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Glaube und Einstellung
Vortrag bei einem Sommerkurs im September 1999 von Mitsuhiro Kaneda, Berater der SGI-UK
Heute möchte ich mit Ihnen darüber sprechen, wie Ihre Gebete so effektiv wie möglich werden. Erstens ist es sehr wichtig, sich klare Ziele zu setzen. Wenn Sie krank sind, sollte Ihr Ziel sein, so schnell wie möglich gesund zu werden. Wenn Sie Probleme in zwischenmenschlichen Beziehungen haben, sollten Sie diese so bald wie möglich überwinden, und bei finanziellen Schwierigkeiten sollten Sie natürlich Ihre Ziele entsprechend setzen. Haben Sie sich einmal für Ihr Ziel entschieden, dann ist zunächst am wichtigsten, einen starken Entschluss zu fassen: „Egal was passiert, ich werde dieses Ziel erreichen.“ Solch ein fester Entschluss ist sehr wichtig. Der nächste Schritt ist natürlich das Gebet. Und nach dem Chanten von Daimoku gilt es, aktiv zu werden, um Ihr Ziel zu erreichen. Natürlich kennen wir die Wirkung, nachdem wir all dies getan haben: den tatsächlichen Beweis. Falls wir das gesetzte Ziel nicht erreichen, müssen wir in manchen Fällen vielleicht unseren Entschluss überdenken, uns ein neues Ziel setzen und uns noch einmal bemühen, es zu erreichen.
Weshalb wir beten müssen
Es gibt drei Gründe, weshalb wir beten sollten. Erstens, um die gleiche Weisheit wie der Buddha zu erlangen. Zweitens, um Lebenskraft zu schöpfen, also die Energie und den Mut, aktiv zu werden. Drittens, um vom Schutz der Shoten zenjin, der buddhistischen Götter, profitieren zu können, der schützenden Funktionen innerhalb des Universums.
Ich möchte, dass Sie diesen Punkt wirklich verstehen: Die Shoten zenjin werden nur dann aktiv und schützen uns, wenn wir selbst aktiv werden. Damit wir also ein Ziel erreichen, müssen wir handeln. Wir müssen etwas unternehmen. Wir müssen uns anstrengen. Und es ist wichtig, dass unsere Aktionen und Bemühungen die bestmöglichen sind, die wir machen können. Um sicher zu sein, dass unsere Taten und Bemühungen effizient sind, benötigen wir Weisheit. Wenn wir zudem ein selbst gesetztes Ziel erreichen möchten, müssen wir uns ständig bemühen - und wir brauchen auch Mut. Wir beten also zum Gohonzon für die Weisheit, am besten und am effizientesten zu handeln, für die Lebenskraft, uns ständig zu bemühen, und für den Schutz der Shoten zenjin, wenn wir aktiv werden. Doch bei allem Chanten wird es sehr schwierig sein, z.B. einen Topf Spaghetti zu kochen, wenn wir sonst nichts unternehmen. Und um sicher zu sein, dass wir die Spaghetti nicht nur kochen, sondern sie auch noch „al dente“ hinkriegen - dazu brauchen wir Weisheit und Erfahrung.
Die Qualität des Gebets
Die Qualität unseres Gebets ist ebenfalls sehr wichtig. Ein Kranker betet vielleicht einfach nur für die Überwindung seiner Krankheit. Oder er betet dafür, gesund zu werden, um sich für Kosen-rufu einsetzen zu können. Es ist ein sehr großer Unterschied zwischen diesen beiden Arten von Gebet. Ein anderes Beispiel: ein Paar, das keine Kinder bekommt, obwohl es das schon lange versucht. Was sind die Gründe für den Kinderwunsch? Sind sie rein persönlich, weil es dieses Paar glücklich machen würde? Oder chanten sie für ein Kind, um es zu einem fähigen Menschen für Kosen-rufu erziehen zu können? Was die Qualität des Gebets betrifft, gibt es einen riesigen Unterschied zwischen diesen beiden Gebeten. Präsident Ikeda sagte einmal, dass wahres und ernsthaftes Gebet für Kosen-rufu (nicht Gebete, die nur unseren eigenen Standpunkt rechtfertigen) auf jeden Fall beantwortet wird. Deshalb ist es so wichtig, sich auf die Qualität seines Gebets zu konzentrieren.
\ Aktiv werden
Oft chanten Mitglieder viel Daimoku, handeln aber nicht. Manche handeln nicht, weil sie Angst vor den Ergebnissen haben, die vielleicht die Folge wären. Sie haben Angst davor, nicht die gewünschten Ergebnisse zu bekommen, also handeln sie nicht. Ein Angestellter bzw. eine Angestellte mit einem festen Einkommen möchte zum Beispiel selbständig werden, ihr eigenes Unternehmen gründen, tut aber nichts aus Angst vor hohen Schulden. Ein anderes weitverbreitetes Beispiel findet sich unter jungen Menschen, die heiraten möchten. Weil sie nicht sicher sind, dass ihre Ehe funktionieren wird, und ob sie für immer glücklich zusammen leben werden, machen sie sich Sorgen. Also überlegen sie sich vor der Hochzeit, ob sie nicht einfach so zusammenleben sollten.
Auch wenn Menschen viel Daimoku chanten, kommen andere Faktoren wie Persönlichkeit und menschlicher Charakter ins Spiel und hindern sie daran, aktiv zu werden, auch wenn sie beten. Aktiv zu werden beinhaltet natürlich auch Aktivitäten der Soka Gakkai. Wenn Sie an Soka-Gakkai-Aktivitäten teilnehmen, ermutigen Sie andere. Sie arbeiten also tatsächlich als ein Bote des Buddhas. Zwangsläufig werden deswegen all diejenigen, die an Gakkai-Aktivitäten teilnehmen, Glück ansammeln. Und wenn Menschen Glück ansammeln, werden sie ihre Ziele erreichen und den tatsächlichen Beweis zeigen können. Ich weiß, dass wir uns alle in sehr verschiedenen Umständen und Situationen befinden
- einige von uns mögen nicht sehr viel Freizeit haben. Trotzdem möchte ich Sie alle wirklich ermutigen, an Gakkai-Aktivitäten teilzunehmen, weil dies nicht nur Ihnen, sondern auch Ihrer ganzen Familie ermöglicht, im Glück zu schwimmen. Um also unsere Ziele zu erreichen, müssen wir nicht nur konkret handeln, sondern wir brauchen auch Glück. Das ist der Grund, weswegen Soka-Gakkai-Aktivitäten so wichtig sind.
Sich entscheiden
In Italien gibt es ein Paar, das seit 14 Jahren zusammenlebt. Einmal kamen sie zu mir, weil sie von mir eine persönliche Führung im Glauben haben wollten. Ich sagte ihnen: „Ihr habt eure Beziehung ausprobiert, indem ihr 14 Jahre lang zusammenlebt. Ist die Tatsache, dass sie schon so lang andauert, nicht ein Zeichen dafür, dass sie funktioniert?“ Obwohl ihre Beziehung glücklich war und sie nach wie vor zusammen leben wollten, waren sie immer noch nicht sicher, ob sie heiraten sollten. Natürlich habe ich sie auf alle möglichen Arten ermutigt, aber es gibt einen bestimmten Punkt, den ich Ihnen mitteilen möchte. Ich habe sie gefragt: „Um einen festen Entschluss zu fassen, wie viel Zeit braucht ihr da?“ Um sich zu entschließen benötigt man weniger als eine Sekunde. Also habe ich gefragt: „Wie viele Sekunden gab es in diesen 14 Jahren?“ Sie lachen vielleicht über diese Geschichte, aber bitte denken Sie über Ihr eigenes Leben nach.
Zusammengefasst kann man sagen: Um Nichiren Daishonins Buddhismus in die Praxis umzusetzen, müssen wir uns entscheiden, chanten und aktiv werden.
Unsere Einstellung zum Ichinen bzw. unsere Entschlossenheit sind genauso wichtig wie unser Gebet. Die Essenz von Nichiren Daishonins Buddhismus liegt in der Philosophie von Ichinen sanzen, den dreitausend Lebenszuständen in einem einzigen Augenblick des Lebens. Das Wort Ichinen bezeichnet einen einzigen Lebensaugenblick, einen Moment oder einen Gedanken. Dieser Lebensmoment ist etwas, das quantitativ sehr klein und sehr kurz ist. Der chinesische buddhistische Gelehrte T’ien-t’ai (538—597), der die Philosophie von Ichinen sanzen ausarbeitete und analysierte, erklärte, dass ein Lebensmoment so flüchtig ist wie ein Fingerschnipsen - er dauert nur ein Sechzigstel einer Sekunde. Außerdem ist es so, dass sich das Ichinen jedes Menschen jede Sechzigstelsekunde ändert. Anhand der extremen Kürze eines einzigen Lebensmoments bzw. Ichinens und auch daran, wie schnell dieser sich ändert (jede Sechzigstelsekunde) kann man verstehen, wie schwer es wirklich ist, unser Ichinen bzw. unseren Entschluss über eine längere Zeit aufrechtzuerhalten. Man kann dann auch begreifen, wie es möglich ist, z.B. einen Menschen, den wir eben noch geliebt haben, nicht mehr zu lieben oder sogar zu hassen. So flüchtig und vergänglich ist Ichinen.
Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft?
Das Entscheidende in diesem Zusammenhang ist, ob unsere Einstellung auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder auf die Zukunft gerichtet ist. Es gibt einige Menschen, die ständig wehmütig an die Vergangenheit denken: „Damals war alles viel besser ... das waren noch gute alte Zeiten.“ Sie tun dies, weil ihr Ichinen ständig zurückblickt, auf die Vergangenheit. Wenn Menschen ununterbrochen betonen, dass die Zeiten vor fünf oder zehn Jahren viel besser waren, weist das darauf hin, dass sie hier und jetzt nicht glücklich sind. Wenn wir ständig in der Vergangenheit leben, werden wir Zweifel und Groll hegen, uns beklagen und dazu neigen, schlecht über andere zu reden. Jene, deren Ichinen immer nur auf die Gegenwart gerichtet ist, wissen nicht, was sie tun sollen, wenn sie ein Problem haben. Sie denken ununterbrochen: „Was soll ich tun? Was soll ich nur tun?“ und sind unfähig, darüber hinauszugehen und kommen nicht weiter. Natürlich ist es an sich ein Vorteil, wenn man sich dieses Problems bewusst ist. In diesem Sinne ist es also positiv. Es ist aber noch keine Lösung, sich eines Problems bewusst zu sein. Wenn unser Ichinen nur auf die Gegenwart gerichtet ist, neigen wir dazu, von Trägheit und Pflichtgefühlen überwältigt zu werden. Deshalb wäre es ideal, wenn unser Ichinen ständig nach vorne schaute, in die Zukunft. Die richtige Einstellung ist nicht nur, sich eines Problems bewusst zu sein, und sich dauernd zu fragen „Was soll ich tun?“, wir brauchen die Einstellung „Ich werde es tun!“ und den Entschluss „Ich werde es schaffen!“. Das ist die korrekte Einstellung, was Ichinen angeht.
Wenn unser Ichinen rückwärts oder seitwärts (in die Vergangenheit oder Gegenwart) ausgerichtet ist, brauchen wir nichts zu tun. Wir können träge und passiv bleiben. Um unser Ichinen nach vorne zu lenken, Fortschritte zu machen, sind große Bemühungen erforderlich. Darum möchte ich euch alle bitten, darauf zu achten, wie ihr chantet. Wenn ihr chantet, schaut euer Ichinen dann nach vorne in die Zukunft oder nicht?
Keine Sorgen mehr
Wir hören oft von der „Strategie des Lotos-Sutras“, aber was genau bedeutet das eigentlich? Zuerst setzen wir uns ein klares Ziel und entschließen uns mit einem starken Ichinen, dass wir, komme, was wolle, unser Ziel auf jeden Fall erreichen werden. Dann beten wir.
Angenommen, etwas bereitet uns Sorgen. Diese Sorge wird uns so lange ständig durch den Kopf gehen, bis wir das Problem gelöst haben. Wir chanten, wie ich vorher bereits erwähnte, damit wir die Weisheit erlangen, die bestmögliche Strategie zu erkennen, die beste Möglichkeit zum Erreichen unseres Ziels. Natürlich reicht Weisheit alleine nicht aus. Wir brauchen außerdem Lebenskraft, starke vibrierende Energie, die uns die bestmöglichen Schritte zu unserem Ziel erlaubt. Sobald wir uns in Bewegung setzen, werden die Shoten zenjin (die buddhistischen Schutzfunktionen) uns beschützen.
Die Shoten zenjin füttern
Im Lotos-Sutra haben die Shoten zenjin geschworen, die Ausübenden des Lotos-Sutras zu beschützen. Die einzige Methode jedoch, wie sie ihre Wirkung, ihren Einfluss und ihre Kraft verstärken können, ist unser Daimoku, Ihre Wirkung wächst durch unser Chanten, wodurch wir sie das Elixier von Nam-Myoho-Renge-Kyo kosten lassen, wenn man es so ausdrücken will. Es liegt in der Natur der Dinge, dass die Shoten zenjin der Menschen, die sehr viel chanten, jedoch niemals in Aktion treten, sehr fett werden. Sie werden unheimlich übergewichtig und denken sich: „Weißt du, du hast jetzt genug Daimoku gechantet. Ich bin schon sehr gut gefüttert worden. Nun tu bitte endlich was, denn erst wenn du endlich handelst, werde ich wirklich da sein, um dich zu beschützen.“
Wenn wir kein Daimoku chanten, werden die Shoten zenjin nicht in der Lage sein, uns zu beschützen, wenn der entscheidende Moment gekommen ist. Selbst wenn wir in Aktion treten sollten: Sie hatten nicht die Möglichkeit, das Elixier von Nam-Myoho-Renge-Kyo zu kosten.
Präsident Ikeda hat oft erwähnt, dass die Shoten zenjin oder buddhistischen Götter keine außergewöhnlichen übernatürlichen Wesen sind. Im Gegenteil, Shoten zenjin bezeichnet die Menschen, die uns umgeben. Diese Bezeichnung bezieht sich tatsächlich auf die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung. Präsident Ikeda hat genau erklärt, warum SGI-Leiter sich deshalb mit sehr großer Sorgfalt um die Mitglieder bemühen müssen: Weil eben diese Mitglieder im entscheidenden Moment als Shoten zenjin auftreten werden, um den Leiter zu beschützen.
Das Herzstück der Strategie
Wenn du mit ganzer Kraft betest, dann handelst und Ausdauer hast, wird das möglich, was du als unmöglich betrachtet hattest. Wenn wir uns jedoch in einer Sackgasse befinden und uns nicht in der Lage fühlen, den Weg nach vorne zu finden oder das ersehnte Ergebnis herbeizuführen, suchen wir oft nach eigenen Strategien und Methoden, die nicht mehr mit dem Lotos-Sutra übereinstimmen. Ich sage hier nicht, dass ihr nie denken oder gute Ideen entwickeln sollt. Was ich meine, ist, dass ihr immer und in jedem Fall zuerst chanten solltet. Dies wird euch ermöglichen, eure Buddhanatur hervorzubringen. Hast du deine Buddhanatur hervorgebracht, dann denke darüber nach, was du am besten als nächsten TUN kannst. Wenn dein Lebenszustand tief in der fundamentalen Dunkelheit verwurzelt ist, dann wirst du keine brillanten Ideen haben, obwohl du versuchst, Lösungen über den Kopf zu finden. Also solltest du aufhören, nachzudenken, und anfangen zu chanten, um deine Buddhanatur hervorzubringen. Erst wenn du das getan hast, ist es Zeit, nachzudenken.
Probleme mit menschlichen Beziehungen
Was wir wahrscheinlich alle gemein haben, sind Probleme mit menschlichen Beziehungen. Ich bin sicher, dass Sie sich bei Beginn Ihrer Praxis nie vorgestellt hätten, jemals unter Problemen mit Verantwortlichen der Organisation oder mit anderen Mitgliedern zu leiden. Ich selbst hatte viele Probleme mit menschlichen Beziehungen innerhalb der Organisation, obwohl es in letzter Zeit zum Glück nicht mehr so viele sind. Wir begegnen zwischenmenschlichen Problemen wie z.B. dem Ehemann, der Alkoholiker ist oder nicht viel Geld verdient oder gewalttätig ist. Es gibt natürlich auch Männer, die Probleme mit ihren Ehefrauen haben. Manche Eltern machen sich riesige Sorgen, weil ihre Kinder straffällig geworden sind. Manche von uns haben Vorgesetzte, mit denen sie nicht besonders glücklich sind. Und bei SGI-Aktivitäten haben wir manchmal Probleme mit Beziehungen innerhalb der Organisation.
Schein und Realität
Es gibt eine Tendenz, wie wir Probleme mit menschlichen Beziehungen betrachten „Es sind die anderen, unter denen ich leide. Ich leide ihretwegen. Sie sind die Ursache des Problems, nicht ich. Ich bin nur die Wirkung. Weil sie die Ursache sind, weil sie verantwortlich für mein Leiden sind, sind sie die Unterdrücker. Sie sind schuld. Sie sind die Schuldigen, die Übeltäter, und ich nur das arme Opfer.“
Oberflächlich gesehen scheint es tatsächlich genauso zu sein. Vom Buddhismus aus gesehen passt allerdings diese Erklärung nicht ganz auf die wahre Natur von menschlichen Beziehungen. Der Buddhismus erklärt, dass ein Ergebnis oder eine Wirkung aus einer Ursache und einer äußeren Beziehung bzw. einem Stimulus entsteht. Aufgrund einer Ursache, die in uns vorhanden ist, wird das Leiden in uns ausgelöst, sobald wir auf eine andere Person treffen, die ein äußerer Einfluss oder Stimulus ist. Da die Ursache in uns ist - „ich bin die Ursache“ - ist die andere Person nicht der alleinige Schuldige, sondern ein Komplize. Als gewöhnliche Sterbliche tun wir uns sehr schwer, dies zu akzeptieren, denn wir wollen es nicht akzeptieren. Im Buddhismus werden jedoch andere Menschen als Spiegel betrachtet, die uns zeigen, wie wir sind. Soweit ich weiß, hat Präsident Toda einmal gesagt, dass wir in einen mit wertvollen Steinen, wie Lapislazuli, verzierten Spiegel sehen werden, wenn wir sterben. In diesem Spiegel sehen wir alle Ursachen vor uns, die wir gesetzt haben.
\ Spiegelbild
Was machen wir denn, wenn wir genau diesen Spiegel sehen - wenn wir Menschen begegnen, die uns zeigen, wie wir sind? Wir schauen den Spiegel an, versuchen aber, unseren Blick von dem abzuwenden, was wir sehen. Wir sehen einen Fleck, etwas, das wir nicht mögen und nicht sehen möchten - etwas Schmutziges. Wir versuchen, es wegzureiben und loszuwerden. Manchmal denken wir: „Ach, dieser Spiegel ist nutzlos, der taugt nichts. Ich brauche einen anderen Spiegel.“ In der Hoffnung, ein besseres Spiegelbild zu sehen, holen wir uns einen anderen Spiegel. Doch dann stellen wir fest, dass dieser Spiegel auch nicht richtig ist! Und so tauschen wir ständig die Spiegel aus. Wenn wir ein Spiegelbild von uns sehen, das wir nicht mögen, sollten wir, anstatt den Spiegel abzuwischen oder mit einem anderen auszutauschen, unser eigenes Gesicht waschen, uns selbst polieren. Wir selbst werden nämlich widergespiegelt. Wenn unser Spiegel unsere Partnerin oder unser Partner sein sollte, können wir sie natürlich austauschen. Aber was wir nicht ändern können, sind unsere Kinder.
Aus der Sicht der Kinder können die Eltern nicht ersetzt werden: nur ein Vater und eine Mutter können dieses Kind zur Welt bringen. Wir können also unsere Probleme mit anderen Menschen nur durch die Veränderung unseres eigenen Karmas lösen. Je mehr wir uns selbst verändern, desto mehr werden sich die anderen verändern. Sehen Sie also bitte Ihre Umgebung als den Spiegel, der Ihnen zeigt, was für ein Karma Sie haben. Den Buddhismus auszuüben heißt, unsere menschliche Revolution auszuführen. Menschliche Revolution bedeutet persönliche Revolution bzw. Selbst-Transformation. Aber ich glaube, dass viele von uns sehr ernsthaft die Revolution von anderen ausführen! Wir wollen immer die anderen ändern, die anderen beschuldigen. Wir bestehen auch noch hartnäckig darauf, dass wir uns nicht ändern wollen, weil wir nicht verantwortlich sind: „Warum sollte ich mich ändern?“
Drei Arten von Verstehen
Manchmal haben Menschen verschiedene Meinungen. Wenn jemand allerdings sagt „Ich verstehe“, dann gibt es in Wirklichkeit drei ziemlich verschiedene Bedeutungen. Die erste kommt oft in Gesprächen zwischen Eltern und Kindern vor. Wenn Kinder es satt haben, ständig gesagt zu bekommen, was sie tun sollen, oder wenn ständig an ihnen herumgemeckert wird, dann werden sie so tun, als ob sie verstanden hätten. Sie werden sagen „Ich verstehe“, nur um ihre Ruhe vor den Eltern zu haben und sie zu beschwichtigen. Das kommt auch in der Organisation vor, wenn Mitglieder sich von bestimmten Verantwortlichen belästigt fühlen, wenn sie kritisiert werden oder ständig an ihnen herumgenörgelt wird. Also sagen sie schließlich „Ich verstehe“, nur damit der Verantwortliche Ruhe gibt und aufhört zu nerven.
Diese Art von Diskussion oder Dialog könnte man „darauf bestehen“ oder „Menschen zwingen, zu akzeptieren“ nennen. Es ist keine wirkliche Akzeptanz, weil der andere im Innern dagegen rebelliert. Die zweite Bedeutung von „Ich verstehe“ ist, „Ich verstehe die Bedeutung dessen, was du sagst. Ich folge deiner Logik und verstehe die Theorie“, oder „Ich verstehe, weshalb du das sagst“. Die Person stimmt nicht wirklich zu, sondern tut dies nur mit dem Versuch, zu überreden. Präsident Ikeda sagt aber stets in seinen Führungen, dass Überredung nicht ausreicht. Wir sollten stattdessen Überzeugung suchen. Wir möchten, dass die anderen nicht nur die Logik von dem verstehen, was wir sagen, sondern auch, dass sie es akzeptieren und vollen Herzens zustimmen.
Verantwortliche der SGI sollten diesen Punkt nie vergessen. Wir sollten andere nicht überreden, sondern sie vollkommen überzeugen. Das ist der Grund, weshalb wir immer wieder so lange mit anderen reden sollten, bis sie uns verstehen und völlig überzeugt sind. Mit überzeugt meine ich die dritte Kategorie von „Ich verstehe“, d. h. „Ich stimme dir vollkommen und ganzen Herzens zu und unterstütze dich in dieser Hinsicht.“
Wenn also ein Mitglied mit Problemen auf Sie zukommt, liegt es an Ihnen als Verantwortlichem, mit dem Betreffenden zu reden und ihn so zu ermutigen, dass er mit der dritten Art von „Ich verstehe“ antworten kann: „Ich verstehe, und ich werde das machen.“ Wenn Sie mit dieser Antwort nicht ganz zufrieden sind, sollten Sie das Mitglied weiter ermutigen. Nach dem ersten Treffen könnten Sie z.B. anrufen und fragen, wie es ihm geht. Wenn ein Mitglied ein Problem immer noch nicht lösen oder sich noch nicht fest dazu entschließen konnte, es zu lösen, dann liegt es in unserer Verantwortung, für diese Person zum Gohonzon zu chanten.
Probleme mit menschlichen Beziehungen
Probleme mit menschlichen Beziehungen haben alle von uns. Selbst zwischen Ehepartnern kann es manchmal ziemliche Schwierigkeiten geben. Die einzige Lösung ist meiner Meinung nach, den anderen Menschen wirklich verstehen zu wollen. Bei einem Ehepaar beginnt die Ehe natürlich mit Liebe füreinander. Genau wie ein Thermometer jedoch im Laufe der Zeit Temperaturschwankungen anzeigt, schwankt mit der Zeit auch die Liebe. Manchmal lässt die Anziehungskraft füreinander mit den Jahren nach. Und weil unsere Gefühle füreinander nachgelassen haben, benutzen wir manchmal sehr scharfe Worte oder entwickeln sogar Hass. Solche Beziehungen können sehr unangenehm werden und schließlich zu heftigem Streit führen.
Italienischen Mitgliedern sage ich folgendes: „Es ist völlig klar, dass man am Anfang Liebe oder tiefe Zuneigung füreinander empfindet - sogar Liebe auf den ersten Blick. Wenn es jedoch hinter diesen Gefühlen nichts gibt, was tiefer als diese Gefühle reicht - in anderen Worten, wenn es kein gegenseitiges Vertrauen gibt - dann wird die Beziehung nicht von Dauer sein.“ Es tut mir leid, wenn dies jetzt deprimierend klingt, aber ich treffe in Italien sehr oft junge Menschen, die mir sagen: „Ich treffe einfach nicht die richtige Person.“ Ich sage ihnen dann, dass es nicht unbedingt daran liegt, dass sie nicht die richtige Person oder einen guten Menschen finden können, sondern dass es daran liegt, dass es auf beiden Seiten an Bemühung und Willenskraft fehlt, die Beziehung aufrechtzuerhalten.
Zu wissen, wann man die Augen zudrückt
In Frankreich gibt es ein Sprichwort, das besagt, dass man beide Augen weit auf haben sollte, bevor man heiratet. Nachdem man verheiratet ist, sollte man aber ein Auge zudrücken. In Wahrheiten haben wir jedoch normalerweise beide Augen geschlossen bevor wir heiraten - und zwar ganz fest. Es dauert dann nur vier bis fünf Ehejahre, bis wir langsam und allmählich aufwachen und unsere Augen aufmachen. Wir öffnen nicht nur allmählich unsere Augen, sondern wir halten auch noch eine Lupe in unserer rechten Hand, so dass wir die fehler des anderen klar sehen! Mit so einer Einstellung wird eine Ehe natürlich nicht lange halten. Ich finde, dass das französische Sprichwort eine tiefe Weisheit ausdrückt: Als Ehepartner sollten wir manchmal ein Auge zudrücken - für kleine Dinge vielleicht sogar beide. Weil wir gewöhnliche Sterbliche sind, haben wir alle Fehler. Uns fallen jedoch besonders die Fehler der anderen auf - und wir sind blind für unsere eigenen. Wenn wir also streiten, machen wir meist unwillentlich eine Liste aller Fehler des anderen.
Es sind genau diese Momente, in denen wir unsere Weisheit hervorholen sollten. Auch wenn wir gerne eine Liste machen und vielleicht auf fünf Punkte deuten würden, sollten wir uns auf nur einen beschränken. Weil wir uns nämlich nicht zurückhalten können und alle fünf nennen, machen wir die andere Person wütend. Das gleiche gilt für Beziehungen zwischen SGI-Mitgliedern. Es gilt auch für unsere Beziehungen zu unseren Kindern. Es gibt ganz sicher Zeiten, in denen wir unsere Augen schließen müssen. Um also in menschlichen Beziehungen erfolgreich zu sein, müssen wir lernen, kleine Fehler absichtlich zu ignorieren oder unsere Augen davor zu verschließen.
\ Die sieben Schätze
Für jeden von uns ist es folglich wichtig, wie wir uns als Individuum weiterentwickeln können. Ich bin sicher, dass Sie ale Nichiren Daishonins Brief an Abutsu-bo mit dem Titel „Über den Schatzturm“ (dt. Gosho, Bd. 1, S. 61) gelesen haben. Dieser Brief beinhaltet eine Erklärung des Schatzturms. In einem Abschnitt heißt es: „Es ist der Schatzturm, der mit sieben Arten von Edelsteinen geschmückt ist - die Wahre Lehre zu hören, sie zuglauben, das Gebot zu achten, inne Stabilität zu erlangen , konsequent zu praktizieren, durch Widmung seinen Egoismus abzulegen und immer die Selbsterkenntnis zu suchen.“
Dieser Abschnitt bezieht sich auf die sieben Öffnungen des menschlichen Körpers vom Hals aufwärts: die Augen, Ohren, Nasenlöcher und der Mund. Im Buddhismus werden sie die sieben Juwelen oder Schätze genannt. Auf einer Ebene haben diese sieben Schätze die Funktion, das menschliche Leben zu erhalten. Eine andere Funktion ist, dass sie es uns ermöglichen, uns weiterzuentwickeln. Letztlich müssen wir uns fragen, wie wir diese sieben Schätze voll nutzen könne, so dass sie es uns wirklich ermöglichen, uns zu entwickeln und unsere Menschlichkeit zu bereichern, so dass wir Menschen von wahrem Großmut und wahrer Menschlichkeit werden. Die sieben Schätze sind im tägliche Leben wichtig, denn sie sind der Schlüssel, der uns ermöglicht, uns zu entwickeln. Wenn wir einen großmütigen Geist und ein warmes Herz besitzen, und voll von echter Menschlichkeit und geistigem Reichtum sind, wird unser Verhalten nicht zu Missverständnissen führen. Wir werden folglich unser Problem mit menschlichen Beziehungen reduzieren können.
Die sieben Juwelen polieren
Lasst uns ein paar Beispiele betrachten, wie Menschen in den verschiedensten Berufen diese sieben Juwelen nutzen. Für Musiker ist das Hören das eigentliche Werkzeug ihrer Arbeit, weil sie dadurch ihr Talent und ihre Technik messen können. Bei Künstlern muss das Auge entwickelt und trainiert werden, um gute von schlechten Malereien unterscheiden zu können. Diejenigen, die in ihrem Beruf die verschiedensten Düfte mischen, um ein bestimmtes Parfum herzustellen, sind natürlich hundertprozentig auf ihren Geruchssinn angewiesen. Und Köche machen große Bemühungen, ihren Geschmackssinn zu entwickeln, um gute Gerichte bereiten zu können.
In unserem Fall besteht unsere Ausübung aus dem Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo. Unsere Herausforderung besteht in der Frage, wie wir uns wirklich weiterentwickeln können. Das heißt, wie wir die sieben Schätze am besten nutzen. Wie könne wir die Weisheit haben, die sieben Schätze wirklich effektiv zu nutzen, um Menschen zu werden, die sehr reich in ihrem Herzen und Geist sind. Genau darum geht es bei der menschlichen Revolution. Wenn wir uns weiterentwickeln, können wir so leben, dass wir uns über menschliche Beziehungen keine Sorgen mehr machen müssen. Die sieben Öffnungen unseres Körpers vom Hals aufwärts sind also der springende Punkt, der Schlüssel zu unserer menschlichen Revolution. Es sind diese sieben Punkte, die Nichiren Daishonin in der Gosho „Über den Schatzturm“ als die sieben Schätze bezeichnet.
Quelle: FORUM April-Juli 2000
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