen, noch nicht an den Punkt der Reife gelangt, wo sie diese Aufgabe richtig erfüllen können. Infolge dessen ist es so, als ob Kinder das Automobil der Gesellschaft außer Kontrolle dahinrollen lassen und sich an der rasenden Geschwindigkeit begeistern.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Wie wir die Geschwindigkeit dieses außer Kontrolle geratenen Fahrzeugs reduzieren und die Menschheit in die richtige Richtung führen können. Das ist nur durch Menschliche Revolution möglich – eine Revolution im Leben jedes Individuums. Das war die Schlussfolgerung, zu der Dr. Peccei und ich gelangten.
Die Menschen selbst müssen sich ändern. Wir müssen Menschen erziehen, die „sich selbst auf die richtige Bahn bringen” können. Es ist anzunehmen, dass mit dem Anwachsen der Zahl solcher Menschen in der Gesellschaft sich auch die Richtung der Gesellschaft ändern wird. Dr. Peccei bemerkte:
„Die menschliche Revolution ist der Schlüssel zu positivem Handeln, das dazu führt, dass ein neuer Kurs eingeschlagen und die Wiederbelebung des menschlichen Schicksals begonnen wird.”
Der Buddhismus nährt und entwickelt in den Menschen die Fähigkeit, sich selbst auf den „rechten Weg” zu bringen. Der „rechte Weg” könnte als der Weg verstanden werden, der zum Glück für sich selbst und für andere führt. Wir betreten selbst den sicheren Weg zu diesem Ziel und helfen anderen, das selbe zu tun.
Diese Bemühung, Inspiration und Hoffnung zu geben, ist die Bewegung der menschlichen Revolution. Es ist die Bewegung für Frieden, Kultur und Erziehung auf der Grundlage des Buddhismus, die wir in der SGI vorantreiben.
In weiterem Sinn steht dies in Übereinstimmung mit der Verleihung der Prophezeiung im Lotos-Sutra.
######## Gästeversammlung
######## – freudiges „Forum der Verleihung der Prophezeiung“
Suda: In diesem Licht erhalten die Gästeversammlungen, die wir in der SGI abhalten, vermehrte Bedeutung. Denn Gästeversammlungen sind ein Forum für die menschliche Revolution; sie sind die vorderste Front unseres Unterfangens, Menschen Hoffnung und Inspiration zu geben, damit sie ihr Leben in vollem Maße leben können.
Präsident Ikeda: Genau. Das ist genau, was ich betonen möchte. Der erste Präsident Makiguchi hat diese Gästeversammlungen „Versammlungen zur experimentellen Beweisführung des Lebens des Großen Guten” genannt.
Das bedeutet in anderen Worten, durch den tatsächlichen Beweis – auf eine Weise, die jeder annehmen und verstehen kann – das Wunder von „Glaube manifestiert sich im täglichen Leben” (das wir erfahren, wenn wir uns auf das Mystische Gesetz stützen) und das Wunder der menschlichen Revolution (einer Lebensweise, die sich dem Wohl der Gesellschaft und dem Wohlergehen anderer widmet) zu zeigen. Die Gästeversammlungen der Soka Gakkai und der SGI sind von Anfang an offen für Menschen aus allen Bereichen der Gesellschaft und werden von allen besucht.
Endo: Wenn Menschen lernen wollen, was die Soka Gakkai tut, und wenn sie wirklich verstehen wollen, wieso sie sich entwickelt hat, hoffe ich, dass sie für ihre „Forschungen” regelmäßig zu Gästeversammlungen kommen sollten. Sie können uns zum Beispiel ruhig fragen, ob und wie das „Experiment” vorangeht.
Präsident Ikeda: Die Gästeversammlungen der Soka Gakkai sind ein grundlegendes Forum, das der Gesellschaft Weisheit und Vitalität gibt. Die Menschen erneuern ihre Entschlüsse, wenn sie Erfahrungen vom Nutzen anderer hören: „Sie haben hart gekämpft und gewonnen. Das ist es! Ich kann auch mein Schicksal ändern. Ich werde mich auch bemühen, so gut ich kann!”
Und die Teilnehmer ermutigen Freunde, die gegen verschiedene Hindernisse aufrichtig und tapfer kämpfen: „Bemühen wir uns zu wachsen wie diese Person! Lasst uns diese Person zu unserem Vorbild machen!”
Dieses Geben und Nehmen bei Gästeversammlungen ermutigen Menschen und geben ihnen Zuversicht, dass sie in diesem Leben die Buddhaschaft verwirklichen können und erwecken in ihnen ein Gefühl für die Aufgabe von Kosen-rufu.
In diesem Sinn haben sie dieselbe Wirkung wie die Verleihung der Prophezeiung im Lotos-Sutra. Wir können daher sagen, dass die Gästeversammlungen ein „Forum für die Verleihung der Prophezeiung” sind, wo die Kinder des Buddhas einander ermutigen und voneinander ermutigt werden.
Suda: Das ist ähnlich wie die Bedeutung der Auszeichnungen, die an Mitglieder verliehen werden, die wertvolle Verdienste für Kosen-rufu erbracht haben, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Ja. Den Geist zu haben, andere zu loben, macht uns selbst lobenswert.
Ich möchte etwas hinzufügen. Es war in Shimoda auf der Halbinsel Izu, wohin sich Präsident Makiguchi begeben hat, um eine Gästeversammlung zu besuchen, und dort wurde er verhaftet. Zu jener Zeit, während des Zweiten Weltkrieges, wurden Gästeversammlungen unter Überwachung der Höheren Sonderpolizei abgehalten. Und obwohl er wegen seiner Weigerung, den Shinto-Talisman anzunehmen, oft belästigt worden war, wich Herr Makiguchi keinen einzigen Schritt zurück. Die Gästeversammlung war für ihn auch das Feld eines geistigen Kampfes gegen die Militärmacht des Landes.
Wir können auch den Kampf Nichiren Daishonins um religiöse Reformen so betrachten, dass er von Zusammentreffen zum Dialog ausging, die mit unseren jetzigen Gästeversammlungen vergleichbar sind.
Saito: Während sich der Daishonin in der Verbannung befand, versammelten sich seine Anhänger, um seine Briefe zu lesen, und das gab ihnen die Kraft, große Schwierigkeiten zu überwinden. Ich denke, dass diese Zusammenkünfte zur gegenseitigen Ermutigung auch als Gästeversammlungen bezeichnet werden können.
Präsident Ikeda: Seit der Zeit Nichiren Daishonins und seit der Zeit der beiden Präsidenten der Soka Gakkai, Herrn Makiguchi und Herrn Toda, ist daher ein Geist des großen Kampfes ein wesentlicher Bestandteil der Tradition der Gästeversammlung. Große Bedeutung liegt in unseren Bemühungen, diesen Geist im Überfluss fließen zu lassen und jede Gästeversammlung fröhlich und munter zu veranstalten.
In einem Zeitalter ohne richtungsweisende Merkmale bahnen wir einen stabilen Weg zum menschlichen Glück für die Menschheit. Ich wünsche innigst, dass diese Stärke und dieser Optimismus, zu überleben und über jede Schwierigkeit zu triumphieren, durch die große Bewegung der Gästeversammlung pulsieren und sich vom Herzen einer Person zum Herzen der nächsten verbreiten werden.
14. „Karmische Ursache und Beziehung (In’nen)“
– ewiges menschliches Band von Meister und Schüler
Suda: Ich habe gehört, dass ein älteres Mitglied der Männerabteilung voller Emotion erzählt hat: „Die Welt ist heute in einem traurigen Zustand. Die Politiker schrecken vor Verantwortung zurück und verbringen ihre ganze Zeit damit, nur ihre eigene Position zu schützen. Eifersucht und Verantwortungslosigkeit, Apathie und Herzlosigkeit regieren. Wenn sich Japan in einem solchen Zustand befindet, wie viele Menschen es überhaupt gibt, die mit leidenschaftlicher Hingabe an hohe Ideale leben?”
Präsident Ikeda: Ich glaube, das sind Gefühle, die von vielen Menschen geteilt werden. Vor genau 150 Jahren (1846) bemerkte der große dänische Philosoph Sören Kierkegaard (1813-55):
„Unser Zeitalter ist im wesentlichen eines des Verstehens und der Reflexion, ohne Leidenschaft. Selbst wenn es kurzfristig in Enthusiasmus ausbricht, zieht es sich dann listig in die Ruhe zurück.” (aus „Das gegenwärtige Zeitalter”)
Er hätte genau so gut die Situation in der heutigen Welt beschreiben können.
Endo: Sie haben einmal in einer Rede vor Mitgliedern der Jugendabteilung in den Vereinigten Staaten über Kierkegaards Werk „Das gegenwärtige Zeitalter” gesprochen. Ein Zeitalter, in dem den Menschen die Leidenschaft fehlt, und das sich nach innen kehrt, wird von Neid dominiert werden. Wenn diese Tendenz tief im Leben der Menschen eingegraben ist, versuchen sie jeden nach unten zu ziehen, der herausragt, in dem Versuch, gewissermaßen die menschliche Geographie zu ebnen. Das ist der Kern der Gedanken Kierkegaards.
Suda: Ja, daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich glaube, das trifft scharf den Kern der gegenwärtigen Situation in der japanischen Gesellschaft.
Präsident Ikeda: So ist das. Erst über ein halbes Jahrhundert nach Kierkegaards Tod begannen Menschen in anderen Ländern, seinen Gedanken Aufmerksamkeit zu schenken. Viele Denker begrüßten seine Schriften als prophetisch. Der deutsche Philosoph Karl Jaspers (1883-1969) staunte zum Beispiel: „Es ist, als ob sie gestern geschrieben worden wären.”
Warum konnte Kierkegaard derartig tief in die Probleme der modernen Gesellschaft einsehen? Einer der Gründe ist, glaube ich, dass er davon überzeugt war, dass sein Leben kurz sein werde und er darum kämpfte, alles was er tun musste, in seiner begrenzten Spanne von Jahren zu vollenden.
Endo: Bewaffnet mit seiner Feder stellte er sich dem autoritären Klerus seiner Zeit und den verleumderischen Anschuldigungen entgegen, die gegen ihn in der Presse erhoben wurden. Niemals in seinem Kampf nachlassend, verstarb er mit zweiundvierzig.
Präsident Ikeda: Kierkegaard glaubte, dass er keine vierunddreißig Jahre leben könnte. Seine Mutter war früh gestorben und er hatte fünf seiner sechs Geschwister verloren; zwei ältere Schwestern, die ein vergleichsweise langes Leben geführt hatten, starben mit dreiunddreißig. Er war sicher, dass er nicht länger leben würde als diese älteren Schwestern.
Als er seinen vierunddreißigsten Geburtstag erreichte, schrieb er in sein Tagebuch, es sei „ein Wunder und unverständlich,” dass er dieses Alter erlebte. In etwas mehr als einem Jahrzehnt, vor allem in seinen Dreißigern, veröffentlichte er ungefähr vierzig Werke, und zwanzig weitere seiner Werke wurden posthum veröffentlicht.
Die Schlussfolgerung, zu der er in seinem Buch „Das gegenwärtige Zeitalter” gelangt ist, dass die einzige Möglichkeit, die „Nivellierung” der modernen Gesellschaft aufzuhalten, nur darin liege, dass Individuen „unerschütterlichen religiösen Mut” erlangen. Kierkegaards Philosophie kehrt immer wieder zu dem Punkt zurück, dass die Menschen ihre Aufgabe im Leben kennen müssen, und dass es für sie notwendig ist, ein Ideal zu entdecken, dem sie ihr Leben widmen können und für das sie zu sterben bereit sein wären.
Saito: Die Fähigkeit, die Menschen zu solch einem Ideal und solch einem Gefühl einer Aufgabe zu erwecken, wird im einundzwanzigsten Jahrhundert eine der vorrangigsten Anforderungen an die Religion sein, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Ja. Diese Weisheit ist das Geschenk des Lotos-Sutras an die gegenwärtige und an zukünftige Generationen.
„Wozu wurde ich auf dieser Welt geboren?” „Was muss ich in diesem Leben erreichen?” Der Buddha ist erschienen, um den Menschen zu ermöglichen, diese universalen Fragen in den Griff zu bekommen.
Im zweiten Kapitel des Lotos-Sutras „Geeignetes Mittel” erklärt Shakyamuni zuerst die Wahrheit, zu der er erleuchtet wurde. An dieser Stelle verstand nur Shariputra, was er meinte. Im folgenden Kapitel erzählte der Buddha verschiedene Gleichnisse und Parabeln, die es den vier großen Shravakas ermöglichten, ein Verständnis dieser Wahrheit zu erlangen.
Aber der Buddha musste noch viel mehr Menschen die Augen öffnen. Zu diesem Zweck erklärte er das siebente Kapitel „Parabel des Phantomschlosses”, welches das Drama der großen erleuchtenden Kraft der Weisheit des Buddhas noch weiter darlegt.
„Sanzen Jintengo“ – der Beginn der ewig andauernden Beziehung von Meister und Schüler
Saito: Das Schlüsselwort des Kapitels „Parabel des Phantomschlosses” ist die „karmische Ursache und Beziehung (In’nen)“.
Endo: Dieser Ausdruck „karmische Ursache und Beziehung” gehört auch heute noch zum Wortschatz der japanischen Sprache, aber seine buddhistische Bedeutung scheint verlorengegangen zu sein. Er besitzt stattdessen eher negative Konnotationen wie etwa im Sinn von „unerwünschtes Schicksal.” Das ist natürlich nicht die ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffs im Buddhismus (wo er eine tief verwurzelte Ursache, Bedingung, Ursprung etc. bezeichnet).
Saito: Die karmische Ursache und Beziehung, die im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” beschrieben wird, weist auf die tiefe Verbindung hin, die seit vergangenen Lebensexistenzen zwischen Shakyamuni und seinen Schüler der Shravakas existierte. Dieses Kapitel enthüllt in anderen Worten das Band von Meister und Schüler.
Im Sanskrittext des Lotos-Sutras ist dieses Kapitel „Beziehungen aus vergangenen Lebensexistenzen (pûrvayoga)“ betitelt. Und im „Sho-Hokekyo (Das wahre Lotos-Sutra)“, einer chinesischen Übersetzung von Dharmaraksha (Jiku-Hogo), trägt das Kapitel den Titel „Entfernte Vergangenheit,” weil es die entfernte Vergangenheit von Sanzen Jintengo erklärt.
Kumarajiva gab diesem Kapitel wegen der bekannten „Parabel von dem Phantomschloss und dem Ort der Schätze“, die in der zweiten Hälfte des Kapitels erzählt wird, den Titel „Parabel des Phantomschlosses.”
Präsident Ikeda: Shakyamuni hatte die Shravakas nicht nur in seinem gegenwärtigen Leben unterrichtet, sondern auch seit der entferntesten Vergangenheit unermüdlich und unaufhörlich geführt. Dieses Kapitel unterweist sie in der karmischen Ursache und Beziehung, die seit dieser entfernten Zeit zwischen ihnen existiert.
„Unsere Beziehung ist nicht nur auf dieses Leben beschränkt,” sagt ihnen Shakyamuni; „Ich bin die ganze Zeit mit euch zusammen gewesen.” Es war seine leidenschaftliche Botschaft, die es den Shravakas ermöglichte, zur Wahrheit zu erwachen.
Sie verstanden, dass die Lehren der zwei Fahrzeuge (der Shravakas und Pratyekabuddhas), die nur Erleuchtung des Kleinfahrzeugs hervorbringen, geeignetes Mittel waren, ein bloßes „Phantomschloss.” Und dass der „Ort der Schätze”, nämlich die Erlangung der Buddhaschaft, die ganze Zeit ihr eigentliches Ziel gewesen ist. Sie verstanden auch, dass ihr Meister Shakyamuni sie mit solch großer Geduld, solch tiefer Barmherzigkeit und so großer Geschicklichkeit führte, um sie gemeinsam mit sich selbst in diesen Ort der Schätze zu bringen. Sie waren tief bewegt. Das ist die Bedeutung der „Parabel von dem Phantomschloss und dem Ort der Schätze“.
Zu dieser Zeit sieht der Führer, dass diese Menschen bereits ausgeruht und nicht mehr erschöpft sind; er lässt das Phantomschloss verschwinden und spricht zu ihnen:
„Ihr alle! Nun ist der Ort der Schätze ganz nah. Das große Schloss von eben war es, was ich herbeigezaubert habe. Nur damit Ihr euch ausruhen konntet“, so sagt er.
Suda: „Parabel des Phantomschlosses” ist daher wohl ein passender Titel für das Kapitel. „Sanzen Jintengo“ ist ein Zeitbegriff, der verwendet wird, um die Dauer der Beziehung von Meister und Schüler zu erklären, und bedeutet eine Zeitspanne von überwältigender Länge. Im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” wird er wie folgt erklärt:
Man stellt sich vor, dass jemand alle Länder in einem großen Weltsystem zu Staub zerkleinert und sich dann nach Osten bewegt, wobei er jedes Mal, wenn er an tausend Welten vorbeigekommen ist, ein Staubkorn fallen lässt und auf diese Weise weitergeht, bis er sich der ganzen Masse von Staubkörnern entledigt hat. Dann heißt es, dass die Person alle Welten, an denen sie vorübergegangen ist, nochmals zu Staub zerkleinert, egal ob sie ein Staubkörnchen erhalten haben oder nicht und wenn dann jedes Staubteilchen für ein Kalpa oder Äon steht, so ist „Sanzen Jintengo“ die Länge der Zeit, die der gesamten Anzahl von Staubteilchen entspricht.
Die Menge der Teilchen ist natürlich zu groß, um sie zu zählen. Der Text spricht davon, dass zunächst ein großes Weltsystem zu Staub zermahlen wird. In der alten indischen Kosmologie bedeutet ein „großes Weltsystem” das gesamte Universum. In modernen astronomischen Begriffen ist es eine Galaxis, die so groß ist, dass sie eine Milliarde Sonnensysteme umfasst. Die Zeiteinheit des Kalpa ist ebenfalls unermesslich lang.
Ich frage mich, wieso es notwendig ist, zu einer so weit entfernten Zeit zurückzugehen, um die karmische Ursache und Beziehung aus vergangenen Existenzen zu erklären.
Endo: Zu diesem Punkt sagt der Große Lehrer T’ien-t’ai aus China, dass im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” der „Vorgang der Unterweisung von Anfang bis Ende enthüllt” wird. Der „Anfang” der Unterweisung ist die Vergangenheit von Sanzen Jintengo und das „Ende” ist die Gegenwart, in der das Lotos-Sutra gepredigt wird.
Präsident Ikeda: Der Schlüssel liegt im „Anfang” der Unterweisung. Wenn wir verstehen, was damals geschehen ist, können wir auch die Bedeutung verstehen, warum Shakyamuni im Lotos-Sutra das eine höchste Buddhafahrzeug, die Lehre für die Erlangung der Erleuchtung, gepredigt hat.
Zusammengefasst ist das anfängliche „Säen des Samens (Geshu)” von äußerster Wichtigkeit. Nichiren Daishonin sagt hierzu:
„Zu jener Zeit (in der entfernten Vergangenheit von Sanzen Jintengo) pflanzte er zum ersten Mal den Samen zur Erlangung der Buddhaschaft in ihr Leben. (...) Dann erst im Lotos-Sutra angelangt, enthüllte er den Samen der Buddhaschaft in sich selbst und war imstande, die Frucht der Erleuchtung zu offenbaren.“
(Japanische Gosho, Seite 248)
Die Samen werden gesät (Säen), sie werden gepflegt (Reifen) und schließlich werden Früchte hervorgebracht (Ernten). In diesem Prozess steht Shakyamuni nun kurz davor, die Shravakas zur letzten Stufe der Reife oder der Erlangung der Buddhaschaft zu führen, indem er ihnen Prophezeiungen der Erlangung der Buddhaschaft verleiht. Aber bevor er das tut, lehrt er sie die Bedeutung der Zeit als Ausgangspunkt, in der die Samen gesät worden sind.
Wie war dann die Zeit des Säens? Was waren die Umstände, unter denen Shakyamuni begann, Unterweisungen zu geben? Wieso versuchen wir nicht, zuerst einen Überblick über den Inhalt des Kapitels „Parabel des Phantomschlosses” zu schaffen?
Saito: Ja. Das Kapitel beginnt damit, dass ein Buddha erscheint. Sein Name ist Buddha der „Großen herausragenden universalen Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“. Das Land dieses Buddhas heißt „Wohl Errichtet (Kojyo)“ und sein Zeitalter (Kalpa) „Große Form (Daiso)“. Durch diese Namen erhalten wir ein Gefühl für die Eigenschaft des Zeitalters.
Der Buddha „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ besaß, wie sein Name darauf hinweist, mystische Fähigkeiten und vollkommene Weisheit. „Große Form“, der Name des Zeitalters, bedeutet hervorragend an Erscheinung, und „Wohl Errichtet“ bedeutet „gut geboren“, „gut begonnen“ oder „guten Anfang genommen“.
Präsident Ikeda: Durch das Erscheinen eines großen geistigen Anführers wie des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ auf der Welt wird vermutlich der Beginn eines wunderbaren neuen Zeitalters gekennzeichnet, es bezeichnet eine solche „Zeit des Anfangs.”
Wenn ein neues Zeitalter beginnt, erscheinen mit Sicherheit geistige Reformer. Diese Menschen entwickeln in sich selbst eine neue Dimension der Spiritualität und befreien die Herzen jener Menschen, die in veralteten Denkweisen gefangen sind. Und sie können auch einen ungreifbaren, aber tiefen geistigen Einfluss auf die Menschen ausüben.
Wir, Mitglieder der SGI, wollen auch immer mit dem Stolz von Pionieren vorangehen. Nichiren Daishonin sagt:
„Die Ausübenden, die Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, sind der Buddha ‚Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)’.“
(Japanische Gosho, Seite 733)
Suda: Im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” wird die Erlangung der Buddhaschaft des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ ziemlich ausführlich erklärt. Was ich hier schwierig zu verstehen finde, ist der Grund, wie hier dargestellt wird, warum er, selbst nachdem er sich an den Ort der Ausübung gesetzt und mächtige teuflische Kräfte besiegt hatte, weiter zehn Kalpas lang nicht die Buddhaschaft erlangen konnte. Im Lotos-Sutra wird diese Stelle wie folgt beschrieben:
„Dieser Buddha setzte sich zuerst an den Ort der Ausübung, und nachdem er die Armeen des Teufels zerschlagen hatte, stand er davor, anuttara-samyak-sambodhi (Unübertroffene Erleuchtung) zu erlangen, aber die Lehren dieser Buddha erschienen vor ihm dennoch nicht. Dieser Zustand dauerte ein kleines Kalpa an, und es ging weiter bis zu zehn kleine Kalpas lang, in denen der Buddha mit gekreuzten Beinen dasaß, Körper und Geist unbeweglich, doch die Lehren dieser Buddha erschienen vor ihm immer noch nicht.“ (Seite 313)
Präsident Ikeda: Die Aussage, „die Armeen des Teufels zu zerschlagen”, ist so zu verstehen, dass er im grundlegendsten die irdischen Begierden besiegte. Jedoch, einfach die irdischen Begierden zu besiegen, stellt nicht die Gesamtheit der Erleuchtung dar. Es ist ein Aspekt der Erleuchtung. Wahre Erleuchtung wird nur dann erlangt, wenn Mitgefühl und Weisheit, andere Menschen zum Glück zu führen, erscheinen.
Das Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” wird speziell für die Shravakas verkündet. Die Shravakas glauben, dass Erleuchtung gleich die Auslöschung der irdischen Begierden und das Eintreten in einen Zustand der vollkommenen Ruhe und Stille bedeute. Es könnte sein, dass Shakyamuni sicherheitshalber versuchte, die Erlangung der Erleuchtung des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ auf diese Weise zu beschreiben, um den Shravakas den Unterschied zur Erlangung der wahren Erleuchtung zu zeigen.
Mitgefühl (Jihi), Weisheit und irdische Begierden gehören natürlich in den Bereich der „Nicht-Substantialität (Ku)“, und sie sollten selbstverständlich nicht in einem phänomenalen Sinn verstanden werden.
Unter dieser Voraussetzung könnte man sagen, dass die Erleuchtung des Buddhas nicht einfach darin liegt, irdische Begierden „auszulöschen,” sondern vielmehr darin, irdische Begierden sowie negatives Karma mit Mitgefühl und Weisheit einzuwickeln. Es geht darum, den Kreislauf der irdischen Begierden, des Karmas und des Leidens aufhalten und in einen reinen Strom von Mitgefühl und Weisheit zu verwandeln, darum, die „Wellen des Bösen” des Lebens zu „Wellen des Guten” zu verwandeln.
In dem Sinne, dass sie durch die irdischen Begierden nicht mehr verwirrt werden, könnte man zwar sagen, dass sie einen vollkommen ruhigen und reinen Lebenszustand erlangt haben; darüber hinaus besitzt ihr Leben zugleich wahre Dynamik. Der Lebenszustand des Buddhas ist wie der große Ozean. Egal welche Unruhe an der Oberfläche herrschen mag, in seinen Tiefen herrscht absolute Ruhe und Sicherheit.
Und im Leben pulsieren ständig die „Wellen des Guten.” Der Buddha wird der Tathagata genannt, weil das Wirken des mystischen Gesetzes „Augenblick für Augenblick erscheint“ oder sich auf direkte und unvermischte Weise manifestiert. Das ist das Wesen der Erleuchtung, die der Buddha in vollkommener Vereinigung mit dem mystischen Gesetz erlangt.
Endo: Ich finde es interessant, dass in diesem Kapitel die himmlischen Wesen (Götter) während dieser Zeitspanne von zehn Kalpas, bevor er die Buddhaschaft erlangt, den Buddha „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ fortgesetzt Gaben darbringen. Die Wesen des „Trayastrimsha-Himmels (Tori-ten)“ bringen einen großen Löwenthron dar, die Brahma-Könige lassen andauernd himmlische Blumen herabregnen und die vier himmlischen Könige schlagen ständig himmlische Trommeln. Sozusagen sind diese Wesen wie eine „Gruppe von Fans”, die den Buddha in seinen Bemühungen zur Erlangung der unübertroffenen Erleuchtung anfeuern.
Präsident Ikeda: Dadurch, dass sie den Buddha anfeuern, drücken diese himmlischen Wesen, gerade da sie alle Lebewesen vertreten, den Wunsch aus, dass die Menschen sehnsüchtig das Erscheinen des Buddhas erwarten.
In erweitertem Sinn sind die Brass Band, die Flöten- und Trommelkorps und alle Chöre und Musikgruppen der Soka Gakkai auch eine solche Gruppe, die uns bei unserer persönlichen Verwirklichung der Buddhaschaft und bei unseren Bemühungen um Kosen-rufu anfeuern. Auch wenn wir uns die buddhistischen Götter als in einem entfernten Land wohnend vorstellen, sind sie doch in Wirklichkeit ganz in unserer Nähe.
Endo: Als der Buddha „Große herausragende universale Weisheit (Daitsuchisho-Butsu)“ schließlich die unübertroffene Erleuchtung erlangt, wird die ganze Welt erfüllt von strahlendem Licht, das sogar das der Sonne und des Mondes übersteigt.
Präsident Ikeda: Das mystische Gesetz durchdringt das Leben des Buddhas zur Gänze, und der Duft der weiten Barmherzigkeit und der unermesslichen Weisheit, die Menschen zu retten, erfüllt strahlend das ganze Universum. Das Licht ist es, was dies symbolisch dargestellt.
Die „wiederholte Predigt der Lehre des Buddhas
‚Große herausragende universale Weisheit’ durch seine sechzehn Prinzen (Daitsu-Fukko)“
Suda: Darauffolgend erscheinen die sechzehn Prinzen. Sie sind Kinder des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit“ aus der Zeit, bevor er wegen der Ausübung des Buddhismus der Welt entsagte. Der sechzehnte dieser Söhne war Shakyamuni in einer früheren Lebensexistenz. Als sie erfuhren, dass ihr Vater die Erleuchtung erlangte, besuchten die Prinzen ihn und baten eindringlich, das Gesetz zu predigen.
Zusätzlich zu den sechzehn Söhnen ersuchten auch die Brahmakönige in den Welten des gesamten Universums in den zehn Himmelsrichtungen – Norden, Süden, Osten, Westen, Nordwesten, Nordosten, Südwesten, Südosten, oben und unten – ebenfalls einmütig den Buddha „Große herausragende universale Weisheit“ darum, das Gesetz zu verkünden. Im Lotos-Sutra wird dieses Ereignis detailliert beschrieben, das als „Ersuchen der Brahma-Könige (Bonten-Kanjo)” bekannt ist und das sich in einer wirklich universalen Dimension abspielt.
Der Text erwähnt speziell vier Brahma-Könige namens „Alle Rettend“, „Großes Mitgefühl“, „Mystisches Gesetz“ und „Shikhin“. „Shikhin“ ist der Name eines führenden Brahmakönigs, aber kein anderer scheint in der allgemeinen indischen Mythologie auf.
Ich nehme stark an, „Alle Rettend“, „Großes Mitgefühl“ und „Mystisches Gesetz“ könnten wohlmöglich den Geist der Sehnsucht nach dem Erscheinen eines Buddhas darstellen, der das mystische Gesetz weithin und barmherzig verkünden wird, um die Menschen zum Glück zu führen.
Präsident Ikeda: Wahrscheinlich hast du recht. Vor dem Erscheinen des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit“ war das Leben der Menschen erfüllt von Leiden, und das Zeitalter war in eine Sackgasse geraten. Das Sutra beschreibt das Leiden der Menschen mit den Worten „aus Dunkelheit treten sie in Dunkelheit ein”. (Seite, 316) In der Tiefe ihres Lebens sehnten sich die Menschen nach dem Erscheinen eines Buddhas, der dem negativen Kreislauf „aus Finsternis in Finsternis” ein Ende setzen würde. Die Namen drücken diesen Geist aus. Josei Toda, der zweite Präsident der Soka Gakkai, pflegte zu sagen:
„Sowohl im Geschäftsleben als auch in jedem anderen Bereich wird das, was die Menschen suchen und mit ihnen Einklang findet, sich verbreiten. Kosen-rufu kann auch sicher verwirklicht werden, weil die Menschen jetzt das mystische Gesetz suchen.”
Endo: Als Antwort auf das Ersuchen der sechzehn Prinzen sowie der Brahma-Könige beginnt der Buddha „Große herausragende universale Weisheit“, das Gesetz zu predigen. Zuerst verkündet er die Lehren der „vier Wahrheiten (Shi-tai)“ und der „zwölffachen Kausalkette (Jyuni-In’nen). Durch das Meistern dieser Teilwahrheit erreichten viele Menschen den Zustand des Shravakas.
Doch die sechzehn Prinzen sind mit den Lehren der vier edlen Wahrheiten und der zwölffachen Kausalkette nicht zufrieden und bitten den Buddha nachdrücklich, die wahre Ursache seiner Erleuchtung zu verkünden.
Präsident Ikeda: Die Lehren der vier edlen Wahrheiten und der zwölffachen Kausalkette gehören zu vorläufigen Lehren, die nur einen Aspekt der Erleuchtung des Buddhas darstellen. Dazu könnte man verschiedenes über diese Lehren sagen; aber im wesentlichen gesehen, liegt ihr Grundgedanke darin, dass die Menschen durch das Auslöschen der irdischen Begierden, die als Ursache des Leidens verstanden werden, einen Zustand von Frieden und Ruhe erlangen können.
Die wahre Absicht des Buddhas ist es jedoch, allen Menschen zu ermöglichen, die unübertroffene Erleuchtung zu erlangen, die er selbst erlangt hat. Und daher verkündet der Buddha auf die Bitte der sechzehn Prinzen, und nachdem er die richtige Zeit abgewartet hat, das Lotos-Sutra, um seine Absicht klarzumachen.
Saito: Im Sutra wird erläutert, dass sich der Buddha „Große herausragende universale Weisheit“, nachdem er achttausend Kalpas lang das Lotos-Sutra gepredigte, für einen Zeitraum von vierundachtzigtausend Kalpas in der Meditation befunden hat.
Während und nach dieser Meditation, die der Buddha „Große herausragende universale Weisheit“ durchgeführt hat, erklären die sechzehn Prinzen, die Bodhisattwas geworden sind, die Lehre des Lotos-Sutras, so wie ihr Vater es getan hatte. Das ist als die wiederholte Predigt der Lehre des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit” (Daitsu-Fukko) bekannt. Es wird wiederholte Predigt genannt, weil die Kinder das Lotos-Sutra wiederholen, das ihr Meister erklärte.
Präsident Ikeda: Der Buddha „Große herausragende universale Weisheit“ und die sechzehn Prinzen lehrten alle dasselbe Lotos-Sutra. Die sechzehn Prinzen schritten wirklich auf dem Weg der Einheit von Meister und Schüler voran.
Suda: Als Bodhisattwas lehrten die sechzehn Prinzen das Lotos-Sutra, worin jeder einzelne zahllose Lebewesen unterwies. Und diese Lebewesen wurden in Ländern verschiedener Buddha gemeinsam mit den Bodhisattwas, die einst ihre Meister gewesen waren, wiedergeboren und erhielten von ihnen weitere Unterweisung. In einer bekannten Stelle sagt das Sutra, dass sie „hier und dort in verschiedenen Buddhaländern wohnen, ständig mit ihren Meistern gemeinsam geboren werden”. (Seite 351)
Endo: Am Ende des Kapitels „Parabel des Phantomschlosses” enthüllt Shakyamuni, dass er der sechzehnte Prinz gewesen ist und dass die Shravakas, die gegenwärtig seine Schüler sind und jene, die nach seinem Ableben erscheinen werden, die Menschen sind, die er zu jener Zeit unterwies. Shakyamuni spricht folgende Worte zu den Shravakas:
„Ich selbst zählte zu den sechzehn und predigte euretwegen in der Vergangenheit. Aus diesem Grund werde ich geeignete Mittel anwenden, um euch zur Suche nach der Weisheit des Buddhas zu führen. Aufgrund dieser früheren Ursachen und Beziehungen predige ich jetzt das Lotos-Sutra und lasse euch in den Weg des Buddhas eintreten.“ (Seite 351)
Hier wird auf die „Ursachen und Beziehungen” aus früheren Existenzen hingewiesen, die Shakyamuni und die Shravakas verbinden.
Purna (Furuna), Ananda (Anan) und die anderen Shravakas, die die Bedeutung von Shakyamunis Predigt im zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel” oder im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel” nicht verstehen konnten, erlangen zum ersten Mal den Weg, wenn sie hier im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” Shakyamunis Predigt über ihre karmische Ursache und Beziehung hören.
Und im darauffolgenden achten Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler“ und im neunten Kapitel „Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” können sie Prophezeiungen ihrer zukünftigen Erlangung der Buddhaschuft empfangen.
Präsident Ikeda: Das unermesslich tiefe Band zwischen Shakyamuni und den Shravakas ist jetzt klar erklärt. Der Ursprung dieses Bandes lag, dass sie Shakyamuni in der entfernten Vergangenheit von Sanzen Jintengo zu dem Zeitpunkt der wiederholten Predigt der Lehre des Buddhas „Große herausragende universale Weisheit“ das Lotos-Sutra verkünden hörten.
Saito: Das ist, was das „Säen des Samens (Geshu)” gemeint ist, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Genau. Zu jener Zeit hörten die Shravakas die Lehre des Lotos-Sutras und hegten in der Tiefe ihres Lebens den Wunsch, dieselbe unübertroffene Erleuchtung zu erlangen wie der Buddha „Große herausragende universale Weisheit“. In ihnen wurde suchender Geist erweckt. Daher sagen die Shravakas im Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler“ folgendes:
„Die lange Nacht hindurch hat der Weltgeehrte uns stets aus seinem Mitleid gelehrt, bekehrt und in uns die Samen eines unübertroffenen Wunsches eingepflanzt.“ (Seite 372)
Saito: Zur selben Zeit, als der Same der Erleuchtung gepflanzt wurde, empfingen sie in ihrem Leben einen „unübertroffenen Wunsch”.
Präsident Ikeda: „Unübertroffener Wunsch” bedeutet, dass sie selbst die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas erlangen wollen. Dass diese Erleuchtung tatsächlich erlangt werden kann, ist auch ein Teil der Lehre des Lotos-Sutras. Da die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas die Manifestation seiner Barmherzigkeit und seiner Weisheit zur Rettung der Menschen ist, wird sie von dem Wunsch bestimmt, alle Lebewesen zur Erleuchtung zu führen, genau wie es der Buddha tut.
Saito: An einer anderen Stelle im selben Kapitel sagt Purna (Furuna) folgendes:
„Nur allein der Buddha, der Weltgeehrte, ist fähig, unseren im Herzen tief gehegten ursprünglichen Wunsch zu erkennen.” (Seite 356)
Der „im Herzen tief gehegte eigentliche Wunsch” bedeutet den ursprünglichen Wunsch, den die Schüler in der Tiefe ihres Lebens gehegt haben. Ich nehme stark an, dass alle Menschen den Wunsch, unübertroffene Erleuchtung erlangen und alle Lebewesen zum Glück führen zu wollen, ursprünglich besitzen.
Präsident Ikeda: Das ist es, was wir die Buddhanatur nennen. Der Ausdruck „Buddhanatur” taucht im Lotos-Sutra zwar nicht auf. Doch es ist meines Erachtens wohl möglich, dass genau diese Buddhanatur in einer Ausdrucksweise von „Wunsch aus dem Ursprung des Lebens ” genau diese Buddhanatur bezeichnet wird.
Suda: Die seit der Vergangenheit existierenden Ursachen und Beziehungen zu verstehen, bedeutet dann im wesentlichen, diesen Wunsch in der Tiefe des eigenen Lesens, und das führt wiederum dazu, dass wir die Buddhanatur in der Tiefe unseres Seins verstehen.
Präsident Ikeda: Einfacher ausgedrückt könnte dieser grundlegende Wunsch als “Herzenswunsch nach dem gemeinsamen Glück für sich und für andere“ beschrieben werden. Wegen der Vereinfachung dieses Satzes mögen die Menschen wohl erstaunt sein, da sie etwas ist, das alle Menschen auf einer gewissen Ebene verstehen. Doch diesen Geist zu seinem grundlegenden und leitenden Geist zu machen, ist wirklich extrem schwierig. Der Grund dafür ist, dass Hindernisse in der Form von irdischen Begierden, Unwissenheit, Habgier, Egoismus und eines Geistes der Teilung die Menschen daran hindern, das zu tun.
Um unser Leben daher zur Gänze auf diesen Geist zu begründen, brauchen wir einen Meister, der uns in die richtige Richtung führt. Das scheint es zu sein, was das Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” durch die Erklärung der karmischen Ursachen und Beziehungen lehrt, die Meister und Schüler über eine extrem lange Zeitspanne miteinander verbinden.
Diese karmische „Ursache und Beziehung” bezeichnet kurz gesagt ewiges Band, das sich zwischen Menschen bildet. Dieses Band existiert sicherlich weder getrennt von menschlichen Wesen, noch fesseln oder binden sie Menschen von außen.
Ganz im Gegenteil, die Schüler werden sich selbst davon bewusst, dass die „Ursache” für ihre Verwirklichung der Buddhaschaft im Kern ihres Wesens existiert. Das heißt, sie erinnern sich an ihren „ursprünglichen Wunsch.” Sie erwachen auch zu einem Gefühl der Dankbarkeit für die „Beziehung”, die von ihrem Meister zur Verfügung gestellt wurde.
Das heißt für ihre Beziehung zu ihm, indem er ihnen half, diese „Ursache” zur „Wirkung” der Buddhaschaft zu entwickeln. Dieses Gefühl der Anerkennung und der Begeisterung über die Verwirklichung dieses höchsten Bandes mit dem Meister ist der Geist des Kapitels „Parabel des Phantomschlosses”.
Saito: T’ien-t’ai sagt über die „Ursache und Beziehung der Einen Großen Wichtigkeit (Ichidaiji-In’nen)“ des Buddhas, nämlich warum alle Buddhas auf dieser Welt erscheinen, wie folgt:
„Lebewesen spüren den Buddha, weil sie die Fähigkeit besitzen, deshalb wird dies die ‚Ursache’ genannt. Der Buddha nimmt ihre Fähigkeit wahr und handelt dementsprechend, deshalb wird dies die ‚Beziehung’ genannt.” (aus „Erläuterung über Worte und Formulierungen des Lotos-Sutras“)
Hier weist er klar darauf hin, dass die „Ursache” bei den Schülern (den Lebewesen) liegt, während die „Beziehung” dem Buddha zugeordnet wird.
Präsident Ikeda: Ja. Und von Ursache und Beziehung ist natürlich die Ursache vorrangig. Beziehungen wirken, um die Ursache zu unterstützen und ihr zu helfen. Auch auf dem Weg von Meister und Schüler ist das Bewusstsein des Schülers vorrangig. Die Antwort des Meisters hängt von der Stärke des suchenden Geistes des Schülers ab, von dessen Verantwortungsgefühl und dessen Entschlossenheit.
So lehrt und leitet der Buddha seine Schüler fleißig über die drei Existenzen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindurch, ohne irgend einen von ihnen im Stich zu lassen. Er erzieht sie und umfängt sie in seiner Barmherzigkeit. Mir scheint, dass das unermessliche Mitgefühl des Buddhas der wichtigste Punkt ist, den das Lotos-Sutra zu vermitteln und besonders zu unterstreichen sucht.
Die Schüler glauben an den Meister und suchen ihn und der Meister beschützt und trainiert die Schüler. Der Meister lässt letztlich auch nicht einmal Schüler im Stich, die ihr Versprechen vergessen haben. Dieses schönste aller menschlichen Bande ist die Beziehung von Meister und Schüler, die auf dem Buddhismus basiert.
Saito: Die Beziehung zwischen Meister und Schüler im Buddhismus ist meines Erachtens weder eine einseitige Beziehung vom Meister oben zum Schüler nach unten, noch ist es eine unterdrückerische, irrationelle, feudalistische Beziehung.
Endo: Es kann sein, dass ich kurz vom Thema abgehe; Dr. Karl Dobbelaere, der ehemalige Präsident der Internationalen Gesellschaft für Religion, hat die tiefe Beziehung zwischen unseren ehemaligen Präsidenten angeführt und bemerkt, dass die Soka Gakkai von der Meister-Schüler Beziehung durchdrungen ist. Und er bemerkt: „Wir Europäer können etwas schwer verstehen, was wirklich ist, wenn man nur vor der organisatorischen Einigkeit hört.“ Er fühlt aber gerade, dass die Eintracht der Soka Gakkai, die auf diesen menschlichen Banden von Meister und Schüler aufgebaut ist, den Mitgliedern ein großes Ausmaß an Führung und Richtung gibt. In anderen Worten sieht er „menschliche Bande” als den eigentlichen Kern der Soka Gakkai an.
Präsident Ikeda: Das ist eine sehr scharfsinnige Erkenntnis. „Die ‚Ursache und Beziehung’ für unser Erscheinen auf der Welt”, rief der zweite Präsident Toda aus, „liegt darin, das große Banner von Kosen-rufu zu hissen.” Das ist die raison d’être der Organisation der Soka Gakkai. Und die Essenz dieser Organisation liegt in der Beziehung zwischen Meister und Schüler.
Im Buddhismus sind daher Meister und Schüler Kameraden, die zusammen auf das gemeinsame Ziel von Kosen-rufu zugehen, auf die Erschaffung einer Welt, in der die Ideale und Prinzipien des Buddhismus weithin angenommen und gelebt werden. Die Beziehung zwischen Meister und Schüler existiert in der Erweiterung der Beziehung, die zwischen jenen mit größerer Erfahrung im Leben sowie im Glauben und jenen mit weniger Erfahrung besteht. Auf gewisse Weise stehen Meister und Schüler nicht nur einander Auge in Auge gegenüber, sondern sie sind auf der tiefsten Ebene des Lebens auch Kameraden, die in die selbe Richtung blicken.
Endo: Es ist ein Band, das absolut nicht zerbrochen und zerrissen werden kann. In diesem Zusammenhang bemerkte einmal Toda Sensei, als er sich an seinen Mentor, den ersten Präsidenten der Soka Gakkai, Tsunesaburo Makiguchi, erinnerte:
„Ich erkläre die Verfolgung, die mir wegen des Lotos-Sutras widerfuhr (zweijährige Inhaftierung), mit der folgenden Stelle (aus dem Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” des Lotos-Sutras): ‚Hier und dort in verschiedenen Buddhaländern, (werden sie) mit ihren Meistern immer gemeinsam wiedergeboren.’ „Gemeinsam wiedergeboren” weist darauf hin, dass durch die wohltätige Kraft des Lotos-Sutras Meister und Schüler sicher zur selben Zeit gemeinsam geboren und gemeinsam das Lotos-Sutra studieren werden. Alles, was wir tun, ist diese Regel in die Praxis umzusetzen, die seit zahllosen Millionen von Äonen existiert. Unsere Beziehung von Meister und Schüler ist nicht nur auf diese Lebensexistenz begrenzt. Wenn ich der Meister bin, wird Makiguchi Sensei mein Schüler sein und wenn Präsident Makiguchi der Meister ist, dann werde ich sein Schüler sein. Wir sind untrennbare Gefährten, sowohl in der Vergangenheit als auch in der Zukunft.“
Suda: Bei Herrn Makiguchis dritter Gedenkfeier im November 1946 sagte Toda Sensei wie folgt:
„In Ihrer weiten und grenzenlosen Güte haben Sie mich sogar bis ins Gefängnis mitgenommen. Dank dessen konnte ich die Stelle des Lotos-Sutras ‚Hier und dort in verschiedenen Buddhaländern, (werden sie) mit ihren Meistern immer gemeinsam wiedergeboren’ mit meinem eigenen Leben lesen. Aufgrund dieses Nutzens konnte ich die eigentliche Tat der Bodhisattwas aus der Erde verstehen und, wenn auch nur verschwommen, die Bedeutung des Lotos-Sutras mit meinem Leben erfassen und erleben. Welch großes Glück!“
Ein gewisser japanischer Religionswissenschaftler war von diesen Worten tief beeindruckt, und wie er sagte, dass hierin der Kern von seiner religiösen Begegnung liegt.
Saito: Zu einer Zeit, als andere Schüler Groll gegen Herrn Makiguchi hegten und ihn dafür missbilligten, dass er die Verfolgung herausgefordert hatte, drückte allein Toda Sensei seinem Meister gegenüber Dankbarkeit dafür aus, dass er ihm erlaubt hatte, ihn bis ins Gefängnis zu begleiten.
Präsident Ikeda: Wenn wir uns dieses unzerstörbaren Bandes zwischen Meister und Schüler bewusst werden, strömt grenzenlose Kraft hervor. Unser Leben fließen über von grenzenloser Hoffnung, unendlicher Güte und unerschöpflicher Weisheit.
Für Shijo Kingo, der den Daishonin während der Verfolgung in Tatsunokuchi begleitet hatte, und der bereit gewesen war, an der Seite seines Meisters zu sterben, schrieb Nichiren Daishonin:
„Gesetztenfalls, Sie wären wegen Ihres schweren Vergehens in die Hölle gefallen, würde ich es ablehnen, ein Buddha zu werden, ganz gleich, wie sehr Shakyamuni Buddha versuchen würde, mich dazu zu bewegen. Ich würde lieber mit Ihnen in die Hölle gehen; denn Sie und ich gemeinsam in die Hölle fielen, würden wir dort Shakyamuni Buddha und das Lotos-Sutra finden.“
(Gosho Band II, Seite 256; Japanische Gosho, Seite 1173)
Als Shakyamunis Schüler im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” von diesem höchsten Band von Meister und Schüler erfuhren, erinnerten sie sich schließlich an ihren eigenen „ursprünglichen Wunsch” und ihre grundlegende Aufgabe. Und dadurch konnten sie endlich den Weg der Erlangung der Buddhaschuft betreten. Sie empfingen die Verleihung der Prophezeiung, dass sie die Erleuchtung erlangen werden.
Selbst als sie von diesem Punkt hörten, wie Shakyamuni im zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel” über das „Gesetz“, zu dem er erleuchtet wurde” sprach oder im dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel” „Allegorien“ erzählte, schienen ihnen alle Lehren des Buddhas etwas mit anderen Menschen oder mit außerhalb ihrer selbst liegenden Dingen zu tun zu haben. Doch nun erkannten sie plötzlich: „Das hat mit mir persönlich zu tun!” „Der Buddha erklärt meine eigene Situation!” Dieser Punkt ist von entscheidender Wichtigkeit.
Zur Zeit von Präsident Toda waren praktisch alle Mitglieder der Soka Gakkai arm. Aber diese Menschen, die als „Anhäufung von Armen und Kranken” verspottet wurden, lehrte Toda Sensei mit großer Ausdauer immer wieder: „Ihr selbst seid die Bodhisattwas aus der Erde, die im Lotos-Sutra beschrieben sind.” Er lobte die Mitglieder als „Abgesandte des Buddhas” und sogar als „Emanationen des Daishonin.” „Sind nicht die einfachen Menschen am respektwürdigsten?”, so verkündete er. „Sind nicht ihr und ich, die Mitglieder der Soka Gakkai, die vornehmsten Persönlichkeiten von allen?”
Jene Mitglieder, die darauf zu vertrauen begannen, dass sie, wie er sagte, eine Aufgabe aus der entfernten Vergangenheit besitzen, gingen gemeinsam mit ihrem Meister stolz auf dem großen Weg von Kosen-rufu voran. Das ist der große Weg zur Verwirklichung der Buddhaschaft. Und dabei erinnerten sie sich an ihren „ursprünglichen Wunsch” aus der entfernten Vergangenheit.
Da das Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” zur theoretischen Lehre oder ersten Hälfte des Lotos-Sutras gehört, ist es jedoch von begrenzter Tiefe. Dennoch bin ich der Ansicht, dass seine tiefe Bedeutung darin liegt, die Schüler zu lehren, dass jeder von ihnen ein Protagonist im Drama von Meister und Schüler ist, das über die drei Lebensexistenzen hinaus andauert.
######## „Parabel von dem Phantomschloss und dem Ort der Schätze“
Saito: In diesem Kapitel erzählt Shakyamuni, nachdem er die karmische Ursache und Beziehung erklärt hat, die ihn mit seinen gegenwärtigen Schülern verbindet, die „Parabel von dem Phantomschloss und dem Ort der Schätze“.
Suda: In dieser Parabel unternimmt eine Karawane, die unter der Leitung eines einzigen Führers durch die Wüste zieht, eine lange und gefährliche Reise von fünfhundert Yojana (Yujun) zu einem Land voller Schätze, dem „Ort der Schätze.” Unterwegs werden die Menschen in der Karawane jedoch äußerst erschöpft und entmutigt und sie sagen ihrem Führer, dass sie nicht weitergehen können.
Sollten sie jetzt umkehren, wären all ihre Bemühungen bis zu diesem Punkt vergeblich. Dem Anführer tun die Menschen leid, die umkehren und darauf verzichten wollen, den wunderbaren Schatz zu finden. Als die Karawane daher mehr als dreihundert Yojana (Yujun) reiste, erschaffte der Führer mit seinen übernatürlichen Fähigkeiten ein großes Schloss (Stadt) und ermutigte die Menschen, weiterzugehen, indem er ihnen sagte, dass, wenn sie das Schloss betreten, sie dort Frieden und Ruhe genießen können. Die Menschen freuten sich, als sie das hörten, und zogen zu dem Schloss weiter, wo sie ihre völlig erschöpften Körper ausruhen und ihre Kräfte wiedergewinnen konnten.
Nachdem sie genügend gerastet haben, lässt der Anführer das Schloss verschwinden. Dann sagt er den Menschen, dass das Schloss nichts weiter als ein Phantom war, das er hervorzauberte, um ihnen eine Rast zu ermöglichen, und dass ihr wahres Ziel, der Ort der Schätze, ganz in der Nähe ist.
Das Phantomschloss, das der Führer der Karawane ihnen zeigte, entsprach den geeigneten Mitteln der Lehren der drei Fahrzeuge, die der Buddha verkündet, um die Menschen zur Erleuchtung zu führen. Der Ort der Schätze stellt das eine Fahrzeug des Buddhas dar, nach dem die Menschen letztlich streben sollten.
Diese Parabel erklärt insbesondere, dass die Erleuchtung (Phantomschloss), die Shravakas (Stimmen-Hörer) und Pratyekabuddha erlangten, die vorübergehende ist und dass die unübertroffene Erleuchtung des Buddhas (der Ort der Schätze) die wahre Erleuchtung ist, auf die sie ihre ganzen Bemühungen ausschließlich ausrichten sollten.
Endo: Das ist eine Metapher, die für jeden leicht verständlich ist und alle Menschen sich einfach vorstellen können. Die Schüler hatten die Neigung, sich mit den Lehren der drei Fahrzeuge zufriedenzugeben. Aber der Buddha widerlegte die Einstellung, mit der sie sich bereitwillig mit einem niedrigen Lebenszustand zufrieden gaben, und wies sie auf das wahre Ziel des einen Buddhafahrzeugs hin. In der Parabel wird dies dadurch ausgedrückt, dass er vorübergehend ein Phantomschloss erschafft und es dann verschwinden lässt.
Präsident Ikeda: Zum Teil stimme ich dir zu, aber das ist nur noch eine oberflächliche Bedeutung, die diese Parabel beinhaltet. Direkt aus dem Text des Lotos-Sutras kann man zweifelsohne entnehmen, dass der Führer der Karawane das Phantomschloss verschwinden lässt und mit ihr dann in den Ort der Schätze weiterzieht. Doch Nichiren Daishonin erklärt noch eingehender, dass das Phantomschloss und der Ort der Schätze nicht voneinander verschieden, sondern in Wirklichkeit untrennbar (soku) sind.
Suda: Sie weisen wohl auf den nachfolgenden Abschnitt der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)” hin:
„Die zehn Welten sind alle Phantomschlösser und jede dieser zehn Welten ist ein Ort der Schätze. Dann ist das Phantomschloss wiederum die neun Welten, und der Ort der Schätze ist der Zustand der Buddhaschaft. Das Phantomschloss zu verlassen und zum Ort der Schätze zu gelangen, findet während fünfhundert Yojana (Yujun) statt. Diese Entfernung von fünfhundert Yojana symbolisiert die ‚Illusion von Gedanken und Begierden (Kenji-waku)’, die ‚Illusion für den Staub und Sand (Jin’jya-waku)’ und die ‚Illusion der Unwissenheit (Mumyo-waku)’.
Diese fünfhundert Yojana (Jujun) der irdischen Begierden zu den fünf Schriftzeichen des mystischen Gesetzes zu öffnen, heißt, dass das Phantomschloss mit dem Ort der Schätze identisch (soku) ist. In dem Satz, dass das Phantomschloss mit dem Ort der Schätze identisch (soku) ist, bezeichnet der Ausdruck ‚identisch (soku)’ Nam-Myoho-Renge-Kyo, und das Leben jedes Augenblicks im Phantomschloss bedeutet das Leben jedes Augenblicks im Ort der Schätze.“ (Japanische Gosho, Seite 732)
Saito: Wenn wir das Phantomschloss als geeignete Mittel und den Ort der Schätze als Wahrheit voneinander getrennt existierend ansehen, dann wird das erstere zu einem „Mittel” und das letztere zum „Ziel”. Demzufolge stellen wir uns vor, dass wir verschiedene Mittel anwenden, um zu einem Ziel zu gelangen. Wenn wir aber andererseits das Phantomschloss und den Ort der Schätze als ein und dasselbe (soku) betrachten, wird das Ziel in dem Mittel enthalten sein.
Endo: Wenn wir das Ziel und das Mittel voneinander getrennt ansehen, wird das Mittel zweitrangig und ausschließlich im Ziel liegt Wert. Von diesem Standpunkt aus könnten wir Menschen auch dazu neigen, zu meinen, dass, solange das Ziel erreicht werden kann, der Prozess – Mittel zum Zweck, wie die Menschen dorthin gelangen, nicht wichtig sei.
Präsident Ikeda: Wenn die Welt der Buddhaschaft der „Zweck” oder das Ziel ist, werden die neun Welten zum „Prozess”, der zu ihr führt. Jedoch die Ansicht, dass es für uns nur möglich sei, zur Buddhaschaft zu gelangen, wenn wir den neun Welten entflohen sind, impliziert Diskontinuität zwischen den neun Welten und der Welt der Buddhaschaft – in anderen Worten, dass die neun Welten nicht die Welt der Buddhaschaft enthalten und umgekehrt. Die oben angeführte Stelle aus der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)” weist jedoch darauf hin, dass die Vorstellung, dass wir erst nach Auslöschung der drei Arten von Illusionen (Illusion von Gedanken und Begierden, Illusion wie Staub und Sand und Illusion der Unwissenheit) die Erleuchtung erlangen können, der Denkweise der vorläufigen Lehren vor dem Lotos-Sutra entspricht.
Shakyamunis wahre Absicht bei der Predigt des Lotos-Sutras war es, klarzumachen, dass die neun Welten die Buddhaschaft enthalten (soku) und dass die geeigneten Mittel selbst die Wahrheit sind (soku). Demzufolge sind das Phantomschloss und der Ort der Schätze nicht getrennt oder unterschieden. Das Phantomschloss ist mit dem Ort der Schätze identisch (soku).
Von diesem Gesichtspunkt ist der Prozess in Wirklichkeit nichts anders als das Ziel selbst. In anderen Worten ist die Erlangung der Buddhaschaft nicht ein Ziel am Ende der buddhistischen Ausübung, sondern die Handlungen einer Person, die den Buddhismus praktiziert und verbreitet, sind bereits das Leben des Buddhas selbst.
Suda: Entspricht das nicht der Lehre, auf die Nichikan Shonin, der
„Die Stärke des Herzens, an das Lotos-Sutra zu glauben, wird Zustand der Buddhaschaft genannt.“ (Rokkan-sho, Seite 22)
Präsident Ikeda: Doch, das stimmt. Der Buddha ist kein nichtmenschliches oder übermenschliches Wesen, das irgendwo getrennt von der Welt lebt. Wie Nichiren Daishonin sagt:
„Der Buddha ist in Wirklichkeit die Lebewesen der neun Welten.”
(Japanische Gosho, Seite 717)
Gewöhnliche Sterblichen, die das mystische Gesetz beibehalten und verbreiten, sind selbst Buddha. Das ist der Kern des Buddhismus des Daishonin. Der Zustand des Buddhas manifestiert sich in jeder unserer Handlungen; die Weisheit und das tiefe Mitgefühl (Jihi) des Buddhas manifestieren sich von Augenblick zu Augenblick in unserem Leben. Das ist die wirkliche Bedeutung von „das Leben jedes Augenblicks im Phantomschloss bedeutet das Leben jedes Augenblicks im Ort der Schätze.“
Saito: Und die Bedeutung des Absatzes in derselben Aussage des Daishonin „..., bezeichnet der Ausdruck „identisch (soku)” Nam-Myoho-Renge-Kyo“ ist besonderes wichtig. Hierzu sagt er, dass Nam-Myoho-Renge-Kyo die Triebkraft ist, das Lebens der Buddhaschaft in der Realität der neun Welten zu manifestieren.
Endo: Im Zusammenhang mit dem Prinzip „das Phantomschloss ist (soku) der Ort der Schätze“ erinnere ich mich daran, dass Sie, Präsident Ikeda, einmal gesagt haben, Kosen-rufu ist genau wie die Strömung eines großen Flusses. Wir neigen dazu, ein Bild von Kosen-rufu als eine Art Endziel zu haben, das erreicht werden könne, wenn meiste Menschen das mystische Gesetz annehmen. Aber Sie sind über diese Perspektive hinausgegangen und haben erklärt, dass die Ausübung, den Buddhismus zu verbreiten, selbst Kosen-rufu ist.
Das Prinzip „das Phantomschloss ist (soku) der Ort der Schätze“ erinnert mich auch an die Worte Goethes, die Sie sich ausliehen, um Ihre Gefühle auszudrücken, als Sie Präsident Toda trafen und anfingen, den Glauben Nichiren Daishonins auszuüben:
„Es ist nicht genug, Schritte zu unternehmen, die eines Tages zu einem Ziel führen könnten; denn jeder Schritt muss selbst ein Ziel und gleichermaßen ein wertvoller Schritt sein.” (aus „Dialog mit Goethe“, Eckermann)
Präsident Ikeda: Kosen-rufu als einen Punkt zu betrachten, an dem ein Ideal erreicht wird, ist nicht ohne Bedeutung. Doch ich wollte nun dadurch betont haben, wie wichtig der Geist, den Buddhismus verbreiten zu wollen, ist. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass die Menschen die „Reise”, den Prozess der Verwirklichung dieses Ideals, nur als ein Mittel betrachten. Wer diesen Fehler macht und andere Menschen als bloße Werkzeuge verwendet, um ein Ziel zu verwirklichen, könnte die Fehler revolutionärer Bewegungen der Vergangenheit wiederholen, die unzählige Tragödien und Opfer hervorgebracht haben.
Der Buddhismus ist eine Religion, die durch und durch für die Menschen existiert. Unter keinen Umständen sollten die Menschen zu einem Mittel zum Zweck gemacht oder geopfert werden. Das ist mein Kredo als Buddhist.
Um stetig voranzugehen, müssen wir „Phantomschlösser” in der Form von Zielen errichten. Aber auf einer tieferen Ebene sind all unsere Bemühungen und Handlungen, zu diesen „Phantomschlössern” voranzugehen und sie zu erreichen, bereits die Handlungen des Buddhas. Und die Bühne für diese Unternehmungen ist selbst der „Ort der Schätze”.
Saito: Die Buddhaschaft zu verwirklichen, ist sicher nicht wie das Erreichen eines Ziels in einem Brettspiel. Zu lehren, dass es die Buddhaschaft als letztes Ziel oder Punkt der Erlangung gebe, ist letztlich ein Hilfsmittel. Solange es Leben gibt, gibt es Bewegung und Veränderung. Daher gibt es im Leben kein statisches letztes Ziel. Eigentlich sollten wir sagen, dass unsere Handlungen, für Kosen-rufu fortwährend zu kämpfen, selbst die Handlungen des Buddhas sind.
Präsident Ikeda: Deshalb ist es wichtig, dass wir all unsere Aktivitäten mit großer Freude genießen. Wer hat jemals von einem Buddha gehört, dessen Leben von Leiden erfüllt ist? Wenn wir uns selbst und solch einen Lebenszustand entwickelt haben, so dass wir mit Freude sagen können; „Nun lasst uns mit Freude die ganzen Mühen für Kosen-rufu auf uns nehmen“ oder „Dadurch kann ich noch mehr Wohltaten ansammeln“ sowie „Jetzt kann ich meinen Lebenszustand noch mehr erweitern“, dann ist es ein Beweis dafür, dass die Welt der Buddhaschaft in unserem Leben strahlt.
Endo: Aber die Menschen, deren Einstellung es ist, sich immer zu beklagen, wenn ein neues Ziel gesetzt wird, können das Prinzip „das Phantomschloss ist identisch (soku) mit dem Ort der Schätze” in ihrem Leben nicht manifestieren.
Präsident Ikeda: Es wäre vielleicht gar nicht schlecht, wenn die Menschen einen Lebenszustand entwickeln könnten, in dem sie es wirklich genießen könnten, sich zu beklagen! Solange wir am Leben sind, werden wir das eine oder andere Problem haben. Das ist nur selbstverständlich. Aber es ist lächerlich wie kleinlich, immer wenn etwas geschieht, ständig zwischen Gefühlen der Begeisterung und Niedergeschlagenheit hin und her zu pendeln.
Wir fordern uns ernsthaft und beständig heraus, um Ziele zu erreichen. Wir entschließen uns, alle Hindernisse zu überwinden und einen neuen Weg anzubahnen. Und wenn wir später zurückblicken, werden wir sehen, dass diese Augenblicke, selbst wenn sie auch vielleicht beschwerlich waren, in Wirklichkeit die erfülltesten und lohnendsten Momente unseres Lebens waren.
Sie werden ein Schatz goldener Erinnerungen sein, große Szenen im ewigen Drama unseres Lebens durch die drei Existenzen hindurch. Nichiren Daishonin lehrt uns:
„Jetzt, wenn Nichiren und seine Anhänger Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, verwirklichen sie, dass das Phantomschloss mit dem Land der Schätze identisch (soku) ist. Diese Berge, Täler und weite Felder, in denen wir leben, sind alle, jeder einzelne von ihnen, der Ort der Schätze, in dem jeder einzelne im ewigen erleuchteten Licht ist.“ (Japanische Gosho, Seite 734)
Das erklärt den Lebenszustand von uns, die wir das mystische Gesetz beibehalten und ausüben. Wo auch immer wir sein mögen und egal in welcher Situation wir uns befinden mögen, können wir in der Tiefe unseres Lebens „die größte Freude aller Freuden” (Japanische Gosho, Seite 788) erleben.
15. „Erwachen der Shravakas“ – das wunderbare „Leben auf der Grundlage des großen Wunsches“
Saito: Präsident Ikeda, kürzlich (16. Februar 1996) hatte ich die Gelegenheit, Ihrem Treffen mit Dr. Margarita I. Vorobyova-Desyatovskaya vom Institut für orientalische Studien der russischen Akademie der Wissenschaften beizuwohnen.
Das Gespräch war für mich sehr bewegend. Dr. Vorobyova-Desyatovskaya hatte in jungen Jahren ihren Ehemann verloren und zog ihren Sohn mit besten Kräften allein auf. Ohne sich jedoch von den Schwierigkeiten ihrer Situation abschrecken zu lassen, hat sie vier Jahrzehnte lang unermüdlich ihre Forschungen über das Lotos-Sutra verfolgt. Als zusätzliche Herausforderung wurde ihr Land den Großteil dieser Zeit von einem totalitären Regime regiert. Ihr Studium des Buddhismus kann man sich kaum als einfach vorstellen.
Ihr Gespräch mit der russischen Gelehrten schien mir die Universalität des Lotos-Sutras zu bestätigen, das über nationale Grenzen hinweg die Herzen einer wirklich ungeheuren Zahl von Menschen erobert, die unter ganz verschiedenen Umständen lebten.
Präsident Ikeda: Frau Dr. Vorobyova-Desyatovskaya ist eine Person von herausragendem Charakter. Sie besitzt echte Bescheidenheit und tiefe Menschlichkeit. Vielleicht aus diesem Grund erfasst sie die grundlegenden Vorzüge des Lotos-Sutras. Während des Gesprächs mit ihr konnte ich gut verstehen, dass sie ein tiefes Verständnis des Sutras besitzt.
Die Wahrheit des Lotos-Sutras kann man nur im menschlichen Herzen finden; sie kann sicher mit dem Intellekt allein nicht verstanden werden. Wie kann man den Kern des Triumphliedes der Menschheit verstehen, das im Lotos-Sutra erklingt? Darin liegen sowohl die Faszination des Studiums des Lotos-Sutras als auch seine Schwierigkeit. Dr. Vorobyova-Desyatovskaya hat diesbezüglich auf eine Weise über das Lotos-Sutra geforscht, die wirklich diesen Kern, das Herz der Menschen, berührt.
Suda: Dr. Vorobyova-Desyatovskayas Antwort darauf, warum das Lotos-Sutra von so vielen Menschen angenommen und so weit verbreitet wurde, war auch kristallklar.
Das Lotos-Sutra, erklärte sie, brachte eine völlig neue Art des Denkens hervor. Sie charakterisierte dieses Denken als die Einsicht, dass die Menschen grundlegend frei sind und selbst den Lauf ihres eigenen Schicksals ändern können. Diese Perspektive des Lotos-Sutras befreit die Menschen innerlich und das ist es, sagte sie, was eine so starke Anziehungskraft besessen hat.
Saito: Im Lauf unseres Dialogs über „die Weisheit des Lotos-Sutras“ haben wir diesen Aspekt des Lotos-Sutras von einer ganzen Reihe von Gesichtspunkten aus besprochen.
Endo: Dr. Vorobyova-Desyatovskayas Bemerkungen über die Rolle, die das Lotos-Sutra im einundzwanzigsten Jahrhundert spielen sollte, waren auch sehr beeindruckend.
Das Lotos-Sutra, sagte sie, leitet jeden Menschen dazu an, zu bedenken; „warum mache ich das?“, „zu welchem Ziel gehe ich mit meinem Leben?“ oder „in welcher Richtung geht die Menschheit. Sie meinte, dass die Aufgabe des Lotos-Sutras darin liegt, die Menschen dazu zu bringen, in diese Richtung zu denken zu beginnen.
Das ist auch die Anschauung vom Lotos-Sutra, die Sie, Präsident Ikeda, zu Beginn unseres ersten Gespräches erwähnt haben, das über das Thema „Über das Zeitalter hinaus, dem eine richtungsweisende Philosophie fehlt“ (Band I, Teil 1) geführt wurde.
Saito: Dr. Vorobyova-Desyatovskaya hat auch Ihnen, Präsident Ikeda, und der Soka Gakkai das Verdienst zugesprochen, ihre Forschungsarbeit mit neuem Leben erfüllt zu haben. Sie wünscht auch, dass sie durch ihre Arbeit der Menschheit einen Dienst erweisen werde. Diese Worte zu hören, die erfüllt waren von ihrem Gefühle einer Aufgabe, sich dem Wohle anderer zu widmen, war äußerst erfrischend.
Präsident Ikeda: Für das Wohl anderer zu arbeiten – das ist der Geist eines echten, großen Gelehrten. Ganz gleich auf welchem Feld, ohne diesen Geist kann man nichts Großes leisten. Im gegenwärtigen Zeitalter scheint dieser Geist schon so gut wie in Vergessenheit geraten zu sein.
Suda: Es gibt Menschen, die sogar so weit gehen, zu verkünden, dass das Glück anderer Menschen ihr Unglück ist und dass das Unglück anderer Menschen eine Ursache für ihr Glück ist.
Saito: Solche Menschen sind die traurigen Opfer, deren Herzen in dieser wettbewerbsorientierten Gesellschaft vergiftet sind; ihr Leben ist dunkel und pervers geworden.
Präsident Ikeda: Die Wahrheit ist, dass unser Leben, dem Glück anderer zu widmen, eine notwendige Voraussetzung ist, um selbst wirklich glücklich zu werden.
Endo: Aus Forschungen im Bereich der Tiefenpsychologie haben Carl G. Jung (1875-1961) und andere Psychologen das „ideale Leben” ungefähr so beschrieben:
In der Kindheit ein Gefühl von Sicherheit zu haben, umfangen von der Liebe der Eltern und anderer. In der Jugend fortwährende Bemühungen zu machen, etwas Höheres, Heiliges oder Göttliches zu suchen. Im Erwachsenenalter anderen zu dienen und im hohen Alter mit Hoffnung, Weisheit und einem Gefühl des absoluten Vertrauens in den Wert des Lebens, das man geführt hat, zu leben.
Präsident Ikeda: Unermüdlich zu arbeiten, um nach etwas Hohem zu streben, anderen zu dienen und ein langes und erfülltes Leben zu führen, ist dem Leben eines Bodhisattwas sehr ähnlich. Eine solche Lebensweise wiederherzustellen, wird ein grundlegendes Anliegen des einundzwanzigsten Jahrhunderts sein.
Der Kampf der Bürger von Leningrad
Suda: Ich habe gehört, dass während der Belagerung von Leningrad (das heutige St. Petersburg), die Sie in Ihrem Gespräch mit Frau Dr. Vorobyova-Desyatovskaya angesprochen haben, viele Beispiele menschlichen Dramas hervorgebracht wurden, unzählige Beispiele von Menschen, die im Geist von Bodhisattwas handelten.
Präsident Ikeda: Eine Million Bürger soll umgekommen sein, als die Nazis die Stadt beinahe neunhundert Tage lang mit einer Blockade belegten. Der Großteil von ihnen starb verhungert.
Eine Dichterin legte den Körper ihres verstorbenen Ehemannes auf einen Kinderschlitten und zog ihn bis zum Friedhof Piskarevsky, der sich am Rande der Stadt befand. Es war schmerzvoll für sie, die Leiche ihres Ehemannes zu den vielen anderen Leichen legen zu müssen, die dort aufgehäuft waren. Als sie erschöpft und hungrig die Straßen entlang ging, wobei sie oft einhalten musste, um sich auszuruhen, kam sie an Frauen vorbei, die ebenso Schlitten zogen, die Leichen trugen, die ähnlich in Leintücher oder Decken eingewickelt waren. Sie schrieb:
„Wird es für mich wirklich einen Sieg geben? Welchen Trost werde ich in ihm finden? Lasst mich allein. Lasst mich vergessen, denn ich werde alleine leben . . .”
Endo: Soweit ich weiß, haben Sie auch einmal den Piskarevsky-Friedhof besucht.
Präsident Ikeda: Ich legte für die dort Bestatteten einen Kranz nieder und brachte tief empfundene Gebete für ihr ewiges Glück dar. Ein Grabstein auf dem Friedhof trägt die Inschrift: „Niemand wird vergessen, nichts wird vergessen sein!”
Die Geschichte von Leningrad ruft uns mit dem Gewicht von Millionen von Leben, jedes davon einzigartig und unersetzlich, zu: „Frieden! Verwirklicht Frieden, egal was dazu erforderlich ist!” „Solch eine Tragödie darf sich niemals wiederholen!”
Um allen Menschen diesen unausgesprochenen Ruf zu bringen, werde ich weiter die Welt bereisen, Menschen treffen und Dialoge unaufhörlich führen.
Saito: Was hat die Bürger von Leningrad in solcher Notlage aufrechterhalten?
Präsident Ikeda: Es wurden verschiedene Aspekte und Erklärungen gegeben, aber ein wichtiger Faktor scheint Radiosendungen gewesen zu sein.
Endo: Übertragungen wurden üblicherweise über Kabelradio gesendet. Das war die Zeit, in der der Besitz von gewöhnlichen Radioempfängern, wie berichtet wird, unter Todesstrafe gestellt worden war. [Das Ziel dieser zu Beginn des Krieges eingeführten Maßnahme war es, die Bürger daran zu hindern, ausländische Sendungen zu hören.]
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Ohne Nahrung und in kalten Räumen freuten sich die Menschen auf die Dichterlesungen und musikalischen Darbietungen, die über das Radio zu ihnen kamen. Wo jedoch das bloße Überleben für die Zuhörer eine Qual war, dort mussten auch diejenigen, die die Sendungen gestalteten und ausstrahlten, um ihr eigenes Leben bitter kämpfen.
Es gab einen Dichter, der nach dem Ende einer Lesung für die Sendung vor Hunger zusammenbrach und einige Tage darauf starb. In einem anderen Fall war ein Sänger, der eine Arie sang, so geschwächt, dass er sich dabei auf einen Stock stützen musste. Er starb noch am selben Abend.
Im Studio gab es ein T-förmiges hölzernes Gestell. Es diente dazu, Vortragende zu stützen, wenn sie zu schwach waren, um stehen zu können. Der Direktor des Studios ermutigte die Vortragenden mit seinem ganzen Leben, indem er sagte: „In mehreren tausend Wohnungen warten die Menschen, Zuhörer, auf Ihre Stimme.”
Als die Radiosendungen wegen Strommangels unterbrochen wurden, boten die Bürger bereitwillig an, ihre Rationen kürzen zu lassen, damit die Sendungen wieder aufgenommen werden konnten.
Der Geist der Menschen, die die Radiosendungen produzierten und auf irgendeine Weise Hoffnung und Inspiration geben wollten, entfachte eine Flamme des Mutes in den erfrorenen Herzen der Menschen.
Die Nahrungsmittelversorgung, Heizung und Licht wurden unterbrochen. Und wenn auch die Hoffnung verloren gegangen war, waren es die Stimmen und Worte, die ihren Geist anriefen, die das Leben der Menschen aufrechterhielten. Nicht nur die Mägen werden hungrig, auch der Geist braucht Nahrung.
Saito: Das lässt uns darüber nachdenken, was die wahre Kultur ist.
Präsident Ikeda: Man sagt, dass sich Tausende von Seeleuten in der russischen Marine ihre Zeit auf See damit vertrieben, Dostojewski und Tolstoi zu lesen. Es gibt eine besonders erwähnenswerte Episode.
Einige Schriftsteller in Leningrad hatten die Idee, über die Lebenserfahrungen unter dem Belagerungszustand ein Buch zu schreiben und zu hinterlassen. Doch die Behörden wollten ihnen keine Genehmigung dazu geben. Erst eine ganze Weile später kam die Genehmigung, doch bis dahin waren viele der Schriftsteller gestorben und jene, die überlebt hatten, waren zu schwach und abgezehrt, um arbeiten zu können. Letztlich wurde nichts aus dem Projekt. Der Journalist Harrison Salisbury beschreibt die Situation mit diesen Worten:
„Die Menschen hielten sich durch das Bewusstsein zusammen, gebraucht zu werden. Sie begannen zu sterben, als sie nichts zu tun hatten. Nichts zu tun zu haben war furchtbarer als ein Luftangriff.”
Der Grund für die Verzögerung bei der Erteilung der Genehmigung soll darin gelegen sein, dass niemand in den Behörden die Verantwortung dafür übernehmen wollte, das Projekt zu genehmigen. Bürokratie beraubte die Schriftsteller ihrer Hoffnung und damit ihres Lebens.
Wie furchtbar ist es, dass die Menschen in Machtpositionen die Herzen der Menschen nicht verstehen. Das ist auch ein Punkt, den die Leiter der Soka Gakkai mit der Tiefe ihres Seins begreifen müssen.
In jedem Fall war es der Geist und die Entschlossenheit „für andere durchzuhalten,” „für alle nach meiner besten Fähigkeit zu singen” und „für die Nachwelt zu schreiben”, der diese Personen schließlich aufrechterhielt und es ihnen ermöglichte, einander zu unterstützen. Unser wahres Selbst strahlt, wenn wir uns für andere bemühen.
Dadurch strömt die fundamentale Kraft unseres Lebens hervor. Das ist die menschliche Natur. Und das ist der Weg des Lebens, den das Lotos-Sutra uns lehrt.
Nun, sprechen wir dieses Mal über „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” und „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen”, das achte und neunte Kapitel des Lotos-Sutras.
Diese Kapitel beschließen die Lehre „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“, welche das Hauptthema in der ersten Hälfte oder dem theoretischen Teil des Lotos-Sutras darstellt.
######## Von Menschen, gerettet zu werden, zu Menschen, andere zu retten
Saito: Wie aus ihren Titeln klar wird, ist das Hauptthema dieser beiden Kapitel die „Verleihung der Prophezeiung (Juki)“. Sie enthalten den Gipfelpunkt der Voraussagen des Buddhas über die Erleuchtung der Shravakas.
Der große Lehrer T’ien-t’ai aus China bezeichnet die acht Kapitel vom zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel” bis zum neunten Kapitel „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” als den Hauptteil innerhalb der theoretischen Lehre.
Vom Standpunkt der Doktrin aus gesehen, wird in diesen acht Kapiteln das Prinzip „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“ erklärt. Von der dramatischen Darstellung gesehen ist jedoch das zentrale Element wohl gemerkt die Verleihung der Prophezeiung der Erleuchtung an die Shravakas.
Präsident Ikeda: Es ist das Drama der Shravakas (Stimmen-Hörer), die ihre Augen öffnen. Ohne die Bedeutung dieses Dramas zu verstehen, kann man nicht die wahre Bedeutung der Lehre „Offenbarung des Einen Fahrzeugs durch das Öffnen der Drei Fahrzeuge (Kaisan-Ken’ichi)“ begreifen.
Was bedeutet das Erwachen der Shravakas? Zusammenfassend hat es mit ihrer Wandlung von „Menschen, die gerettet werden” in „Menschen, die andere retten” zu tun. Sie erwachten in anderen Worten zu dem „großen Wunsch”, andere entschieden zum Glück zu führen.
Die Shravakas hatten die Lehre des Buddhas aus dem Wunsch gesucht, den Leiden dieser unreinen Welt zu entfliehen – „gerettet zu werden”. Der Buddha, der ihre Herzen verstand, verkündete ihnen zuerst die Lehren der Klein-Fahrzeuge (Theravada-Buddhismus) als Weg, um Befreiung vom Leiden zu erlangen.
Endo: Ihr Fehler lag jedoch darin, dass sie an diese Lehren fest zu klammern begannen.
Suda: Im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung (Shinge-bon)” bekennen die Shravakas:
„Inmitten von Geburt und Tod erlitten wir brennende Ängste. Aus Illusionen und Unwissenheit erfreuten wir uns an minderen Lehren und klammern uns an sie.” (Seite, 261)
Präsident Ikeda: „Mindere Lehren” bedeutet die Hinayana-Lehren. Aber die wahre Absicht des Buddhas lag nicht darin, dass seine Schüler nur zu Menschen werden, die danach streben, zur Erleuchtung geführt zu werden. Daher verkündete er das Lotos-Sutra, das seine wahre Absicht offenbart.
Wonach ihr streben sollt, sagt er den Shravakas, ist nicht die Erleuchtung des Hinayana, sondern die Weisheit des Buddhas. Er sagt im wesentlichen, dass er allen Menschen ermöglichen wollte, die Weisheit des Buddhas zu erlangen und ihren Lebenszustand anzuheben, damit sie andere völlig selbständig zum Glück führen können, so wie es der Buddha tut.” Das ist die wahre Absicht des Buddhas.
Saito: Der Ausdruck „so wie es der Buddha tut” weist auf die untrennbare Einheit von Meister und Schüler hin, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Genau. Diejenige, die das Lotos-Sutra hören und mit dem Wunsch der „untrennbaren Einheit von Meister und Schüler” aufstehen, das heißt mit dem Wunsch, die Menschen zur Erleuchtung zu führen, wie es der Buddha tut, sind die Bodhisattwas des Lotos-Sutras.
Dieser Wunsch oder Eid ist gleichzeitig das „Bewusstsein der Kinder des Buddhas” – die tiefe Einsicht; „ich bin ein Kind des Buddhas und kann daher die Weisheit, das Erbe des Buddhas, in ihrer Gesamtheit erben.”
Kurz zuvor haben wir über die Aktivitäten der Bodhisattwas, die für die Radioübertragungen während der Belagerung um Leningrad verantwortlich waren, gesprochen. Hier kann man auch sagen, dass sich die Schüler Shakyamunis, von Shravakas, die „die Stimme des Buddhas hörten” in Shravakas verwandelten, die als Bodhisattwas „anderen die Stimme des Buddhas hören zu lassen”.
Die acht Kapitel in der theoretischen Lehre schildern das Drama der Shravakas, die ihre menschliche Revolution genau diesen Linien entsprechend durchführen. Die Kapitel, die wir bis jetzt besprochen haben, zeigen Shariputra (Sharihotsu) und die vier großen Shravakas, wie sie dieses Drama des Erwachens spielten. Aber in diesen beiden Kapiteln „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” und „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” sehen wir schließlich, wie alle Shravakas mit einbezogen werden.
######## In den beiden Kapiteln wird die Prophezeiung an alle Shravakas verliehen
Suda: Ich möchte damit beginnen, den allgemeinen Ablauf dieser beiden Kapitel zu sehen. Am Eingang des achten Kapitels „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” verleiht Shakyamuni an Purna (Furuna), der sich daran erfreut hatte, im vorangegangenen siebenten Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” die Predigt des Buddhas zu hören, eine Prophezeiung der Erleuchtung. Unter Shakyamunis Schülern war Purna als Erster im Predigen des Gesetzes wie auch als Erster in Beredsamkeit bekannt.
Endo: Eines Tages unternahm Purna eine Reise, um Shakyamunis Lehre unter den Menschen zu verbreiten. Ein buddhistischer Text verzeichnet eine Episode, die vor seinem Aufbruch stattfand. Obwohl einige die Meinung vertreten, dass diese Episode von einer anderen Person mit dem selben Namen handelt, möchte ich sie dennoch heute mitteilen, weil sie unabhängig von vorhandenen Meinungsverschiedenheiten Licht auf den Charakter Purnas als Schüler, der als Erster im Predigen des Gesetzes ist, wirft.
Als Purna (Furuna) dem Buddha mitteilte, dass er auf eine Reise zur Verbreitung aufbrechen wird, fragte ihn Shakyamuni:
„Purna, die Menschen in jenem Land sind dafür bekannt, dass sie ein rauhes Gemüt haben. Ohne die Ursache für die Dinge zu verstehen, sprechen sie ständig schlecht von anderen. Sie werden dich sehr wahrscheinlich verhöhnen und beschimpfen. Was wirst du tun, wenn das geschieht?”
Purna antwortet:
„Wenn das der Fall ist, werde ich mir denken: Die Einwohner dieses Landes sind gute Menschen, weil sie mich nicht mit ihren Fäusten schlagen.“
„Was wirst du dann tun,” setzte der Buddha seine Frage fort, „wenn sie dich schlagen?”
„Ich werde mir sagen”, erwiderte Purna, „die Einwohner dieses Landes gute Menschen, weil sie mich nicht mit Stöcken schlagen.“
„Wenn sie dich dann mit Stöcken schlagen, was wirst du tun?”
„Ich werde mir denken; sie sind gute Menschen‚ weil sie mich nicht mit Peitschen schlagen.”
„Was dann, wenn sie dich mit Peitschen schlagen?”
„Ich werde mir sagen; sie sind gute Menschen‚ weil sie mich nicht mit Schwertern verletzen.”
„Was machst du, wenn sie dich mit Schwertern verletzen?”
„Ich werde mir denken; weil sie mich nicht töten, sind sie doch gute Menschen.”
„Was wirst du dann tun, Purna, wenn du von den Menschen jenes Landes getötet wirst?”
Der Schüler antwortet ohne Zögern: „Es gibt solche Menschen, die selbst den Tod suchen. Weil ich aber unerwartet um des buddhistischen Gesetzes willen diesen armen, unreinen Körper ablegen könnte, würde es mir die größte Freude bringen.”
Als Shakyamuni diese Antwort hörte, war er beruhigt. „Gut denn, Purna”, sagte er, „wenn du solche Entschlossenheit besitzt, wird dir nichts geschehen. Geh’ nur.”
Es wurde überliefert, dass Purna (Furuna) daraufhin in jenes Land ging und viele Menschen zur Lehre des Buddhas bekehrte.
Präsident Ikeda: Damit konnte er seinen Wunsch verwirklichen. Purnas Name wurde als „Erfüllte Wünsche” oder „Erfüllung” in Chinesische übertragen. Ich bin sicher, dass sein Leben, seinem Namen getreu, ein Leben von großer Erfüllung war.
Der Weg, den die Kinder des Buddhas ausüben, ist nicht möglich, sich vorzustellen, weil sie die geeigneten Mittel gut gelernt haben.
Sie wissen, dass sich die Lebewesen am Kleinen Gesetz erfreuen und die große Weisheit fürchten. Aus diesem Grund verwandeln unzählige Bodhisattwas in Shravakas und Pratyekabuddhas, um die verschiedenen Arten von Lebewesen zu bekehren, indem sie unzählige geeignete Mittel anwenden. Sie erklären, dass sie selbst nur Shravakas sind und sich vom Weg des Buddhas weit entfernt befinden.
Sie befreien unermessliche Lebewesen und ermöglichen ihnen allen, ihre Ausübung zu vollenden. Auch wenn diese Lebewesen an kleinen Begierden hängen und träge gewesen sind, werden sie allmählich zur Erlangung der Buddhaschaft geführt.
Innerlich verbergen und handeln sie (die Kinder des Buddhas) insgeheim die Tat des Bodhisattwas. Doch nach außen zeigen sie sich als Shravakas.
Obwohl sie wohl scheinen, an kleinen Begierden zu hängen und den Kreislauf von Leben und Tod zu verabscheuen, reinigen sie in Wirklichkeit doch das Land des Buddhas. Sie zeigen, dass die Lebewesen von den drei Giften besessen sind. Oder tun sie, als ob sie für irreführende Ansichten interessiert wären.
Suda: Aus der Tatsache, dass er als Erster im Predigen des Gesetzes und in Beredsamkeit bekannt war, stellen wir ihn uns vor als jemanden, der in der Diskussion geschickt war und erfrischende Beredsamkeit besaß.
Der Sanskrittext des Kapitels „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” besagt jedoch: „Purna zeigt den vier Gruppen von Gläubigen das Gesetz, lehrt sie, lobt und ermutigt sie und lässt sie Freude verspüren, und er wurde niemals müde, das Gesetz zu erklären.”
Wie dies andeutet, geht es nicht um seine oberflächliche Technik oder nicht darum, dass er ein geschickter Gesprächspartner war. Was das anbelangt, kann niemand in der bloßen Redekunst vermutlich die Zungenfertigkeit eines Betrügers übertreffen.
Präsident Ikeda: Kumarajivas Übersetzung des Sutras spricht von „Purnas Fähigkeit, den vier Gruppen von Gläubigen zu zeigen, sie zu lehren, ihnen Nutzen zu bringen und sie zu erfreuen.” (Seite, 356)
Er brachte die Menschen dazu, Freude zu verspüren, dadurch, dass er ihnen das Gesetz predigte. Darauf legte Purna sein Hauptgewicht. Wenn jemand sich wirklich aus der Tiefe des Herzens erfreut fühlt, verändern sich die Menschen.
Was war die Quelle der Kraft von Purnas Beredsamkeit? Ein Faktor war wahrscheinlich seine Leidenschaft, die Lehre seines Meisters unbedingt zu verbreiten und sie mit anderen zu teilen. Egal wie geschickt Menschen im Reden sein mögen, wenn ihnen brennende Leidenschaft fehlt, werden sie die Herzen anderer nicht bewegen können.
Und die Quelle der Leidenschaft ist Überzeugung. Ich glaube, es lag auch in Purnas Charakter von Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit. Er war sozusagen eine „Person des reinen Herzens”. Ohne Zweifel waren viele von seiner Warmherzigkeit und Aufmerksamkeit berührt.
Saito: In diesem Kapitel nimmt Purna eine eigene Prophezeiung an, dass er in der Zukunft ein Buddha namens „Tathagata Helligkeit des Gesetzes“ werden wird. Ich sehe darin eine Bedeutung, dass er das Leben der Menschen mit dem strahlenden Licht des Gesetzes erleuchten wird.
Präsident Ikeda: Das wird der Tatsache entsprechen, dass die Mitglieder der Soka Gakkai, die sich für Kosen-rufu bemühen, auf ähnliche Weise das Leben vieler Menschen erleuchten.
Endo: Als sie die Prophezeiung für Purna hörten, freuten sich die zwölfhundert Arhats (Arakan). Shakyamuni erklärte, dass er auch ihnen Prophezeiungen verleihen wird und verlieh die Erleuchtung stellvertretend den fünfhundert von ihnen im voraus. Daher kommt der Ausdruck „fünfhundert Schüler” im Titel des Kapitels. Diese fünfhundert werden durch Ajanta-Kaudinya (Anja-Kyojinnyo) vertreten, der Shakyamunis erster Schüler war.
Arhats (Arakan) sind Shravakas höchsten Ranges, die die Erleuchtung der Kleinen Fahrzeuge (Hinayana-Lehren) erlangt haben. Es könnte sein, dass die fünfhundert Arhats Schüler waren, die innerhalb ihrer buddhistischen Gemeinde in der Pionierzeit eine zentrale Rolle gespielt haben.
In anderen Texten gibt es Berichte, dass Shakyamuni auf seinen Reisen fünfhundert Schüler mit sich nahm. Das kann auch der Grund dafür gewesen sein, dass Shakyamuni in seiner Prophezeiung der Erleuchtung allen fünfhundert den selben Namen „Tathagata Umfassende Helligkeit“ gegeben hat.
Was die übrigen siebenhundert Schüler betrifft, so wird im Sutra nicht genau beschrieben, wie ihnen die Prophezeiung der Erleuchtung verliehen wurde. Jedoch, da Shakyamuni zu Anfang des zehnten Kapitels „Lehrer des Gesetzes” für alle Teilnehmer der Versammlung die Erleuchtung voraussagt, können wir annehmen, dass diese siebenhundert Schüler unter den Empfängern der Prophezeiung gewesen sind.
Suda: Zu Anfang des nachfolgenden Kapitels „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” werden zuerst an Ananda (Anan) und Rahula (Ragora) Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen.
Unter Shakyamunis Schülern soll Ananda als erster im Hören der Lehren des Buddhas gewesen sein. Das heißt, dass er Shakyamuni bei dessen Predigt der Lehren mehr als jeder andere Schüler zuhörte und nach Shakyamunis Tod eine Schlüsselrolle in den Bemühungen spielte, seine Lehren zu Sutra zusammenzustellen.
Rahula war Shakyamunis Sohn aus der Zeit, bevor er der Welt entsagt hat. Unter den Schülern des Buddhas war er bekannt als erster in der unauffälligen Praxis.
Weiterhin macht Shakyamuni auch Prophezeiung der Erleuchtung für zweitausend lernende und allwissende Menschen. Das sind Shravakas, die noch nicht die Stufe des Arhat erreicht haben. Ein „Lernender” ist jemand, der noch immer mit dem Lernen beschäftigt ist, ein „Allwissender” jemand, dessen Studien beendet sind.
Präsident Ikeda: Es ist interessant zu bemerken, dass die ursprüngliche Bezeichnung für „Allwissender” aus zwei Schriftzeichen mit der Bedeutung „ohne Lernen (Mugaku)“ zusammengesetzt ist, wobei die Implikation im buddhistischen Kontext darin liegt, dass die Person ihr Lernen abgeschlossen hat und keine weiteren Studien mehr braucht.
In der modernen japanischen Verwendung hat dieser Ausdruck genau die gegenteilige Bedeutung, nämlich „ohne Wissen”, „ungebildet” oder „ignorant”. Auf den ersten Blick, wenn man sich dieses Unterschieds nicht bewusst wird, scheint die Bedeutung zu sein, dass jene „ohne Wissen” über denen mit Wissen stehen!
Suda: Dennoch, trotz der Unterscheidung zwischen lernenden und allwissenden Menschen, sind sie alle Shravakas, die noch nicht die Erleuchtung der Arhats erlangt haben.
Saito: Zusammengefasst werden in diesen beiden Kapiteln allen Shravakas (Stimmen-Hörern) unabhängig vom Grad der Verwirklichung ihrer Praxis Prophezeiungen der Erleuchtung verliehen. Die speziellen Vorhersagen über die Namen, die sie als Buddhas tragen werden sowie die Namen der Kalpas und der Länder, in denen sie aktiv sein werden, lauten folgendermaßen:
Rahula, sagt er voraus, wird ein Buddha namens Tathagata Wandelnd auf Blumen von sieben Schätzen werden. Und er sagt voraus, dass die zweitausend Lernenden und Wissenden Buddhas mit dem namen Tathagata mit dem Juwelenzeichen sein werden.
Schüler Kalpa Land Titel Purna (Furuna) Licht des Schatzes Gut und Rein Tathagata „Helligkeit des Gesetzes“ Fünfhundert Arhats (Arakan) Tathagata „Umfassende Helligkeit“ Ananda (Anan) Mystischer Klang Erfüllt Alles Stetig aufrechtes Siegesbanner Tathagata „König völlig unbeschränkter Weisheit von Berg und Meer“ Rahula (Ragora) Tathagata „Blumen wandelnder sieben Schätze Zweitausend lernende und allwissende Shravakas Tathagata „Juwelenerscheinung“
Später, im dreizehnten Kapitel „Aufforderung zum Beibehalten (Kanji)“, sagt Shakyamuni wie folgt:
„Ich habe zuvor gepredigt, dass ich im allgemeinen den gesamten Shravakas bereits eine Prophezeiung verliehen habe.” (Seite 437)
Präsident Ikeda: Wie ich zuvor erwähnt habe, liegt der Geist der Verleihung der Prophezeiung an die Shravakas eigentlich in der Verleihung der Prophezeiung an alle Menschen.
Das Versprechen der Erleuchtung bezieht sich nicht nur auf die Shravakas; sondern alle Menschen können die Buddhaschaft erlangen. Alle Menschen können die Weisheit des Buddhas erben und fähig werden, andere zum Glück zu führen. Dieser Gedanke wird insbesondere in der Verleihung der Prophezeiung an alle Shravakas ausgedrückt, völlig unabhängig von Arhats, lernenden und allwissenden Menschen.
Nichiren Daishonin sagt hierzu:
„T’ien-t’ai legt aus, dass die Erlangung der Buddhaschaft durch die Menschen der zwei Fahrzeuge darauf hinweist, dass alle Menschen ohne Unterschied die Buddhaschaft verwirklichen können.” (Japanische Gosho, Seite 463)
In den vorläufigen Lehren, die dem Lotos-Sutra vorausgingen, wurden alle Shravakas als unfähig erachtet, jemals die Buddhaschaft zu erlangen. Jedoch wurde ihnen erst im Lotos-Sutra erlaubt, die Buddhaschaft zu erlangen. Das stellt klar, dass nicht nur die Menschen der zwei Fahrzeuge, sondern alle Lebewesen in den zehn Welten die Buddhaschaft verwirklichen können.
Der Grund dafür ist, dass das Leben eines Shravakas mit allen zehn Welten ausgestattet ist. Daher zeigt die Verleihung einer Prophezeiung der Erleuchtung an einen Shravakas, dass alle zehn Welten in seinem Leben die Welt der Buddhaschaft manifestieren können. Und die Tatsache, dass die zehn Welten die Welt der Buddhaschaft manifestieren können, bedeutet wiederum, dass alle Lebewesen in jeder Welt die Buddhaschaft verwirklichen können.
Wenn andererseits die Shravakas (Stimmen-Hörer) keine Buddhaschaft erlangen könnten, würde das bedeuten, dass die Welt des Shravakas im Leben von Bodhisattwas ebenso wie die Welt des Shravakas im Leben des Buddhas die Buddhaschaft nicht verwirklichen könnten.
Endo: Wenn weder Bodhisattwas noch Buddhas die Buddhaschaft erlangen könnten, würde der Buddhismus unmöglich existieren.
Präsident Ikeda: Daher ist die Erleuchtung der Menschen der zwei Fahrzeuge der Kern des Buddhismus.
Eigentlich bestanden die Shravakas aus Menschen, die Shakyamuni in der unmittelbarsten Umgebung waren, also Menschen, die sich ständig an der Seite des Buddha befanden. Wenn Shakyamuni gerade sie nicht dazu hätte befähigen können, die Buddhaschaft zu erlangen, dann müssten wir den ursprünglichen Zweck des Buddhismus überhaupt in Frage stellen.
Man glaubte, dass die Menschen der zwei Fahrzeuge, Shravakas und Pratyekabuddhas, die Samen der Buddhaschaft in ihrem Leben „geröstet” hätten. Dadurch, dass Shakyamuni sie dazu befähigt, Buddhas zu werden, wird die Kraft des Lotos-Sutras enthüllt, allen Menschen zu ermöglichen, die Buddhaschaft zu verwirklichen.
Das Sutra verkündet allen Menschen: „Auch ihr könnt den selben Lebenszustand entwickeln wie der Buddha.” Das ist die Essenz der Verleihung der Prophezeiung (Juki).
Suda: Nichiren Daishonin erläutert den selben Geist in der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)“ folgendes:
„Wenn jetzt Nichiren und seine Anhänger Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, dann sollte es sicher heißen, dass sie den lernenden und allwissenden Menschen eine Prophezeiung von ‚alle Menschen mir gleich sein, ohne Unterschied zwischen uns’ verleihen. ... Alle von ihnen, Weisen und Unwissenden gleichermaßen, unterweisen wir in der Prophezeiung von Nam-Myoho-Renge-Kyo, denn wir ‚fordern sie trotz alledem aufdringlich heraus (Nigo-Dokushi)’.“ (Japanische Gosho, Seite 735)
Präsident Ikeda: Das ist der Geist von Kosen-rufu, den Menschen das mystische Gesetz zu erklären, egal ob sie weise oder unwissend sind oder unabhängig davon, ob sie glauben oder nicht. Selbst diejenigen, die an die Lehre nicht glauben, können durch eine „Beziehung der Gifttrommel (Dokku-no-En)” zur Erleuchtung geführt werden, das heißt, durch den Nutzen einer inversen Beziehung. Darin liegt die wahre Verleihung der Prophezeiung.
Die Mitglieder der Soka Gakkai haben diese Lehre aufrichtig in die Praxis umgesetzt. Der Geist des Lotos-Sutras lebt und gedeiht daher nur in der Soka Gakkai.
„Vereinigung der Lehren“ und „Vereinigung der Personen“
Saito: Wie wir bis jetzt gesprochen haben, nehmen beginnend mit dem dritten Kapitel „Gleichnis und Parabel” die Shravakas, stellvertretend von Shariputra (Sharihotsu), einer nach dem anderen Prophezeiungen ihrer zukünftigen Erleuchtung an. Das bezeichnet ihre revolutionäre Wandlung von „Menschen, die gerettet werden” zu „Menschen, die andere retten”. Die Shravakas werden in anderen Worten zu Bodhisattwas.
Endo: Wie im zweiten Kapitel „Geeignetes Mittel” steht;
„Ich wende nur den Weg des Einen Fahrzeugs an, um sämtliche Bodhisattwas zu lehren und zu bekehren, und habe keine Schüler der Shravakas mehr.” (Seite 190)
Das ist die „Vereinigung der Personen”, die wir im Kapitel „Geeignetes Mittel“ bereits festgestellt haben. Das heißt, dass die Lebewesen, die durch den Weg des Einen Fahrzeugs (Lotos-Sutra) gelehrt und bekehrt werden, alle Bodhisattwas sind.
Saito: „Vereinigung (Kai-e)“ bedeutet, hier Dingen zu vereinheitlichen, die man sich ursprünglich als unterschiedlich oder getrennt vorstellte, dadurch, dass man sie von einem noch höheren Standpunkt aus erfasst.
Im Zusammenhang mit den „Lehren (Ho)“ bedeutet „Vereinigung (Kai-e)“, dass der Buddha nur das Eine Buddhafahrzeug predigt und dass es keine getrennten Lehren der drei Fahrzeuge (Shravakas, Pratyekabuddhas und Bodhisattwas) gibt. Ob die drei Fahrzeuge als unterschiedliche Lehren betrachtet wird, liegt lediglich an der Seite der Menschen, die diese Lehren empfangen. In der höchsten Ebene des Buddhas, erklärt er, wird alles dahingehend vereinigt, so dass es schließlich einen einzigen Weg zur Erlangung der Buddhaschaft, das eine Buddhafahrzeug, gibt.
In Bezug auf die „Personen (Nin)“ wird definiert, dass der Buddha nur Bodhisattwas lehrt und bekehrt, die den Wunsch hegen, die Buddhaschaft zu erlangen, und dabei gibt es keine Unterscheidungen zwischen Shravakas, Pratyekabuddha und Bodhisattwa unter den Schülern, die er unterweist.
Vom Standpunkt der „Vereinigung der Personen (Nin-Kai-e)” erfasst der Buddha, dass alle Menschen in der Tiefe ihres Lebens danach streben, Buddhas zu werden und einen suchenden Geist nach der Weisheit des Buddhas besitzen. Von dieser Dimension gesehen sind alle Menschen gleichermaßen als Bodhisattwas vereinigt.
Am Anfang des Kapitels „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” hört Purna die Predigt Shakyamunis vom vorhergehenden Kapitel „Parabel des Phantomschlosses”, in dem die seit der entfernten Vergangenheit von Sanzen Jintengo andauernde mystische Beziehung von Meister und Schüler erklärt wird, und erkennt dadurch seinen eigenen „im Herzen tief gehegten, ursprünglichen Wunsch“. (Seite 356)
Hier wird in anderen Worten darauf hingewiesen, dass er sich seit der entfernten Vergangenheit danach gesehnt hat, die Buddhaschaft zu erlangen, und gemeinsam mit seinem Meister Shakyamuni die Ausübung des Bodhisattwas durchgeführt hat. Bevor er ein Shravakas wurde, war er bereits ein Bodhisattwa gewesen. Und das ist ein Erwachen, das er erlebte, was sein eigentliches Selbst ist.
Die Bedeutung der „Vereinigung der Personen” im Lotos-Sutra liegt in der Offenbarung, dass alle Lebewesen auf der Ebene von „tiefem Herzen“ ursprünglich Bodhisattwas sind. Nicht abhängig von der äußeren Erscheinung der Menschen, sondern vielmehr auf der Ebene des Lebens wird vereinigt erfasst, dass alle Menschen gleich sind.
Präsident Ikeda: Diese egalitäre Gesetzmäßigkeit des Lebens wird gerade durch die Prinzipien des „gegenseitigen Besitzes der zehn Welten (Jikkai-gogu)“ und von Ichinen Sanzen untermauert.
Suda: Im Kapitel „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” wird auch erklärt, dass Ananda nicht in seiner Praxis als Shravakas als „erster im Hören der Lehren des Buddhas” war, sondern auf der Grundlage seines „ursprünglichen Wunsches” als Bodhisattwa. Der Grund dafür war, dass er dadurch, dass er das Gesetz als Begleiter des Buddhas ständig hörte und es anderen weitergab, andere zur Erlangung der Buddhaschaft führen konnte.
Endo: Dasselbe gilt für Rahulas Tugend als erster in der unauffälligen Ausübung. Rahula (Ragora) wurde als Shakyamunis Sohn geboren. Und der Grund, warum er Shakyamunis Schüler wurde, nachdem dieser die Erleuchtung erlangt hatte, wird erklärt, dass Rahula niemals Shravakas wurde, sondern dass er die unauffällige, geheime Praxis mit fester Entschlossenheit durchführte, um die Buddhaschaft zu erlangen. Seine Praxis, die die anderen nicht merken konnten (daher unauffällig), war eigentlich die Ausübung des Bodhisattwas. Dasselbe gilt genauso für die Shravakas im Zustand der lernenden und allwissenden Menschen.
Präsident Ikeda: Und so enthüllen die beiden Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” und „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen”, dass alle Shravakas ursprünglich Bodhisattwas sind. Daher können wir die „Vereinigung der Shravakas“ bzw. die Enthüllung ihres wahren Daseinsgrunds als das Zentralthema dieser beiden Kapitel ansehen.
Diese Ansicht, dass sie „ursprünglich Bodhisattwas” sind, oder dass „ihnen die Erlangung der Buddhaschaft gesichert wurde”, basiert natürlicherweise auf dem Standpunkt des „theoretischen Teils (Shakumon)“ des Lotos-Sutras. Vom Standpunkt des „wesentlichen Teils (Honmon)“ oder zweiten Hälfte des Sutras (von der implizierten Bedeutung der Lehre – „Montei“ – aus gesehen) geht es um die Offenbarung, dass „unser Leben ursprünglich ein Buddha ist”. (Japanische Gosho, Seite 788)
Der Standpunkt der theoretischen Lehre des Lotos-Sutras ist, dass man die Praxis des Bodhisattwas durchführt und dann ein Buddha werden könne, in anderen Worten, dass man von der Ursache zur Wirkung (von den neun Welten in die Welt der Buddhaschaft) vorangeht.
Im Gegensatz dazu nimmt die wesentliche Lehre des Lotos-Sutras den Standpunkt ein, dass ein Buddha, der seit der entfernten Vergangenheit erleuchtet ist, die Ausübung des Bodhisattwas durchführt; in anderen Worten, dass man von der Wirkung zur Ursache (von der Welt der Buddhaschaft zu den neun Welten) fortschreitet. Von diesem Standpunkt kann man sagen, dass das Leben eines Bodhisattwas in Wirklichkeit nichts anderes als das Leben des Buddhas ist.
Und sich an den „im Herzen tief gehegten, ursprünglichen Wunsch“ zu erinnern, bedeutet, dass sie zum „Säen in der entfernten Vergangenheit“, nämlich zum Bewusstsein zurückkehren, dass der Samen der Buddhaschaft bereits gesät ist.
Anders gesagt, obwohl sie annahmen, dass sie sich ernsthaft bemühten, Buddhas zu werden, bewegten sich die Shravakas von der Ursache zu der Wirkung (d. h. sie praktizierten vom Standpunkt der theoretischen Lehre). Doch sobald sie den Gipfel des Lotos-Sutras besteigen und um sich blicken, öffnet sich die Welt, und sie erblicken das weite Panorama des Universums.
An diesem Punkt verstehen sie, dass der Buddha, der seit der entfernten Vergangenheit erleuchtet ist, unaufhörlich die Ausübung des Bodhisattwas durchführt, um alle Lebewesen in den zehn Welten anzuleiten. (Das ist der Standpunkt des wesentlichen Teils, des Voranschreitens von der Wirkung zur Ursache.) Der Buddha führt seine ganzen Aktivitäten ohne Unterbrechung oder Veränderung ewig durch, über die drei Lebensexistenzen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hindurch.
Als die Shravakas sich selbst betrachten, erkennen sie, dass sie als gewöhnliche Sterblichen seit der entfernten Vergangenheit mit dem Buddha in einer Beziehung der Einheit von Meister und Schüler sind und mit dem Meister vereint die Ausübung des Bodhisattwas für das Ziel von Kosen-rufu durchführen.
Die Bedeutung des „wesentlichen Teils (Honmon)“ des Lotos-Sutras darin, dass dieser tiefe wahre Aspekt des Lebens allen Lebewesen, die sich an der Predigt des Lotos-Sutras versammelt sind, enthüllt wird. Wir werden dieses Thema bei einer anderen Gelegenheit noch ausführlicher besprechen können.
######## Menschen! Kehrt zum Menschen zurück!
Präsident Ikeda: Nun geht es um die Bedeutung dieser „Vereinigung der Personen (Nin-Kai-e)“; Sie wird dahin geführt, dass man alle Unterschiede zwischen den Menschen von einer tieferen Ebene des Lebens überwindet und erkennt, dass alle Menschen verehrungswürdig sind.
Während des kalten Krieges waren zum Beispiel die Türen zu Ländern des Sozialismus fest geschlossen, als ob sie zugefroren oder mit Eisen vergittert gewesen wären. Es gab jedoch keinen Grund, wieso ungeachtet der Unterschiede zwischen Kapitalismus und Sozialismus auf der Grundlage des allgemeinen Verständnisses, dass wir alle Menschen sind, kein Austausch stattfinden kann. Das war meine feste Überzeugung.
Saito: Als Sie, Präsident Ikeda, die ehemalige Sowjetunion besuchten, wurden Sie von vielen Menschen kritisiert, und es wurde zum Beispiel die Frage gestellt, wieso eine religiöse Persönlichkeit ein Land, in dem die Religion verneint wird, besuchen musste. Aber Ihre Antwort auf diese Angriffe war völlig klar: „Weil es dort Menschen gibt.”
Ich kann mich deutlich erinnern, wie bewegt ich von ihren Handlungen war und ich dachte, dass dies wirklich ein Beispiel der „Vereinigung der Personen (Nin-Kai-e)” in diesem modernen Zeitalter ist.
Endo: Konkret gesagt, bedeutet „Austausch auf einer menschlichen Ebene“ Austausch in den Bereichen von Kultur und Erziehung. Einen solchen Austausch zu entwickeln und durchzuführen, bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes die Ausübung des Lotos-Sutras.
Präsident Ikeda: Russland hat ebenfalls viele große Schriftsteller hervorgebracht, darunter Tolstoi und Dostojevski, die die Menschen dazu aufriefen, die Unterschiede zwischen einander zu überwinden und zum Menschen zurückzukehren.
Suda: Dostojevski wurde wie Frau Dr. Worobyova-Desyatowskaya im heutigen St. Petersburg (ehemals Leningrad) geboren.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Im späten neunzehnten Jahrhundert waren die russischen Intellektuellen in zwei Lager gespalten, westeuropäisch orientierte, die von den Gedanken und Traditionen Westeuropas begeistert waren, und nationalistische Slawophile.
Dostojewski beschrieb die Mitglieder beider dieser Gruppen als „unglückliche Wanderer”, die von den Menschen entfremdet waren. Er rief aus:
„Oh, dieser ganze Slawophilismus und die Verehrung des Westens sind alles schließlich ein großes Missverständnis, wenn auch sie historisch unvermeidlich gewesen sind. ... Ja, die Bestimmung des Russen ist unbestreitbar gesamteuropäisch und universell. Ein echter und umfassender Russe zu werden, bedeutet vielleicht (und das sollten Sie sich merken), ein Bruder aller Menschen zu werden.“
„Werde ein Mensch!”, rief er aus, „dadurch wirst du der Freund aller Menschen werden.”
Endo: Ich habe mich jetzt an Ihren Essay über Ihre Eindrücke, als Sie die Eremitage in Leningrad besuchten, erinnert. Sie schrieben:
„Was die Menschen in der weiten Zukunft, nach zahllosen Generationen von Großenkeln unserer Großenkel, ihre Vergangenheit durchforschen und ausgraben, ist stets ‚Mensch’ selbst. Es ist wohl nicht schwierig denkbar, dass die Menschen zu jener Zeit nur davon ergriffen sein werden, welch wunderbare humanistische Kultur die Menschheit über die gesellschaftssystematischen Dimensionen wie Sozialismus und Kapitalismus hinweg hervorgebracht hat – allein vom Glanz des dieser gesamten Kreativität tief zugrunde liegenden Menschenlebens.“
Das war vor über zwanzig Jahren. Die Menschheit nähert sich immer mehr dieser Erkenntnis, wie es scheint.
Saito: Ich empfinde, dass auch Dostojewskis Gedanke unweigerlich zu der Strömung des „Humanismus“ und „Weltbürgers“ geführt wird, für deren Entwicklung Sie konsequent gearbeitet haben, Präsident Ikeda.
Präsident Ikeda: Russland ist ein großartiges Land. Es hat einige der besten literarischen und musikalischen Werke der Welt hervorgebracht. Und nachdem es sein grandioses Experiment mit dem Sozialismus beendet hat, kämpft es jetzt darum, eine neue Phase in der menschlichen Geschichte zu öffnen.
Die Menschen in Russland sind Pioniere der Menschheit. Mir scheint, dass sie bei der Bewältigung der Probleme, denen der Rest der Menschheit in der Zukunft gegenüberstehen wird, die Führungsrolle übernommen haben. Daher sind ihre Sorgen groß, und ihre Aufgabe ist ebenso riesig. Dostojewski schreibt davon, „ein Bruder aller Menschen” zu werden. Welch wunderbares Gefühl der Aufgabe! Wir müssen noch viel von dem edlen Geist Russlands lernen.
Nebenbei bemerkt finde ich unvermeidbar, dass wir im Zusammenhang mit diesem Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” über die „Parabel vom Juwel im Gewandsarm“ sprechen, nicht wahr?
######## „Parabel vom Juwel im Gewandsarm“ – Freude des Erwachens
Endo: Das stimmt. Nachdem sie von Shakyamuni eine Prophezeiung der Erleuchtung angenommen haben, erzählen die fünfhundert Schüler die „Parabel vom Juwel im Gewandsarm“ als „Beweis ihrer Freude“.
„Außer sich in ihrer Freude knien die fünfhundert Arhats (Arakan) ehrfürchtig zu Shakyamunis Füßen nieder. Sie bereuen ihren Fehler, sich mit der kleinen Weisheit der Arhats zufriedengegeben und die Weisheit des Tathagatas nicht gesucht zu haben, und tadeln sich. (Seite 211)
Sie sprechen darüber, dass sie in ihrer früheren Dummheit wie „ein armer Wanderer” gewesen seien, und erzählen dazu eine Parabel vom Juwel im Gewandsarm. Sie lautet folgendermaßen:
„Zum Beispiel gibt es ein armer Mann, der seinen lieben Freund zuhause besucht. Nachdem er dort nach Herzenslust gespeist und getrunken hat, fällt er in einen betrunkenen Schlaf. Da muss der Freund plötzlich wegen einer offiziellen Angelegenheit dringend fortgehen. Bevor er aber fortgeht, hat der Freund ein „unschätzbares Juwel” in das Gewandfutter des Mannes eingenäht. Weil der arme Mann betrunken schläft, ist er sich dessen völlig unbewusst. Und er bleibt später unwissend über das Juwel, während er von einem Land zum nächsten wandert. Im Laufe der Jahre wird er völlig mittellos, und sein Leben ist erfüllt von Leiden. Er arbeitet, um sich zu kleiden und zu ernähren, aber seine Leiden dauern unvermindert weiter an. Und immer, wenn er ein wenig Geld erhält, fühlt er sich ganz zufrieden.“ (Seite 368)
Saito: Er lebt von der Hand in den Mund.
Präsident Ikeda: Es gibt auch heute viele Menschen, die sich spirituell in einer ähnlich prekären Situation befinden.
Endo: Wir müssen uns auch vorsehen, nicht in eine solche Lage zu geraten.
Suda: Schließlich trifft der Freund den armen Mann wieder. Als er seine zerlumpte Erscheinung sieht, sagt er ihm:
„Wie absurd, alter Freund! Wieso solltest du all das nur für Nahrung und Kleidung getan haben? In der Vergangenheit habe ich sichergestellt, dass du in Behaglichkeit leben kannst, indem ich ein unschätzbar wertvolles Juwel nahm und es in das Futter deines Gewandes nähte. Es muss jetzt noch immer dort sein. Doch du wusstest nichts davon und hast dich gegrämt und erschöpft in dem Versuch, deinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Welch Dummheit! (Seite 368)
Da sieht der arme Mann schließlich das Juwel, von dem sein Freund ihm erzählt hat, und ist voller Freude.
Saito: Was ist das „unschätzbar wertvolle Juwel”? Das Sutra beschreibt es als den „Mut, umfassende Weisheit zu suchen” sowie als den „Wunsch, umfassende Weisheit zu suchen“. (Seite 369)
„Umfassende Weisheit” ist die Weisheit des Buddhas. Und das „unschätzbar wertvolle Juwel“ ist in anderen Worten der Geist, die Weisheit des Buddhas zu suchen, sowie das Herz, sich nach der Erlangung der Buddhaschaft zu sehnen.
Wie im Kapitel „Parabel des Phantomschlosses” erklärt wird, wurde dieses Herz in der entfernten Vergangenheit von Sanzen Jintengo in ihrem Leben gebildet, als sie von Shakyamuni, der damals ein Bodhisattwa war, das Lotos-Sutra hörten. In der Parabel wird dies durch das Juwel dargestellt, das von seinem guten Freund in das Gewandfutter des Mannes genäht wurde. Es muss nicht eigens gesagt werden, dass der „gute Freund” Shakyamuni ist.
Endo: Die Realität, dass der Mann in Armut umherwandert und sich mit seiner prekären Existenz zufrieden gibt, stellt den Lebenszustand der Shravakas dar, die die Hinayana-Lehren studierten und sich nur mit der minderen Erleuchtung von Arhats zufrieden fühlten, ohne die Weisheit des Buddhas zu suchen.
Und ein Beispiel, dass sich der arme Mann erneut mit dem guten Freund zusammentrifft und über das unschätzbar wertvolle Juwel erfährt, entspricht der Tatsache, dass die Shravakas jetzt das Lotos-Sutra hören. Das heißt, dadurch, dass sie in der Gegenwart das Lotos-Sutra hören, erinnert er sich an seinen „ursprünglichen Wunsch”, die Buddhaschaft erlangen zu wollen, den Wunsch, der in ihrem Leben vor der entfernten Vergangenheit von Sanzen Jintengo entstanden ist.
Präsident Ikeda: Sie sind zu ihrem „ursprünglichen Selbst” zurückgekehrt. Das ist das „Erwachen der Shravakas”. Sie wachen auf aus der „Betrunkenheit der Dunkelheit”, nämlich der Unwissenheit über die wahre Natur ihres Lebens.
Ein Schlüsselwort ist „sich erinnern”. Sie kehren zu ihrem eigenen Ausgangspunkt zurück. Sie erkennen das Gesetz, das der Urquell ihres eigenen Lebens ist. Es ist eine Frage der „Rückkehr zum Selbst”.
Und es ist die Trunkenheit der „Unwissenheit,” die sie dies vergessen lässt. T’ien-t’ai sagt, dass diese Trunkenheit schwer oder leicht sein kann.
Saito: Also gibt es „schwere Trunkenheit” und „leichte Trunkenheit”. „Schwere Trunkenheit” ist der Zustand, in dem man überhaupt keine Erinnerung besitzt. Es ist wie völlig betrunken zu sein. „Leichte Trunkenheit” ist wie der Zustand einer Person, die zur jeweiligen Zeit nur leicht beschwipst ist, die aber danach alles vergisst.
Präsident Ikeda: Es gibt zwar Unterschiede im Ausmaß der Trunkenheit, doch in jedem Fall kann sich die Person nicht mehr erinnern. Das ist die Bedeutung von „Dunkelheit”. Weil ihre Herzen in Dunkelheit gehüllt sind, können sie nicht verstehen, wie großartig ihr eigenes Leben ist.
Endo: Trunkenheit und Unwissenheit – das wäre doch ein Gleichnis, das derjenige, der den Alkohol gerne trinkt, wahrscheinlich direkt verstehen könne.
Suda: Menschen, die betrunken sind, können nur schwer erkennen und zugeben, dass sie betrunken sind.
Saito: Und es ist auch sehr schwierig, jemanden aufzuwecken, der bewusstlos vor Betrunkenheit ist.
Präsident Ikeda: Mir scheint aber, dass die meisten von euch erst nach viel unermüdlicher Ermutigung der Mitglieder in der Frauenabteilung zum Glauben erwacht sind, war das nicht so?
Suda: In der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)” erklärt der Daishonin:
„Jetzt, wenn Nichiren und seine Anhänger Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, sind sie vom Wein der Unwissenheit erwacht.” (Japanische Gosho, Seite 735)
Das erfrischende Gefühl, das wir verspüren, nachdem wir Daimoku gechantet haben, ist doch die Freude, dass unser Leben aus dem trunkenen Schlaf der Dunkelheit erwachen kann.
Endo: Ein Absatz des Lotos-Sutras lautet: „Als der arme Mann dieses Juwel sah, wurde sein Herz von großer Freude erfüllt” (Seite, 371)
In der „Aufzeichnung der Vorlesungen über das Lotos-Sutra (Ongi-kuden)” sagt Nichiren Daishonin über diese Stelle:
„Dieser Satz bezeichnet die Erkenntnis, die wir zum erstenmal gewonnen haben, dass unser Leben ursprünglich ein Buddha ist, als große Freude. Sozusagen; Nam-Myoho-Renge-Kyo ist die größte Freude aller Freuden. (Japanische Gosho, Seite 788)
Präsident Ikeda: Wir alle sind „ursprünglich ein Buddha”.
Das Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” spricht von dem „im Herzen tief gehegten, ursprünglichen Wunsch. Kurz gesagt ist dies der „große Wunsch“, dass wir die gesamte Menschheit retten wollen. An diesen „großen Wunsch“ haben sich die Shravakas wieder erinnert. Nichiren Daishonin erklärt:
„Der große Wunsch ist, das Wahre Gesetz (Hokke) zu verbreiten“
(Japanische Gosho, Seite 736)
Es handelt sich darum, dass wir uns auf diesen großen Wunsch begründen. Dadurch entdecken wir das „unschätzbar wertvolle Juwel, das im Gewandsaum versteckt ist”.
Endo: Früher habe ich mir ein Bild von dem „unschätzbar wertvollen Juwel” als etwas vorgestellt, wie eine unerschöpfliche Quelle von Nutzen, das uns ermöglicht, zu erlangen, was immer wir uns wünschen.
Präsident Ikeda: Wenn wir uns auf dem großen Wunsch für Kosen-rufu begründen, werden wir all unsere Wünsche erfüllen können.
Bei einer Versammlung bemerkte einmal der zweite Präsident der Soka Gakkai, Josei Toda, nachdem er voller Freude zugehört hatte, wie Mitglieder ihre Erfahrungen von Nutzen im Glauben erzählten:
„Nutzen der Art, wie er in den gerade erzählten Erfahrungen erwähnt wurde, zählt kaum als Nutzen. Wenn der Nutzen, den ich empfangen habe, in seiner Größe dieser Halle entspricht, dann ist ihr Nutzen nur so groß wie ein Finger.” (Juni 1953)
Ich erinnere mich klar an die Szene, weil ich auch an der Versammlung teilnahm und als Vertreter der Jugendabteilung sprach. Toda Sensei hatte den großartigen und tiefen Nutzen des mystischen Gesetzes mit seinem gesamten Wesen erlebt. Und er wünschte aufrichtig, dass jedes Mitglied der Soka Gakkai ohne Ausnahme gleichermaßen diesen großartigen Nutzen empfangen möge.
Ich konnte in diesen Worten von ihm deutlich seine ungeheure Barmherzigkeit spüren. So rief er aus und forderte uns auf, unser Leben auf die Grundlage des großen Wunsches für Kosen-rufu zu stellen. Er sagte uns, dass er uns ermöglichen wollte, durch die Arbeit für Kosen-rufu großen Nutzen zu erhalten. Letztlich sind es wir selbst, nicht andere, die am meisten Nutzen von unserer Arbeit für Kosen-rufu erhalten.
Endo: Ich habe gut verstanden. Das heißt, die Aktivitäten der Soka Gakkai besitzen tiefe, sehr tiefe Bedeutung.
Auch „Schicksal“ in „Aufgabe“ zu verwandeln
Präsident Ikeda: Wenn wir uns auf die Grundlage des großen Wunsches für Kosen-rufu stellen, dann erhält alles, jede Situation, Wert für unser Leben. Nichts um uns ist bedeutungslos, keine Bemühung ist umsonst. Der Daishonin ruft aus:
„Ich wünsche mir, dass all meine Schüler den großen Wunsch hegen. ... Da der Tod in jedem Fall bevorsteht, sollten Sie, selbst wenn vorübergehend, gewillt sein, Ihr Leben für das Lotos-Sutra darzubringen. Stellen Sie sich dies als einen Tautropfen vor, der wieder in den Ozean einfließt, oder als Staubkorn, das zur Erde zurückkehrt.” (Japanische Gosho, Seite 1561)
Es gibt noch die goldenen Worte, die wie folgt lauten:
„Genau wie Tau, der in den Ozean eintritt, oder Staub, der zur Erde hinzugefügt wird, wird ihr Glück Leben um Leben weder vergehen noch in Welt um Welt verderben.” (Japanische Gosho, Seite 968)
Das Leben, sagt er, ist so flüchtig wie „Tau”. Im größeren Zusammenhang der Dinge mag unser Körper so unbedeutend sein wie „Staub”. Doch unser Leben wird ewig, wenn wir den „großen Wunsch” des Glaubens manifestieren und auf seiner Grundlage handeln. Zusammen mit dem großen Ozean des Lotos-Sutras und der großen Erde des mystischen Gesetzes wird es in alle Ewigkeit niemals verschwinden oder verfallen. Wir werden ewig mit dem großen Lebenszustand des Buddhas verbunden sein, so verspricht der Daishonin.
Und wir spielen ein derartiges dynamisches Drama.
Suda: Da wir gerade vom „Spielen“ eines Dramas sprechen – im Kapitel „Annahme der Prophezeiung durch fünfhundert Schüler” gibt es folgende Stelle:
„Innerlich verbergen und handeln sie (die Kinder des Buddhas) insgeheim die Tat des Bodhisattwas. Doch nach außen zeigen sie sich als Shravakas. Obwohl sie wohl scheinen, an kleinen Begierden zu hängen und den Kreislauf von Leben und Tod zu verabscheuen, reinigen sie in Wirklichkeit doch das Land des Buddhas.“ (Seite 361)
Obwohl sie in anderen Worten nach außen hin die Erscheinung von Shravakas zeigen, die versuchen, den Kreislauf von Geburt und Tod zu verabscheuen und dem zu entfliehen, doch in Wirklichkeit führen sie die Ausübung des Bodhisattwas aus, das Land des Buddhas zu reinigen.
Saito: Als nächstes predigt Shakyamuni wie folgt:
„Sie zeigen, dass die Lebewesen von den drei Giften besessen sind. Oder tun sie, als ob sie für irreführende Ansichten interessiert wären. Auf diese Weise verwenden meine Schüler die geeigneten Mittel, um die Lebewesen zu retten.“ (Seite 361)
Die scheinbare Befleckung der Shravakas durch die drei Gifte von Habgier, Ärger und Dummheit und ihre Bindung an irrige Ansichten sind nur geeignete Mittel, die sie anwenden, um alle Menschen zur Erleuchtung zu führen, so versteht es sich.
Präsident Ikeda: Von unserem Standpunkt aus sind wir auf dieser Welt geboren worden, um den „großen Wunsch” zu erfüllen, den wir seit der entfernten Vergangenheit gehegt haben. Wenn wir uns davon überzeugt haben, werden wir einsehen, dass all unsere Leiden und Illusionen in diesem Leben geeignete Mittel sind, damit wir anderen helfen können, glücklich zu werden.
Wenn wir von Anfang an mit allem Glück und völlig frei von Leiden vor anderen Menschen erschienen wären, dann könnte niemand die Großartigkeit des mystischen Gesetzes verstehen. Außerdem wird es unwahrscheinlich sein, dass wir dann die Herzen der Menschen verstehen können.
Alle unsere karmischen Leiden haben wir selbst „freiwillig gewollt ausgesucht”, damit wir sie überwinden und einen Beweis des Sieges zeigen können. Es ist wichtig, dass wir uns davon überzeugen. Da es Leiden sind, die wir selbst geschaffen haben, um über sie zu triumphieren, ist unser Sieg sicher. Daher ist es unmöglich, dass wir davon besiegt werden.
Wenn wir zum „großen Wunsch” für Kosen-rufu erwachen, das heißt, wenn wir erkennen; „Ich bin ursprünglich ein Buddha”, dann verändert sich sogar ein hartes Schicksal in eine Aufgabe. Wir sind mit Leiden geboren wie jeder andere auch. Aber indem wir immer gemeinsam mit den Menschen praktizieren, erbauen wir ein Leben des höchsten Glücks. Das ist das Drama der Aufgabe, das wir spielen.
######## Soka Gakkai – durch Menschen erbaut,
######## die sich auf den „großen Wunsch“ stützen
Saito: Da wir gerade davon sprechen, alles in eine Quelle des Nutzen und des Wertes zu verwandeln – in der SGI gibt es wirklich eine große Mannigfaltigkeit von Menschen. Das ist, weil die SGI sich nicht auf einen engen, voreingenommenen „kleinen Wunsch,” sondern auf den großen Wunsch” für das Glück der gesamten Menschheit stützt.
Suda: Es gibt auch Leiter, die sehr intelligent sind, sehr günstige Umstände genießen oder die akademischen Titel von renommierten Institutionen besitzen. Dann gibt es wieder Leiter, die zwar keine akademischen Grade oder Titel besitzen und in ihrem Leben hart kämpfen müssen und die Herzen der Menschen besser als jeder andere verstehen. Ich denke, dass jeder seine Aufgabe besitzt und seine eigene Rolle übernehmen und spielen muss.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Doch wir dürfen nie und nimmer vergessen, dass es absolut keine Intellektuellen waren, die angestrengt dafür gearbeitet haben, die Soka Gakkai wieder aufzubauen, als Japan nach dem Ende des zweiten Weltkrieges in Trümmern lag. Das waren einfache, gewöhnliche Menschen. Obwohl sie stetig als „Vereinigung der Kranken und Armen” verspottet wurden, waren sie es, die diese große Bewegung von Menschen vereint für Frieden, Kultur und Erziehung aufgebaut haben, die heute die ganze Welt umspannt.
Intellektuelle besitzen gewisse Stärken und haben auch Schwächen. Insbesondere japanische Intellektuelle zeigen scheinbar eine starke Neigung dazu, anstatt die Menschen zu beschützen, sich selbst und ihre eigenen Interessen zu schützen. In einem Leben, das dem großen Wunsch für Kosen-rufu gewidmet ist, gibt es keinen Bedarf für solch ein passives, konservatives Denken. Es geht darum, die engen Interessen des kleinen Selbst abzulegen und selbstlos zu sein, wie Nichiren Daishonin sagt:
„ ... als Staubkorn, das zur Erde zurückkehrt.” (Japanische Gosho, Seite 1561)
Insbesondere junge Menschen sollten hart kämpfen und mutig mit Schwierigkeiten auseinander zu setzen, mit der Entschlossenheit, dass je größer ihre Kämpfe sind, sie umso besser die Herzen der Menschen verstehen werden können und ihre Aufgabe umso größer sein wird.
In jedem Fall ruft das Lotos-Sutra den Menschen der zwei Fahrzeugen, Shravakas und Pratyekabuddhas, zu: „Kehrt zur Quelle des Lebens zurück!” „Erinnert euch an euren großen Wunsch!” In konkreten Handlungen ausgedrückt, bedeutet dies, inmitten der Menschen zu leben und zu arbeiten. Vor allem fordert das Lotos-Sutra sie auf: „Lernt von den Menschen!” Dostojewski warnt die Intellektuellen wie folgt:
„Lasst uns von den Menschen lernen, wie sie über die Wahrheit sprechen, und lasst uns gleichzeitig die Bescheidenheit der Menschen, ihre praktische Vernunft und die Schlichtheit ihres Geistes aufrichtig lernen.” Und er setzt fort:
„Warum kann die Gesellschaft nicht beseelt werden? Weil Ihr euch nicht auf die Menschen stützt und die Menschen geistig mit euch nicht vereint sind, so dass sie euch völlig fremd sind.”
Endo: Das war seine Überzeugung, die gerade aus einer Person entsteht, die während seines langen Exils gemeinsam mit den Menschen durchweg gelebt hatte.
Präsident Ikeda: Besonders erwähnenswert ist, dass Dostojewski, der einmal seinen religiösen Glauben zugunsten eines „europäischen Liberalismus” aufgegeben hatte, dank seiner Erfahrung im Leben unter den Menschen seine Spiritualität wiedererlangte. Für Dostojewski waren die Menschen die „große Erde”, die ihn den Glauben an seine Wurzeln als menschliches Wesen lehrte.
Es ist äußerst interessant, dass Dostojewski an dem Tag, an dem er starb, seine Frau darum bat, ihren Kindern die Parabel vom verlorenen Sohn aus der Bibel vorzulesen.
Endo: Die Parabel vom verlorenen Sohn erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der sein Heim verlässt und sein Vermögen in ausschweifendem Leben in einem fernen Land verschwendet und der, als er den Irrtum seines Verhaltens erkennt, bereut und in die Arme seines Vaters zurückkehrt, wo ihm alles vergeben wird.
Suda: Es gibt Gelehrte, die diese Parabel aufgrund ihrer Ähnlichkeiten zur „Parabel vom reichen Mann und seinem armen Sohn“ im Lotos-Sutra (im vierten Kapitel „Glaube und Überzeugung”) als Beweis für den Einfluss des Lotos-Sutras ansehen.
Präsident Ikeda: Dostojewski wünschte, durch religiösen Glauben seine geistige Wanderschaft zu beenden. Gleichzeitig wollte er andere Wanderer gemeinsam mit sich zurückführen. Er wollte ihnen helfen, zur „großen Erde” der Menschen zurückzukehren, wo der Glaube so lebendig pulsiert.
„Wanderer” entsprechen dem armen Sohn in der „Parabel vom reichen Mann und seinem armen Sohn“ ebenso wie dem armen Mann in der „Parabel vom Juwel im Gewandsaum“. Auf gewisse Weise könnte man sagen, dass die gesamte Menschheit heute in der Situation des verlorenen Sohnes oder des armen Mannes ist.
Wir, Mitglieder der SGI, rufen der Menschheit zu, die verloren durch das Leben irrt: „Hier ist die große Erde, zu der du zurückkehren kannst!” „In deinem Herzen besitzt du den Schlüssel, dein Umherirren zu beenden!” Das ist das Leben, das wir führen. Und solche Handlungen stellen den wahren Weg dar, durch den wir uns aus einem Leben der „Armut” befreien können. Inmitten des Sturmes der Verfolgung erklärt Nichiren Daishonin:
„Es ist Nichiren, der in der gegenwärtigen Zeit im Land Japan der wohlhabendste ist. Mein Leben widme ich dem Lotos-Sutra und werde somit meinen Namen der Nachwelt überliefern.“ (Japanische Gosho, Seite 223)
Ich wünsche mir innigst, dass wir dieser Zuversicht und diesem Stolz des ursprünglichen Buddhas folgen.
Suda: Die Ausstellung der Photographien Rajiv Gandhis (1944-91), des verstorbenen indischen Premierministers, findet im Moment sehr erfolgreich statt.
Endo: Die Photos vermitteln eine Wärme, die sich mit Worten nicht beschreiben lässt. Insbesondere, wenn ich die Photos von älteren Menschen und Kindern, denen er auf seinen Reisen begegnete, sehe, haben sie bei mir ein Gefühl von der Tiefe seiner Liebe für das indische Volk hinterlassen.
Präsident Ikeda: Ex-Premierminister Rajiv Gandhi schätze am meisten die bescheidenen Handwerksarbeiten, die die Menschen ihm schenkten, eine Muschelarbeit oder einen aus Bambus geflochtenen Korb, als ob es kostbarste Schätze wären. Wie ich gehört habe, nahm er diese Objekte gelegentlich hervor und hielt sie mit einem Ausdruck von liebevoller Erinnerung in seinen Händen.
Rajiv Gandhi war eine führende Persönlichkeit mit Überzeugung und gleichzeitig jemand, der immer Aufrichtigkeit schätzte.
Saito: Als er vor dem japanischen Parlament sprach (am 29. November 1985), bekräftigte Premierminister Gandhi: “Shakyamunis Geist der „Barmherzigkeit (Jihi)“ ist die unabdingbare Voraussetzung für das menschliche Überleben in unserem Zeitalter.”
Sein Treffen mit Ihnen, Präsident Ikeda, folgte unmittelbar auf diese Ansprache.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Obwohl er erschöpft gewesen sein muss, empfing er mich mit friedlichem Lächeln im Gesicht.
In dem Augenblick, als wir einander die Hand gaben, verspürte ich intuitiv, dass hinter seinem sanften Gesicht eine Person von felsenfester Stärke stand, die ihr Leben aufs Spiel setzt, um ihre Ziele zu erreichen.
Saito: Das war nur ein Jahr nach der Ermordung seiner Mutter, Premierministerin Indira Gandhi (1917-84).
Präsident Ikeda: Als sie einmal gefragt wurde, was das Wichtigste sei, das sie von ihrem Vater, Jawaharlal Nehru geerbt hätte, antwortete Indira Gandhi, dass es ihre große Liebe für das indische Volk sei.
Wäre Rajiv Gandhi dieselbe Frage gestellt worden, was das Wichtigste sei, was er von seiner Mutter geerbt hätte, wäre seine Antwort ohne Zweifel dieselbe gewesen. Nicht einmal der terroristische Bombenanschlag, der ihm das Leben nahm [Mai 1991], hatte seine „Liebe für das Volk“ zerstören können, die ständig in Rajiv Gandhis Herz brannte.
Ich glaube, dass es für Menschen eine Aufgabe zu erfüllen gibt, die über Leben und Tod hinausgeht. Wie edel und erhabend das Leben der Menschen ist, die eine Aufgabe angenommen haben, der sie sich mit ganzem Herzen widmen können, und für die sie sogar zu sterben bereit sind.
Endo: Ich habe unvergessene Erinnerungen daran, wie Sie einen Blumenkranz an Rajiv Gandhis Grab niederlegten. [Februar 1992] Ich durfte Sie bei diesem Besuch in Indien begleiten. Sie haben in das Gästebuch der Gedenkstätte schrieben:
“Es gibt auch Zeiten, in denen das Leben von großen führenden Persönlichkeiten tragisch erscheinen mag, doch es ist in Wirklichkeit ein großartiges, grandioses Drama, das ewig dazu dient, das Volk zu erwecken.”
Suda: Die Szene, dass Sie und Ihre Frau seine Frau Sonia Gandhi trafen, um sie zu ermutigen, ist auch in meinem Herzen tief eingegraben. Sie sagten:
“Ich wünsche wirklich, dass Sie Ihr trauriges Schicksal in eine Ursache zur Verwirklichung einer wichtigen Aufgabe in Indien verwandeln können.”
”Auch wenn es schwierig sein mag, blicken Sie bitte nicht zurück, und gehen Sie immer weiter voran – das ist die Lehre Shakyamunis, der in diesem großen Land Indien geboren wurde.”
Immer wieder habe ich den Bericht über dieses Zusammentreffen in der Seikyo Shimbun, der Tageszeitung der Soka Gakkai, gelesen.
Präsident Ikeda: Selbst ein schmerzvolles Schicksal in eine Aufgabe zu verwandeln. Es ist das Lotos-Sutra, das diese starke und widerstandsfähige Art zu leben lehrt.
Deshalb erklärt das Kapitel “Lehrer des Gesetzes”, wenn es über die großen Bodhisattwas spricht, die in der Lage wären, in einem reinen Land geboren zu werden, wenn sie dies wünschten, dass diese es vorziehen, in unreinen Welten geboren zu werden, damit sie das Lotos-Sutra erklären können, um den Leidenden zu helfen.
Wir, die wir jetzt das mystische Gesetz auf der Welt verbreiten, sind die Bodhisattwas, von denen das Sutra spricht. Wir führen jetzt ein großartiges Drama auf, das wir selbst gewählt haben.
Nun wollen wir dieses Mal über das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ sprechen.
Das Lotos-Sutra ist für die „Zeit nach Shakyamunis Tod“ da
Präsident Ikeda: Auf gewisse Weise waren alle vorangehenden Kapitel bis zu diesem Punkt nichts weiter als Vorbereitung. Der wichtigste Teil des Lotos-Sutras, das als Testament Shakyamunis bezeichnet werden kann, beginnt mit dem Kapitel „Lehrer des Gesetzes“.
Suda: Mit dem Fortgang der Ereignisse, die beginnend mit diesem Kapitel stattfinden, sehen wir einen radikalen Aufbruch vom Ablauf der vorangehenden Kapitel. Denn insbesondere beginnt Shakyamuni in diesem Kapitel, über die Zeit nach seinem Tod zu sprechen.
Präsident Ikeda: Die Zeit nach dem Tod Shakyamunis bedeutet vor allem den späten Tag des Gesetzes. Er spricht über die Frage, wie die Menschen in einer Zeit leben sollen, in der Verwirrungen darüber herrschen, welche Lehren richtig und welche irrig sind.
In der ersten Folge dieser Serie haben wir das gegenwärtige Zeitalter als Zeitalter der mangelnden Philosophie bezeichnet. Wer wird besonders in einem “Zeitalter der Finsternis”, in dem die Menschen keinen richtigen Kurs sehen können, ein Licht werfen?
Das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ erklärt detailliert die Identität dieser “Person”. Modern ausgedrückt könnte ein „Lehrer des Gesetzes“ als geistiger Anführer bezeichnet werden.
Saito: Im Licht der allgemeinen Richtung dieses Kapitels besitzt der Ausdruck Lehrer des Gesetzes eine doppelte Bedeutung. Er bezeichnet sowohl jemanden, der “das Gesetz zu seinem Meister macht” als auch jemanden, der “ein Lehrer wird und das Gesetz verbreitet”.
Das sind die beiden Aspekte eines Bodhisattwas. “Das Gesetz zu seinem Meister zu machen” ist der eine Aspekt des Bodhisattwas als jemand, der den Weg sucht. “Der Lehrer, der das Gesetz verbreitet,” steht für den anderen Aspekt eines Bodhisattwas als jemand, der andere rettet.
Präsident Ikeda: Lehrer des Gesetzes vereinen beide dieser Eigenschaften in sich. Wenn die Menschen die “suchende” Seite vergessen, werden sie arrogant, und wenn die Menschen wiederum die “rettende” Seite vergessen, bedeutet dies, dass sie egoistisch werden. Während die Menschen immer weiter ihr eigenes Verständnis vertiefen und von anderen lernen, führen sie andere zum Glück, und dadurch können sie wiederum ihr eigenes Verständnis weiter vertiefen.
Das Gesetz zu suchen, bedeutet (soku), andere Menschen zu retten. Andre Menschen zu retten, bedeutet (soku), das Gesetz zu suchen. Hierin liegt der unübertroffene Weg im Leben eines Menschen.
Saito: Der Kernpunkt ist, dass dies ein Weg für alle Menschen ist, nicht wahr? In diesem Kapitel wird der Unterschied zwischen Laien auf der einen Seite und Mönchen sowie Nonnen auf der anderen Seite als völlig irrelevant dargestellt. An einer Stelle spricht es, dass Lehrer des Gesetzes diejenigen “Laien und Mönchen sowie Nonnen sind, die das Lotos-Sutra lesen und rezitieren”. (Seite 228) Wie das zeigt, übersteigt die Identität des Lehrers des Gesetzes Unterschiede zwischen Klerus und Laienschaft.
Nikken und seine Anhänger behaupten unter anderem, dass Priester Laiengläubigen per se überlegen seien. Es ist jedoch offensichtlich, dass eine solche diskriminierende Einstellung den Worten des Lotos-Sutras völlig zuwiderläuft.
Endo: Die Lehrer des Gesetzes erklären anderen das Lotos-Sutra, während sie selbst das Lotos-Sutra beibehalten, lesen und rezitieren. Ihre Praxis besteht darin, ständiges Gespräch mit den Menschen zu führen und ihnen die Möglichkeit zu geben, über das Lotos-Sutra zu hören.
Präsident Ikeda: Auf gewisse Weise ist es ein Kampf der Worte, ein Feldzug des Dialogs. Unsere Bewegung des Dialogs entspricht genau dem Geist des Kapitels „Lehrer des Gesetzes“.
Shakyamuni verbrachte sein ganzes Leben bis zu dem Tag, an dem er starb, im Dialog mit den Menschen. Nichiren Daishonin hinterließ auf ähnliche Weise zusätzlich zu seinen Bemühungen um Dialog eine große Menge an Schriften, die als umfangreicher angesehen werden als jene irgendeiner anderen japanischen Persönlichkeit seiner Zeit. Er schrieb und sprach wirklich erschöpfend. Und aufgrund seiner edlen Bemühungen können spätere Generationen die Lehren lernen, die er erklärte.
Es ist ein Kampf der Worte. Worte erhellen nicht nur die Zeit, in der sie ausgesprochen oder niedergeschrieben werden, sondern auch zukünftige Zeitalter. In derselben Hoffnung, zukünftigen Generationen etwas Wertvolles zu hinterlassen, halte ich Reden über den Buddhismus und führe Dialoge mit führenden Persönlichkeiten der Welt.
Endo: In den vorhergehenden acht Kapiteln beginnend mit dem zweiten Kapitel “Geeignetes Mittel” bis einschließlich des neunten Kapitels “Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen” lag Shakyamunis zentrales Thema darin, wie er seine gegenwärtigen Schüler die Buddhaschaft erlangen lassen kann.
Als Folge seiner Predigt in diesen Kapiteln konnten alle Shravakas den Weg zur Erlangung der Buddhaschaft betreten. In anderen Worten bekräftigt Shakyamuni in seiner Predigt bis einschließlich des Kapitels „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen“, dass seine unmittelbaren Schüler alle die höchste Erleuchtung erlangen werden. In diesem Sinn kann man sagen, dass seine Predigt in diesen Kapiteln an Shakyamunis Zeitgenossen gerichtet wurde.
Präsident Ikeda: Es mag sein, dass diese acht Kapitel bei uns solch einen Anschein erwecken, solange wir sie allein oberflächlich sehen. Doch im Kontext des gesamten Lotos-Sutra gesehen wird offenbar, dass diese acht Kapitel in Wirklichkeit auch für die Zeit nach seinem Tod gedacht sind.
In der Tat richten sich nicht nur diese acht Kapitel, sondern das gesamte Lotos-Sutra an Menschen in der Zeit nach Shakyamunis Tod. Nichiren Daishonin sagt, dass die theoretische Lehre (erste Hälfte) des Lotos-Sutras für die Shravakas, die Shakyamunis Zeitgenossen waren, gepredigt worden zu sein scheint. Auf einer tieferen Ebene, erklärt der Daishonin, wurde sie jedoch ebenso wie die wesentliche Lehre (zweite Hälfte) des Lotos-Sutras für Menschen nach Shakyamunis Tod gelehrt, für die Menschen im späten Tag des Gesetzes. (Japanische Gosho, Seite 249)
Die Lebzeit Shakyamunis in Indien war kurz, doch die Zeit nach seinem Tod ist lang. Shakyamunis Anhänger zu seiner Zeit waren wenige, doch die Menschen in der Welt nach seinem Tod sind zahllos. In seinem ungeheuren Mitgefühl (Jihi) wollte der Buddha natürlich alle Menschen zur Erleuchtung führen. Daher war notwendigerweise die Situation der Menschen nach seinem Tod der wichtigste Mittelpunkt seiner Sorge.
Die Lehrer des Gesetzes verkörpern dieses ungeheure Mitgefühl des Buddhas und handeln dementsprechend. Sie sind die “Abgesandten des Tathagatas”.
Endo: Ich glaube, dass der Grund darin liegt, warum der Teil des Sutras, der mit dem Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ beginnt, so wichtig ist. Nichiren Daishonin erklärt, dass die fünf Kapitel beginnend mit dem zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ bis zum vierzehnten Kapitel “Ausübung in Frieden und Freude” offenbaren, wie gewöhnliche Menschen im späten Tag des Gesetzes die Lehre des Einen Fahrzeugs des Buddhas ausüben sollten, die in den vorangehenden acht Kapiteln dargestellt worden sind. Nichiren Daishonin schreibt in der Gosho wie folgt:
„Die acht Kapitel beginnend mit dem zweiten „Geeignetes Mittel“ und bis zum neunten „Verleihung der Prophezeiung für lernende und allwissende Menschen“ befassen sich hauptsächlich mit der Erklärung, wie Personen der zwei Fahrzeuge (Shravakas und Pratyekabuddhas) die Buddhaschaft erlangen können und nebenbei mit der Erklärung, wie Bodhisattwas und gewöhnliche Menschen die Buddhaschaft erlangen können. Und die darauf folgenden fünf Kapitel, bestehend aus den Kapiteln „Lehrer des Gesetzes“, „Erscheinen des Schatzturms“, „Devadatta“, „Aufforderung zum Beibehalten“ und „Ausübung in Frieden und Freude“ erklären, wie die Lehren, die in den vorangehenden Kapiteln dargelegt worden sind, in einem späteren Zeitalter vom gewöhnlichen Sterblichen ausgeübt werden sollen.“
(Japanische Gosho, Seite 1499)
Präsident Ikeda: “Gewöhnlicher Sterblicher” “in einem späteren Zeitalter” bezeichnet Nichiren Daishonin und im erweiterten Sinne alle Schüler, die ihm folgen.
In seinen Schriften zitiert der Daishonin ausführlich aus den fünf Kapiteln beginnend mit „Lehrer des Gesetzes“. Und innerhalb des Lotos-Sutras selbst gibt es überwiegend beginnend mit dem Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ unzählige Hinweise auf die Zeit nach dem Tod des Buddhas.
Was wir hier bemerken sollten, ist, dass Nichiren Daishonin mehr als irgend jemand anderer in seinem Verhalten der Beschreibung des “Ausübenden des Lotos-Sutras” entsprach, der im späten Tag des Gesetzes erscheinen wird. Von einem anderen Standpunkt aus könnte man im Licht der Tatsache sagen, dass der Daishonin das Lotos-Sutra mit seinem Leben gelesen hat, und dass das Lotos-Sutra erklärt wurde, um den Weg für den Daishonin vorzubereiten.
Der Daishonin wollte klar stellen, dass Nam-Myoho-Renge-Kyo, das “grundlegendste Gesetz,” durch das alle Buddhas die Erleuchtung erlangen, die Essenz des Lotos-Sutras selbst und die große Lehre ist, die allen Menschen des späten Tages die Erlangung der Erleuchtung ermöglicht.
Saito: Jetzt durch Ihre Erklärung können wir den Grund richtig verstehen, wieso Shakyamuni im Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ sagt, dass den Lehrern des Gesetzes Gaben dargebracht werden sollten, wie man sie einem Buddha macht. Der Sanskrittext des Lotos-Sutras beschreibt die Stelle noch deutlicher, indem er erklärt dass diese Lehrer des Gesetzes “als Buddhas angesehen werden sollten” und “dem Tathagata gleich sind”.
Suda: Ferner erklärt das Lotos-Sutra, dass die Lehrer des Gesetzes “Boten des Tathagata” sind, die vom Buddha ausgesandt wurden, und die Arbeit des Buddhas durchführen. “Abgesandte des Tathagata” ist ein wichtiger Ausdruck, der in den Briefen des Daishonin immer wieder verwendet wird.
Auch ist das Vergehen, auch nur ein einziges Wort der Verleumdung gegen diese Lehrer des Gesetzes zu äußern, weit größer, als wenn man den Buddha von Angesicht zu Angesicht ein ganzes Kalpa lang schmähen würde.
Andererseits erklärt das Sutra, dass der Nutzen, die Lehrer des Gesetzes zu loben und zu preisen, jenen Nutzen übertrifft, wenn man den Buddha ein ganzes Kalpa lang mit zahllosen Versen lobte.
Präsident Ikeda: Denn der Grund dafür liegt darin, dass gerade das Gesetz, anders als der Buddha, die grundlegende Ursache für die Erlangung der Buddhaschaft ist und dementsprechend höher bewertet werden sollte. Das Lotos-Sutra ist die Lehre, in der das „grundlegendste Gesetz“ erklärt wird, das allen Buddhas einschließlich Shakyamuni ermöglicht, die Erleuchtung zu erlangen. Und die Lehrer des Gesetzes im späten Tag erklären dieses Gesetz, das die wahre Ursache für die Verwirklichung der Buddhaschaft ist.
Endo: Das ist eine Beziehung zwischen dem Gesetz, „das hervorbringt bzw. entstehen lässt“, und dem Buddha, „der hervorgebracht wird bzw. entsteht“, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Nichiren Daishonin charakterisiert dieses Gesetz als das “grundlegendste Prinzip des Mitgefühls (Jihi)”. In der Gosho „über das Chanten des Daimoku des Lotos-Sutras (Sho-Hokke-Daimoku-sho)“ sagt der Daishonin:
„Alle Buddhas und Bodhisattwas sind unsere barmherzigen Eltern. Sie sollten verstehen, dass das grundlegendste Prinzip der Barmherzigkeit, welches diese Buddhas und Bodhisattwas verwenden, um die Lebewesen zu lehren und zu bekehren, einzig und allein im Lotos-Sutra enthalten ist. ... Nur darin liegt der Grund, warum das Lotos-Sutra allen anderen Sutra überlegen ist.“ (Japanische Gosho, Seite 9)
Das Lotos-Sutra übertrifft alle anderen Sutra, weil es das Gesetz von Nam-Myoho-Renge-Kyo, das “grundlegendste Prinzip der Barmherzigkeit” enthält. Es ist die große Lehre der Barmherzigkeit, die alle Menschen zur Erleuchtung führen kann. Wie das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ sagt: “Das Lotos-Sutra ist das allererste.” (Seite 390)
Endo: Darauf weist die bekannte Stelle hin, dass das Lotos-Sutra alle Lehren in der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft übertrifft.
„Die Sutra, welche von mir gepredigt wurden, zählen unermessliche Tausende, Zehntausende und Zahnmillionen, die Sutra, die ich „bereits (i)“ gepredigt habe, „jetzt (kon)“ predige und „gleich (to)“ predigen werde. Unter ihnen ist jedoch dieses Lotos-Sutra am schwierigsten zu glauben und am schwierigsten zu verstehen.“ (Seite 390)
Saito: In diesem Sinn sind die “Boten des Tathagata” “Boten der Barmherzigkeit”. Die Lehrer des Gesetzes üben den Geist der ungeheuren Barmherzigkeit des Buddhas aus, während sie das Lotos-Sutra „annehmen und beibehalten (Juji)“, „lesen (Doku)“, „rezitieren (Ju)“, „erklären (Gesetsu)“ und „abschreiben (Shosha)“ (d. h. die fünf Arten der Ausübung durchführen, die das Sutra selbst vorschreibt).
Im Späten Tag des Gesetzes selbstverständlich ist jedoch das „Annahmen und Beibehalten (des Gesetzes) selbst schon Erleuchtung (Juji-soku-Kanjin)“; in anderen Worten sind alle diese Ausübungen bereits in der einen Ausübung des Annehmens und des Beibehalten des Glaubens an den Gohonzon enthalten.
Präsident Ikeda: Das bedeutet, mit dem Geist des Buddhas zu leben und sein Leben dem Gelübde des Buddhas zu widmen, alle Menschen retten und sie alle zur Verwirklichung der Buddhaschaft führen zu wollen.
Das ist die grundlegende Basis von “das Lotos-Sutra annehmen und beibehalten” und der fünf Arten der Ausübung. Es geht nicht förmlich darum, die Schriftrollen des Lotos-Sutras zu halten, zu lesen und zu rezitieren und ihre Bedeutung zu erklären. Es geht schließlich darum, den Geist des Buddhas zu erben und die Barmherzigkeit des Buddhas in seinem Leben vollkommen zu manifestieren.
Letztlich ist Shakyamunis Ziel bei der Verleihung von Prophezeiungen an die Shravakas in den vorangehenden Kapiteln, in ihnen den “selben Geist wie den des Buddhas” zu erwecken. Diejenigen, die nach dem Tod des Buddhas diesen Geist in die Praxis umsetzen, sind Lehrer des Gesetzes.
Shakubuku bedeutet, die Wahrheit zu sprechen
Saito: Zum Thema „Verbreitung“ habe ich in letzter Zeit von neuen Mitgliedern der Soka Gakkai ziemlich viele Fragen erhalten, wo der Unterschied der Methoden zwischen „Shoju“ und „Shakubuku“ liegt. Offenbar haben viele Mitglieder den Eindruck, dass Shakubuku kräftige Worte zu verwenden bedeutet, während Shoju bedeutet, sich auf sanfte Weise zu verhalten.
Präsident Ikeda: Es ist ein großer Fehler zu glauben, wenn Shakubuku bedeute, jemanden dazu zu zwingen, den Glauben anzunehmen. Shakubuku zu machen bedeutet im wesentlichen die Wahrheit zu sprechen. Da das Lotos-Sutra die Wahrheit erklärt, wird es das “Sutra des Shakubuku” genannt.
Jetzt, im späten Tag des Gesetzes, stellen alle unsere Bemühungen, Nam-Myoho-Renge-Kyo, den Kern des Lotos-Sutras, zu verbreiten und anderen Menschen davon zu erzählen, Shakubuku dar.
Wenn man zum Beispiel seine Wohnung aufräumt, ist es egal, ob man kraftvoll oder lautlos putzt, solange das Hauptziel erreicht wird, nämlich dass die Wohnung sauber wird.
Suda: Manche Leute glauben vermutlich, dass Shakubuku heftig sein müsse, weil die chinesischen Schriftzeichen, mit denen der Begriff geschrieben wird, ein etwas erschreckendes Bild suggerieren [eine Kombination aus zwei Schriftzeichen, die “brechen” und “gefügig machen” bedeuten].
Präsident Ikeda: Shakubuku bedeutet nicht, loszuziehen und Streit zu suchen. Shakubuku, die Praxis, anderen Menschen die Lehren des Daishonin mitzuteilen, muss durch und durch ein Akt von Mitgefühl sein. Toda Sensei, der zweite Präsident der Soka Gakkai, sagte einmal:
„Wir sollten ganz frei und reichlich Shakubuku machen, aus der aufrichtigen Überzeugung von der Lehre des Daishonin. Und dabei sollten wir keine Gefühle von Antipathie gegenüber anderen besitzen. Wir sollten nicht in zornige Dispute verfallen. Alles, was wir tun müssen, ist, die Menschen ernsthaft und verständnisvoll zu lehren. Es ist wichtig, dass wir diesen Geist des Lehrens entwickeln. Wenn jemand der Lehre Daishonins widerspricht oder uns angreift, dann wird er die Konsequenzen seiner Handlungen erleiden. Wichtig bei unserer Einstellung ist, über den Buddhismus mit anderen unkompliziert und liebevoll zu sprechen. Es ist beinahe, so wie ein verliebtes Paar miteinander redet.“
Präsident Toda konnte wirklich Dinge humorvoll ausdrücken! Wenn man verliebt ist, dann geht man aus sich heraus. Man schreibt und ändert Briefe und verschwendet dabei bogenweise Briefpapier. Man bleibt die ganze Nacht wach und denkt darüber nach, mit welchen Worten man die andere Person an ihrem nächsten freien Tag zum Ausgehen einladen soll. Wenn alles gut geht, entschließt man sich vielleicht, zu heiraten. Doch anders als in manchen Ehen wird man bei Shakubuku niemals seine Entscheidung bedauern!
Endo: Wenn es darum geht, unkompliziert und liebevoll zu sprechen, denke ich, war Shakyamunis Methode der Predigt genauso sanft. Shakyamuni erklärte zuerst die Lehre des “wahren Wesens aller Phänomene”, in dem Versuch, den Menschen zu ermöglichen, die Wahrheit zu verstehen, dass alle Menschen die Buddhaschaft erlangen können. Als Shakyamuni diese Lehre enthüllte, verstand sie nur Shariputra, die anderen jedoch nicht.
Und so erzählte Shakyamuni verschiedene Gleichnisse und Parabeln. Dadurch erlangten die vier Anführer der Shravakas ein Verständnis dieser Lehre. Jedoch sah er, dass es immer noch viele Menschen gab, die nicht verstehen konnten, was er meinte. Shakyamuni erklärte als nächstes seine tiefe Beziehung mit ihnen aus der entfernten Vergangenheit. Durch diese Enthüllung konnten schließlich alle Shravakas seine Lehre annehmen und sich davon überzeugen.
So zerbrach Shakyamuni sich den Kopf, um einen Weg zu finden, seine Lehre zu erklären, damit alle Menschen sie verstehen konnten. Er sagte nicht; „Verdammt! Ihr seid alle so dumm!“ und ließ die Menschen nicht im Stich, obwohl sie zu langsam von Begriff waren. Er hatte den tiefen Wunsch und die Ausdauer, allen Menschen zu ermöglichen, Buddhas zu werden, egal wie große Bemühung von seiner Seite dafür notwendig war.
Suda: Das ist genau der Geist, der heute unsere Praxis von Shakubuku motiviert; nicht wahr?
Präsident Ikeda: Das stimmt. Wichtig ist, dafür zu beten, dass die eigene Aufrichtigkeit die andere Person durchdringen möge. Aus dem tiefen Gebet entsteht Weisheit. Gebet bringt Zuversicht und Freude hervor.
Shakubuku ist zwar schwierig und mühsam, doch wenn wir daran denken, dass durch unsere Handlungen sowohl die andere Person als auch wir selbst sicher ungeheures Glück und Nutzen verwirklichen werden, kann es nichts Freudigeres geben. Toda Sensei sagte oft:
“Wir sollten uns nicht mit Shakubuku quälen. Wir sollten mit einem Gefühl der Freude Shakubuku machen.”
In Wirklichkeit gibt es solche Menschen, die den Buddhismus des Daishonin sofort glauben und verstehen, aber es wird natürlich auch solche Menschen geben, bei denen dies nicht der Fall ist. Doch es gibt keinen Grund, dadurch ungeduldig zu werden. Egal was das unmittelbare Resultat unserer Bemühungen ist, es gibt absolut keinen Zweifel an dem Nutzen, den wir erhalten, wenn wir aufrichtige Gebete dargebracht haben und uns bemüht haben, einen Dialog über unseren buddhistischen Glauben zu führen.
Und genau weil Shakubuku nicht leicht durchzuführen ist, gibt es uns Gelegenheit, unsere innere Weisheit zu erschließen und zu wachsen. Wenn wir einen Samen pflanzen, kommt die Zeit, dass er mit der Zeit sicherlich blühen wird.
Das wichtigste scheint mir zu sein, eine solche Einstellung „ich kann auch als Bote des Buddhas dienen“ zu gewinnen und mit großer Freude über den Buddhismus zu sprechen.
Endo: Ich denke, dass es auch sehr wichtig ist, diejenigen, die Shakubuku machen, herzlich zu loben.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Da die Menschen, die diese Praxis ausüben, “Boten des Tathagata” sind, sollten wir sie gleich wie Buddha respektieren. Das ist der Geist des Kapitels „Lehrer des Gesetzes“. Wer diesen Geist besitzt, andere Menschen zu loben, wird Glück und Kraft ansammeln. Als Folge davon kann er viele Menschen zum Glück führen.
Mitglieder der Soka Gakkai, die ihr Leben Kosen-rufu widmen, sollten wie Buddhas geschätzt werden. Wenn wir diesen Geist verstehen, werden wir nicht nur das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“, sondern auch das gesamte „Lotos-Sutra“ verstehen können.
Drei Regeln der Predigt von „Gewand, Sitz und Zimmer”
„Zimmer des Mitgefühls“
Endo: Im zehnten Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ des Lotos-Sutras erklärt Shakyamuni die Art und Weise, wie das Gesetz nach seinem Tod verbreitet werden soll, in den Begriffen der “drei Regeln der Predigt von Gewand, Sitz und Zimmer”.
„Bhaisajya-raja (Medizinkönig)! Wenn es liebe Männer und liebe Frauen gibt, die nach dem Tod des Tathagata dieses Sutra für die vier Arten von Gläubigen zu predigen wünschen, wie sollten sie es predigen? Diese lieben Männer und lieben Frauen sollten das Zimmer des Tathagata betreten, das Gewand des Tathagata anlegen, sich auf den Sitz des Tathagata setzen und dann für die vier Arten von Gläubigen dieses Sutra weithin predigen. Das Zimmer des Tathagata, das ist das große mitfühlende und mitleidende Herz, das inmitten aller Lebewesen ist. Das Gewand des Tathagata ist das einfühlsame, sanfte, ausdauernde und unerschütterliche Herz. Der Sitz des Tathagata ist die Leere, die alle Phänomene durchdringt.“ (Seite 394)
Präsident Ikeda: „Das Zimmer des Tathagata“, „das Gewand des Tathagata“ und „Sitz des Tathagata“ – diese sind äußerst poetische Ausdrücke.
Shakyamuni verwendet symbolisch die Bilder von Gewand, Sitz und Zimmer, um das Herz zu erklären, mit dem der Buddha das Lotos-Sutra lehrt. Und er ermutigt die Menschen, die Lehre weithin zu predigen, indem er sagt: “Wenn Sie sich auf diesen Geist stützen, dann können Sie die Menschen unerschütterlich zur Erleuchtung führen, so wie es der Buddha tut, selbst wenn unzählige Verfolgungen erscheinen mögen.”
Wieso wird nun das große Mitgefühl des Buddhas mit einem „Zimmer“ des Tathagata verglichen?
Saito: „Mitgefühl (Jihi)“ im buddhistischen Sinn basiert auf der Barmherzigkeit und ist tiefes Gefühl der Freundschaft. Für jemand Mitgefühl zu empfinden bedeutet, eine gemeinsame Menschlichkeit oder Verwandtschaft, ein Band zu einem anderen menschlichen Wesen zu verspüren. Es könnte auch als Liebe bezeichnet werden, doch es ist nicht die egoistische Art von Liebe, die sich nur zu schnell zu Hass verändern kann. Es ist Menschenliebe, die in einer tiefen Einsicht in die Natur des Lebens und der Existenz verwurzelt ist. Man kann sie sich auch als ein echtes Gefühl der Solidarität vorstellen, das aus einem gemeinsamen Wunsch für gegenseitiges Glück und Wachstum entsteht.
Suda: Und „Mitgefühl (Jihi)“ bedeutet auch das Herz, die Sorgen anderer zu teilen, mit ihnen in ihren Sorgen und Leiden mitzufühlen. Wenn wir jemand leiden sehen, spornt uns das Mitgefühl an, dieser Person eine helfende Hand hinzustrecken und ihre Schmerzen zu teilen. Es ist eine tiefe Emotion dieser Art.
Präsident Ikeda: Was unsere geistige Haltung gegenüber anderen betrifft, bedeutet es nicht eine solche Einstellung des Gefühls, von einer überlegenen Position aus auf jemanden herabzuschauen. Es ist keine vertikale, sondern eine horizontale Beziehung. Es ist ein Gefühl der Sympathie für den anderen als ein anderes menschliches Wesen. Und es basiert auf Respekt.
Deshalb heißt es “Zimmer des Mitgefühls”. Wir laden einen Freund in einen Lebensraum voller Barmherzigkeit ein und nehmen ihn warm auf. Wir sitzen im selben Zimmer und diskutieren als Gleiche über das Leben. Wir diskutieren Dinge und lernen voneinander als Mitmenschen und bemühen uns gemeinsam, unser Leben zu verbessern. Einen solchen warmen und offenen Raum für den Dialog und den Austausch zu schaffen, ist meiner Ansicht nach selbst schon Shakubuku.
Endo: Wenn wir an jemanden mit der arroganten Einstellung herantreten, dass wir diese Person offensichtlich unfreiwillig retten werden, wird das nur eine negative Reaktion hervorrufen.
Präsident Ikeda: In der Abhandlung „Über die Befriedung des Landes durch die Errichtung des wahren Gesetzes (Rissho Ankoku Ron)“ nennt Nichiren Daishonin den “Gastgeber,” der mit einem “Reisenden” ein Gespräch führt, einen “Freund des Orchideenzimmers”. Wenn jemand sich eine Zeit lang in einem Raum voller Orchideen aufhält, durchdringt der Duft der Blumen automatisch ihre Kleidung. In ähnlicher Weise sollte Dialog so geführt werden, dass die andere Person vom “Duft des Mitgefühls” durchdrungen wird.
Verbreitung der Lehre des Daishonin bedeutet sicher nicht zu versuchen, jemandem etwas aufzuzwingen, noch sollte sie um der Organisation willen geschehen, denn Verbreitung des mystischen Gesetzes ist ein Akt der Verehrung der Buddhanatur im Leben anderer. Daher sollten unsere Bemühungen im Shakubuku von einem Geist des höchsten Respekts für die andere Person motiviert sein. Präsident Toda sagte:
“Die Grundlage von Shakubuku ist das Mitgefühl für die Leiden anderer.”
Mitgefühl ist in anderen Worten die grundlegende Einstellung. Man kann den Buddhismus nicht mit einem Geist der Konfrontation verbreiten, der versucht, die Gedanken einer anderen Person zu widerlegen und sie für die eigene Seite zu gewinnen.
Suda: Da es um Dialog geht, müssen wir auf das hören, was die andere Person zu sagen hat. Trotzdem gibt es Personen, die reden und reden und das Gespräch an sich reißen und dann glauben, sie hätten einen Dialog geführt.
Präsident Ikeda: Man kann es keinen Dialog nennen, wenn eine Person die andere ständig unterbricht, während die andere versucht, eine Meinung auszudrücken, und dann weittragende Schlussfolgerungen darlegt.
Selbst wenn Sie glauben, dass das, was eine andere Person sagt, Ihnen etwas seltsam vorkommt, sollten Sie nicht ständig Einwände erheben, stattdessen tolerant genug sein, um ihren Standpunkt zu verstehen. Dann wird sich die Person sicher fühlen und kann dem zuhören, was Sie zu sagen haben.
In diesem Sinn ist der Buddha wirklich ein Meister des Dialogs. Shakyamuni sowie der Daishonin besaßen eine solch herzerwärmende Persönlichkeit, dass es Menschen schon eine ungeheure Freude gemacht haben muss, sie nur zu treffen. Und deshalb erfreuten sich auch vermutlich so viele Menschen daran, ihren Worten Gehör zu schenken.
Suda: Der Begriff “Zimmer des Mitgefühls” vermittelt mir ein Bild einer solchen Wärme und Weitherzigkeit des Charakters.
Präsident Ikeda: In diesem Zusammenhang möchte ich gerne eine Begebenheit um Shakyamuni erzählen, die überliefert worden ist.
Es gab einen Mann namens Upali, der an den Jainismus (eine indische Religion) glaubte. Er versuchte einmal Shakyamuni in der Debatte zu besiegen. Doch er war von Shakyamunis Charakter und Weisheit so bewegt, dass er schließlich darum bat, als Schüler Shakyamunis aufgenommen werden zu dürfen.
Shakyamuni triumphierte nicht darüber, dass er Upalis Bewunderung gewonnen hatte, sondern ermahnte ihn vielmehr mit den Worten: “Du solltest die Überzeugungen, die Du bis jetzt gehabt hast, nicht so leichtfertig wegwerfen. Bitte denke sorgfältig über die Angelegenheit nach!”
Upali, der von dieser Belehrung noch mehr beeindruckt war, antwortete: “In der Gesellschaft geht das Gerücht um, dass der Mönch Gautama [Shakyamuni] sage, dass die Menschen ausschließlich ihm Gaben darbringen sollten und niemand anderem, und dass er behaupte, dass eine Gabe an ihn und seine Schüler Nutzen bringt, aus einer Gabe an andere hingegen keine Nutzen gewonnen werden kann. Doch in Wirklichkeit ist die Einstellung des Weltgeehrten das genaue Gegenteil. Ich werde mich den Lehren des Buddhas mit noch stärkerem Eifer widmen.
Als ein Meister des Jainismus von Upalis Bekehrung hörte, ging er, begleitet von einer Anzahl seiner Anhänger zu Upalis Haus. Upali empfing sie höflich und freundlich. Doch der Anführer tadelte ihn mit den Worten: “Du bist wie ein Narr, der ausgeht, um Wolle zu besorgen, und aber geschoren nach Hause kommt.”
Upali erklärte geduldig und mit äußerster Aufrichtigkeit: “Wenn ich von jemandem wie Shakyamuni verleitet werden dürfte, könnte ich mir nichts besseres mehr wünschen. Wenn die königlichen Familien und Brahmanen, Bauern und Sklaven auf der ganzen Welt von Shakyamuni so verleitet würden könnten, würde es auf der Welt ewigen Frieden und Glück geben.”
Endo: Das ist eine famose Geschichte.
„Das einfühlsame, sanfte, ausdauernde und unerschütterliche Herz.“
Suda: Um weiter über den Vergleich zu sprechen – es ist leichter zu verstehen, wieso das Gewand des Tathagata eine Metapher für das einfühlsame, sanfte, ausdauernde und unerschütterliche Herz ist. Wie ein Gewand den Körper vor Kälte und Hitze beschützt, wenn wir das “Gewand der Einfühlsamkeit, Sanftheit, Ausdauer und Unerschütterlichkeit” umlegen, werden wir uns von Härten und Schwierigkeiten nicht beirren lassen.
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Bei unseren Bemühungen für die Verbreitung des Glaubens ist es auch sehr wichtig, angesichts von Hindernissen unerschütterlich zu bleiben. Mit diesen Worten fordert Shakyamuni seine Anhänger auf, einen strahlenden und gelassenen Lebenszustand zu erhalten, egal welcher Druck gegen sie angewandt werden sollte.
Wenn man nach dem Tod des Buddhas den Buddhismus zu verbreiten versucht, sind Schwierigkeiten sowie Hindernisse unvermeidbar. Daher ist es notwendig, dass wir einen Geist von Ausdauer und Unerschütterlichkeit besitzen. Es ist ein Herz, das erduldet. Ausdauer bedeutet weder Zurückweichen noch Eingeständnis einer Niederlage. Wir müssen durchhalten und siegen. Egal was auch immer geschehen mag, wir dürfen nicht entmutigt werden, unser Herz darf nicht besiegt werden. Kosen-rufu ist ein Kampf des Geistes. Von denjenigen, die zulassen, dass sie in ihrem Herzen besiegt werden, kann man nicht sagen, dass sie das Herz von Ausdauer und Unerschütterlichkeit besitzen.
Saito: In seiner Abhandlung „Die Wahl der Zeit“ sagt Nichiren Daishonin:
“Obwohl es so scheint, als sei ich, mein Körper, gezwungen, dem Herrscher zu folgen, da ich in dem Land seiner Herrschaft geboren wurde, lasse ich mich, mein Herz, jedoch nicht von ihm dazu zwingen, ihm zu folgen.” (Japanische Gosho, Seite 287)
Wenn er sagt, dass er gezwungen ist, dem „Herrscher zu folgen“, meint der Daishonin, dass er Verfolgung erleiden muss. Mit “mein Herz, jedoch nicht von ihm dazu zwingen, ihm zu folgen” zeigt er, dass er in seinem Herzen nicht besiegt ist.
Präsident Ikeda: Das ist das Herz von Ausdauer und Unerschütterlichkeit. Als der Daishonin auf die wüste Insel Sado verbannt wurden, befolgte er physisch den Befehl der Regierung. Doch in seinem Herzen besaß er den weiten Lebenszustand, in dem er sagte:
„Die Freude sowie das Glück, die ich verspüre, sind unermesslich, obwohl ich ein Verbannter bin.“ (Japanische Gosho, Seite 1360)
Ein Geist der Ausdauer und Unerschütterlichkeit bringt die größte Kraft hervor. Weil man wahren Mut besitzt, kann man jede Härte ertragen. Im dreizehnten Kapitel “Aufforderung zum Beibehalten” wird die Metapher des “Harnisches von Ausdauer und Unerschütterlichkeit” verwendet. “Einer, der mutig ertragen kann (Nônin)“, ist eine andere Bezeichnung für den Buddha. Sowohl Shakyamuni als auch Nichiren Daishonin besaßen ungeheure Kraft, mutig zu ertragen.
Endo: Das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ betont, dass die Lehrer des Gesetzes auf Verfolgung treffen werden.
Die Stelle, die der Daishonin mit seinem Leben las, “Dieses Sutra ruft, selbst während der Tathagata gegenwärtig weilt, viel Hass und Eifersucht hervor. Geschweige denn in der Zeit nach seinem Tod.“ (Seite 390) findet sich auch in diesem Kapitel.
Suda: Das erklärt, dass die Lehrer des Gesetzes auf Verfolgungen treffen, weil das Lotos-Sutra schwierig zu glauben und schwierig zu verstehen ist. Und gerade weil es schwierig zu glauben und schwierig zu verstehen ist, wurde selbst zu Lebzeit Shakyamunis durch das Sutra viel Hass und Eifersucht erweckt. Diese Stelle besagt, dass die Verfolgung in der Zukunft noch schlimmer sein wird.
Präsident Ikeda: “Geschweige denn in der Zeit nach seinem Tod“ – warum sollte es nach dem Tod des Buddhas mehr Verfolgung geben, als während er am Leben war?
“Nach seinem Tod” bezieht sich auf eine Zeit, in der der Geist des Buddhas in Vergessenheit geraten ist und in der große Unruhe und Verwirrung in den Bereichen der Religion und Philosophie herrschen. Obwohl die Menschen in einem solchen Zeitalter scheinbar den Buddha verehren mögen, vergessen sie doch seinen wesentlichen Geist. Es kann zwar viele buddhistischen Schulen geben, aber wohnt in ihnen nicht der Geist des Buddhas.
In einer solchen Zeit gibt es zwar Religionen, doch sie existieren um ihrer selbst willen und nicht für die Menschen. Das Lotos-Sutra wurde speziell für die Menschen eines solchen Zeitalters gepredigt und gelehrt.
Die Lehrer des Gesetzes verbreiten das Lotos-Sutra, das den Geist des Buddhas vermittelt, in einem Zeitalter, das den Geist des Buddhas völlig vergessen hat. Daher gibt es ihnen gegenüber viel Hass und Eifersucht. In einem Zeitalter, das die Menschlichkeit aus den Augen verloren hat, bedarf es unvorstellbarer Anstrengungen und großer Einsätze, für eine Wiederherstellung der Menschlichkeit ins Feld zu ziehen.
Suda: In diesem Sinn heißt es, dass Menschen, die keine Schwierigkeiten erfahren, nicht wirklich das wahre Gesetz verbreiten. Die Priesterschaft der Nichiren Shoshu beispielsweise ist niemals – weder während des Krieges noch jetzt – verfolgt worden.
Im Gegensatz dazu ist die Soka Gakkai seit der Zeit ihres ersten Präsidenten Tsunesaburo Makiguchi bis hin zur Gegenwart wiederholt angegriffen und verfolgt worden. Wir lesen wirklich das Lotos-Sutra mit unserem Leben. Das ist der Beweis dafür, dass unsere Organisation wirklich das Herz des Buddhas in die Tat umsetzt.
Saito: Verfolgungen werden immer durch Intrigen verursacht und begleitet. Zu Lebzeit Shakyamunis gab es eine endlose Folge von Skandalen, die aus Fabrikationen und Missinterpretationen durch Menschen mit bösen Absichten herrührten.
Um den buddhistischen Orden auszulöschen, gingen einige abscheuliche Individuen sogar so weit, Morde zu begehen, und zu versuchen, Shakyamunis Anhängern die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben.
Suda: Im Fall Nichiren Daishonins begingen Anhänger der Nembutsu-Schule und andere Personen Morde und Brandstiftungen in der Hauptstadt Kamakura und verbreiteten dann das Gerücht, dass diese Verbrechen das Werk von Anhängern des Daishonin seien. Das führte dazu, dass der Daishonin auf die Insel Sado verbannt wurde.
Die Anhänger des Daishonin wurden unterdrückt, weil die Menschen, die ihren Aktivitäten feindselig gegenüberstanden, sie als “gefährliche Sekte” dargestellt hatten. In jedem Zeitalter gibt es ein ähnliches Muster der Verfolgung gegenüber denjenigen, die die wahre buddhistische Lehre hochhalten.
Endo: Aus diesem Grund können wir das “Gewand der Ausdauer und Unerschütterlichkeit” nicht ablegen.
Präsident Ikeda: Lassen Sie mich eine weitere Anekdote erzählen.
Es gab einmal einen Brahmanen, der sich darüber aufregte, dass seine Frau eine Anhängerin von Shakyamuni Buddha wurde. Da seine Frau Shakyamuni so hoch lobte, versuchte er ihn in der Debatte zu besiegen. Doch anstatt Shakyamuni zu widerlegen, war der Brahmane von dessen Predigt so beeindruckt, dass er selbst zum Buddhismus überwechselte. Seine brahmanischen Freunde fanden das skandalös. Sie stürmten in das Kloster Jetavana und überhäuften Shakyamuni mit Flüchen und Beleidigungen. Was tat Shakyamuni darauf?
Endo: Das ist sehr interessant.
Präsident Ikeda: Shakyamuni fragte einen der Brahmanen:
“Wenn ein Verwandter oder ein Gast in Dein Haus kommt, würdest Du ihn als Gast empfangen?”
“So ist es,” antwortete der Brahmane, “manchmal empfange ich auch Gäste.”
“Wenn diese Personen die Speisen, die ihnen angeboten werden, nicht annehmen, wem gehören diese dann?” fuhr Shakyamuni fort.
“Natürlich mir, dem Herrn des Hauses.”
“Auf dieselbe Weise”, sagte Shakyamuni, “wenn ich die Schmähungen, mit denen du mich überhäufst, nicht annehme, gehen sie dann nicht wieder zu dir zurück und werden zu deinem Eigentum?”
Suda: Er wusste ganz genau, wie er „einfühlsam, sanft, ausdauernd und unerschütterlich“ einen empfindlichen Nerv berühren konnte!
Endo: Dadurch, dass wir das “Gewand der Einfühlsamkeit, Sanftheit, Ausdauer und Unerschütterlichkeit” anlegen, prallen negative Worte an unserem Herzen ab, nicht wahr?
Saito: Und in dem Ausmaß, in dem solche Worte nicht in unser Herz dringen, kehren sie zu den Menschen zurück, die sie zuerst ausgesprochen haben, und sie müssen selbst leiden.
„Der Sitz der Leere, die alle Phänomene durchdringt“
Endo: Und was bedeutet nun der dritte Satz „der Sitz des Tathagata ist die Leere, die alle Phänomene durchdringt“?
Präsident Ikeda: Dieser Satz bezieht sich auf die unbeschränkte Weisheit des Buddhas.
Alles unterliegt einem ständigen Wandel. Alles Sein ist unbeständig und ohne Substanz. Der “Sitz des Tathagata” bezeichnet die Kapazität des Buddhas, das wahre Wesen aller Phänomene auf der Welt korrekt wahrzunehmen und seinen Lebenszustand, den nichts ins Wanken bringen oder umwerfen kann.
Suda: Das ist theoretisch gut zu verstehen, jedoch tatsächlich einen solchen Lebenszustand zu erreichen, ist keine leichte Sache, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Der Daishonin sagt:
“Der Sitz, da er darauf hinweist, buddhistische Ausübung durchzuführen‚ohne sein Leben zu schonen, befindet sich in der Leere.“ (Japanische Gosho, Seite 737)
Auf dem Sitz der Leere, die alle Phänomene durchdringt, zu sitzen, bedeutet in anderen Worten, selbstlose Handlungen zu setzen.
Die Menschen haben im allgemeinen die Tendenz, sich von verschiedenen Dingen abhängig zu machen oder sich von ihnen gefangen nehmen zu lassen. Sie sind zum Beispiel gefangen von Ruhm und sozialem Rang, und sobald sie diese erlangen, sind sie nicht bereit, diese wieder aufzugeben. In mancher Hinsicht kann es nur natürlich sein, dass Menschen sich so verhalten.
Auf dem Sitz der Leere, die alle Phänomene durchdringt, zu sitzen, bedeutet jedoch, den Mut hervorzubringen, um diese egoistischen Bindungen zu überwinden, sich selbstlos im Glauben zu bemühen und sein Leben Kosen-rufu zu widmen. Die höchste Bedeutung von “Leere” oder “Nicht-Substantialität (Ku)” findet sich in solchem Glauben.
Das bedeutet natürlich nicht, dass wir unser Leben sorglos oder achtlos behandeln. Es bedeutet vielmehr, dass wir unser kostbares Leben für den Buddhismus ohne Reue und Bedauern verwenden.
Saito: Heißt das, dass aus einem solchen hingebungsvollen, selbstlosen Geist auch die Weisheit, den Menschen zu helfen, glücklich zu werden, entstehen kann?
Präsident Ikeda: Ganz genau. Eine Person, die sich selbstlos widmen kann, wird jemand, der anderen helfen kann. Als ich einmal Toda Sensei fragte: “Wenn wir Shakubuku machen, machen wir dabei nicht auf gewisse Weise uns selbst Shakubuku?” Er antwortete darauf:
„Der Punkt ist, dass wir selbst mit Nam-Myoho-Renge-Kyo, der Quelle unseres Lebens, zusammen leben. Anders als mit diesem Verständnis können wir nicht wirklich Shakubuku machen. Es gibt keine spezielle Technik oder Methode. Im späten Tag geht es nur darum, dass wir uns dazu entscheiden, “ich bin nicht anders als Nam-Myoho-Renge-Kyo selbst”. Diese Entscheidung wie Bestimmung bedeutet Shakubuku im späten Tag des Gesetzes.“ Er sagte auch einmal:
“Das letztendliche Shakubuku ist es, sich zu entscheiden, dass unser eigenes Leben selbst Nam-Myoho-Renge-Kyo ist.”
Präsident Toda sprach diese Worte in einem resoluten Ton, es war die Stimme einer Person, die zutiefst wünschte, jungen Menschen zu helfen, die Wahrheit zu verstehen. “Sich zu entscheiden, dass unser eigenes Leben Nam-Myoho-Renge-Kyo ist” drückt auf wunderschöne Weise das Prinzip der Leere, die alle Phänomene durchdringt, und den Geist, sein Leben ohne Reue und Bedauern zu widmen aus.
Ich hoffe, dass Sie alle mit diesen Worten als Richtlinie aufrichtig die Quintessenz des Glaubens verfolgen werden. Denn dieses Streben stellt echtes buddhistisches Studium dar.
Buddhistische Ausübung von Mitgefühl, Ausdauer und Weisheit
Suda: Wir haben über die „drei Regeln der Predigt von Gewand, Sitz und Zimmer“ gesprochen. Die Tatsache, dass der Lehrer des Gesetzes im Zimmer des Tathagata lebt, das Gewand des Tathagata trägt und auf dem Sitz des Tathagata sitzt, deutet meines Erachtens darauf hin, dass der Lehrer des Gesetzes dem Tathagata gleich ist.
Es scheint mir auch, dass ,so wie ein Botschafter eines Landes den Willen dieses Landes ausführt, wir die Handlungen des “Abgesandten des Tathagata” als Verhalten des Buddhas ebenbürtig betrachten können.
Präsident Ikeda: Das ist ein guter Vergleich.
Saito: Drücken diese drei Regeln nicht auch Tugenden des Buddhas aus, die die Lehrer des Gesetzes erlangen können, indem sie sich dem großen Wunsch der Verbreitung des Lotos-Sutra widmen?
Präsident Ikeda: Dieser Aspekt ist auch wohl denkbar. Nichiren Daishonin sagt:
„Gewand, Sitz und Zimmer“ stellen die „drei Körper (San-jin)“ des Buddhas, „Dharma-Körper (Ho’sshin)“, Körper der Weisheit (Ho-shin)“ und „manifestierten Körper (O-jin)“; die „drei Wahrheiten (San-tai); „Nicht-Substantialität (Ku)“, „vorübergehende Existenz (Ke)“ und „Mittleren Weg (Chu)“ und die „drei Arten des Karmas (San-go)“; „Tat (shin)“, „Wort (ku)“ und „Gedanke (i)“ dar.
(Japanische Gosho, Seite 737)
Die drei Körper, „Dharma-Körper (Ho’sshin)“, Körper der Weisheit (Ho-shin)“ und „manifestierten Körper (O-jin)“, sind die Tugenden des Buddhas. Einfach gesagt, stellen sie Wahrheit, Weisheit und Mitgefühl dar. Die Lehrer des Gesetzes sind mit diesen Tugenden ausgestattet. Dar Daishonin sagt auch:
“Nichiren und andere, die jetzt Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, erlangen im Leben eines einzigen Augenblicks diese drei Regeln [der Predigt, die durch Gewand, Sitz und Zimmer dargestellt werden].” (Japanische Gosho, Seite 737)
In anderen Worten können wir unser Leben durch die Ausübung, das Chanten des Daimoku zu verbreiten, mit den Tugenden des Buddhas ausstatten. Im Leben eines einzigen Augenblicks, das auf dem Glauben basiert, können wir diese Tugenden erlangen.
Es ist überhaupt nicht schlimm, selbst wenn wir keine besondere Fähigkeit besitzen. Und es ist am wichtigsten, dass unser Leben mit voller Freude vom Chanten des mystischen Gesetzes und mit der Freude, das mystische Gesetz mit anderen teilen zu können, erfüllt ist. Solch freudiger Glaube verkörpert die drei Regeln von Gewand, Sitz und Zimmer sowie die Tugenden von Mitgefühl, Ausdauer und Weisheit.
Saito: Im Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ wird die Bedeutung von der “freudigen Erwiderung im Leben eines einzigen Augenblicks (Ichinen-zuiki)“ stark betont. Es geht so weit, dass es sagt, alle Menschen können die Buddhaschaft erlangen, wenn sie einfach vom mystischen Gesetz hören und Freude verspüren. Es sagt auch:
„Deshalb, weil, wer diesen Menschen (Lehrern des Gesetzes), die aus Freude das Gesetz predigen, selbst einen einzigen Moment zuhört, die höchste Stufe der Erleuchtung, Anuttara-samyak-sambodhi, erlangen kann.“ (Seite 387)
Anuttara-samyak-sambodhi ist ein Sanskritausdruck für die Erleuchtung des Buddhas. Das heißt, dass der Lehrer des Gesetzes aus voller Freude das Lotos-Sutra predigt, und dass die Menschen die Buddhaschaft sicher verwirklichen können, wenn sie davon selbst einen einzigen Augenblick gehört haben.
Präsident Ikeda: Ein Lehrer des Gesetzes ist ursprünglich eine Person, die selbst das Lotos-Sutra gehört und dadurch Freude verspürt hat. Andere Menschen hören diesen Lehrer des Gesetzes das Lotos-Sutra erklären und freuen sich auch darüber. Der ewige Weg der Verwirklichung der Buddhaschuft, den die Menschen in der Zeit nach dem Tod des Buddhas beschreiten, existiert in einer Art Kettenreaktion der Freude. Nichiren Daishonin sagt:
„Als ich, Nichiren, den Glauben an das Lotos-Sutra zuerst annahm, war ich wie ein einzelner Wassertropfen oder ein einzelnes Staubkorn im Land Japan. Doch mit der Zeit, wenn zwei Personen, drei Personen, zehn Personen und Hunderte, Tausende, Zehntausende und Hunderttausende Menschen das Lotos-Sutra zu rezitieren und an andere weiterzugeben beginnen, dann werden sie einen Berg Sumeru der mystischen Erleuchtung bilden, einen großen Ozean des Nirwana. Suchen Sie außer diesem keinen anderen Weg, um die Buddhaschaft zu verwirklichen.“ (Japanische Gosho, Seite 288)
Die SGI ist eine Glaubensgemeinschaft derjenigen, die in genauer Übereinstimmung mit diesen Worten handeln.
Saito: Zu Anfang dieses Gespräches haben Sie, Präsident Ikeda, den Lehrer des Gesetzes als geistigen Anführer beschrieben, der in einem Zeitalter ohne Philosophie die Gesellschaft erhellt. Ich denke, es ist wunderbar, dass die Menschen selbst innerhalb der SGI Lehrer des Gesetzes sind.
Endo: In vielen etablierten Religionen ist der Klerus derjenige, die in Wirklichkeit Verbreitung durchführt. Religiöse Verbreitung findet of bei großen Versammlungen statt; wie ich höre, wird in den Vereinigten Staaten Religion sehr oft im Fernsehen verbreitet.
Im Gegensatz dazu ist der Weg der SGI “Verbreitung der Lehre durch das Volk und für das Volk”. Kleine Versammlungen wie Diskussionsversammlungen sind der Hauptweg der Verbreitung des Buddhismus des Daishonin, und die Basis liegt im Dialog von Person zu Person. Ich denke, dass dies das Muster der Verbreitung für Religionen im einundzwanzigsten Jahrhundert sein wird.
Suda: Dr. Bryan Wilson, ehemaliger Präsident der internationalen Gesellschaft für Religion, bemerkte in seinem Dialog mit Ihnen, Präsident Ikeda, folgendes:
„Persönlicher Kontakt scheint die wirkungsvollste Technik der Missionierung [d. h. Verbreitung des Glaubens] zu sein. ... In einer Welt, in der jeder lernt, Werbung gegenüber zynisch zu sein, könnte die Tatsache der persönlichen Authentizität so erfrischend sein, dass die Botschaft selbst von einem relativ unwissenden Missionar besser vermittelt wird als von technisch perfekter Werbung in den Medien mit absolut autoritativer Information.“ (aus „Gesellschaft und Religion“)
Präsident Ikeda: Das ist richtig. Es kommt auf die Aufrichtigkeit an. Es geht nicht darum, ob man eloquent ist oder nicht. Es reicht völlig aus, wenn echte Aufrichtigkeit beim Gesprächspartner ankommt. Präsident Toda sagte oft: “Wenn Sie Shakubuku machen, schaffen Sie dauerhaftes Vertrauen.”
Wer in der bösen Welt das mystische Gesetz verbreitet, ist verehrungswürdig
Endo: Wenn wir die Bedeutung vom „Lehrer des Gesetzes“ genau studieren, können wir deutlich sehen, dass sie aus „Mitgefühl (Jihi)“ danach gestrebt haben, in einer bösen Welt geboren zu werden.
Präsident Ikeda: Das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ sagt, dass diese Menschen frei sind, wo sie geboren werden wollen.” (Seite 388)
Nichiren Daishonin erklärt, dass das Leben, das die Buddhaschaft erlangt hat, in den Bereich der neun Welten schnellstens zurückkehrt und sich wieder frei in Bemühungen engagiert, Menschen zur Erleuchtung zu führen.
In der Gosho „über die Aufhebung der vorläufigen Lehren und die Errichtung der wahren Lehre, die von allen Buddhas der drei Lebensexistenzen offenbart wird“ sagt der Daishonin folgendes:
„Nachdem er ungehindert die höchste Erleuchtung im Land des ewigen Lichts erlangt hat, kehrt er im nächsten Moment in den Traum von Geburt und Tod der neuen Welten zurück. Sein Körper weilt im Land der zehn Welten in allen zehn Himmelsrichtungen, und sein Herz tritt in das Leben aller fühlenden Wesen ein. Es sollte nie aufhören, dass er, von innen angetrieben und von außen angeführt, in gegenseitiger Handlung von innen und außen sowie in Harmonie von Ursache und Beziehung die freue, übernatürliche Kraft des Mitgefühls verwendet und allen Lebewesen Nutzen bringt.“
(Japanische Gosho, Seite 574)
Wir sind freiwillig in dieser Welt des Leidens geboren worden. Der Daishonin sagt hierzu:
“Nichiren und seine Angehörigen, die jetzt Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren, sind große Lehrer des Gesetzes unter allen Lehrern des Gesetzes.”
(Japanische Gosho, Seite 736)
Mitglieder der Soka Gakkai, die den Geist des Daishonin tief beherzigen und sich der Verwirklichung von Kosen-rufu widmen, sind “große Lehrer des Gesetzes unter allen Lehrern des Gesetzes”. Wenn wir unser gegenwärtiges Leben zu Ende führen, werden wir “im nächsten Moment” wiedergeboren werden. Wir können uns dies etwa so vorstellen:
Wir kämpfen in unserem Leben hart und gehen dann zum Adlergipfel. Dort berichten wir dem Daishonin hoch motiviert:
“Ich habe meine Aufgabe hervorragend erfüllt!”
Der Daishonin lobt uns: “Gut gemacht! Du hast wirklich gute Arbeit geleistet!”
Dann fragt er: “Nun, wohin willst du als nächstes gehen?”
Es gibt keine Zeit, selbst daran zu denken: „Ich möchte ein wenig Pause machen.“
Natürlich wer sich wirklich entspannen will, kann das auch tun!
Wir sind völlig frei.
Wie der Daishonin hinweist, wenn er davon spricht, dass wir die “freie, übernatürliche Kraft des Mitgefühls” ausüben, kehren wir aufgrund des Mitgefühls des Buddhas im nächsten Moment wieder mit kraftvollem Geist in eine neue Sphäre der Aufgabe zurück. Das ist, wie man an einem Tag schlafen geht und am nächsten Morgen wieder aufsteht.
Suda: Aus Mitgefühl und Mitleidensgefühl für die leidenden Menschen sehnten sich die Lehrer des Gesetzes danach, in einer unreinen Welt geboren zu werden. Der große Lehrer Miao-lo (Myoraku) aus China nennt das “der Wunsch bekleidet das Karma (Ganken-ogo)”.
Die Lehrer des Gesetzes sind ursprünglich Menschen, die aufgrund des Nutzens, den sie in ihrer buddhistischen Ausübung angesammelt haben, von rechts wegen in einem “guten Land” geboren werden könnten. Doch sie wünschten, absichtlich in einer Welt voller Bösem geboren zu werden, um den Buddhismus zu verbreiten.
Präsident Ikeda: Toda Sensei sagte auch oft:
“Weil jemand, der von Anfang an zu vorbildlich ist, nicht unter die Menschen gehen kann, um den Buddhismus zu verbreiten, entscheidet er sich absichtlich dafür, als Mensch geboren zu werden, der arm oder krank ist. ... Das Leben ist wie ein Auftritt in einem Theaterstück.” Er sagte auch:
“Ich habe meine Frau verloren, und meine Tochter ist gestorben. Mein Geschäft ist bankrott gegangen. Gerade weil ich solche Leiden erfahren hatte, konnte ich Präsident der Soka Gakkai werden.”
Menschen, die keine schmerzvollen Kämpfe oder Leiden erlebt haben, können die Herzen anderer niemals verstehen. Nur wer von der Bitternis des Lebens gekostet hat, kann Menschen zum Glück führen. Solange wir unsere Leiden einfach als “Karma” betrachten, bedeutet es, dass unser Blick nach hinten gerichtet ist. Wir sollten vielmehr die Einstellung entwickeln: “Das sind die Leiden, die ich für meine Aufgabe auf mich genommen habe. Ich habe geschworen, diese Probleme durch den Glauben zu überwinden.”
Dieses Prinzip “der Wunsch bekleidet das Karma (Ganken-ogo)” lehrt uns, das „Leben eines einzigen Augenblicks (Ichinen)“ umzuwandeln. Was wir zuvor als Schicksal angesehen haben, beginnen wir als Aufgabe zu sehen. Es ist absolut unmöglich, dass wir Leiden, die wegen unseres eigenen Gelübdes erschienen sind, nicht überwinden können.
Saito: Nichiren Daishonin kommentiert die Stellen des Kapitels „Lehrer des Gesetzes“; “weil sie bei allen Buddhas ihren großen Wunsch erfüllt haben und sich der Lebewesen erbarmen, werden sie in diese Menschenwelt geboren“ (Seite 384) oder "weil sie sich der Lebewesen erbarmen, werden sie in diese böse Welt geboren.“ (Seite 385) Er sagt:
Der “große Wunsch” ist, das „wahre Gesetz (Hokke)“ zu verbreiten. “Weil sie sich der Lebewesen erbarmen” bezieht sich auf alle Lebewesen im Land Japan. Die Personen, die “in diese böse Welt geboren” sind Nichiren und seine Anhänger. “Weithin” weist auf den ganzen südlichen Kontinent von Jambudvipa [d.h. der ganzen Welt] hin. “Dieses Sutra” bezieht sich auf das Daimoku. Nichiren und seine Anhänger sind diejenigen, die jetzt Nam-Myoho-Renge-Kyo rezitieren.“
(Japanische Gosho, Seite 736)
Die Mitglieder der Soka Gakkai, die auf der ganzen Welt das mystische Gesetz verbreiten, sammeln wirklich unermessliches Glück an. Sie sind wahre Angehörigen des ursprünglichen Buddhas, die auf dieser Welt geboren sind, um ihre Aufgabe für Kosen-rufu zu verwirklichen, nicht wahr?
Präsident Ikeda: Daher sind sie alle verehrungswürdig. Deshalb sollten wir alle einander respektieren. Zu Anfang haben wir über Indien gesprochen. Mahatma Gandhi (1869-1948), der Vater des modernen Indien, sagte einmal:
„Ich möchte nicht anders geboren werden, doch wenn ich wiedergeboren werden könnte, möchte ich als Unberührbarer wiedergeboren werden, damit ich ihre Sorgen, Leiden und die Beleidigungen, die gegen sie gerichtet werden, teilen kann und mich so bemühen kann, sie und mich aus ihrer elenden Lage zu befreien.“
In diesen Gefühlen spüre ich etwas, das mit dem Geist vom Prinzip “der Wunsch bekleidet das Karma (Ganken-ogo)” verwandt ist. Es handelt sich um das Mitgefühl, für andere und gemeinsam mit anderen zu leben.
Es resultiert aus dem Wunsch, unter denen geboren zu werden, die am meisten leiden.
Der Buddha findet sich unter denen, die am meisten leiden.
Der Buddhismus ist dafür da, diejenigen, die am meisten leiden, am glücklichsten werden zu lassen.
Das Kapitel „Lehrer des Gesetzes“ erklärt das erhabene Wesen geistiger Anführer, die ihr Leben den Menschen widmen und ihr Leben unter den Menschen führen.
(Ende des Bands 2)
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