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Eine Philosophie des Lebens

Einführung in den Buddhismus Nichirens

Eine Philosophie des Lebens

Einführung in den Buddhismus Nichirens

Warum brauchen wir eine Religion?

In einer Zeit, in der Wissenschaft und Technik anscheinend keine Grenzen kennen, überrascht es vielleicht, dass wir in menschlicher Hinsicht erst relativ kleine Fortschritte in der Verbesserung unserer Lebensbedingungen und in der Erklärung unserer inneren Welt gemacht haben.

Zugegebenermaßen haben wir viele der Krankheiten besiegt, die einst so viele Leben nahmen. Aber es sieht so aus, als ob ein Leiden vom nächsten abgelöst wird. Tuberkulose und Pest sind fast aus der westlichen Gesellschaft verschwunden, doch an ihre Stelle sind AIDS, Krebs und Geisteskrankheiten getreten.

Die Sozialwissenschaften konnten viele Gründe für die Schwächen unserer Gesellschaft benennen, aber statt dass sie behoben werden können, werden sie im Gegenteil noch schlimmer und sind immer schwieriger zu bekämpfen.

In vielen Menschen wächst der Wunsch, als Einzelner etwas in der Gesellschaft verändern zu wollen, doch scheitert dies oft an einem Gefühl der Ohnmacht und dem Bewusstsein über die eigenen Grenzen.

Der Buddhismus Nichirens stellt fest, dass die grundlegenden Ursachen für die Leiden in der Welt auf falschen Vorstellungen beruhen, auf denen Menschen ihr Leben in Gedanken, Wort und Tat aufbauen. Der Buddhismus bietet einen Weg zur Selbsterkenntnis, indem er uns unser unbegrenztes Potential statt unsere Begrenzungen aufzeigt. Diese positive Einstellung ermöglicht uns den Umgang mit Schwierigkeiten in unserem eigenen Leben und gibt uns die Kraft, uns mit Hoffnung und Mut in der Gesellschaft zu engagieren.

Wer praktiziert den Buddhismus Nichirens?

Der Buddhismus Nichirens, der auf den Mönch Nichiren, geboren 1222 in Japan, zurückgeht, wird von Menschen mit unterschiedlichstem kulturellem und sozialem Hintergrund ausgeübt. In diesem Buddhismus gibt es keine Vorschriften, die unser Leben einschränken sollen. Die morgendliche und abendliche Ausübung auf der Grundlage der buddhistischen Lebensphilosophie führt die Menschen zu einer respektvollen Haltung gegenüber dem größten Wert auf dieser Welt: dem Leben selbst.

Was ist Buddhismus?

Das Bild, das viele von uns im Westen über den Buddhismus haben, ist von den Medien und dem wenigen, was wir gelesen haben, geprägt. Statuen von Buddhas und Bodhisattwas, in Safran-Roben gehüllte Mönche in prunkvollen Tempeln, die Mystik Tibets, die Rätsel des Zen - vielleicht Vegetarismus, bestimmt Pazifismus. Während die Philosophie und ihre pazifistische Basis gelobt werden, erscheint vielen die buddhistische Philosophie entrückt und ohne Bezug zur Gesellschaft.

Trotz dieser verständlichen Sicht gibt es immer mehr Menschen, die sich der buddhistischen Philosophie nicht als einer Art spirituellem Allheilmittel zuwenden, sondern gerade wegen des praktischen Bezugs von Gedanke und Handlung zum täglichen Leben.

Die zentrale buddhistische Lehre von Ursache und Wirkung besagt, dass jede Ursache, die wir durch Gedanken, Worte und Handlungen setzen, eine entsprechende Wirkung in unserem Leben und dem unserer Umgebung hervorruft. Nichiren lehrte, wie wir in unserem Leben die besten Ursachen setzen können. Einerseits durch die Rezitation von Nam-Myoho-Renge-Kyo, durch die wir unser Leben der allem zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeit widmen, und andererseits dadurch, dass wir andere da- zu ermutigen, das gleiche zu tun.

Was ist Buddhaschaft?

Was es sicher nicht ist, ist ein vom Alltag losgelöster Zustand der Transzendenz. Buddhaschaft bedeutet Erleuchtung zur wahren Natur und zum grenzenlosen Potential des Lebens. Buddhaschaft ist ein Lebenszustand, den jeder Mensch erfahren kann. Wenn wir diesen Lebenszustand in uns öffnen, dann haben wir mehr Mut, Lebenskraft, Entschlossenheit, Weisheit und Mitgefühl.

Im Buddhismus Nichirens gibt es keinerlei Vorschriften, weil wir durch die Öffnung unseres höchsten Lebenszustands, der Buddhaschaft, eigenständig moralisch und ethisch urteilen können. Diese Urteile gründen vor allem auf dem Respekt vor der Würde allen Lebens und darauf, dass wir uns bewusster werden über die Wirklichkeit eines strikten und unausweichlichen universellen Gesetzes von Ursache und Wirkung.

Buddhisten glauben nicht an ein Paradies oder an ein Leben nach dem Tod, sondern sprechen von der Ewigkeit des Lebens. Unser physischer Körper stirbt irgendwann und muss ersetzt werden. Aber die Essenz unseres Lebens lebt weiter und wird sich irgendwann in der Zukunft erneut verkörpern. Der Buddhismus lehrt, dass wir unser Leben genießen sollen, ohne dessen grundlegende Leiden zu verneinen. Vielmehr ermutigt er seine Anhänger, sich diesen Leiden bewusst zu stellen. Dadurch wachsen wir als Menschen und werden stark. Indern wir die uns innewohnende Buddhaschaft aktivieren, verbessern wir sowohl unsere Lebensumstände als auch die Situation unserer Gesellschaft.

Wie sieht die Praxis aus?

Die Praxis kann in drei Bereiche unterteilt werden, die wir als Glaube, Ausübung und Studium bezeichnen.

Glaube

Glaube besteht aus einer morgendlichen und abendlichen Ausübung, die alleine in unserer Wohnung oder mit anderen stattfindet. Er umfasst die Wiederholung oder das "Chanten"

(aus dem Englischen "to chant", singen) der Silben Nam-Myoho-Renge-Kyo und die Rezitation der beiden wichtigsten Kapitel des Lotos-Sutras. Dies wird als Gongyo ("fleißige Ausübung") bezeichnet.

Einfach ausgedrückt meint Nam-Myoho-Renge-Kyo die Widmung unseres Lebens an die universelle Gesetzmäßigkeit oder das Bemühen, unser Leben mit dem Lebensrhythmus des Universums in Einklang zu bringen.

Vielen Menschen fällt das Gongyo anfangs schwer. Die korrekte Rezitation erfordert immer Anstrengung und tatsächlich sollte man sie auch nicht leicht nehmen. Denn eine der Wirkungen des Gongyos liegt darin, uns selbst von unseren negativen Tendenzen zu reinigen und so unseren Geist auf die wesentliche Ausübung des Chantens von Nam-Myoho-Renge-Kyo zu konzentrieren.

Chanten ist ein Akt des Glaubens. Am Anfang der Praxis steht das Vertrauen, nämlich der Person zu glauben, die uns mit dem Buddhismus bekannt gemacht hat. Auf der Grundlage dieses Vertrauens chanten wir und fühlen uns ermutigt, die Auswirkungen auf unser eigenes Leben auszuprobieren, so dass unser Glaube durch unsere eigenen Erfahrungen mit der Kraft der Praxis allmählich wächst. Deshalb ist es nicht notwendig, an Nam-Myoho-Renge-Kyo zu glauben, wenn wir mit der Ausübung des Buddhismus beginnen Manche Menschen sagen, dass sie zwar ernsthaft an die Wirkung dieser Praxis glauben, aber meinen, nicht chanten zu müssen. In diesem Fall handelt es sich nicht um tatsächlichen Glauben, denn Chanten ist das "Kraftwerk" des Glaubens. Glauben und Chanten sind eins.

Studium

Buddhismus fordert keinen blinden Glauben. Deshalb ist das Studium buddhistischer Lehren ein wichtiges Mittel zur Vertiefung unseres Glaubens und unseres Verständnisses. Die Lehre Nichirens und ihre Anwendung auf die Probleme des täglichen Lebens ist in den Briefen Nichirens an seine Schüler enthalten. Diese Briefe sind bekannt als Gosho.

Ausübung

Ausübung zeigt sich darin, wie wir als Buddhisten unseren Alltag zu gestalten versuchen. Auf der persönlichen Ebene liegt unser Ziel in der Reformation unseres Lebens, die wir "Menschliche Revolution" nennen. Menschliche Revolution bedeutet nicht Selbstverleugnung, sondern im Gegenteil eine allmähliche Veränderung, in der wir diejenigen Aspekte unseres Lebens entdecken und verändern, die uns und andere leiden lassen. Bei einem Menschen bedeutet die Menschliche Revolution die Überwindung seiner Faulheit, ein anderer lernt sich zu entspannen und sein Leben zu genießen. Andere wiederum möchten durch die Menschliche Revolution ihre Tendenz ändern, andere zu dominieren. Noch ein anderer möchte seinen Mangel an Selbstvertrauen und das Gefühl, unterdrückt zu werden, überwinden.

Der Buddhismus besagt, dass es unmöglich ist, alleine glücklich zu sein. Deshalb praktizieren Buddhisten auch für das Glück der anderen. Darüber hinaus sollte man auch andere dazu ermutigen, ihr eigenes Leben durch die Lehre Nichirens zu entwickeln und zu erweitern.

Die für alle Interessierten offenen buddhistischen Treffen verkörpern diesen Geist und dienen als Forum des freien Austausches unterschiedlichster Menschen und Sichtweisen, um sich so gegenseitig zu ermutigen. Man muss kein Buddhist sein, um ein solches Treffen zu besuchen.

Selbst wenn man nur ein geringes Interesse hat, sind diese Treffen ein geeigneter Ort, um mehr über die praktischen Auswirkungen des Buddhismus zu erfahren.

Was ist die Wirkung der Ausübung?

Nichirens Buddhismus zielt nicht darauf ab, Wünsche und Begierden zu verneinen. Vielmehr erkennt er sie als eine mächtige Triebkraft in unserem Leben an. Wer mit dieser Ausübung anfängt wird oft dazu ermutigt, für die Erfüllung seiner Wünsche zu chanten. In vielen Fällen bewegen wir uns einfach nicht im richtigen Rhythmus, um unsere Wünsche zu erfüllen: entweder sind wir zur falschen Zeit am falschen Ort oder wir sagen das Falsche im falschen Moment. Gerade deshalb werden oft diejenigen, die gerade mit dem Chanten begonnen haben, sofort Beweise für die Wirksamkeit ihrer Ausübung dadurch erhalten, dass sich einer ihrer Wünsche erfüllt. Dies ist ein natürliches Ergebnis davon, dass wir unser Leben in Einklang mit dem Rhythmus des Universums bringen, indem wir uns Glaube, Ausübung und Studium widmen.

Nicht wenige bezeichnen diesen ersten Beweis als puren Zufall. Wenn man jedoch weitermacht, stellt man fest, dass diesem ersten Beweis der Ausübung noch viele weitere glückliche "Zufälle" folgen. Und langsam entdeckt man die tiefere Bedeutung dieser profunden Lebensphilosophie für das eigene Leben.

Die Nutzen der Ausübung kann man in sichtbare und unsichtbare unterteilen. Natürlich ist es wunderbar, eine sichtbare Wohltat dadurch zu erhalten, dass sich unsere Lebensumstände verbessern. Aber die dauerhaften Wohltaten, die durch die Ausübung entstehen, sind unsichtbar. Hierbei handelt es sich um Veränderungen unseres Charakters als Resultat der Reinigung unseres Lebens. Durch diese innere Veränderung gewinnen wir die Kraft, auch unsere äußeren Gegebenheiten und damit unser Schicksal oder Karma zu verändern.

Es gibt nichts, wofür wir nicht chanten können oder dürfen. Indem wir unsere Wünsche und Begierden als Motivation für die Ausübung nutzen, wird unser Leben gereinigt, so dass wir das erhalten, was für unser Glück eigentlich am wichtigsten ist. Dieses persönliche Glück weitet sich ganz natürlich auf andere aus und schafft somit Glück in unserer Umgebung. Das ist es, was wir Menschliche Revolution nennen.

Mit welcher Einstellung sollten wir chanten?

Bei der Rezitation des Gongyos sollten wir versuchen, uns nur auf eine präzise Aussprache und einen beständigen Rhythmus zu konzentrieren.

Es wird nicht erwartet, dass man seinen Geist leert, während man Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet. Es handelt sich dabei auch nicht um eine Form der Selbsthypnose. Wer das erste Mal Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet, wird wahrscheinlich gar nicht an allzu viele Dinge denken können, weil er sich auf die richtige Aussprache konzentrieren muss. Nach dieser ersten Phase geht es vielen Menschen so, dass sie beim Chanten ganz natürlich an das denken, was sie im Moment bewegt.

Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo ist Gebet und Meditation gleichermaßen. Gebet deshalb, weil wir dabei für die Lösung unserer Schwierigkeiten, die unserer Freunde und unserer Familie, unseres Landes und der ganzen Welt beten. Weil das Chanten die Weisheit unserer Buddhanatur aktiviert, werden wir merken, dass wir uns unserer Schwierigkeiten bewusster werden. Es gibt Zeiten, in denen wir der Lösung nicht näher zu kommen scheinen. Doch dann werden wir eine tiefe Hoffnung und Entschlossenheit spüren, die unser Leben durchdringt. Wenn wir weiter tagtäglich praktizieren und handeln, wird schließlich eine Lösung erscheinen.

Wir sollten uns daran erinnern, dass das Chanten nicht nur eine Übung zur Konzentration unserer Gedanken ist, sondern unser ganzes Leben auf einen kreativeren und erfüllteren Weg führt. Deshalb ist es keine gute Idee, unsere Gedanken beim Chanten zu fixieren, indem wir ständig wiederholen "ich muss Problem X lösen, ich muss Problem X lösen ... " Nachdem wir unsere Gebete ausgedrückt haben, entspannen wir uns und genießen das Chanten. Schließlich weiß unsere Buddhanatur, was wir für unser Glück brauchen, selbst wenn unser Bewusstsein dies nicht weiß. Aus diesem Grund sollten wir uns beim Chanten keine Lösung für unser Problem ausdenken. Denn das würde nur verhindern, dass wir uns der Weisheit des Buddhas bewusst werden, die jeder Mensch gleichermaßen besitzt. Daher ist das Chanten auch Meditation, weil unser Leben sich öffnet und wir mit unserer Buddhanatur eins werden.

Die meisten Menschen berichten, dass ihre Praxis sich am Anfang nur um die Erfüllung ihrer eigenen Wünsche drehte. Nach einiger Zeit versuchen sie, ihr Leben tiefer zu verstehen, um die grundlegende Quelle ihres Unglücks zu entdecken und zu verändern, oder sie beginnen, sich für das Glück anderer einzusetzen.

Durch das Vertrauen und die Erfahrung, dass sich unser eigenes Leben erweitert und entwickelt, entsteht in uns der Wunsch, uns für das Glück anderer einzusetzen. Wenn wir weiter praktizieren, entdecken wir auch, dass die Ausübung für andere ein sehr wirksames Mittel ist, um positive Veränderungen in unserem eigenen Leben hervorzurufen. Wenn wir Anteilnahme und Mitgefühl für andere entwickeln, beginnen wir die Kraft unseres größeren Selbst - der Buddhanatur - zu nutzen, die eins ist mit der unbegrenzten Kraft des Universums.

Warum habe ich noch nie von dieser Ausübung gehört?

Obwohl diese Ausübung bereits vor etwa 700 Jahren durch Nichiren in Japan begründet wurde, war ihre Verbreitung lange Zeit eingeschränkt. Für viele, besonders für die Machthaber im damaligen Japan, war es eine revolutionäre Lehre, da sie erklärt, dass die Buddhaschaft in jedem existiert, selbst in gewöhnlichen Menschen, und dass alle Menschen - männlich oder weiblich, reich oder arm, gebildet oder nicht - gleich sind. Im feudalen japanischen Gesellschaftssystem jener Zeit war es undenkbar, zu behaupten, dass alle Menschen gleich seien. Außerdem wurde von den Arbeitern und Kriegern erwartet, dass sie den traditionellen Glauben ihrer Guts- und Lehnsherren übernehmen. Seit der Zeit Nichirens waren viele seiner Schüler großen Verfolgungen ausgesetzt und die Zahl seiner Anhänger blieb gering.

Um die Jahrhundertwende erlangte die Religion des Shinto ihre alte Stärke wieder. Sie wurde zur Staatsreligion ernannt und erklärte den Kaiser zum Gott. Die japanische Regierung nutzte die Verehrung des Kaisers, um der Bevölkerung Patriotismus und unbedingten Gehorsam abzuverlangen und nahm immer mehr eine militaristische Position ein, die schließlich zum Eintritt Japans in den Zweiten Weltkrieg führte.

Die Gemeinschaft der Laiengläubigen des Buddhismus Nichirens, die heute als Soka Gakkai (Werteschaffende Gesellschaft) bekannt ist, wurde 1930 durch den Pädagogen Tsunesaburo Makiguchi gegründet. Seine unbeugsame, pazifistische Haltung und seine Kritik an der Militärregierung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs führten schließlich zu seiner Verhaftung, gemeinsam mit seinem treuesten Anhänger Josei Toda. Makiguchi starb im Gefängnis, aber Toda verließ das Gefängnis nach Beendigung des Krieges mit der festen Entschlossenheit, die Gemeinschaft der Laiengläubigen neu aufzubauen. Dabei kam ihm die Einrichtung einer parlamentarischen Demokratie in Japan zugute, die von den Amerikanern unter General McArthur zur Bedingung für den Frieden gemacht wurde. Zum ersten Mal in der Geschichte Japans herrschte Religionsfreiheit. Seitdem verbreitet sich der Buddhismus Nichirens nicht nur in Japan, sondern in vielen Ländern der Erde. Mittlerweile gibt es weltweit mehr als zwanzig Millionen Anhänger, die heute in über hundert Landesorganisationen der Soka Gakkai International (SGI) angegliedert sind.

Unter der Leitung von Daisaku lkeda, der 1960 nach Todas Tod Präsident wurde, wurde die 1975 gegründete SGI durch ihre vielfältigen Aktivitäten bekannt und ist seit 1983 als Nichtregierungs- Organisation (NGO) Mitglied der Vereinten Nationen.

Interessant ist, dass sich die Erkenntnisse vieler Wissenschaftler mit den Aussagen des Buddhismus zu decken beginnen. Auch dadurch nimmt das Interesse am Buddhismus als einer Antwort auf die Probleme der heutigen Zeit zu.

Wie kann ich praktizieren?

Jeder kann in seiner eigenen Wohnung praktizieren. Der erste Schritt besteht darin, aufrecht zu sitzen, die Handflächen aneinander zu legen und die Augen offen zu halten. Es ist hilfreich, dass man zunächst vor einer leeren Wand sitzt, damit der Blick und die Gedanken nicht abgelenkt werden.

Chanten bedeutet einfach, Nam-Myoho-Renge-Kyo ständig und in einem gleichbleibenden Rhythmus zu wiederholen. Erfahrenere Mitglieder machen dies manchmal sehr schnell. Aber Geschwindigkeit ist nicht wichtig. Die wesentlichen Punkte sind Aufrichtigkeit und Aussprache. Vielleicht kommt es einem am Anfang komisch vor und man fühlt sich gehemmt bei der bloßen Vorstellung, diese Worte an eine Wand zu richten. Aber allmählich fühlt man die tiefe Bedeutung dieser Silben und die Gefühle der Verlegenheit verschwinden.

Nicht die Lautstärke ist entscheidend, sondern eine sichere, klare und kraftvolle Stimme. Wie lange man chantet, hängt von jedem selbst ab. Nichiren ermutigte uns "bis zur Zufriedenheit unseres Herzens" zu chanten, was unterschiedlich lang sein kann, je nach unseren momentanen Lebensumständen und unseren Wünschen für die Zukunft. Man sollte möglichst morgens und abends (nicht zu spät, damit man nicht zu müde ist) mit zehn Minuten beginnen. Zweimal täglich zu chanten entspricht unserem Rhythmus von Tag und Nacht. Nichiren sagte, dass unsere Ausübung wie fließendes Wasser sein soll. Es ist also besser, zweimal am Tag zehn Minuten zu chanten - und das jeden Tag -, als an einem Tag zwei Stunden zu chanten und an den nächsten drei Tagen gar nicht zu praktizieren. Wenn unsere Ausübung fortschreitet, entsteht ganz natürlich der Wunsch, mehr chanten zu wollen.

Für das Gongyo benötigt man anfangs persönliche Hilfe. Es gibt auch langsam besprochene Kassetten, die einen bei Rhythmus und korrekter Aussprache unterstützen. Zuerst hat man das Gefühl, es nie zu schaffen, doch nach und nach kommt man in einen Rhythmus. Es ist so wie wenn man lernt, Rad zu fahren.

Für das Studium gibt es mittlerweile viele Bücher und Zeitschriften. Besonders wichtig sind die Schriften Nichirens, von denen bisher vier Bände in deutscher Übersetzung vorliegen. Außerdem gibt es zwei monatlich erscheinende Zeitschriften FORUM und EXPRESS. Beide enthalten Studienmaterial und Erfahrungsberichte.

Nam-Myoho-Renge-Kyo

Myoho-Renge-Kyo ist der Titel der chinesischen Übersetzung des Lotos-Sutras. Myoho-Renge-Kyo bedeutet Mystisches Gesetz des Lotos-Sutras, eine wörtliche Übersetzung des Sanskrit-Titels Saddharma Pundarika Sutra. Nam-Myoho-Renge-Kyo ist der sprachliche Ausdruck für das Lebensgesetz, das alles Leben im Universum durchdringt und das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo ist die grundlegende Ausübung im Buddhismus Nichirens. Nichiren erklärt: "Nur die sieben Silben von Nam-Myoho-Renge-Kyo zu rezitieren, mag begrenzt erscheinen. Da aber dieses Gesetz der Meister aller Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, der Lehrer aller Bodhisattwas des Universums ist und der Ratgeber, der alle Menschen dazu befähigt, die Buddhaschaft zu erlangen, ist seine Ausübung unermeßlich tiefgründig."

Nam ist eine Abkürzung des Sanskrit-Ausdrucks Namu oder Namas und bedeutet wörtlich Widmung. Nichiren stellte dieses Wort vor den Titel des Lotos-Sutras und sagte dazu. "Die Menschen stellen das Wort Nam vor die Namen aller Gottheiten und Buddhas und tun so ihre Verehrung kund. Aber was bedeutet Nam? Dieses Wort stammt aus dem Sanskrit und bedeutet, sein Leben zu widmen." Daher könnte Nam-Myoho-Renge-Kyo also auch bedeuten "Ich widme mein Leben dem mystischen Gesetz des Lotos- Sutras."

Myoho bedeutet "Mystisches Gesetz" und drückt das Verhältnis zwischen dem im Universum vorhandenen Leben und den Millionen von verschiedenen Formen aus, die dieses Leben annehmen kann. Nichiren erläutert dies so: "Myo ist der Name für das mystische Wesen des Lebens, und Ho für seine Manifestationen." Während Myo sich auf den Wesenskern des Lebens bezieht, der unsichtbar bleibt und nicht mit dem Verstand erfasst werden kann, drückt sich dieser Wesenskern immer in greifbarer Form aus, die mit den Sinnen wahrgenommen werden kann. Eine andere Bedeutung von Myo ist "Öffnen" sowie "vollkommen ausgestattet sein" und verweist damit auf das unendliche Potential, dass jeder Mensch in sich trägt, während Ho die Art und Weise bezeichnet, in der sich dieses Potential manifestiert. Myo bedeutet auch Tod, während Ho für Leben steht.

Renge bedeutet Lotos-Blume. Zum einen wächst die Lotos-Blume im schlammigen Sumpf und symbolisiert damit unsere Buddhanatur, die sich erst in der Auseinandersetzung mit unserem Alltag zeigen kann. Zum anderen steht Renge für die Gleichzeitigkeit von Ursache und Wirkung, da die Lotos-Blume Blüte und Samen gleichzeitig trägt. Der Buddhismus lehrt, dass alles im Universum das Gesetz von Ursache und Wirkung verkörpert und verneint deshalb die Existenz eines höheren Wesens und die Existenz des Zufalls. Dabei werden Ursache und Wirkung nicht als unumstößliches Schicksal verstanden, sondern vielmehr als die Möglichkeit, frei über unser Leben zu bestimmen. Jede Tat und jedes Ereignis ist nicht nur unvermeidbare Wirkung (einer Ursache, die in der Vergangenheit liegt), sondern im gleichen Moment auch eine neue Ursache und somit Möglichkeit für die Gestaltung der Zukunft. Letztendlich ist aber die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung so komplex, dass sie nicht mit dem Verstand erfasst werden kann. Das ist der Grund, warum diese Gesetzmäßigkeit als mystisch bezeichnet wird. Das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo ermöglicht es uns, intuitiv die richtigen Ursachen in unserem Leben zu setzen, die zu einem dauerhaften Glück für uns selbst und unsere Umgebung führen.

Kyo bedeutet wörtlich übersetzt "Sutra”, d. h. die Stimme oder die Lehre eines Buddhas. In diesem Sinne meint es auch Klang, Rhythmus oder Schwingung und kann daher auch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo bezeichnen. Nichiren erklärt den Begriff Kyo folgendermaßen: "Sobald Du erkannt hast, dass Dein eigenes Leben das mystische Gesetz ist, wirst Du auch erkennen, dass dies beim Leben insgesamt der Fall ist. Diese Erkenntnis ist das mystische Kyo oder Sutra".

Darüber hinaus bezeichnete das chinesische Schriftzeichen für Kyo ursprünglich die Längsfäden in einem gewebten Tuch, weshalb Kyo später auch den roten Faden, die Logik, die Vernunft, den Weg oder das Gesetz bezeichnete. Daher wurde es auch im Sinne einer Lehre benutzt, die bewahrt werden muss. Nichiren fasst diese verschiedenen Bedeutungen zusammen: "Kyo bezeichnet die Stimmen und Laute aller Lebewesen. Eine Auslegung lautet: Die Stimme ist ein wesentlicher Teil der buddhistischen Ausübung. Dies wird als Kyo bezeichnet, und die drei Existenzen des Lebens (Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) heißen ebenfalls Kyo." Grundsätzlich bezieht sich Kyo also auf den Fortbestand des Lebens von der Vergangenheit durch die Gegenwart in die Zukunft, und der Titel des Lotos-Sutras, Myoho-Renge-Kyo, gibt an, dass die im Lotos-Sutra dargelegte endgültige Wahrheit des Lebens selbst ewig und unveränderlich ist.

Zusammengefasst könnte man die Bedeutung von Nam-Myoho-Renge-Kyo so ausdrücken: Durch das Chanten manifestiere ich die in mir existierende Buddhanatur, durch die ich das Prinzip von Ursache und Wirkung in meinem täglichen Leben so anwenden kann, dass ich und meine Umgebung dauerhaft glücklich werden.

Gohonzon

Der Gohonzon ist der Mittelpunkt des Glaubens, der Ausübung und des Studiums im Buddhismus Nichirens. "Honzon" bedeutet wörtlich "das, was zutiefst geachtet werden soll", und "Go" heißt "ehrwürdig, verehrenswert". Zusammen bedeuten beide Worte, dass der Gohonzon das wahre Objekt der Verehrung ist.

Der westlich geprägte Mensch mag einige Bedeutungen dieses Titels nur schwer akzeptieren können. Da wir alle in einer von christlichen Werten bestimmten Gesellschaft aufgewachsen sind (auch wenn wir selbst keine praktizierenden Christen sind), erscheint uns die Vorstellung, einen Gegenstand zu verehren, fremd oder sogar suspekt. Schließlich verbieten die Zehn Gebote ausdrücklich die Herstellung und Anbetung von Götzenbildern, und in unserem Zeitalter der Wissenschaft mag es recht primitiv anmuten, unbelebten Gegenständen eine Kraft zuzuschreiben, deren Existenz die Wissenschaft nicht bestätigen kann.

Nichiren erkannte jedoch, dass jeder Mensch in seinem Innersten den Wunsch nach einem Objekt der Verehrung oder Devotionalien in irgendeiner Form fühlt. Der Wunsch nach einem Objekt der Verehrung besteht nicht nur in der Religion, denn jeder Mensch besitzt auch im täglichen Leben einen solchen Gegenstand, sei er sich dessen bewusst oder nicht. Die Form dieser Gegenstände mag vielfältiger oder auch abstrakter sein, aber sie erfüllen genau die gleiche Funktion wie das Objekt der Verehrung in der Religion. Sie stellen einen Brennpunkt für die Wünsche, Hoffnungen, Bestrebungen, kurz, das Leben der Menschen dar. Für die Einen sind ihre Ehemänner, Ehefrauen und Familien das Objekt der Verehrung, also das, was sie am meisten wertschätzen. Für die Anderen kann dies Geld oder Karriere sein, Besitztümer, Wissen, eine Freundin oder ein Freund, Pop- oder Filmstars, sogar Haustiere. Ein Objekt der Verehrung ist der Lebenszweck einer Person im täglichen Leben, auf dem ihr Glück begründet ist und das einen weitreichenden Einfluss auf jeden Aspekt ihres Lebens ausübt.

Der Gohonzon ist weder ein Gott noch eine Art Geist, der Wünsche erfüllen kann. Statt dessen ist er das eine Objekt, das unsere Buddhanatur aus unserem tiefsten Innersten hervorruft, die wir bereits von Natur aus besitzen. Nichirens Stellungnahme zu diesem Punkt ist absolut eindeutig: "Suche niemals diesen Gohonzon außerhalb von Dir selbst. Der Gohonzon existiert nur innerhalb des sterblichen Körpers von uns einfachen Menschen, die das Lotos-Sutra annehmen und Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten."

Nichiren gab uns den Gohonzon, um uns Menschen zu zeigen, dass wir Buddhas sind und Glück eigentlich darin besteht, dass wir von dieser Tatsache felsenfest überzeugt sind. Der Gohonzon dient dazu, diese Überzeugung in uns zu wecken und sie in die Tat umzusetzen.

Gongyo

Gongyo bedeutet wörtlich "fleißige Ausübung" und bezeichnet die tiefgründige Zeremonie, die all jene, die den Buddhismus Nichirens ernsthaft ausüben, jeden Morgen und. Abend vor dem Gohonzon ausführen. Gongyo ist die Rezitation des 2. und 16. Kapitels des Lotus-Sutras. Sie findet zweimal pro Tag statt und dient dazu, die Regelmäßigkeit zu unterstützen, mit der wir Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten. Daisaku lkeda, der 3. Präsident der SGI, erklärt, warum Nichiren diese beiden Kapitel wählte "Was die Bedeutung der Rezitation des Hoben- und Juryo-Kapitels des Lotos-Sutras während des Gongyos anbetrifft, so stellen diese beiden Kapitel den Höhepunkt aller Lehren dar, die vom Buddha Shakyamuni dargelegt wurden. ( ... ) Ob Sie ihren Wortlaut verstehen oder nicht - durch die tägliche Rezitation dieser beiden Kapitel des Lotos-Sutras führen Sie bewusst oder unbewusst eine Zeremonie durch, die alle Prinzipien, die Ihr Leben und das Universum durchdringen, bestätigen und verwirklichen."

Glaube, Ausübung und Studium

Glaube, Ausübung und Studium bilden die Grundlage der Ausübung von Nichirens Buddhismus. Glaube ist der Glaube an den Gohonzon. Ausübung bedeutet Nam-Myoho-Renge-Kyo zu chanten, zweimal täglich Gongyo zu machen und andere diese Ausübung zu lehren. Studium richtet sich auf das Studieren und Verstehen der buddhistischen Lehren. Von diesen dreien ist der Glaube das absolut Wichtigste, um die Buddhaschaft zu öffnen. Glaube veranlasst uns zu praktizieren und zu studieren, Ausübung und Studium vertiefen unseren Glauben.

Wohltat

Man unterscheidet sichtbare und unsichtbare Wohltaten. Sichtbare Wohltaten drücken sich in unserer Umgebung durch offensichtliche und greifbare Verbesserungen aus: bessere Beziehungen zu anderen Menschen, eine bessere finanzielle Situation und allgemein bessere Lebensbedingungen. Da Menschen nicht nur geistige, sondern auch körperliche Bedürfnisse haben, spielt im Buddhismus auch der offensichtliche Nutzen eine große Rolle, denn ohne diesen Nutzen fällt es den Menschen schwer, wirklich glücklich zu sein.

Die inneren Veränderungen, die man durch die Ausübung dieses Buddhismus erfährt, werden unsichtbare Wohltaten genannt, da diese Veränderungen mit bloßem Auge nicht sichtbar sind und sie allmählich stattfinden. Unsichtbare Wohltaten äußern sich im Anstieg der Lebenskraft, der Freude und des Lebenszustands, den diejenigen erleben, die den Buddhismus ausüben.

Buddha

Jemand, der die wahre Natur des Lebens wahrnimmt und andere dazu führt, die gleiche Erleuchtung zu erlangen, nennt man einen Buddha. In Indien bedeutete das Wort Buddha ursprünglich "ein Erwachter" und bezog sich auf den historischen Buddha Shakyamuni.

Nichiren sagt: "Die wahre Bedeutung des Erscheinens von Shakyamuni Buddha in dieser Welt lag in seinem Verhalten als Mensch. Wie tiefgründig dies doch ist!" Mit anderen Worten, Shakyamuni war kein Gott, sondern ein Mensch, und die Buddhaschaft - der höchste Lebenszustand - kann von jedem Menschen erreicht werden. Also gibt es keinen fundamentalen Unterschied zwischen einem Buddha und einem gewöhnlichen Menschen. Ein Buddha ist eine ganz normale Person, die zur wahren Natur des Lebens erwacht ist. Daher kennt der Buddhismus nicht nur einen, sondern viele Buddhas. Nichiren erklärt weiter :"Solange jemand in Illusionen lebt, nennt man ihn einen gewöhnlichen Sterblichen, doch erst erleuchtet, nennt man ihn einen Buddha."

Karma

Karma ist die Summe aller Ursachen, die wir setzen, sowie deren Wirkung. Als solches ist es eine tief in unserem Leben liegende Kraft, die unsere Gegenwart und Zukunft beeinflusst. Das Sanskrit-Wort Karma bedeutete ursprünglich Handlung. Im Buddhismus bedeutet dies, dass jeder Gedanke, jedes Wort und jede Tat einen latenten Einfluss auf unser Leben ausübt. Dieser Einfluss oder dieses Karma manifestiert sich, wenn es durch einen äußeren Anreiz aktiviert wird, und produziert eine entsprechende Wirkung. Nach dieser Vorstellung formen unsere Handlungen der Vergangenheit unsere Gegenwart, und unsere Handlungen in der Gegenwart bestimmen wiederum unsere Zukunft. Dieses Gesetz der karmischen Ursache und Wirkung erstreckt sich von der Vergangenheit über die Gegenwart in die Zukunft.

Kosen-rufu

Kosen-rufu bedeutet wörtlich "weithin erklären und verbreiten". Praktisch bedeutet es, andere zu lehren, wie man Nam-Myoho-Renge-Kyo chantet oder ihnen die buddhistische Sichtweise zu erklären. In einem größeren Rahmen kann man Kosen-rufu mit dauerhaftem Weltfrieden gleichsetzen, denn eines der buddhistischen Hauptziele ist eine Welt ohne Krieg, eine Welt, in der Respekt vor der Würde und Unverletzbarkeit allen Lebens herrscht. Dieses Ziel wird nicht durch politische Richtlinien erreicht, sondern beginnt und endet mit der Menschlichen Revolution oder inneren Reformation jedes Menschen, der den Buddhismus Nichirens ausübt.

Jeder Einzelne, der eine tiefgründige Menschliche Revolution macht, erlebt Lebenskraft, Mut, Mitgefühl und Weisheit. Ganz natürlich wenden sich dadurch alle Lebensbereiche zum Positiven. Die Verbesserung des Familienlebens, der Arbeitssituation und der Beziehung zu anderen durch die Ausübung des Buddhismus trägt an sich zur Erreichung von Kosen-rufu bei. Die zerstörerischen Tendenzen bei jedem einzelnen - die schließlich zu Gewalt und Krieg führen - umzuwandeln, ist der einzige Weg, um dauerhaften Frieden und Harmonie zu gewährleisten.

Leben und Tod

Der Buddhismus lehrt, dass Leben und Tod die beiden Phasen der Existenz sind, die jedes Lebewesen durchlaufen muss. Normalerweise nehmen wir nur wahr, wie das Leben mit der Geburt beginnt und mit dem Tod endet. Die buddhistische Sicht geht darüber hinaus und beschreibt das Leben als unveränderliche Kraft, die ewig existiert - manchmal im manifesten Zustand des Lebens, zu anderen Zeiten in der latenten Phase des Todes. Geburt und Tod sind demnach die wesentlichen Phasen dieser grundlegenden Lebenskraft. Diese Kraft bleibt unverändert und wiederholt endlos den Zyklus von Geburt und Tod.

Die körperliche Manifestation des Lebens wird irgendwann schwächer und verschwindet schließlich. Im latenten Zustand sammelt das Leben in Vorbereitung auf die nächste Wiedergeburt Energie an, um sich dann wieder zu verkörpern. So betrachtet folgen Leben und Tod dem gleichen natürlichen Rhythmus wie Wachsein und Schlafen. So wie uns der Schlaf für den nächsten Tag erfrischt, so wird die Lebenskraft durch den Tod für die nächste Manifestation gestärkt.

Der Mittlere Weg

Der "Mittlere Weg" überwindet den Gegensatz zwischen zwei einseitigen und gegensätzlichen Sichtweisen, indem er ihnen eine dritte Sichtweise hinzufügt. Daher bezeichnet der Mittlere Weg nicht die Goldene Mitte oder einen Kompromiss. In frühen buddhistischen Schriften repräsentiert der Mittlere Weg den Pfad, der die Gegensätze von Zügellosigkeit und Askese oder Materialismus und Spiritualismus überwindet. Nichiren bezeichnete den Mittleren Weg als "das große Reine Gesetz von Nam-Myoho-Renge-Kyo", die endgültige Wahrheit aller Dinge, die gleichzeitig die wahre Natur des Lebens der normalen Menschen ist. Er sagt: "Leben ist in der Tat die kaum fassbare Wirklichkeit, die sowohl Worte als auch Vorstellungen von Existenz und Nichtexistenz transzendiert. Es ist weder Existenz noch Nichtexistenz, doch entfaltet es die Qualitäten von beidem. Es ist das mystische Wesen des Mittleren Weges, die Wirklichkeit aller Dinge."

Die neun Bewusstseinsebenen

Der Buddhismus Nichirens unterscheidet neun Bewusstseinsebenen. Die ersten fünf entsprechen den fünf Sinnen Sehen, Hören, Riechen, Schmecken und Tasten. Mit diesen fünf Sinnen erhalten wir Informationen von der Welt, die uns umgibt.

Die sechste Bewusstseinsebene fasst die erhaltenen Informationen zu einer Vorstellung zusammen, so dass wir unsere Umwelt beurteilen können: dies ist ein Stuhl, er ist hart, dies ist ein Apfel, er ist essbar, usw.

Die siebte Bewusstseinsebene bezieht sich auf die unsichtbare oder abstrakte Welt und ermöglicht es uns, Werturteile zu fällen: es ist falsch zu töten, Beethoven war ein großer Komponist, usw.

Die achte Bewusstseinsebene liegt unterhalb der Ebene der bewussten Gedanken. Dennoch bestimmt sie jede unserer Handlungen, weil all unsere Erfahrungen aus Gegenwart und Vergangenheit hier gespeichert sind. Der Charakter und die einzigartigen Eigenschaften eines Menschen, Gestik, Verhalten, Sympathie, Antipathie, Begabung, Stärken und Schwächen entspringen dieser achten Bewusstseinsebene. Die achte Bewusstseinsebene bildet so das jeder einzelnen Existenz zugrundeliegende Muster.

Die neunte Bewusstseinsebene liegt noch tiefer und wird mit Nam-Myoho-Renge-Kyo oder dem Kern des Lebens selbst identifiziert. Diese Bewusstseinsebene wird als reine Lebenskraft beschrieben, die nicht dem Prinzip von Ursache und Wirkung unterliegt. Da sie unveränderlich ist, können wir die anderen acht Bewusstseinsebenen reinigen, wenn wir diese Ebene durch das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo aktivieren. Mit anderen Worten: Wenn wir Nam-Myoho-Renge-Kyo chanten, durchdringt die reine Lebenskraft der Buddhanatur unser ganzes Wesen. Deshalb sieht, hört, riecht und schmeckt man besser, unser Tastsinn wird feiner, unsere Wahrnehmung und Beurteilung sowohl der körperlichen als auch der geistigen Welt wird klarer. Außerdem beginnt man diejenigen Aspekte seines Karmas zu verändern, die Leiden verursachen und uns daran hindern, unser volles Potential und unseren Lebenszweck zu verwirklichen.

Die Einheit von Leben und Umgebung

Dieses Prinzip besagt, dass das Leben und seine Umgebung untrennbar sind und sich gegenseitig bedingen. Nichiren geht darauf in seiner Schrift "Über Omen" ein:

"Die Umgebung ist wie der Schatten, und das Leben ist wie der Körper. Ohne den Körper kann es keinen Schatten geben. Genauso kann die Umgebung ohne das Leben nicht existieren, obwohl das Leben von der Umgebung erhalten wird."

Es macht also keinen Sinn, sich über die eigenen Umstände zu beklagen, wenn man sein Leben ändern möchte. Statt dessen sollte man den Teil von sich selbst ändern, der einen in diese Situation gebracht hat. Wenn man sich selbst verändert, wird sich ganz automatisch auch die Umwelt ändern.

Die Einheit von Körper und Geist

Unser Körper und unser Geist sind einfach nur zwei verschiedene Aspekte unseres eigenen Lebens. Da sie untrennbar miteinander verknüpft sind, beeinflusst alles, was den Geist beeinflusst, auch den Körper und umgekehrt. Wenn wir zum Beispiel unglücklich oder deprimiert sind, haben wir weniger Lebenskraft, sehen weniger gesund aus, und haben dadurch auch weniger Abwehrkräfte gegen Krankheiten. Wenn wir hingegen krank sind, fühlen wir uns, je nach der Schwere unserer Krankheit, fast automatisch auch unglücklich und niedergeschlagen.

Bei Krankheiten zeigt sich die Untrennbarkeit von Körper und Geist am deutlichsten, insbesondere bei den Krankheiten, die die Schulmedizin als psychosomatisch bezeichnet. Der Buddhismus lehrt jedoch, dass alle Krankheiten einen seelischen oder geistigen Aspekt aufweisen. Dies ist einer der Gründe, warum eine Reihe von Krankheiten, die die Schulmedizin für unheilbar hält, nicht selten durch die Kraft des Geistes besiegt werden kann.

Die Einheit von Meister und Schüler

Die Beziehung zwischen Meister und Schüler hat im Buddhismus eine sehr große Bedeutung, denn sie hilft uns - besonders wenn man schon länger Buddhist ist - die eigene Arroganz zu überwinden und das eigentliche Ziel der buddhistischen Ausübung nicht aus den Augen zu verlieren. Anders als in einer herkömmlichen Beziehung zwischen Meister und Schüler, in der der Schüler einfach lernt oder ausführt, was der Meister sagt, spricht man im Buddhismus von der Einheit von Meister uni Schüler. Daisaku lkeda beschreibt diesen Unterschied so:

"Es ist ganz leicht für einen Schüler, der Absicht des Meisters mechanisch zu folgen, aber selten erreicht ein Schüler die Geisteswelt, in der sich ihm die Quelle der Absicht des Meisters erschließt und er diese mit ihm teilt."

Diese gemeinsame Quelle der Inspiration, aus der die Einheit zwischen Meister und Schüler entsteht, ist im Buddhismus Nichirens das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo zum Gohonzon.

Für Daisaku lkeda war Josei Toda, der zweite Präsident der Soka Gakkai, sein "Meister des Lebens". Daisaku lkeda beschreibt seine erste Begegnung mit ihm als einen Moment ",in dem die dunklen Wolken in meinem Herzen verschwanden und ich mit Freude erfüllt war". Die Entwicklung der SGI entstand aus der tiefen Beziehung zwischen diesen beiden Menschen, die die Einheit von Meister und Schüler verwirklichten.

Die Zehn Welten

Die Theorie der "Zehn Welten' oder "Zehn Lebenszustände" lehrt, dass jeder von uns über zehn grundlegende innere Seinszustände verfügt, die wir alle in einem einzigen Augenblick erfahren können.

Die zehn Lebenszustände im einzelnen sind:

Hölle: Leben in einem Zustand tiefer Leiden und Schmerzen, oft begleitet von dem Drang, sich selbst oder andere zu zerstören. Es ist ein Zustand absoluter Hoffnungslosigkeit, der den Gedanken an eine Veränderung nicht zulässt.

Hunger: Man wird in diesem Zustand von ständigen Begierden vollkommen beherrscht und fühlt ein andauerndes Verlangen, z. B. nach Essen, Reichtum und Ruhm, ist aber niemals befriedigt.

Animalität.- Dies ist ein Zustand, der von rein instinktivem Verhalten geprägt ist. Das Gesetz des Dschungels herrscht. Ein Mensch in diesem Zustand macht die Schwächeren zu Opfern, die Starken werden gefürchtet.

Hölle, Hunger und Animalität werden zusammen als die Drei Bösen Pfade bezeichnet.

Ärger: Arroganz und selbstsüchtiges Verlangen nach Anerkennung. Man fühlt sich in ständiger Konkurrenz zu anderen und sucht andere zu übertrumpfen.

Hölle, Hunger, Animalität und Ärger werden zusammen die Vier Bösen Pfade genannt.

Ruhe: Dieser Lebenszustand ist von vorübergehender Ausgeglichenheit geprägt. Man erlebt weder großes Unglück noch großes Glück und geht ruhig seinen täglichen Aktivitäten nach.

Vorübergehende Freude. Dieser Zustand tritt durch die Befriedigung einer Begierde oder eines Wunsches ein und verschwindet schnell wieder, wenn man z. B. eine Enttäuschung erlebt. In allen sechs bis hier genannten Zuständen ist man noch völlig von äußeren Umständen abhängig und lebt nicht frei.

Lernen: Ein Mensch im Zustand des Lernens genießt die Freude des sich vergrößernden Wissens, das er durch die Lehren oder Erfahrungen anderer erhält.

Teilerleuchtung. Aus der Beobachtung natürlicher Phänomene oder durch Kontemplation entwickelt man ein tieferes Lebensverständnis. In diesem Zustand hoher Konzentration genießt man auch die Freude kreativen Arbeitens. Die beiden letztgenannten Zustände sind noch im Egoismus verwurzelt und verbinden sich manchmal mit Arroganz.

Bodhisattwa: Dieser Zustand ist von dein aufrichtigen und leidenschaftlichen Wunsch erfüllt, sich dem Wohlergehen anderer zu widmen, selbst auf Kosten des eigenen momentanen Glücks. Der Bodhisattwa-Zustand zeigt sich in jedem Menschen als Hilfsbereitschaft und tiefer Anteilnahme am Leiden anderer. Ein Mensch in diesem Zustand ist frei von Egoismus und genießt die Freude am Leben, die er mit anderen teilt.

Buddhaschaft. Dies ist der Zustand wahren, unzerstörbaren Glücks und absoluter Freiheit, charakterisiert durch grenzenlose Lebenskraft, Mut, Mitgefühl und Weisheit. Da jeder der zehn Lebenszustände alle anderen als Möglichkeit in sich trägt, zeigen im Zustand der Buddhaschaft selbst die Vier Bösen Pfade ihre positive und erleuchtete Seite. Hölle wird zur Basis des Mitgefühls; Hunger wandelt sich zum Wunsch, anderen beim Öffnen ihrer Buddhaschaft zu helfen; Animalität wird zu instinktiver Weisheit; Ärger nährt die Leidenschaft nach Frieden und Freiheit in der Gesellschaft.

Nichiren verstand diese zehn Welten oder Entwicklungsstufen, die man ursprünglich voneinander getrennt sah, als zehn potentielle Zustände, die ausnahmslos jeder Mensch erfahren kann.

"Zunächst einmal zur Frage, wo genau denn die Hölle und der Buddha existieren, so lautet ein Sutra, dass sich die Hölle unter der Erde befindet, und ein anderes Sutra besagt, dass der Buddha im Westen sei. Eine sorgfältige Überlegung wird jedoch klarstellen, dass beide in unserem fünf Fuß großen Körper existieren; die Hölle ist im Herz eines Menschen, der seinen Vater beleidigt und seine Mutter verachtet. (... ) Sie mögen fragen, wie es möglich ist, dass der Buddha in uns wohnen kann, wo doch unser Körper, der vom Sperma und Blut unserer Eltern her stammt, der Ursprung der Drei Gifte und der Sitz geschlechtlicher Begierde ist. Aber (... ) die reine weiße Lotos-Blume erblüht aus dem schlammigen Grund des Teiches."

Die Zehn Welten sind Teil des weit größeren philosophischen Systems "Ichinen sanzen", das von T'ien-t'ai (538 - 597) auf der Grundlage des Lotos-Sutras entwickelt wurde. Ichinen sanzen bedeutet wörtlich "ein einziger Lebensaugenblick besitzt dreitausend Welten" und erläutert die Beziehung zwischen der letztendlichen Wahrheit von Nam-Myoho-Renge-Kyo und dem täglichen Leben.

Mit diesem Prinzip zeigte T'ien-t'ai auf, dass alles - Körper und Geist, Leben und Umgebung, Lebendiges und Nicht-Lebendiges, Ursache und Wirkung

Geschichte des Buddhismus

Der Mensch, auf dessen Lehren alle Strömungen des Buddhismus zurückgehen, lebte rund 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung im heutigen Indien. Er ist unter dem Namen Gautama Siddharta oder auch Shakyamuni ("der aus der Familie der Shakyas") bekannt. Bewegt von den vier Grundleiden des Lebens - Geburt, hohes Alter, Krankheit und Tod - empfand er den Wunsch, dem Rätsel des Lebens in seiner Tiefe nachzugehen. Er widmete sich den verschiedensten religiösen, meditativen und asketischen Ausübungen, bis er alle extremen Praktiken verwarf und die Wahrheit im "Weg der Mitte" erkannte. Nach zwölfjähriger Wanderschaft erlangte er schließlich die Erleuchtung, als er meditierend unter einem Feigenbaum in Gaya saß.

Danach begab sich Shakyamuni wieder auf die Reise durch Indien und verbrachte noch fünfzig Jahre damit, seine Botschaft zu verbreiten. Den Umständen und dem Verständnis der Menschen entsprechend verkündete er verschiedene Lehren. Die so entstandenen Lehren wurden von seinen Schülern mündlich weitergegeben. Sie wurden nach dem Tod Shakyamunis in mehreren Konzilien zusammengestellt und in Sammelschriften, sogenannten Sutras, niedergeschrieben. Aus den verschiedenen Sutras sind später verschiedene Schulen hervorgegangen, da jede Schule sich auf bestimmte Sutras als Hauptquelle berief. Trotz der Vielzahl der Schulen lassen sich zwei große Richtungen des Buddhismus unterscheiden, die als Theravada ("Weg der Alten") oder Hinayana ("kleines Fahrzeug") bzw. Mahayana ("großes Fahrzeug") bezeichnet werden. Während der Theravada-Buddhismus vorwiegend in Ländern Südasiens Fuß fasste, breitete sich der Mahayana-Buddhismus in den nördlicher gelegenen Ländern wie China und Japan aus.

Der Theravada-Buddhismus betont das Aufgehen im Nirwana ("Auslöschen") als Ziel einer meist sehr strengen, über viele Leben dauernden Ausübung. Erst wenn alle Wünsche und Bedürfnisse - jeglicher Lebensdurst - erloschen sind, kann ein Mensch aus dem Kreislauf der Wiedergeburten ausbrechen, das Nirwana erreichen und sich damit für immer vom Leiden erlösen. Der Mahayana-Buddhismus hingegen stellt das Ideal des Bodhisattwas in den Mittelpunkt, der sich voller Mitgefühl allen Lebewesen seiner Umgebung widmet. Erleuchtung bedeutet in den Mahayana-Schulen nicht das Verneinen des Lebens und der damit verbundenen Leiden, sondern im Gegenteil das Eintauchen in die Tiefe und Weisheit des eigenen Lebens und die allem Leben innewohnende Buddhanatur.

Innerhalb der Mahayana-Tradition nimmt die Lehre des Lotos-Sutras eine besondere Stellung ein. Der chinesische Gelehrte T'ien-t'ai sah hier die Essenz der Lehre Shakyamunis niedergelegt, die dieser in den acht Jahren vor seinem Tod verkündete. Im Lotos-Sutra beschreibt Shakyamuni in sehr poetischen Bildern den Kern seiner Erleuchtung. jeder Mensch - wie auch jedes Phänomen des Universums - besitzt das Potential zur Erleuchtung, ist potentiell selbst Buddha und kann in diesem Leben zu seiner inneren Wahrheit und Erleuchtung erwachen. jeder Mensch ist potentiell erleuchtet und ein Buddha. Das war und ist eine revolutionäre Aussage.

Im Daishutsu-Sutra prophezeite Shakyamuni die zukünftige Entwicklung des Buddhismus über drei Phasen - den Frühen, Mittleren und Späten Tag des Gesetzes. Im Frühen Tag des Gesetzes, der mit seinem Tod begann und tausend Jahre anhielt, konnten viele Menschen direkt die Erleuchtung erlangen. Der Mittlere Tag des Gesetzes war durch die Errichtung von Tempeln und Stupas geprägt. Der Buddhismus durchlief eine Phase der Formalisierung und Ritualisierung und war den Menschen nicht mehr ohne weiteres zugänglich. Folglich war die Kraft der Lehre nur noch denen vorbehalten, die genügend Zeit für die aufwendigen Ausübungen aufbringen konnten. Im Späten Tag des Gesetzes - der heutigen Zeit - ist schließlich der Grundgedanke des Buddhismus soweit verloren gegangen, dass er den allgegenwärtigen Problemen nicht mehr adäquat begegnen kann.

Aber Shakyamuni sagte auch voraus, dass im Späten Tag des Gesetzes ein Buddha - der Ausübende des Lotos-Sutras - erscheinen wird, der die richtige Lehre für dieses Zeitalter verbreiten wird. Dieser Buddha wird auf Ablehnung und Feindseligkeit stoßen, doch durch seine Lehre werden die Menschen ihre eigene Buddhaschaft verwirklichen können.

Das Leben Nichirens

Nichiren, der Begründer dieses Buddhismus, lebte im Japan des 13. Jahrhunderts, einer Zeit, die von inneren und äußeren Auseinandersetzungen, Epidemien, Naturkatastrophen und sozialen Ungerechtigkeiten geprägt war.

Von seinen Schülern erhielt er den Titel Daishonin, was "Großer Weiser" bedeutet. Der Titel einer Person wird im japanischen immer dem Namen nachgestellt, weshalb man auch in vielen Veröffentlichungen den Namen Nichiren Daishonin findet.

Nichiren wurde am 16. Februar 1222 als Sohn einer Fischerfamilie im Fischerdorf Kominato in der Provinz Awa, der heutigen Chiba-Präfektur, geboren. Als Kind hieß er Zennichimaro. Im Alter von zwölf Jahren verließ er sein Elternhaus, um im nahegelegenen Seicho-Tempel eine buddhistische Ausbildung zu erhalten. Der Seicho-Tempel gehörte zur Tendai-Schule.

In seiner ganzen Jugend bedrängte ihn die Frage nach dem Sinn des Lebens, wie er später schrieb: "Seit meiner Kindheit habe ich Buddhismus mit einem einzigen Gedanken im Sinn studiert. Ein Mensch stößt seinen letzten Atem aus ohne die Hoffnung, einen weiteren Atemzug zu tun. Nicht einmal der Tau, getragen vom Wind, reicht aus, diese Vergänglichkeit zu beschreiben. Niemand, weise oder närrisch, jung oder alt, kann dem Tod entrinnen. Daher war es mein einziger Wunsch, dieses ewige Geheimnis zu lüften. Alles andere war zweitrangig." Während seines Studiums tauchten in ihm viele Fragen auf, vor allem angesichts der verwirrenden Vielfalt buddhistischer Schulen und der Widersprüche im buddhistischen Kanon. So betete er mit zwölf Jahren vor Bodhisattwa Kokuso, der "weiseste Mann Japans" zu werden. Er fügte hinzu, Bodhisattwa Kokuso habe ihm ein Juwel der Weisheit geschenkt, mittels dessen er alles klar zu sehen anfing.

Als er sechzehn Jahre alt wurde" entschloss er sich zur Priesterweihe und nahm den religiösen Namen Seshobo Rencho an. Kurz darauf begab er sich auf eine Studienreise nach Kamakura, dem damaligen Regierungssitz, und dann weiter nach Kyoto und anderen Städten, um sich mit allen wichtigen Lehren auseinander zu setzen. In diesem zehnjährigen Studium erkannte er, dass die wesentliche Aussage des Buddhismus sich im Lotos-Sutra findet.

Zu Beginn des Jahres 1253 kehrte er zum Seicho-Tempel zurück und bereitete die Verkündung seiner Lehre vor. Am 28. April 1253, nachdem er zur aufgehenden Sonne Nam-Myoho-Renge-Kyo gechantet hatte, verkündete er am Mittag seine Lehre im Hof des Tempels und nannte sich fortan Nichiren ("Sonnen-Lotos").

Nichiren erläuterte, dass die Essenz und die ursprüngliche Absicht der Lehre Shakyamunis im Lotos-Sutra zu finden ist, und dass ihr Kern die Rezitation des Titels, d. h. das Chanten von Nam-Myoho-Renge-Kyo ist. Er erklärte, dass die vor dem Lotos-Sutra verkündeten Lehren in der heutigen Zeit die Menschen nicht mehr zur Erleuchtung führen können. Er wandte sich entschieden gegen die anderen buddhistischen Schulen, die sich zum damaligen Zeitpunkt bereits von dem ursprünglichen Gedanken und der Absicht des Buddhismus weit entfernt hatten. Statt dessen waren sie oft nur noch Marionetten im Dienst der jeweiligen politischen Machthaber, die geprägt waren von Korruption und Weltlichkeit. Der Daishonin wusste, dass er sich durch diese kritischen Thesen der im Volk vorherrschenden Meinung und der Regierung entgegenstellen würde. Aber sein Mitgefühl mit den Leiden der Menschen und seine große Entschlossenheit, ihnen einen Weg zu zeigen, sich von diesen Leiden zu befreien, ließen ihn unbeirrbar weitermachen. Darauf wurde er vom Lehnsherrn der Gegend, der Anhänger der Jodo-Schule war, verfolgt, verließ die Gegend und ging nach Kamakura.

Am 16. Juli 1260 legte Nichiren dem mächtigsten Mann des Landes, Hojo Tokiyori (einem ehemaligen Regenten des Kamakura-Shogunats), eine Mahnschrift mit dem Titel "Rissho Ankoku Ron" ("Über die Sicherung des Friedens im Lande durch die Verbreitung des Wahren Gesetzes") vor. Er erläuterte, dass die Mißachtung des Wahren Gesetzes die eigentliche Ursache für die Naturkatastrophen sei und prophezeite gleichzeitig, dass sich weitere Katastrophen wie Invasion und Bürgerkrieg ereignen würden, wenn die Regierung weiterhin keine Gegenmaßnahme gegen die Verleumdung des Wahren Gesetzes treffen würde. Der Buddhismus lehrt, dass schlechtes Karma am schnellsten dadurch entsteht, indem man das Wahre Gesetz verleumdet. Diese Aussage taucht in vielen Sutras auf und kann als eine Grundaussage der buddhistischen Philosophie bezeichnet werden. jedoch verdeutlicht nur das Lotos-Sutra, was mit der "Verleumdung des Wahren Gesetzes" gemeint ist: die Verleugnung der Tatsache, dass das Lotos-Sutra - Shakyamunis höchste Lehre - als einziges Sutra darlegt, wie alle Menschen zur Erleuchtung gelangen können. Statt dessen befolgte man Shakyamunis frühere, vorbereitende und daher unvollständige Lehren, von denen er selbst sagte, sie sollten außer acht gelassen werden. Im Hoben-Kapitel (zweites Kapitel) des Lotos- Sutras wird dazu ermahnt, die "vorläufigen Lehren aufrichtig abzulegen". Aus diesem Grund nahm Nichiren so eine kritische Haltung gegenüber den Schulen seiner Zeit ein. Insbesondere die Nembutsu-Schule wird in der Rissho Ankoku Ron hart kritisiert, weil sie die Weltflucht der Menschen förderte und ihre Apathie unterstützte - zu einer Zeit, in der der Buddhismus den Willen und die Fähigkeit der Menschen hätte stärken müssen, um durch die Veränderung ihres eigenen Lebens ihr Leiden anzugehen und zu überwinden.

Die Regierung antwortete schließlich auf die Rissho Ankoku Ron - unterstützt von den Anführern der staatlich geförderten buddhistischen Schulen - mit Überfall und Verfolgungen. Nichiren wurde im Mai 1261 unter falscher Anschuldigung an die karge Küste der Halbinsel Izu verbannt. Im Februar 1263 wurde er begnadigt und konnte wieder nach Kamakura zurückkehren.

Im Jahr 1268 schickte Kublai Khan, der bereits Korea besetzt hatte, eine Botschaft nach Japan und verlangte dessen Kapitulation.

Nichiren sandte aus Sorge um die Erfüllung seiner Prophezeiung elf Mahnschriften ähnlichen Inhalts wie die Rissho Ankoku Ron an hochgestellte Beamte und einflussreiche Priester anderer Schulen - doch vergeblich. Auch bei anderen Gelegenheiten verlangte er eine öffentliche Debatte mit den Priestern, aber sein Angebot wurde im September 1271 mit seiner Verhaftung und Verbannung auf die entlegene Insel Sado beantwortet.

Obwohl die Verurteilung nur auf Verbannung gelautet hatte, sollte Nichiren auf dem Weg nach Sado an der Hinrichtungsstätte Tatsunokuchi enthauptet werden. Aber im letzten Augenblick versetzte das plötzliche Auftauchen eines leuchtenden Kometen am Himmel die Soldaten so in Angst und Schrecken, dass sie nicht mehr den Mut aufbrachten, Nichiren hinzurichten.

Im Jahre 1272 brachen Kämpfe innerhalb der Familie Hojo aus, wodurch sich die letzte Prophezeiung Nichirens erfüllte. Zu Beginn des Jahres 1274 wurde das Verbannungsurteil aufgehoben. Er kehrte im März nach Kamakura zurück und warnte vor einem Militärgericht zum dritten Mal, dass die grundlegende Ursache aller Katastrophen darin liegt, dass das ganze Volk dem Buddhismus zuwiderhandelt. Nachdem sich die Ermahnung als vergeblich erwies, verließ er Kamakura im Mai 1274 und ließ sich auf dem Berg Minobu westlich des Fujiyama nieder, um sich der Ausbildung seiner Schüler zu widmen.

Am 12. Oktober 1279 schrieb Nichiren den Gohonzon ein. Dies bezeichnete Nichiren selbst als die eigentliche Aufgabe seines Lebens. Durch den Gohonzon verwirklichte Nichiren den Wunsch aller Buddhas, jedem Menschen

In seinem 61.Lebensjahr war der Daishonin bei schwacher Gesundheit. Er fühlte die Nähe seines Todes und bestimmte Nikko Shonin zu seinem Nachfolger. Im September 1282 verließ er Minobu, um aus gesundheitlichen Gründen die heiße Quelle in Hitachi aufzusuchen. Als er in der Residenz der Brüder Ikegami im Gebiet des heutigen Tokyo ankam, war er zu krank für die Weiterreise, Am frühen Morgen des 13. Oktober 1282 verschied er friedlich, umgeben von seinen Schülern, die ehrfürchtig Nam-Myoho-Renge-Kyo chanteten.

Soka Gakkai International

Die Soka Gakkai International (SGI) ist die internationale Gemeinschaft der Laiengläubigen des Buddhismus Nichirens. Die SGI wurde 1975 von Daisaku lkeda gegründet und später als Nicht-Regierungs-Organisation (NGO) in die Vereinten Nationen aufgenommen. Sie vertritt u. a. folgende Ziele:

1. Auf der Grundlage des buddhistischen Respekts vor der Unverletzlichkeit des Lebens und in dem Wunsch nach Glück und Wohlergehen der gesamten Menschheit zu Frieden, Kultur und Erziehung beizutragen.

2. Ausgehend vom Ideal der Weltbürgerschaft die grundlegenden Menschenrechte sicherzustellen und niemanden aus irgendeinem Grund zu diskriminieren.

3. Die Freiheit der Religion und der religiösen Äußerung zu fördern und zu schützen.

Soka Gakkai bedeutet "Werteschaffende Gemeinschaft". Diese Bezeichnung spiegelt die Tatsache wider, dass es das Ziel der Ausübung des Buddhismus Nichirens ist, auf persönlicher Ebene Weisheit, Mut, Mitgefühl und Lebenskraft zu entwickeln und dadurch einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Die Aufgabe der SGI besteht daher in erster Linie darin, es ihren Mitgliedern zu ermöglichen, den Buddhismus genau so auszuüben, wie es Nichiren lehrte und dadurch Glück und menschliche Werte sowohl in ihrem eigenen Leben als auch in ihrer Umgebung zu verwirklichen.

Zur Zeit hat die SGI etwa zwanzig Millionen Mitglieder in 115 Ländern, mit Hauptsitz in Tokyo. Überall auf der Welt treffen sich die Mitglieder

Die Gemeinschaft existiert für ihre Mitglieder und wird durch sie gestaltet. Die Mitgliedschaft in der SGI ist freiwillig und kostenlos. Natürlich gibt es auch Menschen, die zwar voll und ganz mit den Lehren des Buddhismus Nichirens übereinstimmen, ihn aber dennoch lieber allein ausüben würden, weil sie das Gefühl haben, dass religiöse Organisationen unweigerlich Konformität fördern, Individualität, Meinungs- und Gedankenfreiheit einschränken. Solche Gefühle sind verständlich und ein gesundes Misstrauen gegenüber Organisationen aller Art ist wünschenswert. Allerdings ist es unumgänglich, dass jede Aktivität, an der mehr als eine Person beteiligt ist, ein gewisses Maß an Organisation erfordert.

Die SGI entwickelt sich auf der Grundlage des Buddhismus Nichirens, der von der Gleichheit aller Menschen in bezug auf ihre Buddhanatur ausgeht. Er beruht auf dem tiefen Respekt vor der Einzigartigkeit und Freiheit des einzelnen. Daher gibt es in der SGI keine autoritären Strukturen und auch keine Gebote bezüglich einer einheitlichen Verhaltensweise oder einem einheitlichen Denken. Im Gegenteil ist das Ziel der Ausübung, dass jeder einzelne seine ganz persönlichen und einzigartigen Talente und Fähigkeiten voll und ganz einsetzt und so seine Buddhaschaft zeigt. Nichiren beschreibt dies mit den Worten: "Kirsche, Pflaume, Pfirsich und Haferpflaume haben ihre ganz besonderen Eigenschaften und manifestieren ihre eigenen Merkmale des ursprünglichen Buddhas, ohne ihren Charakter zu ändern."

Verantwortung in der SGI zu übernehmen bedeutet, sich auf der Grundlage des Glaubens für andere Mitglieder einzusetzen und sie in ihrem Glauben zu ermutigen. Sie ist dadurch ein Aspekt der Ausübung für andere. Verantwortliche stehen nicht über denjenigen, die keine besondere Funktion innerhalb der Gemeinschaft wahrnehmen. Sie haben keine Macht oder Autorität im eigentlichen Sinne, sondern können nur aufgrund ihrer eigenen persönlichen Erfahrungen und der daraus gewonnenen Überzeugung versuchen, andere in ihrem Glauben zu ermutigen. Daher bedeutet eine Verantwortung in der SGI auch eine Herausforderung, sich besonders um die eigene Menschliche Revolution zu bemühen. Daisaku lkeda, der 3. Präsident der SGI, beschreibt die SGI so:

"Die Organisation ist notwendig, um die gemeinsame harmonische Weiterentwicklung vieler Menschen zu ermöglichen. Wer den Buddhismus allein ausübt, wird leicht selbstgerecht und fällt seiner engen Sichtweise zum Opfer, was nicht im Sinne des Buddhismus ist. Alles in allem führt die auf sich allein gestellte Ausübung des Buddhismus nicht zum richtigen Glauben, der richtigen Ausübung und dem richtigen Studium oder zu einem richtigen, auf dem Mystischen Gesetz basierenden Verhältnis zwischen Einzelperson und Gesellschaft. Wenn Sie den Buddhismus über längere Zeit allein ausüben, werden Sie letztendlich den richtigen Weg des Glaubens aus den Augen verlieren. Wenn Sie erkennen, wie wichtig die gegenseitige Unterstützung für den Glauben und für ein mutiges Handeln ist, verstehen Sie auch, wie wichtig die Organisation als Ratgeber für eine richtige Ausübung ist.

Mit diesen Ausführungen möchte ich betonen, dass unsere Organisation jedem einzelnen Menschen zum Glück verhelfen und ihn bei der Festigung seines Glaubens unterstützen soll. Der Zweck unserer Organisation besteht darin, jedem ihrer Mitglieder zu ermöglichen, den Zustand absoluten Glücks bzw. die Buddhaschaft zu erreichen (... ) Das persönliche Gespräch mit jeder Person, mit der man in Kontakt kommt, mag wie eine zähe, langsame Arbeit erscheinen; aber alte großen Aufgaben brauchen Zeit. Die Verbindungen, durch die einzelne Menschen ihr Innerstes kultivieren und verfeinern können, entstehen nicht über Nacht. Aber das Ergebnis eines solchen Unterfangens ist der Diamant des Lebens, der nicht von den Umständen unserer Umgebung zerstört werden kann, wie schlimm sie auch sein mögen. Der einzige Weg, der der Menschheit noch bleibt, ist die zuvor erwähnte zähe, langsame Arbeit. Und jeden, der meinen Vorschlag verspottet, kann ich nur nach seiner Lösung fragen."

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