Essay Nr. 18 ------------- „Reise um den Globus – meine Heimat ist die Welt“ ================================================== von SGI-Präsident Ikeda ======================== **Kuba – die Sonne geht wieder auf! ** „Wie war es in Kuba?“ Wäre ich so gefragt worden, dann möchte ich antworten: „Es war schön.“ Was war schön? Die Menschen. „Das Haupt zu erheben, ist weitaus schöner als es hängen zu lassen. Weitaus schöner sind die Menschen, die ihrem Leben ohne Resignation entgegentreten, als solche Menschen, die von Schicksalsschlägen besiegt auf dem Boden liegen.“ (José Martí, 1853-95; der Ursprung der kubanischen Revolution) Die Anziehungskraft, die Kuba für mich innehat, ist vor allem die stolze Lebensweise der Menschen in diesem Land und mehr als das Blau des karibischen Meeres und die Altstadt, in der viele Villen nach spanischem Stil Seite an Seite stehen. „Schaffen wir eine Republik der Menschenliebe! Ein Land, das allen armen Menschen innerhalb und außerhalb des Landes dient, ungeachtet aller möglichen Verfolgungen!“ Ohne das Banner dieser Ideale einzuholen, haben sie seit der Revolution (1959) unzählige Hindernisse überwunden. Ich besuchte sie im Jahr 1996. Auch um diese Zeit waren sie mit der „größten Krise der Postrevolution“ konfrontiert. Durch den Zusammensturz der Sowjetunion fünf Jahre zuvor verschwand die von ihr geleistete immense Unterstützung. Ebenso verschwand die sozialistische Zone in Osteuropa, mit der Kubas In- und Exporthandel bis zu diesem Zeitpunkt 75 % betrug. Die Wirtschaft Kubas fiel in die tiefste Tiefe. Die wirtschaftliche Wachstumsrate lag bei Minus 70 %. Das Land befand sich in einer Krise des Zusammenbruchs. Überdies wurde das seit langen Jahren von vielen Ländern ausgeübte Wirtschaftsembargo ausgerechnet zu der Zeit umso mehr verschärft. Es herrschte extremer Mangel an Material und an kalorienreichen Nährstoffen, und es gab permanent Stromausfälle und es fehlte auch an Benzin für die Autos. „Just diesmal geht es mit Kuba zu Ende.“ Es gab viele Menschen, die zynisch lachten. Ich entschied: „Lasst uns gerade jetzt nach Kuba gehen!“ Ich begab mich zum Palast der Revolution. Fidel Castro Ruz (geb. 1927), der Vorsitzende des Staatsrates, empfing mich zu meiner Überraschung im Anzug, was die meisten zum ersten Mal sahen. „Denn in der gewohnten Kleidung (Militäruniform) wird schwer verstanden, dass ich für den Frieden kämpfe! Ich habe mich passend gekleidet, um einen Pazifisten zu empfangen.“ Aus seinem 188 Zentimeter großen Körper trat seine menschliche Natur wie überschäumend hervor. Seine Krawatte war blau mit weißen Streifen. Während ich Kulturminister Armando Hart Dávalos, der neben ihm stand, ansah: „Uuh..., mir gedenkt, der Kulturminister scheint einen besseren Geschmack für Krawatten zu haben!“ Der Vorsitzende und der Kulturminister brachen in Lachen aus. Die kubanischen Kameraleute lachten auch mit. In der Umgebung des Vorsitzenden herrschte eine Atmosphäre, die der einer Familie gleicht. „Von Krawatten habe ich wenig Ahnung.“ Zu dem Vorsitzenden, der sich genierte, sagte ich: „Das ist gut so. Dass Sie aber das Volk gut kennen, ist großartig.“ Ich fuhr fort, indem ich ihm in die Augen schaute: „Sie haben konsequent gekämpft.“ Seit der Zeit, als er im Alter von 32 Jahren die Diktatur von Fulgeneio Batista bezwungen hatte, waren bis zu dem Zeitpunkt bereits 37 Jahre vergangen. Er setzte seine Arbeit Tag und Nacht unbeugsam und beharrlich fort. Einerseits gelang ihm in seinem Lande, die medizinische Behandlung kostenlos durchzuführen und den Analphabetismus aus der Welt zu schaffen, und andererseits widersprach er jeglicher Hegemonie der Nationen, dem grausamen Marktwirtschaftsprinzip, das die Schwachen tötet, und dem Wettbewerb der Waffenexporte, indem er an alle lautstark appellierte: „Für die Entwicklungsländer ist die Hungersnot der eigentliche Gegner, der zum Fall gebracht werden muss. Wozu nutzt es, an solche Länder Waffen zu verkaufen!“ Angriffe, die während dieser Zeit pausenlos andauerten, Intrigen, Beschimpfungen: Allein die Mordanschläge, die selbst auf den Vorsitzenden abzielten, sind unzählig. Nichtsdestotrotz lebte er mit stählerner Stärke: „Selbst wenn ich tausend Male getötet werden sollte, gebe ich meine Überzeugung niemals auf!“ Selbstverständlich gab es Projekte, die misslangen. Dennoch fand sich keine Korruption. Selbst diejenigen, die seiner Politik widersprechen, sagen offen: „Seine Aufrichtigkeit müssen wir anerkennen.“ Eines Tages, als der Vorsitzende eine Kinderstation des Krankenhauses besuchte, begab er sich vor allen anderen zu einem schwersterkrankten Kind. Die anderen Kinder, die den Vorsitzenden aus seinem Zimmer herauskommen sahen, waren erschrocken. Seine Augen waren voll von Tränen. Das ist eine wahre Geschichte, die ich von der Familie eines Kindes, das diese Szene in unmittelbarer Nähe beobachtete, erfuhr. José Martí sagte: „Sanftmut ist die Blüte der Kraft.“ Gerade weil man stark ist, kann die Blüte der Sanftmut womöglich aus dem Herzen hervorquellen. Ich bin ein Buddhist und weder gegen Amerika noch gegen Kuba. Sobald die Grundgedanken für den „Frieden“ übereinstimmen, sollten wir versuchen, über alle unterschiedlichen Positionen hinweg die Möglichkeit des Dialogs zu erforschen. Das ist mein fester Glaube. Der Vorsitzende und ich stimmten in der Überzeugung, dass Nuklearwaffen absolut nicht nötig sind, völlig überein. Obwohl die Wirtschaftsreform Kubas zum Gesprächsthema wurde, zeigte der Vorsitzende seine Zuversicht, sie zu bemeistern, indem er sagte: „Ich bin ein Optimist.“ In der Tat war Kuba um diese Zeit im Begriff, aus der tiefsten Tiefe herauszukommen. Ein Kubaner sagte mir wie folgt: „Bis zu dem Zeitpunkt hatte ich noch das Gefühl, mich auf andere zu stützen. Wenn man anfängt, sich auf andere zu stützen, hören in dem Augenblick sowohl Weisheit als auch Kraft auf. Aber plötzlich gibt es keine Unterstützung mehr. Nun, was muss Kuba fortan machen? Nichts bleibt uns dann übrig, als unseren Gedankengang zu ändern. Erst dann fing die uns verborgene Kraft zum ersten Mal an, hervorzutreten!“ Es gibt nicht genügend Nahrung – inmitten der Großstädte fing man mit der biologischen Landwirtschaft an. Die Biotechnologie, auf die sie der Welt gegenüber stolz sind, wurde auch angewendet. Es gibt nicht genügend Strom – medizinische Behandlung und andere primär notwendige Stellen wurden bevorzugt. Windkraft, Wasserkraft, Sonnenenergie und weiter Zuckerrohr wurden zur Stromgewinnung eingesetzt. Es gibt nicht genügend Benzin – man fuhr möglichst wenig Auto, importierte eine Menge Fahrräder aus China und fing an, sie auch im eigenen Land herzustellen und eigene Ölfelder zu entwickeln. Sie waren ein zähes Volk. „Das ändert sich sowieso nicht“, „Das ist unmöglich“ oder „Das ist nicht zu machen“ – solche fatalistischen Anschauungen waren hier nicht zu finden. Warf ich einen Blick auf die Gassen, so sah ich die Menschen, die, obwohl sie in der Reihe der Güterverteilung standen, von der Musik begleitet heiter tanzten. Es war Kuba, in dem die Menschen selbst mitten im kümmerlichen Leben 20.000 strahlengeschädigte Kinder aus Tschernobyl zur Behandlung holten. Auch in Kuba sind unsere Mitglieder aktiv. In Havanna sprach ich zu den Vertretern: „Der feste Wille derjenigen, die alle Kräfte aufbieten, wird unbedingt erhört. Am Tag, Morgen genannt, geht die Sonne absolut auf!“ Seit der Zeit sind acht Jahre vergangen. Kuba, das die Krise überwand, wird jetzt von der ganzen Welt auf einmal als „ökologisch fortgeschrittener Staat“ beachtet. „Der Weg, die menschliche Welt zu schaffen, ohne die Natur zu zerstören, liegt einzig und allein in der ‚gerechten Verteilung von Gütern und im spirituellen Reichtum’. Aber jetzt beschreitet die Welt den genau verkehrten Weg.“ Wie sich der Vorsitzende hiermit ausdrückte, gibt es Wissenschaftler, die in Kuba ein anderes Modell als Massenkonsumzivilisation ansehen und wertschätzen. Kuba ist nun im Begriff, wunderbarerweise Minus in Plus zu verwandeln. Im Zentrum der Stadt Havanna: An jedem Tag bestieg ich den José Martí Gedenkturm, konnte die ganze Stadt auf einen Blick sehen. In der Ferne glänzte das Meer. Die Wolken leuchteten imponierend. Die Atmosphäre der Stadt erstrahlte. Das erinnerte mich an die Ermutigung José Martís, die „Stütze dich nicht auf andere!“ heißt: „Selbst wenn der ganze Himmel von Wolken bedeckt wird, ist die Sonne feierlich da. Unabhängig davon, an welch schwierigen Orten man sich auch immer befinden mag, erstrahlt die Sonne zweifelsohne dort, wo du unerschrocken aufstehst!“ (aus „Seikyo Shimbun“ vom 8. Februar 2004)