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Essay Nr. 21

„Das Leben ist wunderschön“ von SGI-Präsident Ikeda

Dr. Milton Wong,

Rektor der Simon Fraser Universität in Vancouver

Unmöglich? Wer hat denn so entschieden!

Alles ist wie Brokat,

es ist überall brokaten, soweit das Auge reicht.

Der Herbst in Kanada ist prachtvoll.

Die Ahornblätter sind in Rot, Karmesin, Scharlachrot, Zinnober, Pomeranze, Gold und Goldgelb gefärbt. Dazu kommt noch das Grün und die Farben der Rinde. Erst durch die Vielfalt der jeweiligen feinen Farbunterschiede hebt jede Farbe die andere hervor.

Weil sie bundgemischt sind, erscheinen sie wunderschön.

Weil sie bundgemischt sind, wirken sie lebhaft und reich.

Wie dieses Bild möchte ich Kanada zu einer aus vielen Völkern bestehenden „farbenprächtigen multikulturellen Gesellschaft“ entwickeln – das ist der Traum, den Dr. Milton K. Wong, der Rektor der Simon Fraser Universität in Vancouver, hegt. Er wünscht, dass sie sich wie eine Tapisserie, in die neue Farben und Muster eingewebt werden, immer weiter vergrößert und verschönert wird.

Aber wie sah die Realität aus, als er diesen Wunsch hegte?

Sie stand in völligem Gegensatz zu seinem Traum!

Der Rektor ist der Sohn einer chinesischen Emigrantenfamilie; er ist das achte von neun Kindern (fünf Jungen und vier Mädchen). Sein Vater ermöglichte all seinen Kindern, in die höhere Schule zu gehen, indem er mühevoll eine bescheidene Schneiderei betrieb. Obwohl der Haushalt bitter schwer zu halten war, dachte er: „Bildung bringt Geld mit sich. Nein, sie ist wichtiger als Geld.“ Nichtsdestotrotz!

Obwohl einer der älteren Brüder des Rektors unter bitteren Bedingungen das Studium an der Universität mühevoll abschloss, konnte er nirgendwo eine Anstellung finden, weil er chinesischer Abstammung war. Ein anderer seiner älteren Bruder musste dasselbe erleben. Notgedrungen fingen die Beiden an, in der Schneiderei ihres Vaters zu arbeiten.

„Die Diskriminierung lässt sich sowieso nicht ändern. Man kann trotz äußerster Anstrengung schließlich nichts ändern.“ Falls er ebenso gedachte hätte, gäbe es jetzt keinen Rektor Wong. Im Gegensatz dazu fasste der junge Milton einen Entschluss: „In solch einer Lage werde ich eine diskriminierungsfreie Gesellschaft erschaffen!“

Was das Leben eines Menschen von anderen unterscheidet, ist der „Gedanke“ sowie die „Denkweise“.

Ein Pessimist wird, wenn er vor sich eine Wand sieht, kehrt machen und als Folge davon eine finstere Zukunft heraufbeschwören und schließlich zu sich sagen: „Es stimmt ganz genau, so wie ich es mir vorgestellt habe.“

Ein unentwegter Optimist, der vor einer Wand steht, denkt, sie sei zum Überwinden da, und bahnt einen Weg in eine brillante Zukunft und sagt letztlich zu sich: „Es stimmt ganz genau, so wie ich es mir vorgestellt habe.“

Wer entschied, „Ich schaffe es!“, der gewinnt!

Su Shi (1031-1101), ein chinesischer Dichter, lehrte die Quintessenz der Malkunst: „Wenn man vorhat, einen Bambus zu malen, sollte man sich zuerst in seinem Herzen die Erscheinung des Bambus ausmalen.“

Mit dem Gemälde des Lebens ist es genau das gleiche. Was für ein Bild jeder einzelne in seinem Herzen malen will? Wir müssen ein hoffnungsvolles Bild malen, so realistisch, als ob wir es direkt vor uns sehen würden. Falls wir ein pessimistisches, dunkles Bild malen, wird sich die Realität in dieser Richtung bewegen. Falls wir selbst etwas für unmöglich halten, wird es bestimmt unmöglich. Wenn wir denken, „Ich schaffe es nicht mehr“, können wir absolut nichts schaffen. Wer entscheidet; „Ich besiege es!“, der gewinnt. Daher ist es von großer Bedeutung, dass wir in unserem Herzen ein Bild voller Hoffnung so realistisch wie möglich malen, sodass wir es uns genau vorstellen können.

Nicht „irgendwann wird es sich positiv ändern“, sondern „bis zum bestimmten Zeitpunkt schaffe ich es unbedingt!“

Es wäre ratsam, die gesetzten Ziele auf Papier zu schreiben und sie laut vorzulesen. Wichtig ist, dass wir das Bild des Sieges ganz tief bis in die unterste Ebene unseres Unterbewusstseins eindringen lassen.

„Ich schaffe es; es steht fest, dass ich es schaffen kann. Ich führe es durch; ich muss es vollbringen, was auch immer geschehen mag!“

Bis wir uns von dem Bild überzeugen können, das deutlich zeigt, dass wir es realisiert haben, sollten wir zu uns selbst immer wieder sagen und uns es wiederholt hören lassen. „Hoffnung“ kann sich erst dann, wenn sie bis zur „Überzeugung“ befestigt worden ist, in „Realität“ verwandeln.

Verschließe dich nicht!

Denn aus der Kommunikation entsteht der Schatz.

Dr. Wong ist gegenwärtig nicht nur ein Unternehmer, der in der Welt der Wirtschaft eine führende Rolle spielt, sondern auch eine Persönlichkeit, die zur regionalen Förderung einen herausragenden Beitrag leistet. Er ist auch als ein Mensch bekannt, „der tagsüber als Präsident einer internationalen Investment-Firma ein gewaltiges Kapital in Bewegung setzt und sich nachts unermüdlich der Entwicklung der Kommune widmet und einen großen Beitrag auf freiwilliger Basis leistet“.

Er sagt: „Wenn man im Business erfolgreich sein möchte, muss man auch als ein guter ‚Psychologe’ fungieren, um die Wünsche der Kunden zu befriedigen. In diesem Sinne hat man öfters die Möglichkeit, seine betrieblichen Qualitäten weiter trainieren zu lassen, wenn man sich mit anderen in seiner Gemeinde austauscht. Überdies kann man auch Veränderungen in der Gesellschaft hautnah spüren.“

Der Rektor, der sowohl als Psychologe denn auch als Experte der menschlichen Verhaltenskunde bezeichnet werden kann, verbindet wie ein „Katalysator“ einen Menschen nach dem anderen miteinander.

Um die chinesische Kultur mit anderen Volksgruppen „zu teilen“, schlug er vor, ein „Drachen-Boot Festival“ zu veranstalten, und übernahm die Initiative, um diese Idee alsbald in die Tat umzusetzen. Fast zeitgleich errichtete er das „Laurier Institut“, um das Problem der multikulturellen Koexistenz und seine Lösung zu erforschen. Außerdem ergriff er aktiv das Wort, um die Rechte der Ureinwohner zu sichern. Als seine Frau an Krebs erkrankt war, unterstützte er kräftig eine neue Firma, die eine Technik, den Krebs frühzeitig zu entdecken, entwickeln sollte, und handelte unermüdlich, um das allgemeine Verständnis der Gesellschaft über die Krebskrankheit zu verändern.

Seit er im Jahr 1999 zum Rektor der Universität einberufen wurde, ist er ständig darum bemüht, neue Herausforderungen anzunehmen, wie zum Beispiel ein „Zentrum für Dialoge“ zu errichten, nachdem er seine Ansicht klar benannt hatte: „Es ist die Zeit, in der die Universität sich entwickeln muss. Sie muss sich von einem ‚autoritären Raum, der das Wissen im Einbahnverkehr weiter gibt’, zu einem Raum entwickeln, in dem Dialoge zwischen unterschiedlichen Wertanschauungen angeregt werden.“

Zur multikulturellen Gesellschaft!

Weiter, immer weiter und noch weiter nach vorne!

Dr. Wong befindet sich stets einige Schritte voraus. Jemand kommentierte die Person Wong folgendermaßen: „Er ist ein ‚Starter’ und kann deutlich sehen, was die meisten Menschen noch nicht sehen.“

Inazou Nitobe (1862-1933), ein international anerkannter Gelehrter, der in Kanada starb, warnte die Japaner davor, „sich zu verschießen“. Er meinte: „Obwohl sie viele positive Eigenschaften besitzen, sind sie ungeschickt im Umgang mit Ausländern, und es mangelt ihnen an Themen, um sich miteinander zu unterhalten. Selbst Wissenschaftler bleiben in ihrem Fachbereich verschlossen und scheinen sogar stolz darauf zu sein.“

Rektor Wong bleibt niemals verschlossen. Sein nahezu gieriger Forschungsgeist erstreckt sich von der klassischen Philosophie bis zur modernen Politikwissenschaft und von der Biotechnologie bis zur modernen Kunst. Er stellt für uns quasi ein Muster der lebenslangen Bildung dar. Das „Zentrum für Dialoge“ der Simon Fraser Universität konnte aus seiner „unverschlossenen“ Idee entstehen.

Er vertritt die Ansicht: Es ist nicht gut, wenn Wirtschaft, Regierung und Arbeiter voneinander getrennt bleiben. Die Universität muss einen Raum anbieten können, alle Welten miteinander zu verbinden; sie muss zwischen den Älteren und Jugendlichen eine Brücke des Dialogs schlagen können. Wenn innerhalb der Universität ein Raum für wissenschaftlich-praktische Dialoge, die über die spezifischen Fachbereiche hinaus gehen, geschaffen wird, können immer mehr neue Ideen angeregt werden. Es bedeutet für beide Seiten ein Unglück, falls zwischen den „gesellschaftlich realen Problemen und der Wissenschaft“ keine Brücke geschlagen werden kann. Wenn die Universität noch offener wird, können sich gewaltige Möglichkeiten eröffnen!

Es ist die Leidenschaft, die die ganze Handlung des Rektors durchdringt, der sich innigst wünscht, dass alle Menschen ihr größtmögliches Potenzial durchweg hervorbringen. Es geht nicht nur um die eigene Kapazität und auch nicht nur um die Kapazität anderer, sondern um die Entfaltung der Kapazität aller Menschen. Er sagt: „Entscheide nicht und sag dir nicht vor, dass es nicht zu machen ist, bevor du anfängst, an die Sache heranzugehen! Beurteile nicht, dass der Partner so oder so ist, bevor du mit ihm Dialoge führst!“ Als Gegenpol dieser Philosophie platzieren sich Diskriminierung und Ausschließung als unsere „Erzfeinde“.

China-Town voller Leiden

„Welche Verschwendung! Es ist verschwenderisch!“, so pflegte seine Mutter zu sagen und ging mit allen Dingen gleichermaßen um: „Das kann man noch benutzen! Das hält noch!“

Im Alter von 9 oder 10 Jahren sollte der kleine Milton alte Zeitungen zusammengebündelt zur Hühnerfleischerei bringen, damit sie noch zum Einpacken von Hühnerfleisch benutzt werden konnten. Er durfte aber dafür kein Geld annehmen; es ging nicht um Geld, sondern darum, Verschwendung zu vermeiden.

Vancouver ist eine Hafenstadt an der Westküste Kanadas.

In der China-Town gab es unzählige Pfade, die einem Labyrinth gleichkamen. In den Teehäusern hockten die Männer immer beisammen. Es war 1908, als sein Vater aus Kwangtung (Guangdong), einer Provinz im Süden Chinas, zum Arbeiten nach Kanada kam, in dem Jahr, in dem Hsi-tai-hou (1835-1908), die Kaiserin der Ching (Qing)-Dynastie in China, verstarb. Als er nach einer langen leidvollen Schiffsreise im Hafen von Vancouver ankam, kannte der junge Chinese kein Wort Englisch.

Zu Beginn arbeitete er als Eisenbahner, der Schienen verlegte. Die Verbindung zwischen den chinesischen Einwanderern und der Verlegung der Eisenbahnschienen in Kanada geht geschichtlich weit zurück. Die Arbeit an der „kanadischen Pazifikeisenbahn“, die Ost und West im weiten Kanada verbindet, begann im Jahr 1881. Dazu beschloss die kanadische Regierung, 17.000 Chinesen aus der Provinz Kwangtung einzustellen. Bereits um diese Zeit herrschte eine Atmosphäre, die Chinesen zu boykottieren. Die meisten Weißen wollten jedoch nicht solche lebensgefährliche schwierige Arbeit selbst machen und flüchteten davor.

Es hieß: „An schwierigen Stellen kostete der Eisenbahnbau pro Meile (ca. 1.6 km) zwei Menschenleben.“ Man ließ die Arbeiter einen Behälter mit Nitroglyzerin auf dem Rücken tragen und auf dem steilen Weg transportieren, ohne ihnen zu erklären, was sie trugen. Das waren fürchterliche Bedingungen. An den scharfen hochragenden Klippen gingen sie völlig hilflos nur mit Hammer und Meißel an die Arbeit heran. Die Verletzungen durch Dynamit hörten nie auf.

Ihr Tageslohn betrug ein Dollar, während die Weißen 1,5 bis 2,5 Dollar verdienten. Die Realität, die sie erlebten, unterschied sich vollkommen von dem, was sie vor ihrer Abreise zu hören bekamen. Ihnen wurde außerdem gesagt: „Wenn du nicht willst, haben wir noch genug Leute, die an deiner Stelle arbeiten wollen!“ Obwohl das Klima im Gegensatz zum Süden Chinas viel kälter war, hatten sie nur ein dünnes Hemd an, und es wurde ihnen ein Paar Schuhe aus Stoff zugeteilt. Sie hausten isoliert in einer baufälligen Hütte und hatten nicht genug zu essen. Selbst wenn sie schwer krank wurden, konnten sie nicht heim kehren, bis der Vertrag erfüllt war. Viele nahmen sich das Leben.

Aber sobald die Bauarbeiten nach vier Jahren zu Ende gingen, fing die Boykottbewegung an: „Raus mit den Chinesen!“ Ist die „Pazifikeisenbahn“, die Kanada zu einem Land vereint, nicht ein Bauwerk, für das unzählige Chinesen ihr Leben einsetzten? Solche Tatsachen einfach vergessend, versuchten die Menschen im Handumdrehen, die Chinesen aus dem Land zu vertreiben, sobald sie sie nicht mehr brauchten!

Seitens der weißen Arbeiter herrschten Ängste: „Wenn sie mit derart niedrigem Lohn arbeiten, werden wir schließlich keinen Arbeitsplatz mehr finden.“ Es gab auch Politiker, die das Angstgefühl der Menschen schürten und ausnutzten und den Boykott der Chinesen zu ihrem Wahlkampfthema machten und gewählt wurden. Um ihre Diskriminierungshaltung zu rechtfertigen, setzten sie ebenfalls die Propaganda fort, dass die Chinesen ein „minderwertiges Volk“ seien. Es ist festzustellen, dass die Diskriminierung in den meisten Fällen im Hintergrund ökonomischer Absicht geschaffen wird.

Um ihnen die Einreise zu erschweren, wurde jedem einzelnen chinesischen Immigranten eine „Kopfsteuer“ auferlegt; sie begann mit 50 Dollar und stieg bald auf 100 Dollar. Im Jahr 1904 betrug sie 500 Dollar. 500 Dollar machten damals das Einkommen von zwei Jahren aus! Im Jahr 1908, in dem der Vater von Dr. Wong nach Kanada kam, wurden 500 Dollar plus 200 Dollar als Kaution entrichtet.

Ein Jahr zuvor, 1907, ereignete sich ein „Aufstand gegen Asiaten“. Das glimmende Feuer war noch nicht abgekühlt. Obwohl die Chinesen schikaniert und verschmäht wurden, hielten sie durch und lebten weiter. Nichts blieb ihnen übrig als weiter zu leben. Sie hatten keine andere Wahl als dies alles zu erdulden und auszuhalten.

Der Vorwand ist eine Kette, mit der man sich selbst fesselt

Um im Leben erfolgreich zu werden, gibt es ein einziges Geheimnis, nämlich durch und durch arbeiten, bis man den Erfolg erringt. Selbst wenn man einhundert Mal versagt hat, steht man doch zum einhundertersten Mal auf. Sowohl „Gründe“ als auch „Vorwände“, warum man es nicht schaffen konnte, kann man unendlich aufzählen: „Wenn ich früher studiert hätte!“ „Wenn ich ganz gesund gewesen wäre!“ und „Wenn jemand so gemacht hätte, wie ich mir vorgestellt habe!“

Was bedeutet „Vorwand“? Er ist eine „Kette“, mit der man sich selbst fesselt. Je mehr man etwas zum Vorwand nimmt, desto fester gefesselt fühlt man sich und desto weniger Kraft kann man hervorbringen. Was wichtig ist, dass man zuerst diese Kette sprengt.

Kürzlich sagte ein chinesischer Unternehmer: „Heute reden viele zwar über die wirtschaftliche Flaute oder über die schlechte Konjunktur. Aber die Konjunktur kann sich sicherlich nicht verbessern, falls die schlechte Konjunktur gerade auch im Herzen der Menschen die Oberhand gewonnen hat.“

1917 kehrte sein Vater wegen seiner Heirat einmal nach China zurück. Der Vater der Braut, der Missionar in der Provinz Kwangtung war, stellte für die Heirat zwei Bedingungen; sie hießen zum einen, dass die Hochzeitfeier in der Kirche stattfinden sollte, und zum anderen, dass seine Tochter nach der Heirat nach Kanada mitgeht.

Der Grund für die zweite Bedingung lag darin, dass es damals allgemein üblich war, dass die frischverheirateten Männer allein zum Arbeiten ins Ausland gingen, während ihre jungen Frauen zuhause in China zurückblieben. Damals diente Heirat regelrecht dem Zweck, die Bindung zwischen den Immigranten und China aufrechtzuerhalten, und fand lediglich um der Familien willen satt. Die jungen Ehefrauen hatten viele Jahre nur zu warten, indem sie ihren Schwiegereltern dienten. Es kam auch nicht selten vor, dass ihre Ehemänner nie wieder zurückkehrten. Es gab ebenso Männer, die vom Ausland kein Geld schickten.

Die Mutter von Dr. Wong, konnte lesen und schreiben, was damals gar nicht üblich war. Sie war auch vom Brauch, die Füße einzuschnüren, befreit; sie wuchs in einer Familie auf, die sich mit neuen Gedanken befasste. Nun sollte sie auch mit nach Kanada gehen. Aber dann wurde ihre Ausreise durch die radikale Veränderung der politischen Lage Chinas fast unmöglich. Und erst im Jahr 1920 konnte sie endlich ein Schiff, das in Richtung Kanada auslaufen sollte, besteigen. Ein Inspektor, der die Menschen bei ihrer Ausreise streng kontrollierte, stellte in den Dokumenten fest, dass die Mutter von Dr. Wong in der Kirche geheiratet hatte, und erteilte daher nach seinem Ermessen, dass sie die westliche Kultur gut verstehen müsse und es daher keine unnötige Reibung geben würde, die letzte Genehmigung für ihre Ausreise.

Jahre, die vergingen: „Chinesen? Nein danke!“

Im nachhinein stellte es sich heraus, dass sie überhaupt die letzte Chance wahrgenommen hatte. Denn 1923 wurde im Parlament ein „Chinesen-Boykott-Gesetz“ verabschiedet, das veranlasste, die Einreise der Familienmitglieder zu verhindern.

Seither konnten die Chinesen nicht einmal ihre Frauen und Kinder holen; es wurde somit eine Gesellschaft von allein lebenden aber verheirateten Männern gebildet. Und dieser Zustand dauerte bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs, also beinahe einviertel Jahrhundert lang, an. Viele Menschen mussten ihr ganzes Leben lang einsam leben und sterben, während sie sich fürchterlich darum Sorgen machten, ob ihre auf dem chinesischen Kontinent zurückgelassenen Familienmitglieder durch den Einmarsch der japanischen Armee überhaupt am Leben geblieben waren oder nicht. Andererseits ging es ihren Familienmitgliedern in China genauso. Das abscheuliche Gesetz, das viele Familien trennte, brachte unzählige Tragödien hervor.

Rektor Milton K. Wong, der im Jahr 1939 geboren wurde, sagte einmal: „Wenn meine Eltern keinen weltoffenen Gedanken besessen hätten und nicht nach Kanada gekommen wären, hätte ich nicht auf die Welt kommen können.“

Nach dem letzten Weltkrieg wurden die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Immigranten in Kanada wesentlich verbessert; sie erwarben auch das Wahlrecht.

Seine zwei älteren Brüder studierten auf der British Columbia Universität, einer renommierten Universität in Vancouver, und schlossen trotz harter Umstände ihr Studium ab. Es war im Jahr 1947, in dem das „Boykott-Gesetz“ aufgehoben wurde.

Der genannten Universität habe ich im goldenen Herbst 1993 einen Besuch abgestattet. Sie ist eine der führenden Universitäten Kanadas.

Selbst wenn das berüchtigte Gesetz aus der Welt geschafft wurde, hieß es jedoch nicht, dass die Vorurteile ebenso verschwanden. Obwohl seine beiden Brüder ein exzellentes Zeugnis ablegten, konnten sie keine Firma finden, die sie einstellen wollte, nur deswegen, weil sie chinesischer Abstammung waren.

Dr. Wong selbst beschrieb einmal zurückblickend: „In den vierziger und fünfziger Jahren wurde China-Town als Nest von Hasardspiel und Rauschgift angesehen“

Der Ärger seiner beiden Brüder, das Bedauern der Eltern und der Entschluss, den der junge Wong dadurch fasste, wurde sein Ausgangspunkt: „Dem gegenüber, was geschehen ist, hege ich keinen Groll. Jedoch lasse ich es kein zweites Mal mehr zu.“

„Dem, der die feste Absicht besitzt, gelingt es, sie zu vollbringen.“

(aus „Die achtzehn Grundrisse der Geschichte“, Guang-wu-di)

Durch den Kampf unzähliger Menschen ist Kanada jetzt eine führende Nation mit einer „multikulturellen Gesellschaft“. Im Jahr 1971 führte Kanada als erstes Land in der ganzen Welt als offizielle Politik einen „Multikulturalismus“ ein, und dafür gibt es einen Minister. Für die vergangene „Chinesen-Boykott-Bewegung“ sowie für die Verfolgung, die den japanischen Immigranten widerfuhr, verkündete die kanadische Regierung eine offizielle Entschuldigung.

Die „Erziehung gegen rassistische Diskriminierung“ wurde landesweit durchgeführt, und der Ruf, als „Rassist!“ bezeichnet zu werden, wurde zur höchsten Schande.

Dr. Wong sagt, „Die Technik, mannigfaltige Kulturen zusammen existieren zu lassen“, ist das Größte, was Kanada in alle Welt exportieren kann“ und ist voller Stolz darauf. Weil alle Nationen heutzutage diese Technik unbedingt benötigen.

In der „verschlossenen Gesellschaft“ stagniert auch die Wirtschaft

Japan soll meines Erachtens auch eine derart fortschrittliche Haltung und ein solches Menschenrechtsbewusstsein aus Kanada lernen. Ansonsten wird Japan zusehends von der Welt isoliert, darum mache ich mir große Sorgen. Sicher ist mir bekannt, dass die Koexistenz nicht leicht zu schaffen ist. Es werden Reibereien entstehen, aber wenn wir sie überwinden, können wir „durch die Begegnung vieler füreinander fremden Elemente“ eine neue Kreativität wie auch Vitalität erzeugen.

Eine exklusive „verschlossene Gesellschaft“ wird auch sozialpsychologisch zur Stagnation führen. Auf lange Sicht hin kann eine Gesellschaft, in der die Menschenrechte hochgeschätzt werden, ein Gefühl der Stabilität gewinnen, und dadurch vermehren sich Investitionen aus aller Welt, sagt Rektor Wong.

In Kanada veränderte sich die Lage soweit, bis Adrian Clarkson, eine Frau chinesischer Abstammung, im Jahre 1999 zum „Generalgouverneur Kanadas“, dem Stellvertreter des Staatsoberhaupts Großbritanniens, Königin Elisabeth, gewählt wurde. Es kommt mir vor, als ob wir fürwahr einer völlig anderen Generation angehören würden. Die Menschen, die misshandelt wurden, haben endlich gesiegt. Das „Bild“, das sie tief in ihrem Herzen malten, wurde „Realität“.

Auch wenn etwas zu schaffen unmöglich aussehen mag, kann es für die Menschen nicht unmöglich sein, Probleme zu lösen, die sie selbst geschaffen haben. Wir müssen vom „Fazit“ ausgehen, das heißt: „Wir können sie bestimmt lösen!“ Das gilt in gleicher Weise auch dafür, den Frieden zu schaffen.

In diesem Juli kam Rektor Wong nach Japan, um mir einen „Preis für einen Beitrag zu globalen Dialogen“ zu verleihen. Dabei bekräftigte er in seiner Rede:

„Es gibt viele Menschen, die behaupten, dass es heute unmöglich ist, Dialoge soweit zu entfalten, bis sie die gesamte Welt einschließen. Sie meinen, es ist allen Anstrengungen zum Trotz zu gefährlich, oder es gibt keine Erfolgschance. Solche Menschen scheinen den Zustand, dass die Welt von Feindseligkeit erfüllt ist, hinnehmen zu wollen, und manche von ihnen ziehen sogar daraus Nutzen. Jedoch haben wir in unserer Universität beschlossen, uns weiter herauszufordern und unsere Bemühungen weiter fortzusetzen, und zwar gegen die Aussagen vieler Menschen, es sei unmöglich!“

Das unversiegbare grenzenlose Vermögen, es ist nicht irgendwo, sondern im Herzen der Menschen, die bis zum Ende kämpfen, zu finden.

(aus „Seikyo Shimbun“ vom 24. November 2002)

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