Essay Nr. 5 ------------ **„Das Leben ist wunderschön“ von SGI-Präsident Ikeda ** ======================================================== **Dr. Lee Soo-O, ** **Präsident der Changwon National Universität in Südkorea ** **„Betrachte die Geschichte genau und jäte das Unkraut der Arroganz! ** Denn nur im Garten des reinen Herzens gedeihen Blumen der Freundschaft“ ------------------------------------------------------------------------ „Wichtig ist, dass man das dem Herzen innewohnende Unkraut jätet, wenn man wirklich einen neuen Start machen will.“ Das sind sinnreiche Worte. Das sind die Worte, mit denen sich der Präsident der Changwon Universität in Südkorea, Dr. Lee Soo-O (geb. 1947), an die Menschen in seinem eigenen Land wandte. Er meinte: „Selbst ein kleines bisschen Unkraut wird den Garten im Nu zerstören, wenn es sich ausbreitet. Bevor das Unkraut gedeiht, muss man rechtzeitig notwendige Maßnahmen treffen.“ Nun, was kann dann das den Japanern innewohnende Unkraut sein? Eines davon, denke ich, ist womöglich die Arroganz, die Geschichte nicht genau zur Kenntnis nehmen zu wollen. Zum Beispiel wird bald die Fußballweltmeisterschaft in Japan und Korea gemeinschaftlich eröffnet. Diese gemeinsame Veranstaltung weist auf den Beginn eines neuen Kapitels für die koreanisch-japanische Freundschaftsbeziehung hin. Dennoch gibt es nur wenige Menschen, die davon erzählen, welches außergewöhnliche Drama sich zu Beginn der japanischen Fußballgeschichte abspielte. Seid den Japanern nicht unterlegen! ------------------------------------- Es war im Jahr 1936. Die Olympischen Spiele wurden in Berlin veranstaltet. Auch in Japan sollte entschieden werden, welche Fußballspieler daran teilnahmen. Im Juni des Vorjahres fanden die Spiele um den Nationalcup statt, wobei die Nationalspieler ausgewählt werden sollten. Schließlich kamen die sechs Mannschaften – fünf Mannschaften von der japanischen Insel und eine aus Seoul, Südkorea, – zusammen, die in den Vorrunden der jeweiligen Region gewonnen hatten. Obwohl die koreanische Halbinsel zu jener Zeit unter der japanischen Kolonialherrschaft stand, wurde dort seit jeher rege Fußball gespielt. Mit nur einem Ball können viele Menschen Spaß haben. Selbst für die Menschen, die durch die gierige Herrschaft Japans verarmt waren, war Fußball ein Sport, den sie sich noch erlauben konnten. Sie waren stark, unheimlich stark. Und beim japanischen Nationalcup kam die Mannschaft „All Pyongyang Kickers (sinngemäße Rückübersetzung)“ aus Seoul, Südkorea, wie selbstverständlich bis ins Finale. Ihr letzter Gegner war die Mannschaft der Tokio Bunri (Literatur- und Naturwissenschaft) Universität. Das Finale sollte in der Sportarena „Meiji-jingu“ in Tokio stattfinden. Die Menschen, die in Japan wohnten, aber von der Halbinsel Korea stammten, kamen von weit her, um das Endspiel zu sehen. „Seid den Japanern nicht unterlegen! Lasst euch von den Japanern niemals besiegen!“ Auf der Zuschauertribüne herrschte eine hitzige Atmosphäre ihrer unausgesprochenen Rufe. Die meisten von ihnen waren Menschen, die ausweglos nach Japan kamen, weil ihnen die seit Generationen in ihrem Besitz befindlichen Ländereien nahezu betrügerisch weggenommen worden waren. Sie waren Menschen, die im eiskalten Regen der Diskriminierung standen und in Folge des Niedriglohns – weniger als die Hälfte dessen, was die Japaner verdienten – jeden Tag nur noch karg zu essen hatten. Bereits zu diesem Zeitpunkt überquerten über 600.000 Menschen die Genkai-See, (die vor der südlichen Insel Kyushu liegt). Unter ihnen waren auch viele Menschen, die aus der Provinz Kyungsamnam stammten, in der sich die Changwon Universität befindet. Die Provinz liegt der japanischen Insel Kyushu am nächsten. In der Stadt Pusan an der südlichsten Spitze der koreanischen Halbinsel ereignete sich folgendes: Ein junges Mädchen wurde von einem japanischen Farmer grausam gelyncht. Der Grund dafür war, weil sie wegen des unerträglichen Hungers von seiner Farm nur ein Stück Gurke für sich entwendete. Lediglich aus diesem Grund ließ er sie festnehmen und schonungslos peitschen. Als sie nach dem unablässigen Peitschen ohnmächtig wurde, so wird erzählt, beschmierte er ihren ganzen Körper mit Steinkohlenteer. Was für Menschen waren Japaner! Darüber hinaus geschahen ähnliche, nein, noch grausigere Taten im ganzen Land mehrere tausend, mehrere zigtausend, gar unzählige Male. Koreas Beitrag zu Beginn der japanischen Fußballgeschichte ------------------------------------------------------------ In der Sportarena setzten sich ihre unausgesprochenen Rufe voller Kraft und Widmung ununterbrochen fort: „Seid ihnen nicht unterlegen! Besiegt sie bitte unbedingt! Vertreibt unseren Groll durch euren Sieg! Alles wurde uns von den Japanern weggenommen. Was haben wir ihnen denn getan! Der Grund unserer Niederlage lag darin, dass wir weniger Kriegsschiffe und Pistolen als die Japaner besaßen; der Grund lag nur darin, dass wir nicht so barbarisch wie die Japaner handeln konnten. Nur aus diesem Grund wurden wir von einem jeden von ihnen nacheinander willkürlich geprügelt, als ob wir ein minderwertiges Volk gewesen wären. Selbst wenn sie als Nation mächtig sind, heißt es sicher nicht, dass sie im einzelnen stärker sind als wir. Dennoch, warum tragt ihr euer Haupt so erhoben! Eins zu eins sind wir euch nicht unterlegen. Wir werden ihnen bestimmt nicht unterlegen sein, wenn die Voraussetzung gleich ist. Wir müssen unbedingt gewinnen, und zeigt ihnen unsere Kraft durch den Sieg! Und lasst die überragende Erscheinung unseres Volkes auf der Weltbühne der olympischen Spiele alle deutlich erkennen!“ Der brennenden Erwartung genügend kämpfte die Mannschaft aus Seoul „All Pyongyang Kickers (sinngemäße Rückübersetzung)“ und gewann im Finale mit 6 zu 1. Das war ein eindeutiger Sieg. „Sie hat es geschafft. Wir haben es geschafft. Jetzt kann die Mannschaft zur Olympiade gehen!“ Alle sprangen auf und jubelten und umarmten einander hocherfreut. Nichtsdestotrotz: Obwohl zu Beginn der Spiele bekannt gegeben wurde, dass die meisten Spieler aus der Siegermannschaft dieses Nationalcups ausgewählt werden sollten, wurde die angekündigte Richtlinie plötzlich geändert. Es hieß jetzt, dass die Auswahl der Spieler erst nach dem Meiji-jingu Sportfest im kommenden Herbst entschieden werden sollte. Die Koreaner dachten: „Unehrlich! Das ist Japan. Das ist wie immer die niederträchtige Art und Weise der Japaner.“ Jedoch beim Meiji-jingu Sportfest gewann die koreanische Mannschaft „All Pyongyang Kickers (sinngemäße Rückübersetzung)“ wieder. Es stellte sich eindeutig heraus, dass ihr Können weit höher war, als das der japanischen Mannschaften. Der Fußballverband Japans zerbrach sich den Kopf, weil es von allen Seiten gesehen ganz natürlich und gerecht gewesen wäre, die Nationalspieler für die Olympischen Spiele überwiegend aus der mit Abstand besten Siegermannschaft auszusuchen und so die Nationalmannschaft zu bilden. Aber auf der ersten Liste der 25 Nationalspieler standen lediglich zwei Namen von Spielern der koreanischen Halbinsel; es waren Kim Yong Gon und Kim Yong-sik. Es könnte seitens des japanischen Verbands womöglich unter anderem einen Grund gegeben haben, dass er seine Auswahl der Spieler vor allem aus dem Aspekt des Teamworks getroffen hatte. Auf der koreanischen Halbinsel aber quollen heftige Widerstände hervor. Das war wohl selbstverständlich vorauszusehen. „Sie (die koreanische Mannschaft) muss sich entschieden weigern, ihre zwei Spieler zu entsenden!“ Die zwei Spieler wurden in einen Zwiespalt gedrängt; ihnen wurde einerseits eine einmalige Chance, an der Olympiade teilzunehmen, angeboten und andererseits wurden in vielen drohenden Stimmen vorgetragen, dass sie selbst dazu beitragen würden, die bereits vorhandene Diskriminierung noch weiter zu vergrößern, wenn sie eine solch diskriminierende Auswahl akzeptiert hätten, und sie sollten allein aus Stolz, Koreaner zu sein, ablehnen. Und einer der beiden Spieler Kim Yong Gon wurde zwangsweise auf die Halbinsel zurückgeholt. Kim Yong-sik, der zurückblieb und unter den Umständen schwer litt, entschied, mit zur Olympiade zu gehen, mit festem Entschluss: „Ich werde auf der Weltbühne eine niemandem unterlegene, herausragende Leistung zeigen und somit die Stärke meines Volkes eindeutig unter Beweis stellen. Ich will fest daran glauben, dass das schließlich zum Sieg unseres Volks führen wird.“ „Wunder von Berlin“ --------------------- Beim letzten Auswahlverfahren wurde Kim Yong-sik einer der insgesamt sechzehn Nationalspieler. Dennoch scheint es in seinem Heimatland manche gegeben zu haben, die ihn kritisierten, als ob er ein Verräter gewesen wäre. Das schmerzte ihn sehr. Obwohl er die ganze Zeit solch schwere Kämpfe zu führen hatte, bis er endlich in Berlin ankam, ließ der Teamchef nicht zu, dass er an dem Freundschaftsspiel teilnahm. „Wie viel muss ich noch erdulden?“ dachte er. Obwohl ein weit schwächerer Spieler als er dafür eingesetzt wurde, meinten sie: „Du sollst weiterhin hinten anstehen.“ Er dachte: „Wozu haben sie mich so weit bis nach Europa mitgenommen? Nur deswegen, weil ich auf der Bank der Ersatzspieler sitzen soll? Was soll das heißen! Der Sport, gerade der Sport muss die Welt der wahren Leistung sein. Ich kann solche Misshandlungen nicht mehr aushalten.“ „Ich kehre zurück! Geben Sie mir bitte meine Zugfahrkarte!“ sagte er. Die japanischen Organisatoren waren bestürzt und begannen, ihn zu beschwichtigen. In Folge dessen konnte er beim nächsten Freundschaftsspiel großartig mitspielen. Es wurde weiterhin entschieden, dass er am ersten Spiel der Olympiade teilnehmen sollte; der erste Gegner aber war zur großen Überraschung Schweden, der große Favorit. Alle gaben schon auf, indem sie offen sagten: „Es ist hoffnungslos. Die Niederlage ist vorbestimmt. Was uns übrig bleibt, ist nur, dass wir versuchen können, die Zahl der Gegentore so klein wie möglich zu halten.“ Wie prognostiziert, ging die erste Halbzeit mit 2 zu 0 für Schweden aus. Kim Yong-sik spielte voller Kraft und die Zähne zusammenbeißend. Er sagte zu sich: „Ich lasse mich nicht besiegen! Ich bin nicht allein hier, sondern ich muss meine ganze Kraft auch für die Spieler, die eigentlich hier hätten sein müssen, aber zuhause auf der Halbinsel zurückbleiben mussten, einsetzen!“ Auf dem Spielfeld bewegte sich Kim Yong-sik wie ein Dämon. Seine tiefe Entschlossenheit zündete die Flamme der anderen japanischen Spieler, die den Entschluss fassten: „Wir müssen uns auch anstrengen, genau wie Kim!“ Stark vereint, schoss die japanische Mannschaft im Laufe der zweiten Halbzeit zwei Tore zum Ausgleich. Und fünf Minuten vor Ende des Spiels wurde ein weiteres Tor zum eindrucksvollen Sieg erzielt. Der Schlusspfiff ertönte. Alle Zuschauer standen auf und applaudierten stürmisch, das Stadion bewegte sich kräftig. „Japan, als die vermutet schwächste Teilnehmernation, bezwang bei ihrer ersten Teilnahme den großen Favoriten!“ Das war ein Ereignis, das als Wunder von Berlin bezeichnet wurde. Das war die denkwürdige internationale Meisterschaft, bei der die japanische Fußballmannschaft ihren ersten Sieg erzielte; es war auch der Sieg, der von der japanisch-koreanischen Gemeinschaftsmannschaft erzielt wurde, auch wenn aus Korea nur ein einziger Spieler dabei war. Seit dieser Zeit, sagt man, entwickelte sich der Fußball in Japan immer weiter, während er von den starken Spielern des koreanischen Volks beständig inspiriert wurde. Kim Yong-sik setzte sein ganzes Leben für die Ausbildung der jungen Nachwuchsspieler ein und wird heute noch als „Vater des koreanischen Fußballs“ bezeichnet. Zwei Jahre, nachdem die Profifußballliga 1983 in Korea gegründet worden war, verstarb er ruhig. Kim Yong-sik, sagt man, lebte ohne egoistische Ambitionen bis zum Ende seines Lebens aufrichtig und bescheiden. Ist Japan heute wie einst eine Gesellschaft, --------------------------------------------- in der Menschen gepeinigt werden? ---------------------------------- Die Geschichte zu vergessen, das ist das Laster der Japaner im allgemeinen. Selbst wenn sie die Blumen sehen, schauen sie ihre Wurzeln nicht an. Wer die Wurzeln nicht anschauen will, kann keine Blume pflegen. Um jetzt die wahre „Blume der koreanisch-japanischen Freundschaft“ zu pflegen, ist eine gerechte Erkenntnis über die Geschichte unbedingt notwendig. Wir müssen das giftige Gras, nämlich das Vorurteil gegenüber allen benachbarten Völkern, das die Machthaber in der vergangenen Zeit tief ins Innere der Japaner einpflanzten, konsequent jäten und zerstören. Im anderen Fall werden wir Japaner die Menschlichkeit nicht wiederherstellen können. Das Zurückgewinnen der Freundschaftsbeziehung zwischen Korea und Japan dient nicht irgendjemandem, sondern vor allem den Japanern selbst und der Reinigung ihrer Seele. Die Diskriminierung der Völker ist keine Angelegenheit der Vergangenheit. Beispielsweise hat Japan den Koreanern noch kein Wahlrecht zuerkannt, obwohl die meisten von ihnen bereits über mehrere Generationen in Japan wohnen. Das heißt, sie müssen einerseits Steuern bezahlen, aber dürfen keinen Einfluss nehmen, wie die von ihnen entrichtete Steuer verwendet werden sollte. Auch bei der Arbeitssuche oder Berufswahl sind sie benachteiligt, sodass die Struktur der Verneinung der Menschenrechte weiter fortgesetzt wird. Die Unvernunft, dass die Fußballspieler nicht wegen ihrer persönlichen Leistungen ausgewählt wurden, ist gewiss keine Geschichte, die zur alten Zeit gehört. In der Gegenwart reden fast alle über die Koexistenz der Menschen. Jedoch die Behauptung vieler, dass die Koexistenz wichtig sei, finde ich, solange die Diskriminierung unangetastet und ungelöst bleibt, weiterhin als eine Art Gewaltakt. „... das Leben führen wie ein Gedicht“ ---------------------------------------- Mit einem Dichter zu sprechen, macht mich freudig. Präsident Lee Soo-O ist ein Naturwissenschaftler und zugleich ein Dichter, der bereits mehrere Gedichtsammlungen veröffentlichte, die viele Fans gewonnen haben. Bei einer Gelegenheit fragte ich ihn (17. Januar 2002): „In Ihrer Gedichtsammlung ‚Die große Erde des Lebens’ kommt es mir vor, als ob die Wissenschaft und das Gedicht freundschaftlich eine Blume zum Erblühen brächten. In welcher Beziehung stehen für Sie, Präsident Lee, das Gedicht und die Wissenschaft?“ Dr. Lee antwortete darauf: „Geschichtlich gesehen kam es nicht selten vor, dass ein Wissenschaftler zugleich ein Dichter war. Weil die Wissenschaftler mit ihrer Beobachtung der Dinge sehr scharfsinnig sind, können sie sich mit der Dichtkunst wahrscheinlich gut vereinigen. ... Ich schreibe die Gedichte nicht als Wissenschaftler, sondern im wahrsten Sinne des Wortes als ein Mensch. Ich glaube fest daran, dass alle Menschen ein ‚Gemüt, das Gedicht zu verstehen (Shi-Gokoro)’ besitzen. Der eine wird sein ‚Gemüt, das Gedicht zu schreiben (Shi-Gokoro)’ in seiner Handlung offenbaren, und ein anderer wird es mit einem kurzen Gedicht ausdrücken. ... Alle sind deswegen Dichter. Die Menschen haben unterschiedliche Erscheinungen; einer ist Wissenschaftler, ein anderer trägt einen Anzug und wieder ein anderer einen Kimono. Jedoch sind sie in ihrem Wesen gleiche Menschen. Allen Menschen wohnt das ‚Gemüt, sich mit dem Gedicht zu befassen (Shi-Gokoro)’ inne. Das natürliche Gefühl als Mensch, sowie die ungeschmückte natürliche Liebe, sie sind meines Erachtens das ‚Gemüt, zu dichten (Shi-Gokoro)’.“ Was das Thema über die Liebe angeht, erzählte seine Frau Huang Jae Sun**,** die unser Gespräch lächelnd verfolgte und die lange Jahre als Lehrerin für Koreanisch in der Mittelschule tätig war: „Während dieser 28 Jahre begegnete ich vielen Kindern, die verschiedene Probleme zu bekämpfen hatten. Auch passierte es häufig, dass ich den Schülern nachlief, die mit dem Lernen aufhörten und die Schule verließen. Aus dem Grund habe ich viel Paar Schuhe abgenutzt. Diese Schuhe sind aber zugleich meine Geschichte.“ Das war eine Geschichte, die ihre tiefe Liebe ausdrückte, dass sie die seelisch schwerverletzten Schüler fest in ihre Arme nahm und mitfühlend in ihr Herz schloss. Sie fuhr fort: „Es gab auch Zeiten, in denen der Unterricht im Klassenzimmer ständig gestört wurde und nicht wirklich zustande kam. In solcher Situation versuchte ich, zu Beginn des Unterrichts ein Gedicht vorzulesen. Dadurch beruhigten sich die Schüler mit der Zeit und wurden in die Lage versetzt, am Unterricht teilzunehmen.“ Kann jeder Mensch, wenn er dem Gedicht begegnet, denn doch zu seiner eigentlichen, sanftmütigen Menschlichkeit zurückkehren? Präsident Lee ist jemand, der großherzig ist wie ein „guter Monarch (Kunshi)“, ein Gefühl der Transparenz vermittelt und die Charaktereigenschaft der Reinheit besitzt. Eine seiner Gedichtsammlungen lautet „Eine dir gewidmete Liebesnachricht (sinngemäße Rückübersetzung)“. Im Vorwort schreibt er, dass er sein Leben führen möchte, wie ein Gedicht. Es lautet wie folgt: „Wie wunderbar und erfüllend, wenn man sein Leben so wie ein Gedicht führen könnte.“ Mit dem „Leben wie ein Gedicht“ meint er, dass es ein Leben ist, in dem man voller Kraft die Menschen liebt, die große Natur liebt, die Erhabenheit liebt und unentwegt immer weiter lebt, wie streng die realen Lebensumstände auch sein mögen. „Jetzt endlich habe ich eingesehen, dass das wichtigste Element in der Lebensführung die Liebe ist“ erklärte er mir offenherzig. Man lebt mit voller Kraft, indem man das Mitgefühl aus seinem ganzen Körper hervorruft, ohne dem Leben den Rücken zu kehren und ohne sich von den Mitmenschen zu entfernen, wie hässlich die Realität, die vor den Augen erscheint, auch sein mag und wiewohl man einmal und abermals verraten wurde. So müsste wohl das Leben wie ein Gedicht sein – wie seine Frau, die den Schülern aus Leibeskräften nachlief. Das Leben, aus dem die Liebe unerschöpflich hervorquillt, wird mit voller Gedichte erfüllt. In dieser Gedichtsammlung befindet sich ein Gedicht „Mein innigster Wunsch (sinngemäße Rückübersetzung)“, das beeindruckend ist: Du, die ich zutiefst liebe, Es ist mein innigster Wunsch. Laufe ihr bitte nicht nach, selbst wenn die Liebe sichtbar ist, Weil die unscheinbare Liebe größer ist. Denke bitte nicht, dass die Liebe nur Leiden zufügt, Denn je leidvoller die Liebe, umso reiner. Sage bitte nicht, dass die Liebe nur zu erdulden ist, Weil auch die Sterne am nächtlichen Firmament schwermütig schweben. Quäle dich bitte nicht, was die Liebe bedeutet, Denn sie ist nur dann zu begreifen, wenn die Zeit vergangen. > (sinngemäße Rückübersetzung) Hier ist ein Dichter zu erkennen, der vom Sternenhimmel erhellt, die große Liebe, die das Universum rollt, und das Geheimnis des menschlichen Lebens spürt. Den Horizont des von den Sternen schimmernden Nachthimmels kann man nicht erblicken. Wie man die Tiefe des Herzens nicht sehen kann, ist die Liebe auch nicht anzusehen; den Wind kann man nicht sehen, und das Glück kann man mit den Augen auch nicht sehen. Dennoch lebt man weiter, indem man etwas sieht, das unsichtbar ist, und daran glaubt, was unsichtbar ist. Das mag wohl das „Gemüt, zu dichten (Shi-Gokoro)“ sein; das mag ein Beweis dafür sein, ein Mensch zu sein, und es mag die Erziehung sein, die dieses Herz kultiviert. Präsident Lee Soo-O schreibt nieder: „Es gibt Zeiten, in denen man sich in eine grenzenlose Entzückung versetzen kann, wenn man nur eine Distel sieht. Zum anderen ist es auch möglich, dass man selbst in einem üppigen Luxusleben, obwohl sich eine Rose in unmittelbarer Nähe befindet, voller Kummer und Sorgen geplagt ist und dabei das Unglück fühlt. ... Das edle Glück liegt im Charakter jedes einzelnen Menschen. ... Gerade das Gewissen ist sowohl die Grundvoraussetzung für das Glück als auch der Brunnen, aus dem das Glück hervorquillt, und der Wächter des Glücks.“ Es ist das „Unkraut des Herzens“, das den Garten des Glücks, in dem die „Blumen des Herzens“ prächtig blühen, erosiv auswäscht. Was könnte unter den Japanern das einflussreichste Unkraut sein? Es ist womöglich der Nationalismus. „Die Selbstanbetung“ des Volks -------------------------------- Als ich Dr. Lee nach seinem Lieblingsdichter fragte, nannte er zuerst Han Ryong-un (1879-1944). Er ist auch als jemand wohl bekannt, der sich für die Reform des Buddhismus in Korea einsetzte. Er wurde bei der „Sam’il (1. März)-Volkserhebung und Proklamation der Unabhängigkeit“ im Jahr 1919 verhaftet, die in der ganzen Welt für großes Aufregen sorgte, und ihm wurde einseitig der Prozess gemacht. Als der Richter ihm allerlei Fragen stellte, antwortete er mit Schweigen. Der Richter fragte ihn: „Warum antwortest du nicht!“ Da brach er endlich das Schweigen, indem er sagte: „Warum hat die japanische Justiz das Recht, den Prozess zu führen, obwohl wir, das koreanische Volk, nur nach unserer eigenen Unabhängigkeit rufen!“ Im Großraum Changwon gab es bei dieser „Sam’il (1. März)-Volkserhebung und Proklamation der Unabhängigkeit“ viermal Aufstände. Dabei wurde jedes Mal die blutige Unterdrückung fortgesetzt. Die Polizei der japanischen Kolonialverwaltung, die den Anführer der Bewegung nach ihrer Festnahme brutal folterte und dadurch zum Tode führte, legte eine Kette auf sein Grab, um offensichtlich zu demonstrieren: „Deine Strafe ist noch nicht vorbei!“ „Der Garten des Herzens“ war zum Entsetzen grauenhaft verwüstet und verödet. Es gab weder Gedicht noch Liebe; es gab nicht einmal ein kleines Scheibchen davon. Wie können die Menschen zu ihren Mitmenschen derartig grausam und kaltblütig werden? Es war Rabindranath Tagore (1861-1941), der indische Dichter, der die Ursache der Krankheit untersuchte und uns darauf aufmerksam machte. Han Ryong-un, sagt man, las ebenfalls die Gedichte Tagores mit großer Vorliebe. Tagore erkannte eine Gefahr darin, dass Japan sein Nachbarland zur Kolonie machte, und warnte es davor. Warum? Weil die Kolonialisierung die Japaner als Menschen zum Verderben führte. Gerade aus dem Grund, weil Japan den japanisch-koreanischen Krieg gewann und als Herrscher triumphierte, machte es sich Japan selbst leicht, im Nachbarland Unrecht auszuüben, ohne dafür bestraft zu werden. Aufgrund seiner absoluten Machtstellung war es den Japanern törichterweise erlaubt, die Schwächeren zu schikanieren und zu plagen. Unter solchen Umständen können die Menschen nicht mehr als Menschen existieren! „Passen Sie auf! Selbst wenn Sie dächten, den Krieg gewonnen zu haben, hat Ihr Inneres bereits angefangen, zu verfaulen!“ Tagore sah, dass die meisten Japaner zu verrückten Gläubigen wurden, die zu „der neuen Religion“, dem Nationalismus, überwechselten. Wie können sie ansonsten derart grausam werden? Und wie können sie mit ihrem Gefühl gegenüber anderen Völkern so unempfindsam werden? Der Nationalismus ist eine Selbstanbetung des Volks und zugleich eine Vergötterung des Egoismus. „Die Japaner haben Vorrechte. Meckere nicht! Geht weg, wenn ihr uns nicht gehorchen wollt! Was aus euch wird, das interessiert uns gar nicht, ihr habt den Krieg verloren. Weil ihr schwächer wart, seid ihr selber schuld! Halt’s Maul!“ In einem Werk mahnt er, dass solche Menschen, die weder Mitgefühl noch moralische Verpflichtung besitzen und sich in Teile einer Maschine verwandeln, massenweise produziert werden, wenn sie durch diesen Fanatismus verdorben sind. (aus „Gesammelte Werke Tagores“, Band VIII, sinngemäße Rückübersetzung) Das Land, in dem der „Meister“ verneint wird ---------------------------------------------- Für Japan ist die Halbinsel Korea das Land, von dem die Japaner aus der koreanischen Kultur in vielen Bereichen lernen konnten und dem sie sehr viel zu verdanken haben; sie ist auch das Land des „Meisters der Kultur“. Zum Beispiel ist Dr. Lee Soo-O im Bereich der Zymo-Technologie (Hakko-Kogaku) spezialisiert. Der japanische Fachausdruck „Hakko (Zymologie)“ lautet auf Koreanisch „Sak“. Hierzu gibt es eine These, dass der japanische „Sake (Wein)“ etymologisch von diesem koreanischen „Sak“ abgeleitet wurde. Jedoch schon zu Beginn der Nara-Periode (710-794) begannen die Japaner, solche Ausdrücke vermehrt zu benutzen, die das Land ihres Meisters als barbarisches Land erniedrigten. Den Meister sowie den Einfluss der koreanischen Halbinsel zu verbergen, könnte möglicherweise dafür erforderlich gewesen sein, dass Japan sich als eine Nation zusammenschließen und selbständig werden konnte. Die Japaner haben sich aber, indem sie ihren Meister verneinten, so benommen, als ob sie alles von vorneherein gewusst hätten. Dieser Betrug verbog längere Zeit die geistige Natur der Japaner. Sie hätten längst erkennen müssen, dass sie sich selbst verachten, wenn sie ihren eigenen Meister verachten, von dem sie lernten. Korea ist ein Land, in dem der Meister sehr geschätzt wird. Die Koreaner legten den 15. Mai als Tag des Meisters fest, an dem heute noch alljährlich gefeiert wird, sodass die Menschen in Korea ihren Lehrern gegenüber ihre Dankbarkeit erweisen. Am diesjährigen „Tag des Meisters“ wurde Dr. Lee Soo-O, Präsident der Changwon National Universität, wegen seines herausragenden Beitrags für die Erziehung mit einer besonderen Verdienstmedaille ausgezeichnet. Unter vielen amtierenden Präsidenten der Universitäten im ganzen Land war er der einzige Empfänger dieser Medaille. Ihre Verleihung wurde wie folgt begründet: „Präsident Lee ist ein Mensch, der während seiner 23jährigen Lehrertätigkeit das korrekte Bild des Meisters fest etabliert hat.“ Die Medaille war zugleich ein großer prachtvoller Blumenkranz, der seinem Leben voller Liebe – und hervorquellendem Gemüt, zu dichten – gewidmet wurde. (aus „Seikyo Shimbun“ vom 25. Mai 2002)