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Erinnerungen an Dachau

- Jörg Feller –

Wann ich genau von dem Männertrainingskurs in Bayern dieses Jahr erfahren hatte, kann ich gar nicht mehr sagen. Meine Gedanken und Aktionen waren auf ganz andere Dinge gerichtet, schließlich wollte ich zusammen mit zwei Freunden eine Firma gründen. Der Juni war noch weit weg. Bayern noch viel weiter. Und ebenso die Erinnerungen an meine Zeit in Bayern. Meine Gedanken waren auf die Zukunft ausgerichtet. Was scherte mich die Vergangenheit.

Mit dem konkreten Gedanken, an diesem Kurs teilzunehmen, setzte ich mich erst gar nicht auseinander, denn eigentlich war ich davon ausgegangen, ohnehin keine Zeit finden, mich auf den Weg nach Bayern zu machen. Also, nicht weiter beachten und nach vorne schauen. Nicht viel Energie auf diesen Kurs verwenden.

Doch nun sitze ich hier und versuche, meine Gedanken zu ordnen. Es ist alles auf einmal so präsent wie es zuvor nie gewesen war. Und das nur, weil ich ebenfalls quasi nebenbei erfuhr, das geplant war, im Verlaufe des Männertrainingskurses gemeinsam einen Besuch in Konzentrationslager in Dachau zu machen. Der Gedanke daran hat mich tief betroffen und meine ersten Reaktion war ablehnend. Das ist keine gute Idee, dachte ich.

Dabei ist es noch nicht so lange her, dass ich selbst fast ein ganzes Jahr lang in Dachau arbeitete und lebte. Meine Familie kannte ich für diese Zeit nur am Wochenende. Sie war es schließlich auch, die mich bewegte, meinen Job dort aufzugeben und mein Glück wieder in Nordrhein-Westfalen zu finden. Aber dennoch möchte ich keine Minute missen, die ich in Dachau lebte !

Ich war oft an der KZ-Gedenkstätte vorbeigefahren. Sehr oft sogar. Aber ich bin nie hineingegangen. Vielleicht hatte ich einfach Angst, dass die Erfahrung zu heftig sein und mich zu sehr bewegen könnte, um damit umgehen zu können. Das ist vielleicht auch der Gedanke, der mich im ersten Moment davon abhalten könnte, im Juni dorthin zu gehen. Wie tief muss der Glaube sein, um mit der Erinnerung an die Gräueltaten umgehen zu können.

Doch auch wenn ich die Gedenkstätte nie besucht hatte, so war sie immer präsent. Nicht allein physisch, als vielmehr in den Köpfen der Menschen, der Freunde und Bekannten, die ich in jenem Jahr in Dachau kennen gelernt hatte. Und es gab etwas seltsames darum, dass ich, wie auch meine Gedanken zuvor, nicht so richtig greifen konnte. Es war schon etwas Mystisches. Eine unendlich große Kraft, die sich aus dem Käfig der eigenen und fremden Gedanken nicht befreien konnte. Ein innerlicher Aufschrei von all jenen, die mit Recht sagten, “Was können wir dafür !”. Und doch gingen sie dann wieder geneigten Hauptes ihren Weg weiter. Gerade so, als schämten sie sich der gesamten Geschichte dieser schönen Stadt.

Auch wenn die Last der jungen Geschichte so schwer auf Dachau liegt, so war und ist sie doch eine typische bayerische Stadt, eine oberbayerische Große Kreisstadt. Darauf war man schon stolz, denn das war mit ein Grund, von dem Einfluss der übermächtigen Metropole München weitestgehend verschont geblieben zu sein. Ja, wenn man auf München zu sprechen kam, dann war man wieder ein richtiger Dachauer. Man trotzte mit Stolz dem Expansionsdrang dieser über-mächtigen Metropole, die stetig im Begriff war, sich alles um sie herum einverleiben zu wollen.

Wenn es dann wieder um die eigene Expansion ging, um den Ausbau der Wirtschaft, um die Ansiedlung von ausländischen Dienstleistungen und Industrien, so war der böse Schleier der Erinnerung, die Gedenkstätte, erneut präsent - wie in keiner anderen Region im unmittelbaren Einzugsgebiet von München. Welche ausländische Unternehmung wollte ihre Niederlassung schon in Dachau wissen, dessen Name weltweit für den Inbegriff des nationalsozialistischen, des “deutschen” Terrors stand.

Der Widerstand z.B., den es auch in Dachau gab, die Mitmenschlichkeit, Hilfsbereitschaft ohne Rücksicht-nahme auf das eigene Leben, zum Wohle Anderer, findet kaum Erwähnung, wenn man von Dachau spricht. Die Namen von zwei Männern, stellvertretend für alle anderen Frauen und Männer, die in Dachau Widerstand leisteten und die Not vieler Unschuldiger mildern halfen, sind auf immer mit der Stadt verbunden – Walter Neff und Georg Scherer. Beides ehemalige Gefangene des Lagers, die teils auf grausame Weise schiksalshaft auch nach ihrer Entlassung noch unter dem Nazi-Regime mit dem Lager verbunden blieben.

Beide zeichneten für die Vorbereitung und die Durchführung des 'Dachauer Aufstandes' am 28. April 1945 maßgeblich verantwortlich. Sechs der Widerstandskämpfer fanden bei der Niederschlagung durch die SS den Tod. Es waren: Fritz Dürr, Anton Hackl, Erich Hubmann, Johann Pflügler, Anton Hechtl und Lorenz Scherer. Das war genau einen Tag vor dem Einmarsch der Amerikaner in Dachau !

Der Aufstand selbst verfolgte vornehmlich zwei Ziele, nämlich zum einen zu verhindern, dass die Stadt in einem unheilvollen Gemetzel von den Amerikanern im Kampf hätte eingenommen werden müssen, und zum anderen, die Evakuierung des Konzentrationslagers durch die SS zu verhindern. Beides hätte selbst in jenen Tagen noch den grausamen Tod sehr vieler Menschen bedeutet.

So besetzten die Widerstandskämpfer strategische Positionen und das Rathaus, von dem aus sie Panzer-arlarm auslösten, um die Besatzung des Lagers in Angst zu versetzen. Aber ihre Bewaffnung war nur leicht, und sie hatten der SS nichts entgegen zu setzen, so dass sie sich zurück-ziehen und verstecken mussten.

Auch wenn der Aufstand von der SS zerschlagen worden ist, so hat er dennoch seine Ziele nicht verfehlt. Die Evakuierung des Lagers wurde noch am Tage des Aufstandes abgebrochen, und nur einen Tag darauf, am

  1. April 1945, marschierten amerikanische Truppen in Dachau ein. Endlich fand das Grauen dort ein Ende. Der Tod jener sechs Widerstandskämpfer mag vielen so kurz vor der Befreiung ein um so sinnloseres Opfer gewesen zu sein scheinen, aber für manch andere aus dem Lager mag es doch noch die Hilfestellung gewesen sein, die ein bisschen Zeit für die eigentliche Rettung gebracht hatte.

Oft genug wird gefragt, oder den Menschen gar vorgeworfen, warum habt “Ihr” nichts getan, warum nicht früher, als es vielleicht noch früh genug gewesen wäre. Das Beispiel in Dachau zeigt, dass es Menschen gab, die etwas getan haben. Auch das ist ein Teil unserer Vergangenheit – was tut ein jeder von uns heute? Worin liegt mein Beitrag, die Welt friedlicher zu gestalten – allem Grauen ein Ende zu bereiten. Das ist die Frage, die ich mir Angesichts meiner Erinnerungen an Dachau stelle.

Es gibt nur eine Antwort darauf – Kosen-Rufu !

Meinen Weg als “Bodhisattwa aus der Erde” entschlossener als je zuvor zu gehen!

Und es dem Buddha Fukyo gleich zu tun, der allen, aber auch allen Menschen gleich welcher Herkunft mit der selben Hochachtung und dem selben Respekt begegnet.

Ja, ich möchte keine Minute meiner Zeit in Dachau missen !

Quellen zum Thema 'Dachauer Aufstand':

http://www.dachau-online.de/_regio/index_regio.html

http://members.aol.com/zbdachau/fates/idxger.htm

http://members.aol.com/zbdachau/fates/ger/neffrep.htm

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