1600041780 a:2:{s:7:"content";s:12601:"
Das Prinzip Engi
Studium von Sakae Takahashi
Das Prinzip „Engi“ erklärt die Denkweise, auf der der Buddhismus in seiner Entstehungszeit basierte.
Shakyamuni hat sich mit 19 Jahren dem weltlichen Leben abgewandt und widmete sich ausschließlich der Askese, um dann mit 30 Jahren die Erleuchtung zu erlangen. In diesem Zustand hat er die Gesetzmäßigkeit des Lebens, die man auch als „das Gesetz des Engi“ bezeichnen kann, erkannt.
Dieses Verständnis der Welt ist in anderen Ländern mit anderen Religionen oder Philosophien wie zum Beispiel in Europa eher fremd.
Auf der Basis von „Engi“ können die Probleme und Leiden der einzelnen Menschen und der heutigen Gesellschaft gelöst und überwunden werden. Dies erläutert Präsident Ikeda sehr oft bei seinen Vorträgen und Friedensvorschlägen.
Nun was bedeutet Engi genau? Betrachten wir dies heute auf möglichst einfache Weise also von der praktischen Seite.
Das Prinzip „Engi“ beinhaltet zwei Kernaussagen:
1. Alle Lebewesen und Phänomene ändern sich ständig, d.h. es gibt nichts was ewig so bleibt wie es zu einem bestimmten Zeitpunkt, zum Beispiel jetzt, ist.
Diese „ständige Veränderung“ beinhaltet natürlich, dass „die Menschen sich selbst ändern können.“ – im positiven wie leider auch im negativen Sinne. Wir wünschen selbstverständlich, eine „positive Änderung“ herbeizuführen.
2. Alle Lebewesen und Phänomene sind miteinander verbunden, somit existiert nichts und niemand ohne Beziehung mit anderen.
Aus dieser Verbundenheit folgt: „Wenn man sich selbst ändert, ändert sich auch die eigene Umgebung.“ Das Ichinen (der starken Entschlossenheit eines Einzelnen) ermöglicht eine tiefgreifende Änderung der eigenen Person und bewirkt somit eine entsprechend starke Veränderung der Umgebung.
Um diese zwei Punkte noch genauer zu erklären:
1. „Alle Lebewesen und Phänomene ändern sich ständig“ steht für den zeitlichen Aspekt des Prinzips Engi.
Obwohl sich in der realen Welt alles ständig ändert (Realität), möchten die Menschen alles, Dinge und Menschen festhalten; sie können sie nicht loslassen und denken irrtümlicherweise, dass sie unverändert bleiben (Illusion). Denken wir nur an Vermögen, gesellschaftlichen Status, Berühmtheit, Gesundheit, Jugendlichkeit, Liebe und vieles mehr. Alles soll so bleiben wie es ist und bei uns bleiben. Da wir Menschen (unbewusst) ahnen, dass dies nicht möglich ist, haben wir immer Angst, etwas zu verlieren.
Shakyamuni hatte erkannt, dass „dieses Anhaften“ und diese „irrtümliche Sichtweise der Unver-änderlichkeit“ Ursache für das Leiden und das Unglück der Menschen ist. Daher sagte er: „Schaut euch doch die Realität an, alle Lebewesen und Phänomene altern und vergehen/sterben ohne Aus-nahme.“ Aber damit meinte er nicht, dass man resignieren oder die Realität passiv akzeptieren soll.
Jedoch verzerrten einige buddhistische Richtungen nach seinem Tod seine wahre Absicht.
Manche behaupteten, dass das Anhaften und die irdische Begierden negative Eigenschaften des Menschen darstellen, die nur Leiden verursachen, und deshalb grundsätzlich auszulöschen sind.
So hatte zum Beispiel die bekannte Nembutsu-Schule jahrhundertelang einen sehr negativen Einfluss auf die Menschen, weil sie die Unveränderlichkeit der Dinge, also auch der herrschenden Lebensbedingungen, so betonte. Sie lehrte, dass Bemühungen, die harte und so schwierige Realität des Lebens zu ändern, meist vergeblich sind. Deshalb lohne es nicht, sich hierfür anzustrengen. Außerdem vertrat die Nembutsu, dass eine „ideale“ Welt nicht im jetzigen, diesseitigen Leben zu realisieren sei. Erst nach dem Tod könne man in diese ideale Welt gelangen (bei Buddha Amida im westlichen Teil des Universums). So wurden die Menschen in eine Welt der Fantasie geführt, und Ihnen eine ausweichende Lebensbetrachtung eingeprägt. Ähnliche Betrachtungsweisen des Lebens finden wir auch in anderen Religionen.
Shakyamuni hatte dagegen gelehrt: „Im realen Leben sind alle Dinge und Phänomene dazu bestimmt sich zu verändern, deshalb sollen die Menschen nicht an diesen anhaften.
Es ist daher ein Irrtum zu denken: „Die negative Realität sei unvermeidlich und man müsse sich ihr passiv ergeben, müsse vor der Realität fliehen und die Hoffnung im Diesseits glücklich zu werden, aufgeben.“
Lehrte Shakyamuni doch, dass sich in der realen Welt alles ständig ändert, das gilt also auch für unsere Umgebung. Jeder Mensch kann sich aktiv, das heißt willentlich, ändern. Deswegen fordern wir uns mit unserer Aufgabe für Kosen-rufu jetzt und hier heraus; wir ändern durch unsere Anstrengungen unsere eigenen Realitäten.
Es gibt kein Schicksal, dass der Mensch nicht ändern kann. Die Energie für diese Änderung oder Transformation existiert in den Herzen der Menschen. Das ist die erste Kernaussage von „Engi“.
Der 2. Aspekt von Engi ist, dass alle Lebewesen und Phänomene miteinander verbunden sind. Dies bezeichnet man auch als den räumlichen Aspekt von Engi. Kein Lebewesen oder Phänomen existiert unabhängig und isoliert voneinander. Alle stehen in gegenseitiger Beziehung zueinander.
Optisch betrachtet (was man sehen kann) ist ein Mensch getrennt von anderen Menschen; man sieht den Körper, registriert das Verhalten. Aber aus buddhistischer Sicht ist der Mensch mit den anderen in der Tiefe des Lebens, in der Schicht des Unbewussten, der 8. Bewusstseinsebene oder gemeinsames Menschheitskarma, verbunden. Dort beeinflussen sich die Menschen gegenseitig, im Negativen wie im Positiven. Sie können sich gegenseitig auch aktiv unterstützen. Dieses gilt für die Menschen selbst als auch ihre Umgebung (Menschen und Natur).
Diese Darstellung entspricht dem Prinzip der neun Bewusstseinsschichten.
Das Prinzip der neun Bewusstseinsschichten ist nicht das heutige Thema, daher möchte ich nicht detailliert darüber sprechen. Um es kurz zu beschreiben: Das Prinzip der „Neun Bewusstseinsschichten“ ist eine Darstellung, das Herz des Menschen vertikal zu betrachten oder das Leben des Menschen von der Oberfläche bis zur tiefsten Ebene anzuschauen.
Von den neun Ebenen des Bewusstseins entsprechen die ersten fünf den fünf Sinnen: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Fühlen (Tasten). Es sind die Funktionen von Wahrnehmung und Bewusstwerdung.
Das sechste Bewusstsein integriert diese fünf zu zusammenhängenden Bildern, beurteilt damit die Außenwelt und initiiert die entsprechenden Handlungen. Unsere täglichen Aktivitäten verrichten wir vor allen mit diesem sechsten Bewusstsein.
Wenn wir weitergehen, kommen wir zum siebten und achten Bewusstsein, die dem Bereich des sogenannten Unbewussten entsprechen.
Im Buddhismus wird erläutert, dass die ersten siebten Bewusstseinsebenen individuell funktionieren, dass aber das achte Bewusstsein in Wechselwirkung mit der karmischen Energie der eigenen Familie, der eigenen ethnischen Gruppe ja der gesamten Menschheit, ebenso wie mit derjenenigen von Tieren und Pflanzen agiert.
Die neunte Bewusstseinsschicht ist das universale Leben selbst, da sogenannten reine Bewusstsein, Buddhaschaft oder Nam-Myoho-Renge-Kyo.
Nicht nur die Menschen, auch die Tiere und Pflanzen, haben Teil an dieser innersten Dimension des Lebens, was natürlich allen Beteiligten völlig unbewusst ist. Nach der buddhistischen Anschauung über die Menschen und das Leben, ist das Einzelne dem Universum in seiner Gesamtheit gleichzustellen: Jedes Individuum beinhaltet das gesamte Universum in sich.
Daraus folgt, dass sich Individuen (passiv und aktiv) gegenseitig beeinflussen, sich unterstützen und sich gemeinsam entwickeln und somit auch ändern.
Wir kommen zum Anfang zurück:
So betrachtet existiert der einzelne Mensch nicht getrennt von anderen. Wenn der Einzelne diese Verbindung mit anderen nicht spürt, verursacht dies bei ihm Leiden (Einsamkeit, Verletzlichkeit).
Shakyamuni sagte auch: „Wenn man sein eigenes „Ich“ getrennt von anderen empfindet, so verstärkt dies den Egoismus.“
Bei alle Denk- und Handlungsweisen aus egoistischen Motiven, steht das „Ego“ im Mittelpunkt, es will seine Umgebung nicht berücksichtigen, es will sie ignorieren. Es sieht sich natürlich von anderen „getrennt oder unabhängig).
Wenn etwas Unerwünschtes oder Unangenehmes geschieht, sucht man die Ursache hierfür immer bei anderen und fühlt sich als Opfer: „Ich wurde von ihm verletzt“ oder „Er hat sich gegen mich gestellt.“ Dabei ruft man Ärger und Hass gegen andere in sich hervor.
Um mit sich selbst zufrieden zu sein, versucht man andere zu beherrschen und zu kontrollieren; auch: Wenn man (in der Tiefe) mit sich selbst nicht zufrieden ist, gibt man anderen die Schuld und versucht sie zu erniedrigen.
Man hebt die Unterschiede hervor wie Rasse, Volk, Kultur, Religion, Philosophie, gesellschaftliche Klasse, Geschlecht. Solche Menschen können andere nicht verstehen, nicht respektieren und nicht mit Ihnen zusammen leben.
Solange man selbst und/oder die Menschen generell sich dieser Zusammenhänge nicht bewusst ist/sind, können bisherige Leiden und Streitigkeiten zwischen einzelnen Menschen, sowie Ländern und Völkern auch nicht geändert werden.
Deswegen lehrte Shakyamuni: Man solle nicht das „Ego“ in den Mittelpunkt stellen und daran festhalten. Das soll aber nicht bedeuten, das eigene Leben zu vernachlässigen oder die eigene Unabhängigkeit aufzugeben und keine Verantwortung zu übernehmen.
Ihr kennt sicher schon die Begriffe „kleines Ego“ und „wahres oder großes Selbst"“?
Anstatt das kleine Ego in den Mittelpunkt zu stellen, soll man das wahre oder große Selbst wecken und hervorbringen.
Großes Selbst steht für das stabile Selbst, das in der Tiefe des Gesetzes des Universums gründet. Es fußt somit auf dem Fundament der 9. Bewusstseinsschicht (Amala) oder Buddhaschaft, auf Nam-Myoho-Renge-Kyo.
Mit der Menschlichen Revolution ist gemeint, das “kleine“ Ego in das „große Selbst zu verwandeln, zu transformieren.
Wenn ein Mensch sein großes Selbst öffnet, dann kann er/sie alles ändern, kann wirklich glücklich sein.
Wichtig ist die Einstellung:
Ich bin mit allen und allem anderen verbunden. Wenn ich mich ändere, ändert sich auch meine Umgebung, räumliches Engi.
Wenn ich mich in der Gegenwart, also jetzt, ändere, ändert das meine Zukunft. Das ist die 2. Kernaussage, die zeitliche, von Engi.
Noch einmal:
Das Prinzip Engi ist das Prinzip der Verbundenheit und der Transformation und bedeutet: Durch die eigene Änderung kann man alles ändern.
In der Gosho wird der Begriff Engi nicht erwähnt, da er die Sichtweise der Welt beschreibt, die auf der Erleuchtung Shakyamunis beruhte und in der frühen Zeit des Buddhismus gelehrt wurde.
Im Lotos-Sutra ist das Prinzip Engi als „Shoho jisso“ (das wahre Wesen aller Phänomene) erwähnt.
T'ien-t'ai beschreibt dieses Prinzip in seiner Analyse des Lotos-Sutras als „Ichinen sanzen“ (Dreitausend Lebenszustände in einem einzigen Lebensmoment)
Nichiren Daishonin hat die wesentliche Bedeutung und praktische Anwendung von Ichinen Sanzen gelehrt. Damit jeder an jedem Ort jederzeit dieses Prinzip in seinem Leben umsetzen kann, schrieb Nichiren den Gohonzon ein und verkündete Nam-Myoho-Renge-Kyo. So ist es den Menschen möglich, im täglichen Leben das große, wahre Selbst hervorzubringen und somit das eigene Glück und damit das Glück anderer hervorzubringen.
„Dein Ichinen bewegt das ganze Universum“, sagt Präsident Ikeda.
Wenn man mit seinem ganzen Ichinen konzentriert zum Gohonzon Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet, kann man sein Karma ändern und alle Probleme und Leiden überwinden.
Die Lebenssicht des Buddhisten ist alles andere als ein Leben der „Abhängigkeit“, in dem man von anderen, Mächtigen oder von Lebensumständen abhängig ist. Der Buddhismus lehrt, dass alles von der eigenen Entschlossenheit abhängt.
Präsident Ikeda hat das Prinzip Engi in seinem Essay „Deutschland ein Märchenland“ auf wunderschöne Weise beschrieben.
Marianne Acker, Bingen/Frankfurt, 28.9.2002
";s:12:"content_meta";N;}